Damit sind wir bei der Rolle und Verantwortung deutscher Unternehmerinnen und Unternehmer, bei der Verantwortung von Managerinnen und Managern und nicht zuletzt auch bei der Verantwortung des bundesdeutschen Staates und seiner Regierung. Denn die Deutsche Bahn AG als vormaliger so genannter Staatsbetrieb ist als jetzige Aktiengesellschaft immer noch hundert Prozent in Besitz der Bundesrepublik Deutschland. Ein möglicher Verkauf der Anteile an einem Unternehmen wie Scandlines ist aus meiner Sicht – und die stützt sich auf das Grundgesetz der Bundesrepublik – nicht nur Sache des Unternehmens. Im Artikel 14 über Eigentum, Erbrecht und Enteignung, Ziffer 2, heißt es: „Eigentum verpflichtet.“ Die meisten hören nach diesem Satz in der irrigen Annahme auf, dass Eigentum wahrscheinlich zu noch mehr Eigentum verpflichtet. Nein, dem ist nicht so, denn vollständig
lautet die Ziffer 2: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
Ich finde, eine der schönsten und bedeutsamsten Stellen im Grundgesetz der Bundesrepublik. Schade nur, dass sie so wenig bekannt ist. Lassen Sie uns also gemeinsam dafür wirken, dass dieses Ansinnen des Grundgesetzes, dieser Leitgedanke wieder bekannter wird!
Im Übrigen gilt dieser Gedanke natürlich nicht nur für Staatsbetriebe, sondern auch für private Unternehmen. Also, ob privat oder staatlich, es geht um Managementfragen in verantwortlichen Positionen und um gesellschaftliche Verantwortung. An dieser Stelle frage ich mich dann schon, wieso der 50-prozentige Partner an einem gesunden Unternehmen so wenig Interesse daran entwickelt, die Geschicke auch positiv für Deutschland zu gestalten. Die Deutsche Bahn AG ist ja nicht nur zu 50 Prozent Anteilseigner an Scandlines, sondern selber einer der größten Arbeitgeber in Deutschland. Und auch hier ist die Bundesrepublik, sitzt der Staat sozusagen mit im Boot.
Wie weit steht es aber mit der Verantwortung für das Allgemeinwohl? Bei der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten 1990 hatte die Bahn circa 500.000 Beschäftigte, mit der Umstrukturierung 1994 waren es noch 368.000 und jetzt sind es noch 212.000. Das sind 2.400 weniger zum Jahresbeginn diesen Jahres 2002 und fast 7.400 zur Mitte des vergangenen Jahres. Und, sind die Züge dadurch pünktlicher geworden? Hat der Service sich verbessert? Sind Bahnreisen preiswerter geworden? Das sind doch die Fragen, die wir stellen müssen. Ziel des Staatswesens kann es wohl nur sein, das Gemeinwohl, also das Leben und das Zusammenleben der Bürgerinnen und Bürger im Gemeinwesen zu ermöglichen und zu sichern. Die Beschäftigten, die Schaffnerin, der Zugbegleiter, sie geben ihr Bestes. Tun das aber auch die Damen und Herren in den Chefetagen des Unternehmens und der Bundesrepublik, also der Bundespolitik?
An dieser Stelle will ich nun auch direkt ein paar Worte an die CDU richten. Wir teilen Ihre Auffassung, dass mit einem möglichen Verkauf der Geschäftsanteile die Gefahr des Verlustes von Arbeitsplätzen in Mecklenburg-Vorpommern besteht und sich dieser Verkauf insgesamt auch negativ auf die wirtschaftliche und strukturelle Entwicklung auswirken könnte. Wie Ihnen aber auch bekannt ist, handelt es sich bei den betreffenden Unternehmensanteilen um solche der Deutschen Bahn AG. Auf deren Entscheidung hat das Land nun überhaupt keinen direkten Einfluss. Unser Einfluss kann also lediglich auf das Formulieren von Appellen und Bitten an die Verantwortungsträger in dieser Entscheidung sich beschränken. Das ist ein Grund, weswegen ich Ihre Forderung nach einer Sondersitzung unseres Landtages für wenig zielführend erachte.
Dann darf ich Sie an dieser Stelle auch darauf hinweisen, dass es eine schon traditionelle Forderung der CDU ist, dass sich der Staat aus der Wirtschaft heraushalten solle.
(Dr. Ulrich Born, CDU: Das sieht aber Ihre Fraktionsvorsitzende ganz anders mit der Sondersitzung! – Angelika Gramkow, PDS: Das war so und bleibt auch so.)
In diesem akuten Fall erwecken Sie den Eindruck, dass Maßnahmen eines Landes und einer Bundesregierung, in unserem Fall Maßnahmen einer Regierungspartei auf Landesebene, in diese wirtschaftliche Entwicklung eingreifen sollen.
