Die finanziellen Schwierigkeiten nahmen im Jahr 2003 weiter zu – Frau Gramkow hat schon darauf hingewiesen – und derzeit haben die Haushalte aller Kreise und kreisfreien Städte einen Fehlbetrag von 143 Millionen Euro. Der kreisangehörige Raum lässt sich derzeit noch nicht ganz erfassen, aber die Daten bekommen wir demnächst auch. Die Tendenz ist leider steigend. Und wie gesagt, wo wir am Ende des Jahres stehen, müssen wir abwarten, denn der kreisangehörige Raum kommt noch hinzu.
Wir sprechen über das Jahr 2003, meine Damen und Herren, also über das Jahr, in dem die Mindestfinanzaus
stattung des kommunalen Finanzausgleiches in Höhe von 1,27 Milliarden Euro gilt. Trotz der Garantie für dieses Jahr ist diese negative Entwicklung eingetreten. Ich sage das deshalb, weil der Schlüssel für die Konsolidierung der Kommunalfinanzen in Berlin liegt. Ich weise noch mal darauf hin und wir müssen parteiübergreifend darauf hinwirken, dass in Berlin die richtigen Entscheidungen für die Konsolidierung der Kommunalfinanzen getroffen werden. Berlin ging von einem realen Wirtschaftswachstum für 2001 und 2002 von jeweils ungefähr zwei Prozent aus. Mit dieser Annahme wurden unter anderem die Erhöhung der Gewerbesteuerumlage und die Absenkung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer begründet. Heute wissen wir, dass die Wirtschaft diese Dynamik nicht entfaltet hat.
Die derzeitige Entwicklung führt außerdem auch dazu, dass für Investitionsvorhaben zunehmend auf Kreditverschuldung zurückgegriffen werden muss, das hat Frau Gramkow auch schon erwähnt, der Kreditrahmen ist jetzt weitgehend ausgeschöpft. Die Investitionstätigkeit nimmt spürbar und auch sichtbar für die Bürger ab, und zwar auch deshalb, weil die Verwaltungen für die Kommunen mehr Kosten verursachen als in anderen Ländern. Das müssen wir selber regeln.
Meine Damen und Herren, der Antrag der Koalitionsfraktionen wird von der Landesregierung voll und ganz unterstützt. Wir müssen alle Kraft daransetzen, dass die Reform in Berlin kommt, und zwar so, dass die Kommunen nachhaltig für lange Zeit, und zwar in guten wie in schlechten Zeiten, ihren Aufgaben nachgehen können, denn hier auf kommunaler Ebene spüren Bürgerinnen und Bürger zuerst, ob Demokratie vor Ort mit Leben erfüllt werden kann, auch gerade in den Vertretungen, oder nicht. Vor dieser Frage steht derzeit die Bundesgesetzgebung.
Herr Minister, Sie haben die Situation 2003 geschildert und gesagt, es wird noch schlimmer 2004 wegen der Absenkung der Mindestfinanzgarantie. Meine Frage lautet: Wären Sie bereit, mit mir zusammen den gesamten Haushalt, so, wie er jetzt vorliegt, zu durchflöhen, um festzustellen, ob wir 60 Millionen zustande bekommen und damit den Kommunen das geben, was Sie ihnen mal versprochen haben?
Ich sage dazu zwei Sachen, Herr Dr. Jäger: Erstens habe ich gesagt, dass die Situation in 2004 schlimmer werden kann, wenn die Reformen auf Bundesebene stecken bleiben.
Und der zweite Punkt ist der: Der Haushalt liegt im Innenausschuss zur Beratung. Ich bin sehr gespannt auf Ihre Vorschläge. Wir werden sie konstruktiv beraten.
Herr Minister, teilen Sie meine Auffassung, dass nicht allein der Innenausschuss über alle Einzelpläne hinweg solche Einsparungsvorschriften und Einsparungsmöglichkeiten des Gesamthaushaltes machen kann? Und wären Sie, um das noch einmal zu fragen, bereit, mit mir zusammen durch alle Haushalte zu gehen und zu gucken, wo wir das Geld zusammenbringen, um die Kommunen auszustatten?
(Angelika Gramkow, PDS: Herr Dr. Jäger, ich erwarte Sie gerne im Finanzausschuss. – Zuruf von Gabriele Schulz, PDS)
Ich bin bereit, Ihre Vorschläge ernsthaft zu prüfen, aber dazu müssen sie auf dem Tisch liegen. Sie liegen aber nicht auf dem Tisch.
Habe ich Sie jetzt richtig verstanden, dass Sie nur auf Vorschläge der Opposition warten, damit Sie den Kommunen das geben können, was ihnen zusteht?
Nein, Herr Dr. Jäger. Aber ich habe auch schon an anderer Stelle gesagt, dass es Vorschläge der Opposition geben muss, damit man überhaupt etwas beraten kann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Getreu dem Motto „Erfolge in der Außenpolitik lenken vom eigenen Versagen in der Innenpolitik ab“ wird hier ein Entschließungsantrag von PDS und SPD zur Gemeindefinanzreform vorgelegt, der eigentlich – und die Beantwortung der Fragen vom Kollegen Dr. Jäger durch den Innenminister Herrn Timm hat das deutlich gemacht – vom eigenen Versagen bei der kommunalen Finanzausstattung im Lande MecklenburgVorpommern ablenkt.
Meine Damen und Herren, Sie haben vor einem Jahr unter Ziffer 222 der Koalitionsvereinbarung als Koalitionspartner ausdrücklich ein Bekenntnis zur Fortgeltung der kommunalen Mindestfinanzausstattung vereinbart.
Wir hatten bereits im April diesen Jahres ein Sofortprogramm – es hat einen bundespolitischen und einen lan
despolitischen Teil – hier vorgelegt. Und damals meinte der Kollege Müller, das sei alles oberflächlich, das sei absolut plakativ.
Meine Damen und Herren, ich will nur noch einmal kurz in Erinnerung rufen, was wir hier am 10. April zur Abstimmung gestellt haben. Sie sind dagegen gewesen. Ich nehme nur den bundespolitischen Teil:
Erstens. Die Gewerbesteuerumlage muss umgehend auf das Niveau vor der Steuerreform 2000 zurückgenommen werden.
Zweitens. Den Kommunen müssen direkt die Investitionszuweisungen des Bundes zur Verfügung gestellt werden.
Drittens. Die Mehrbelastungen der Kommunen durch das Grundsicherungsgesetz müssen in voller Höhe erstattet werden.
und zwar ohne auf die Belastungen der Kommunen zu gucken. Oder: Das Konnexitätsprinzip muss ins Grundgesetz aufgenommen werden. Alles unkonkret, Herr Minister Timm.
Aber noch dramatischer, muss ich Ihnen sagen, sehe ich Ihre Einlassung in Ihrer Rede vom 10. April diesen Jahres, Zitat: „Wir“ – Mecklenburg-Vorpommern – „sind das einzige Bundesland in Deutschland, … das den Finanzausgleich hält und ihn nicht absenkt.“
Und weiter: „Das heißt mit anderen Worten, wir haben 2003 gegenüber dem vereinbarten Gleichmäßigkeitsgrundsatz zusätzlich 122 Millionen Euro im Finanzausgleich und 2004 gegenüber dem vereinbarten Gleichmäßigkeitsgrundsatz 108 Millionen Euro im Finanzausgleich wegen der Mindestgarantie.“ Und jetzt kommt’s: „Dazu stehen wir und das halten wir auch für richtig.“
Herr Minister Timm, nach meiner Kenntnis nennt man wissentliche Falschdarstellungen im Volksmund Lüge.