Protokoll der Sitzung vom 13.11.2003

In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch einmal die Unschuldsvermutung betonen, die in solchen Debatten sehr gerne vergessen wird. Die grundlegende Bewertung unseres Rechtsstaates sehen wir durch die von Ihnen geforderte pauschale Ausweitung der DNAAnalyse und die undifferenzierte Abschaffung aller Sicherungen gefährdet. Aus diesem Grunde werden wir den Antrag ablehnen. Wir sind, muss ich dazusagen, in der Tat nicht weit auseinander, aber verfassungsrechtliche Grundsätze sind nun einmal zu beachten und die sind hier in dem vorliegenden Antrag nicht ausreichend berücksichtigt worden. – Danke.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Rainer Prachtl, CDU: Na, wir werden noch gu- cken! Wir kommen noch zueinander, passen Sie mal auf! – Heiterkeit bei Dr. Ulrich Born, CDU)

Danke schön, Herr Krumbholz.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Born von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Verlauf der bisherigen Debatte bringt mich dazu, die vorbereitete Rede zur Seite zu legen und auf einiges, was hier geäußert wurde, unmittelbar einzugehen. Zunächst einmal, Herr Justizminister und Herr Kollege Krumbholz, bedanke ich mich ausdrücklich namens meiner Fraktion für die sehr sachorientierten Ausführungen, die Sie gemacht haben.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Ich denke, es ist sehr deutlich geworden an Ihren Beiträgen, die nahtlos anknüpfen an das, was Kollege Ankermann zur Begründung des Antrags hier gesagt hat,

(Heinz Müller, SPD: Das war auch sehr sachlich.)

dass wir ein sehr ernst zu nehmendes Problem zum Gegenstand der heutigen Debatte gemacht haben und dass man ein solches Problem auch nur so diskutieren kann, wie Sie es eben dargestellt haben. Es hilft nämlich überhaupt nichts, wenn man hier Ängste verstärkt, die in der Tat vorhanden sind in der Bevölkerung aufgrund eines ganz eklatanten Informationsdefizits bei einigen in der Bevölkerung.

Aber, Herr Kollege Neumann, so sehr ich Ihnen gerne bestätige, dass Sie sich sonst bemühen, sehr abgewogen zu argumentieren, Sie wissen es besser als diejenigen, die unbegründet Furcht haben. Der Herr Minister hat darauf hingewiesen, Sie waren mit dem Rechtsausschuss und dem Justizminister in Rostock, im Medizinischen Institut.

(Karsten Neumann, PDS: Eben.)

Sie wissen genau, dass all das, was Sie hier dargestellt haben, ein Horrorszenario ist, was Gott sei Dank mit den Möglichkeiten, die kriminalistisch hier von allen verantwortlichen Kräften gefordert werden, gar nicht Wirklichkeit werden können.

(Karsten Neumann, PDS: Noch nicht! Noch nicht! Noch nicht!)

Sie wissen ganz genau, dass man massivste kriminelle Energie aufbringen muss, eine viel, viel höhere als die kriminelle Energie, die erforderlich wäre, um eine Blutprobe zweckfremd zu verwenden, dass nur diese Energie es ermöglichen würde, in einem Einzelfall einen Missbrauch zu betreiben. Aber da die entscheidenden Daten gar nicht gespeichert sind, das hat der Minister Ihnen vorgetragen,

(Karsten Neumann, PDS: Das habe ich auch nicht behauptet, Herr Kollege Born! Das habe ich nicht behauptet!)

wissen Sie ganz genau, Herr Kollege Neumann, dass Sie hier ein für die Strafverfolgung entscheidendes Instrumentarium, das Opfer und Unschuldige schützt – und das muss in erster Linie das Ziel sein –

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)

und der Unschuldsvermutung Rechnung trägt, der Unschuldsvermutung in vollem Umfange Rechnung trägt, dass Sie ein solches Instrumentarium hier geradezu verteufeln.

