Protokoll der Sitzung vom 18.02.2004

Wir sind der Meinung, dass dieser Haushalt höchst unzulänglich und ungeeignet ist, auf die gegenwärtige Situation unseres Landes zu reagieren und zur Umsteuerung beizutragen. Meine Kolleginnen und Kollegen, wir hangeln uns von Sondersitzung zu Sondersitzung,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

denn am 22.12. hatten wir eine und heute am 18.02. haben wir die zweite. Warum verabschieden wir einen Haushalt nicht ordnungsgemäß in einer turnusmäßigen

Sitzung des Landtages, die in 14 Tagen wieder fällig ist, meine Damen und Herren?

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Das macht auch in der Sache eines deutlich, dass die politischen Entscheidungen in unserem Land – vom Bund angefangen, Herr Ministerpräsident, Sie haben Recht, wir hängen nun mal am Tropf des Bundes – heute von einer Kurzatmigkeit sind, wie wir sie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nicht hatten.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist wohl wahr.)

Lassen Sie mich die drei Punkte zur Verfassungswidrigkeit wie folgt skizzieren:

Die Höchstgrenzen der zulässigen Kreditaufnahme werden auch in diesem Haushalt überschritten. Die Begründung kennen wir, nämlich dass die Überschreitung der Höchstgrenzen zur Überwindung einer ernsthaften und nachhaltigen Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts – meine Damen und Herren, das klingt schon reichlich phrasenhaft – dienen soll, um der Bedrohung der Wirtschafts- und Beschäftigungslage unseres Landes entgegenzusteuern. Beides liegt in diesem Haushalt offenkundig nicht vor, denn es gibt keine Begründung und Erläuterung dafür, dass mit der Überschreitung der Höchstgrenzen die vorgenannten Ziele ernsthaft angegangen werden sollen. Ich verweise noch einmal auf die Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichts, das ein Junktim darin gesehen hat zwischen Kreditüberschreitung und Verwendung dieser Überschreitung für die Beseitigung der Schwierigkeiten in der gesamtwirtschaftlichen Schieflage.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU, und Rainer Prachtl, CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Sehr richtig.)

Daran fehlt es hier, dieses Junktim haben Sie uns nicht nachgewiesen.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU, und Rainer Prachtl, CDU)

Meine Damen und Herren, die Nachschiebeliste, lassen Sie uns das ganz offen sagen, war in der Art, wie sie uns gebracht wurde, eine Zumutung

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Sehr richtig.)

und sie hat den Finanzausschuss lange nach der Ersten Lesung erreicht. Wir wissen, dass das alles mit dem Vermittlungsausschuss zusammenhängt. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass wir damit erstmalig eine Änderung von Einzelgesetzen wie des Landeserziehungsgesetzes, des Schulgesetzes und des Gesetzes zum Landesförderinstitut haben und dass es hier an der notwendigen Ersten Lesung, an der Einbringung fehlt. Und wenn wir hier schon damit anfangen, solche Wege zu beschreiten, an der Verfassungsmäßigkeit eines solchen Verfahrens vorbeigehen, dann ist das keine gute Aussicht auf die Zukunft.

Meine Damen und Herren, wir halten diese Art von Nachschiebelisten und der Umgehung einer Ersten Lesung als einen Griff in eine illegale Trickkiste.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Ich komme zu den globalen Minderausgaben, wie sie in diesem Doppelhaushalt vorgesehen sind. Meine Kolleginnen und Kollegen, Sie lassen insoweit keine Haushaltsklarheit mehr erkennen, Sie verstoßen gegen den Grundsatz der Einzelveranschlagung und der Spezifizierung. Auf diese Weise wird der Haushalt undurchsichtig. Der Grundsatz der Einzelveranschlagung ist nicht nur ein formales Erfordernis, sondern ist auch in der Sache selber geboten. Hier kann vom Parlament dann nämlich nicht mehr nachvollzogen werden, wo denn nun tatsächlich im Einzelnen gespart werden soll und welche konkreten Maßnahmen im Einzelnen die Landesregierung dem Parlament vorschlägt. Echter Sparwille lässt sich aber nur dadurch beweisen, dass akkurat und detailliert veranschlagt wird, wo und an welchen Haushaltsstellen der Rotstift angesetzt werden soll. Daran fehlt es in diesem Haushalt. Vielmehr vermitteln globale Minderausgaben den Verdacht, dass seitens der Regierung offenbar noch keine konkrete Vorstellung herrscht, was nun tatsächlich eingespart werden soll, und möglicherweise ist sie sich selbst auch noch nicht darüber im Klaren. Dann aber, meine Damen und Herren, fehlt es an der Beschlussreife für das Parlament, sein Haushaltsrecht auch angemessen ausüben zu können.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Und deshalb sagen wir, dieser Doppelhaushalt ist nicht ordnungsgemäß vorbereitet.

Meine Damen und Herren, von besonderer Problematik ist in diesem Zusammenhang natürlich in Artikel 1 des Gesetzes der Paragraph 20 mit dem pauschalen Stellenabbau. Wir hatten ursprünglich eine Anhörung beabsichtigt und haben davon abgesehen. Wir werden aber den Haushaltsvollzug sehr sorgfältig überwachen und der Finanzausschussvorsitzende hat das gesagt, ob es tatsächlich zu dem kommt, was uns hier pauschal in Aussicht gestellt worden ist.

