Stichwort Willkür. Die Rentenanpassung wird einfach ausgesetzt. Es wird der volle Beitrag zur Pflegeversicherung erhoben. Aber die Diskussion im Deutschen Bundestag hat gezeigt, dass dies nicht aus systematischen Überlegungen heraus getan wurde, sondern nur, um am Ende Geld in die Kassen zu pumpen.
Vor wenigen Wochen haben die Regierungsparteien auf Bundesebene im Haushaltsbegleitgesetz die Kürzung der Rentenzuschüsse um 2 Milliarden Euro beschlossen. Jetzt wurde diese Kürzung rückgängig gemacht. Ein Gesetz ist noch nicht einmal richtig in Kraft getreten, da wird es schon wieder zurückgenommen. Meine Damen und Herren, da sollen die Bürger noch Vertrauen zur Politik haben? Ein deutlich spürbarer Vertrauensverlust wird doch gerade durch eine solche unstetige und beliebige Rentenpolitik ausgelöst. Man kann in diesem Zusammenhang auch von einer chaotischen und konfusen Politik auf Kosten der Bürger sprechen.
Stichwort Verschleierung. Wer die Menschen über die Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf die Rentenhöhe im Unklaren lässt, der darf sich am Ende nicht wundern, dass die Bereitschaft, privat oder betrieblich vorzusorgen, derart unausgeprägt ist, wie es im Moment der Fall ist.
Zum demographischen Faktor. 1998 von den Regierungsparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen noch als unanständig verdammt, sagt der Kanzler nun, die Zurücknahme war ein Fehler. So ehrenhaft es ist, endlich einmal einen Fehler zuzugestehen, dieser Fehler hat uns fünf Jahre gekostet. Die Menschen in diesem Land haben dadurch viel Geld und noch mehr Vertrauen verloren. Die rot-grünen Koalitionäre in Berlin haben es zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland geschafft, dass es reale Rentenkürzungen geben wird. Unter Berücksichtigung der Nullrunde und dem ab April 2004 zu entrichtenden Pflegebeitrag in Höhe von 1,7 Prozent wird die Rente monatlich durchschnittlich 7 Euro geringer ausfallen. Legt man zugrunde, dass in Mecklenburg-Vorpommern 16,9 Prozent aller Einwohner 65 Jahre und älter sind, verliert unser Bundesland circa 2 Millionen Euro monatlich. Damit geht Mecklenburg-Vorpommern eine nicht unerhebliche Kaufkraft verloren.
Spätestens jetzt, meine Damen und Herren von der SPD und PDS, sollten Sie nachdenklich werden und die Notwendigkeit unseres Antrages sehen, denn es trifft uns schon als ärmstes Bundesland, wenn die Kaufkraft unserer Rentner weiter sinkt und wir zudem weniger Rentner als Urlauber in unserem Bundesland begrüßen können. Ich denke noch an die Debatte in diesem Haus zum Thema „Gesundheitsland Mecklenburg-Vorpommern“. Damals haben Sie von SPD und PDS noch ausführlich dargelegt, wie wichtig Mecklenburg-Vorpommern als Tourismus- und Gesundheitsland für die Menschen ist. Das beschlossene Notprogramm kann uns nicht aus der Rentenkrise retten. Wir brauchen schlüssige Konzepte und keine ständigen Notoperationen.
Werte Abgeordnete, die deutsche Rentenversicherung hat eine lange, wechselvolle Geschichte. Die moderne Rentenversicherung ist im Jahre 1957 Lohn bezogen und dynamisch geschaffen worden. Das heißt, die Rente stellt kein Almosen dar, sondern ist die Gegenleistung im Alter für eine lebenslange Arbeitsleistung. Die Rentner haben durch die von der CDU 1957 geschaffene umlagenfinanzierte Versicherung die Garantie, dass sie an der allgemeinen Einkommensentwicklung teilnehmen. Die deutsche Rentenversicherung hat viele Umwälzungen und manche Krisen überstanden. Ich erinnere daran, dass Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen in die Rentenversicherung aufgenommen wurden
und deren Lebensabend somit abgesichert wurde. Ich erinnere daran, dass Altersarmut in Deutschland weitgehend überwunden ist. Etwa 1,5 Prozent der älteren Bevölkerung sind auf Sozialhilfe angewiesen. Das ist nicht einmal die Hälfte derjenigen aus der aktiven Bevölkerung, die Sozialhilfe erhalten. Viele Inflationen und Wirtschaftskrisen sind überwunden worden. Das zeigt, wie leistungsfähig und robust dieses System ist. Nur die falsche Bundespolitik hat zum ersten Mal dazu beigetragen, dass die Rentenfinanzen total zerrüttet sind und dass das Vertrauen der Menschen in die Rentenversicherung zerstört worden ist.