Ich zitiere jetzt einmal aus der Amtlichen Dokumentation der Landesregierung zum Thema DNA-Analyse, um es auch noch einmal allen, die nicht mit der Materie so im Einzelnen vertraut sind, deutlich zu machen. Der Minister ist in seiner Rede darauf eingegangen, um was es wirklich geht. Da heißt es: „Die Grundlagen der DNA-Analyse, die Erstellung eines so genannten genetischen Fingerabdrucks, wurde in Deutschland 1990 bundesweit in die forensische Praxis eingeführt. Sie hat sich als ein unverzichtbares, treffsicheres und hoch zuverlässiges Mittel zur Aufklärung und Verhinderung von Straftaten erwiesen, insbesondere seitdem im April 1989 beim BKA eine DNAAnalyse-Datei eingerichtet wurde. Nicht zu Unrecht wird die DNA-Analyse als Meilenstein in der Kriminalistik bezeichnet. Im Rahmen der DNA-Analyse wird der so genannte nicht kodierte Teil der DNA, DNS, Desoxyribonukleinsäure – üblicherweise DNA, A für Azid –, untersucht. Es handelt sich um den Teil, der keine Erbanlagen wie zum Beispiel Aussehen, körperliche Eigenschaften oder Anlagen für bestimmte Krankheiten enthält. Das jeweils festgestellte DNA-Profil ist mit der Einzigartigkeit eines Fingerabdrucks vergleichbar. Während beim Fingerabdruck die Linienmuster der Fingerkuppen verglichen werden, sind es beim DNA-Profil die unverwechselbaren Eigenschaften der Erbmasse. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine über die DNA-Analyse identifizierte Person Verursacher einer Spur beziehungsweise Täter war, beträgt 1:950.000.000. Unter mindestens 915.000.000 Menschen befindet sich also kein Zweiter mit den durch eine DNAAnalyse festgestellten Merkmalen.“ Und dann wird hier noch einmal darauf hingewiesen, wie das technisch umgesetzt wird, wie minimal die Eingriffe sind im Vergleich zu anderen Untersuchungsmethoden, die seit Jahrzehnten gang und gäbe sind. Darauf hat Kollege Ankermann hingewiesen. Und dann heißt es abschließend, so weit dann das Zitat: „Um dies zu erreichen, wurde auch die Technik im Landeskriminalamt, LKA, kontinuierlich ausgebaut. Das dortige Labor verfügt mittlerweile über vier DNA-Sequenzer, die dazu dienen, den Auswertungsprozess zu automatisieren. Mit der Auswertung von DNASpuren ist im LKA hoch qualifiziertes Personal, zwei Wissenschaftler und vier technische Assistentinnen, beschäf

tigt. Insgesamt werden in diesem Jahr über 400.000 Euro an Haushaltsmitteln allein für den Bereich der DNA-Analyse eingesetzt.“

Und, meine Damen und Herren, damit nur noch einmal deutlich wird, dass wir hier nicht einfach ein theoretisches Problem aufwerfen, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass gerade der Fall, der die Öffentlichkeit vor Wochen und Tagen zu Recht massiv beunruhigt hat, nur mit Hilfe der DNA-Analyse überhaupt hat geklärt werden können und dass dadurch verhindert wurde – Herr Kollege Neumann, das ist ganz konkret –, dass dieser Schwerverbrecher als solcher Verdächtige weitere schlimmste Straftaten begehen kann.

(Karsten Neumann, PDS: Ja, aber das ist doch die Rechtslage.)

Es handelt sich nämlich hier um denjenigen Tatverdächtigen, der schwerste Sexualtaten begangen haben soll, so lautet der Vorwurf. Er konnte nur mit Hilfe von von ihm zurückgelassenen Spuren am Tatort überführt werden. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage Ihnen, erklären Sie das mal Opfern von Straftaten – darauf hat der Justizminister zu Recht hingewiesen –, nicht nur von Gewaltverbrechen, sondern auch von so genannten Eigentumsdelikten, wenn jemand erleben muss, wie seine Wohnung verwüstet wird, wie er um sein Hab und Gut bestohlen wird. Erklären Sie ihm mal, warum Sie leicht aufzufindende erkennungsdienstliche Möglichkeiten nicht nutzen. Was hat das mit Persönlichkeitsrechten zu tun,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: So ist es.)

wenn man Spuren, die da sind, nicht sichern kann, Spuren, die am Tatort eindeutig hinterlassen werden? Selbstverständlich darf man Fotografien nutzen. Selbstverständlich kann man alle möglichen anderen Beweise sichern. Aber das, was sicherstellt, dass ein Unschuldiger ausgeschlossen werden kann als Täter,

(Karsten Neumann, PDS: Das ist doch auch schon Rechtslage!)

das wollen Sie nicht sichern wollen am Tatort?

(Karsten Neumann, PDS: Das ist doch schon Rechtslage!)

Nein, Sie brauchen,...

Ach, Sie wissen es doch ganz genau.

(Karsten Neumann, PDS: Natürlich, auf freiwilliger Basis kann jeder.)