Meine Damen und Herren, der Ministerpräsident hat von dem Kabinettsbeschluss über das Programm zur Vorbereitung – so habe ich es verstanden – der Funktionalreform gesprochen. Meine Damen und Herren, wir haben das schon seit längerem gehört. Und nun frage ich mich: Ist es tatsächlich ein echter Sparwille, mit der Deregulierung zu beginnen? Wir alle wissen, dass die Verwaltung nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu arbeiten hat. Das heißt, dass ich erst dann zu einem Abbau von Verwaltungsaufgaben und -ausgaben kommen kann, wenn ich Gesetze abschaffe.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Damit haben wir bisher noch nicht ein einziges Mal angefangen. Fangen wir doch endlich an!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Fangen wir an und beweisen wir, dass wir das ernst damit meinen, dass es ernsthafte Einschnitte gibt. Meine Damen und Herren, noch produzieren wir mehr Gesetze, als erkennbar abgebaut werden sollen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Sehr richtig. 2003 acht Prozent mehr als abgebaut.)

Wir können uns auch einen persönlichen Eindruck davon verschaffen, wenn wir mal sehen, dass unsere Gesetz- und Verordnungsblätter immer dicker werden. Wer mal einen Blick wirft auf die Größe des Bundesgesetz

blattes Teil I, der weiß, dass uns das der Bund in ausgesprochen negativer Weise vormacht. Deshalb habe ich erhebliche Zweifel, ob wir tatsächlich einmal mit der Deregulierung beginnen.

Meine Damen und Herren, die drei genannten Punkte sind für uns Anlass zu sagen, der Haushalt ist verfassungswidrig. Und wir beabsichtigen, wie Sie wissen, nach Abschluss dieses Gesetzgebungsverfahrens, nicht zuletzt auch, um dieses nicht weiter zu verzögern, eine Anhörung von Sachverständigen zur Verfassungswidrigkeit der von uns genannten Problembereiche.

(Präsidentin Sylvia Bretschneider übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren, wir verkennen nicht, dass es eine allgemeine Haushaltsproblematik – wohl auch die schlimmste nach dem Zweiten Weltkrieg in Bund, Ländern und Gemeinden – gibt, und wir wissen auch, dass es in 15 von 16 Bundesländern ganz erhebliche Schwierigkeiten bei der Aufstellung ausgeglichener Haushalte gibt. Sie sind mancherorts schwerer, mancherorts weniger problematisch. Und wir verkennen auch nicht, dass es in der Bundesrepublik Deutschland eine schwierige gesamtwirtschaftliche Lage gibt. Aber es möge niemand kommen und sagen, Schuld haben die anderen und dass es die Schuld der Weltwirtschaftslage ist. Meine Damen und Herren, wenn das so wäre, würde es allen gleich schlecht gehen. Das ist nicht der Fall.

(Regine Lück, PDS: Das ist ja neu.)

Wir haben auch innerhalb der Europäischen Union ganz drastische Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung und wenn wir mit das Schlusslicht bilden, dann ist das weitestgehend hausgemacht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Regine Lück, PDS: Ich glaub’s ja nicht.)

Und mit noch einem Punkt möchte ich klar aufräumen. Es wird immer noch, wie ich finde, der schäbige Versuch gemacht, dieses alles als Altlast von Helmut Kohl zu bezeichnen. Meine Damen und Herren, ich erinnere daran, dass es bis 1998 eine Vielzahl von Reformbemühungen in Deutschland gegeben hat und

(Torsten Koplin, PDS: Die Renten sind sicher.)

bis 1998 ist es der SPD unter der Führung von Herrn Lafontaine im Bundesrat

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Und Herrn Schröder. – Zuruf von Karsten Neumann, PDS)

stets darum gegangen, sämtliche Reformen abzuklemmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: So ist es.)

Der Reformstau ist darauf alleine zurückzuführen. Und damals, meine Damen und Herren, hatten wir noch vollere Kassen als heute. Heute ist es unendlich schwerer, so etwas durchzusetzen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: So ist es.)

Und deshalb, meine ich, muss immer wieder daran erinnert werden.

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Und noch eines: Die wirtschaftliche Situation Deutschlands ist auch dadurch gekennzeichnet, das muss man einfach sehen,...

(Siegfried Friese, SPD: Herr von Storch, glauben Sie das eigentlich selber, was Sie da erzählen? – Zuruf von Heike Polzin, SPD – Siegfried Friese, SPD: Glauben Sie das wirklich, was Sie da erzählen?! – Rainer Prachtl, CDU: Ja natürlich. – Dr. Ulrich Born, CDU: Ja natürlich, das sind Fakten!)

Sie werden mich nicht irritieren, Herr Kollege.

Die wirtschaftliche Lage Deutschlands ist auch dadurch gekennzeichnet, dass wir es schwieriger haben als andere westeuropäische Volkswirtschaften. Ich erinnere Sie daran, dass durch den Aufbau der deutschen Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg bedingt die Eigenkapitalquote der deutschen Wirtschaft deutlich schlechter war als in den westlichen Ländern. Sie ist es geblieben, meine Damen und Herren, insbesondere aufgrund einer besonderen Steuerreform mit sozialdemokratischer Handschrift. Ich erinnere daran und lasse mich gern belehren, Frau Ministerin, wenn ich mich falsch erinnere, dass es 1976 eine Steuerreform gab, in der die thesaurierten Gewinne, die nicht ausgeschütteten Gewinne, mit 48 Prozent zu versteuern waren

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

und die ausgeschütteten mit 36. Und dann wundern wir uns, dass Eigenkapital nicht gebildet wurde!