Meine Damen und Herren, in seiner Rede im Deutschen Bundestag stellte Horst Seehofer einige Punkte dar, die notwendig sind, um aus der ständigen Flickschusterei herauszukommen. Deshalb forderte er:
Das Erste und Wichtigste ist, dass die Regierung zu Wahrheit und Klarheit in der Rentenpolitik zurückkehrt. Dazu gehört auch, dass die Bundessozialministerin nicht mehr erlaubt, dass die Rentenversicherungsträger die Menschen darüber informieren, dass ihre Rente im Jahre 2020 oder 2030 auf eine Höhe ansteigen wird, die man nur als Phantasie oder Illusion bezeichnen kann.
Das Zweite ist, kein Mensch weiß mehr, wo ihm in der Rentenpolitik der Kopf steht. Es herrscht totale Verunsicherung. Heute verabschieden Sie zwei Gesetze und kündigen gleichzeitig die Rentenbesteuerung, die Organisationsreform der Rentenversicherung und mittel- und langfristige Maßnahmen an. Legen Sie endlich eine ganzheitliche Rentenreform vor, die die aktuellen, aber auch die langfristigen Probleme löst! Die Menschen sind zur Erneuerung und auch zu Opfern bereit.
Drittens. Reparieren Sie nicht immer nur! Sie schließen immer nur Lücken und reparieren, aber Sie gehen nicht an die eigentliche Ursachenbekämpfung heran. Es beginnt mit der Rentenformel. Die Rentenformel muss eine Vertrauensformel sein. Schluss mit der Willkür, von Jahr zu Jahr zu entscheiden, in welcher Form die Rentner an der allgemeinen Einkommensentwicklung teilnehmen!
Meine Damen und Herren, dies ist unser Ansatzpunkt. Wir fordern die Landesregierung auf, bei den Abstimmungen im Bundesrat nur einem schlüssigen Gesamtkonzept zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung den Vorrang gegenüber schnellen Rentenkürzungen in Form eines Notpaketes einzuräumen. Noch besteht die Möglichkeit, die beiden Gesetzentwürfe im Wege des Einspruchs oder aber des Zustimmungsverfahrens zu verhindern. Meine sehr verehrten Damen und Herren, bitte folgen Sie unserem Antrag im Interesse der jetzigen und der zukünftigen Rentner. – Danke schön.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Am 6. November hat der Bundestag kurzfristige Maßnahmen zur Stabilisierung des Rentenbeitrags in Deutschland beschlossen. Ziel dieser Maßnahmen ist es, den Rentenbeitrag bei 19,5 Prozent im kommenden Jahr zu stabilisieren. Damit sollen die Rahmenbedingungen für mehr Beschäftigung geschaffen werden. Es sollen Impulse für die Sicherung und den Aufbau von Beschäftigung aus dieser Maßnahme gegeben werden.
Die Zielsetzung insgesamt ist anerkennenswert, aber was konkret steht uns ins Haus? Es wird eine Nullrunde für Rentnerinnen und Rentner im kommenden Jahr geben. Ist das ein Impuls für Beschäftigung? Man muss wohl deutlich sagen: Nein. Eine Rentenanpassung auszusetzen, bedeutet zunächst einmal einen Verlust an Kaufkraft.
Aber gerade die Kaufkraft wird für mehr Beschäftigung und für Impulse an die Wirtschaft gebraucht. Schwer wiegt der Vertrauensverlust, der mit einem solchen Schritt einhergeht. Der einstmals von Norbert Blüm plakatierte Grundsatz „Die Rente ist sicher.“
gilt eben schon lange nicht mehr. Und das werden viele Rentnerinnen und Rentner am 1. Juli nächsten Jahres dann auch spüren. Vertrauen ist das Kapital, das man zur Bewältigung einer Wirtschaftskrise braucht. Das Vertrauen ist mit der Aussetzung der Rentenanpassung zum 1. Juli enttäuscht und ich befürchte stark, dass die langfristigen Folgen, die man sich aus dieser Maßnahme verspricht, viel stärker wiegen als der kurzfristige Kaufkraftverlust.