Soll ich es Ihnen vorlesen aus der Strafprozessordnung, wann ein Richtervorbehalt erforderlich ist?

(Karsten Neumann, PDS: Ja, lesen Sie es mal vor!)

Sie wissen, verehrter Herr Kollege Neumann,...

(Karsten Neumann, PDS: Auf freiwilliger Basis ist Richtervorbehalt nicht erforderlich.)

Verehrter Herr Kollege Neumann,...

(Zurufe von Holger Friedrich, SPD, Lorenz Caffier, CDU, Wolfgang Riemann, CDU, und Torsten Koplin, PDS)

Meine Damen und Herren, bitte, es ist noch ausreichend Redezeit vorhanden. Ich bitte jetzt, Herrn Dr. Born zuzuhören.

Verehrter Herr Kollege Neumann, das sind doch Maßnahmen, die hier gefordert sind von der Strafprozessordnung, die in der Praxis nicht funktionieren. Beim Fingerabdruck müssen Sie nicht erst zu einem überlasteten Richter laufen und dem erläutern, warum Sie einen Fingerabdruck nehmen wollen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: So ist das.)

Aber wenn Sie ein Stückchen Spur von DNA finden, dann müssen Sie sich erst eine richterliche Genehmigung dafür holen. Nein, meine Damen und Herren, es geht wirklich darum, dass wir hier etwas tun, was für Opfer und für Unschuldige notwendig ist. Täter, die tatsächlich Täter sind, bedürfen hier keines Schutzes. Das sage ich ganz deutlich.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Genau so. – Zuruf von Karsten Neumann, PDS)

Jeder in unserem Rechtsstaat gilt solange als unschuldig, bis seine Schuld durch ein Gericht festgestellt ist. Das ändert auch überhaupt nichts an der Vorgehensweise, wie wir sie hier beantragen.

Um jetzt wirklich dem Rechnung zu tragen, was der Justizminister gesagt hat, ich denke, das muss in so einer Debatte auch möglich sein: Herr Minister, Sie haben gesagt, hier gibt es ein gewisses Ritual, für das Sie Verständnis haben. Sie sagen, die Opposition fordert mich zu etwas auf, was ich längst tue im Bundesrat. Ich gebe zu, das ist nicht ganz einfach für eine Regierungskoalition, wenn auch nur der Eindruck entstehen könnte, dass Sie hier nicht Ihrer mit Nachdruck vertretenen Auffassungen durch entsprechendes Handeln nachkommen, dann könnten Sie sagen, also wenn ihr mich dazu auffordert, ich habe mich hier so eindeutig bekannt, in einem absoluten Gegensatz zu dem, was der Kollege Neumann hier vorgetragen hat, dass eine solche Aufforderung bedeuten würde, dass ihr mir unterstellt, ich handele nicht so, wie ich hier im Landtag rede. Herr Minister, es liegt uns fern, einem solchen Eindruck Vorschub zu leisten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Und deshalb sage ich Ihnen, es ist auch für eine Opposition nicht so ganz einfach, ausdrücklich zu erklären, dass man den Minister in einer bestimmten Vorgehensweise unterstützt. Es ist aber in diesem Landtag üblich, dass die Regierungskoalition immer wieder Anträge stellt, so auch erst vor vier Wochen, dass der Landtag ausdrücklich die Regierung in ihrem Handeln unterstützt. Und ich denke, es ist notwendig, dass ein Minister weiß, er hat den Rückhalt des Landtages, wenn es darum geht, eine notwendige Maßnahme auch politisch in den Gremien durchzusetzen, in denen er Verantwortung trägt, nämlich auch im Bundesrat. Und deshalb stelle ich jetzt für die CDU-Fraktion folgenden Änderungsantrag. Satz 1 unseres Antrags wird wie folgt geändert: „Der Landtag unterstützt die Bemühungen der Landesregierung im Bundesrat, die DNA-Identitätenfeststellung als weitere erkennungsdienstliche Maßnahme wie den Fingerabdruck zu behandeln.“

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Im Übrigen bleibt der Antrag so, wie er eingebracht ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn es Ihnen ernst ist mit dem, was der Minister hier als notwen

dig dargestellt hat – er hat ausdrücklich erklärt, es kann nicht sein, dass wir nur Schwerstverbrechen mit Hilfe von DNA-Analysen aufklären können, sondern unsere Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf, dass die Strafverfolgungsbehörden im Rahmen der rechtsstaatlichen Vorgaben die Mittel einsetzen, die möglich sind, um Straftaten aufzuklären –,

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)