(Beifall bei einzelnen Abgeord- neten der PDS – Peter Ritter, PDS: Die CDU, die Freunde der Eisenbahner.)
Aber zur Wahrheit gehört in diesem Zusammenhang eben auch, dass es Ihre Partei war, die die Privatisierung großer, ehemals staatlicher Unternehmen vorangetrieben hat. Und jetzt versuchen Sie sich als Hüter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer darzustellen.
Gerade die Politik, die Sie betreiben – zum Beispiel am Freitag im Bundesrat, in dem so genannten Offensivgesetz von Ihrem Herrn Koch –, und die Politik, die Sie zu verantworten haben, will doch die Marktkräfte möglichst ungehemmt, das freie Spiel ermöglichen. Sie haben sich doch von der Verantwortung für das Allgemeinwohl schon, ehrlich gesagt, weit entfernt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU, und Eckhardt Rehberg, CDU – Unruhe bei Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Harry Glawe, CDU: Karl lässt grüßen! – Glocke der Vizepräsidentin)
Ich bin schon erstaunt über die Atmosphäre hier als Neuling im Landtag, kann Ihnen aber wärmstens empfehlen Schulz von Thun, Kommunikation. Lesen Sie mal, aktives Zuhören!
(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Volker Schlotmann, SPD: Damit haben sie Schwierigkeiten, lass mal! – Glocke der Vizepräsidentin)
Aber zurück zur Verantwortung der Entscheidungsträger im Bund und im Unternehmen und zurück zu politischen Lösungen.
Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag dazu verpflichtet, Arbeitsplätze zu schaffen, Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und abzubauen,
(Eckhardt Rehberg, CDU: Das merken wir jeden Tag. Jeden Tag merken wir das. – Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)
Im Kapitel „Aufbau Ost“ heißt es: „… Ziel ist es, weiterhin und vermehrt zukunftssichere Arbeitsplätze zu schaffen“. Der Punkt 2.3 des Vertrages lautet: Der Güterverkehr auf der Schiene soll bis 2015 verdoppelt werden.
Die Hinterlandanbindung deutscher Häfen soll verbessert und zur Verkehrsminderung und -verlagerung sollen geeignete Maßnahmen ergriffen werden. Der Öffnung und Erschließung neuer Auslandsmärkte und der EU-Osterweiterung wird im Punkt 2.4 besondere Bedeutung beigemessen.
Dieses alles berührt auch unsere heutige Thematik. Natürlich muss sich auch die Bahn als Unternehmen weiterentwickeln, aber aus meiner und unserer Sicht immer in Richtung öffentlicher Daseinsvorsorge. Nur dann gelangen wir auch zu den notwendigen Schlussfolgerungen und die liegen nicht in einer immer größeren Anhäufung und Vernichtung von Kapital, sondern darin, einen zukunftsfähigen Staat zu entwickeln, der nicht auf Kosten der Schwächsten und Ärmsten der Gesellschaft sich saniert.
Wer davon ausgeht, dass eine Besteuerung von Gewinnen und Vermögen eine Bestrafung ist und nicht ein Beitrag zu eben jener notwendigen Daseinsvorsorge, der hat nach meiner Auffassung eine vollkommen falsche Vorstellung von einem funktionierenden und auch gesunden Gemeinwesen,
in dem nämlich jedes Glied seinen Beitrag leisten muss, den es zu leisten in der Lage ist, und zwar nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Frau Abgeordnete, entschuldigen Sie bitte mal. Meine Herren und Damen Abgeordneten, ich bitte doch um mehr Aufmerksamkeit. Lassen Sie die Rednerin ausreden!
(Lorenz Caffier, CDU: Sie hat Kommunika- tion verlangt. Wir kommunizieren. – Torsten Renz, CDU: Dann muss sie aber auch zum Thema sprechen.)
Politische Handlungsfähigkeit und damit Handlungen im Interesse des Gemeinwohls, das sei zum Schluss noch angemerkt, erreicht man durch eine sozial gerechte,
zukunftsorientierte Steuer-, Haushalts-, Finanz- und Geldpolitik und dadurch, dass wir uns immer wieder ins Gedächtnis rufen, wen wir hier zu welchem Zwecke vertreten dürfen.
(Harry Glawe, CDU: Denn man tau! – Wolfgang Riemann, CDU: Wenn SPD und PDS Stellen streichen an den Universitäten, dann erreichen wir was. – Gabriele Schulz, PDS: Herr Riemann, seien Sie mal ruhig! – Glocke der Vizepräsidentin)
Ich appelliere an die Bundesregierung und an deren Vertreter, ihre Verantwortung für den Erhalt der Arbeitsplätze bei Scandlines wahrzunehmen. Und Sie, meine Damen und Herren von der CDU, fordere ich auf, den vorliegenden Antrag der SPD und der PDS zu unterstützen,