Das gilt in gleichem Maße für die einseitige Verlagerung der Zahlungslasten der Beiträge zur Pflegeversicherung auf die Rentner. Bisher – so ist es ja bekannt – wurde die Hälfte des Beitragssatzes von der gesetzlichen Rentenversicherung übernommen. Zukünftig nun sollen die Rentner ganz allein für die Pflegeversicherung aufkommen. Für die Rentnerinnen und Rentner bedeutet dieser Schritt, dass sie für die Kosten ihrer Pflege eben nicht die Hilfe der Solidargemeinschaft in Anspruch nehmen können, sondern dass sie ganz allein für sich zu sorgen haben. Die Psychologie dieser Entscheidung ist nicht zu unterschätzen. Sie wird von den Rentnerinnen und Rentnern zu Recht als unsolidarisch angesehen werden.
Auch die anderen beiden Teilschritte tragen Züge hektischen Agierens. Das muss man leider so feststellen. Das gilt sowohl für die Verschiebung des Rentenauszahltermins auf das Monatsende für Neurentner, deren Rente also ab 01.04.2004 beginnt. Das gilt aber auch für die Reduzierung der Schwankungsbreite von 50 auf 20 Prozent. Problematisch daran ist, dass ein Gesamtkonzept hinter diesen kurzfristigen Maßnahmen, die für die Menschen durchaus als Opfer einzuschätzen sind, im Land nicht erkennbar ist.
Die zusätzlichen Belastungen durch die Korrektur des Beitragssatzes bei der Pflegeversicherung können schon heute konkret beziffert werden. Bei einer durchschnittlich in Mecklenburg-Vorpommern verfügbaren Rente für Frauen in Höhe von rund 630 Euro sind Belastungen von 5,35 Euro zu tragen und bei einer durchschnittlich verfügbaren Rente der Männer von derzeit 1.033 Euro werden diese Belastungen 8,78 Euro monatlich betragen. Genaue Auswirkungen über den Wegfall der Rentenanhebung zum 01.07. sind bisher noch nicht möglich. Ein Rentenanpassungsprozentsatz ist im Augenblick durch die Bundesregierung noch nicht festgelegt worden.
Unter dem Strich wird man also konstatieren müssen, dass die Rentnerinnen und Rentner in den neuen Ländern wegen des insgesamt noch unterschiedlichen Rentenniveaus in besonderer Weise von dieser hier vorgesehenen Korrektur betroffen sein werden. Hierbei muss man bedenken, dass den Rentnerinnen und Rentnern in den neuen Ländern ja eben überdies die zusätzlichen Einnahmequellen aus Kapitalerträgen, Betriebsrenten und ähnlichem, die im Westen unseres Landes einen beträchtlichen Teil der Altersversorgung ausmachen, fehlen. Insofern ist eine umfassende Folgeabschätzung zur zukünftigen durchschnittlichen Rentenhöhe in Meck
lenburg-Vorpommern deshalb kaum machbar, wie es hier im Antrag gefordert wird. Das ist für mich auch ein Grund, diesen Antrag nicht zu befürworten.
Es gibt aber auch noch eine Reihe anderer Gründe. Die gesetzliche Rente ist eine leistungsfähige sozialstaatliche Errungenschaft. Der Generationenvertrag, das Umlageprinzip haben die übergroße Mehrheit der abhängig Beschäftigten im Alter in den vergangenen Jahren vor Armut bewahrt. Rente ist Alterslohn für Lebensarbeitsleistung. Die solidarisch finanzierte Rente sollte deshalb in ihren Grundzügen erhalten und unter Berücksichtigung der sich ändernden gesellschaftlichen Verhältnisse weiterentwickelt werden. Eine gesetzliche Rente, in der jeder nur für sich allein nach versicherungsmathematischen Gesichtspunkten Vorsorge trifft, halte ich weder für zeitgemäß noch für zukunftsfähig.
Denkmodelle, wie sie in den letzten Tagen und Wochen immer wieder von der CDU propagiert wurden, verdienen deshalb eine klare Absage.
(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Zuruf von Torsten Renz, CDU – Glocke der Vizepräsidentin)
im Rahmen zahlreicher Tagesordnungspunkte zur gesetzlichen Krankenversicherung diskutiert haben. Ursache der Finanzierungskrise, die wir auch bei der Rente haben, ist vor allem die lang anhaltende und ständig steigende Arbeitslosigkeit in Deutschland. Hinzu kommt die missbräuchliche Nutzung der Finanzen des Rentenfonds für gesamtgesellschaftliche Ausgaben, die aus Steuern zu finanzieren gewesen wären. Und dem Widerspruch zwischen steigenden Ausgaben und geringer werdenden Einnahmen bei der Rentenversicherung darf man deshalb nicht durch ständige Kürzungen der Leistungen, sondern eben nur durch eine Erhöhung der Einnahme begegnen. Durch eine Einbeziehung aller Beschäftigten und eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenzen sind auch bei der Rentenversicherung, ähnlich wie wir es bei der Krankenversicherung diskutiert haben, die Einnahmen zu erhöhen. Aber an der Finanzierung der Aufwendungen in der gesetzlichen Rentenversicherung sowohl aus Beiträgen als auch Steuern geht meiner Meinung nach in Zukunft kein Weg vorbei. Den in der Vergangenheit typischen Versicherungsverlauf, der von einem 40- bis 45jährigen Vollbeschäftigungsanteil vorwiegend in einem Beruf – das war ja oftmals eine ununterbrochene Berufstätigkeit – bestimmt war, wird es so in dieser Form künftig nicht mehr geben. Das sind Veränderungen, die man berücksichtigen muss. Diese Veränderungen in den materiellen Arbeitsbedingungen auf dem Arbeitsmarkt werden immer mehr zu unsteten Versicherungsverläufen, zu Teil
zeitarbeitsverhältnissen, also zu unsteten Berufsbiographien führen mit entsprechend veränderten Einkommen.
Die PDS und auch mein Ministerium haben sich deshalb für das Konzept einer Rente mit Grundbetrag ausgesprochen. Einem Mehr an Beiträgen soll bei diesem Konzept grundsätzlich auch ein Mehr als Leistung gegenüberstehen. Die solidarische Rentenversicherung hat aber eben auch soziale Benachteiligungen auszugleichen. Beiträge und Leistungen haben das zu berücksichtigen. Rentenkonzepte der Zukunft werden deshalb über Grundbeträge nachdenken müssen, die deutlich über der Sozialhilfe liegen. Die Dynamisierung der darüber hinausgehenden Anwartschaften sollte aber überprüft werden. Nicht nachvollziehbar ist für mich beispielsweise, warum wir immer noch von einer einheitlichen prozentualen Rentenanpassung ausgehen. Damit wachsen ohnehin hohe Renten schnell und ohnehin kleine Renten nur ganz langsam, also eine Schere, die bei fortschreitendem Lebensalter immer weiter auseinander klafft. Ich denke, das sind Ansätze, über die wir auch auf Ebene unseres Landes in der Zukunft nachdenken müssen.
Sie fordern uns in dieser Situation als Landesregierung auf, bei den Abstimmungen im Bundesrat einem schlüssigen Gesamtkonzept zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung den Vorrang gegenüber einem Notpaket der Bundesregierung einzuräumen. Ein solches Konzept haben auch Sie, meine verehrten Damen und Herren von der CDU, bis heute nicht vorgelegt. Ihre Bundesvorsitzende Frau Merkel hat sich zwar hinter die Vorschläge der Herzog-Kommission gestellt,
sie will die Rente mit 67, ansonsten soll nur derjenige abschlagsfrei Rente beziehen dürfen, der 45 Beitragsjahre vorzuweisen hat und das 63. Lebensjahr vollendet hat. Das, denke ich, ist doch alles in allem kein schlüssiges Gesamtkonzept, dem man zustimmen könnte.
CDU und CSU haben bisher noch keine gemeinsame Grundposition erarbeitet und wir dürfen gespannt sein, ob es überhaupt zu einer gemeinsamen derartigen Grundposition kommen wird. Es vergeht kaum ein Tag, an dem Herr Ministerpräsident Stoiber nicht wieder eine neue Rentenidee präsentiert.
Insofern, denke ich, verehrte Damen und Herren der CDU-Fraktion, es wäre erst einmal Einigkeit in Ihren eigenen Reihen zu finden, ein solches Konzept Ihrer eigenen Vorstellungen zu präzisieren. Nach alledem halte ich es im Augenblick für eine Zumutung, die Landesregierung mit Blick auf ein nicht näher bezeichnetes Konzept der CDU auf ein Abstimmungsverhalten im Bundesrat festlegen zu wollen. – Danke schön.