Protokoll der Sitzung vom 03.03.2004

(Minister Dr. Till Backhaus: O Gott! Das machen Sie doch gerade.)

Ich denke, die PDS hat eine eindeutige Position bezogen. Sie ist nicht der Rächer der Enterbten, sondern wir haben eine eindeutige Haltung zur Bodenreform, zum Modrow-Gesetz und auch zum Paragraphen 233.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Danke, Frau Schwebs.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Born von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht bei der heutigen Debatte, auch wenn man die Tagesordnung liest und vorher nicht richtig weiß, worum es geht,

(Torsten Koplin, PDS: Na, na!)

doch tatsächlich um fundamentale Fragen des Rechtsstaats. Und, Frau Kollegin Wiebensohn

(Torsten Koplin, PDS: Frau Kühnel!)

und Herr Minister Dr. Backhaus, ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, wenn Sie sagen – das hat auch die Eingangsdebatte um die Tagesordnung gezeigt –, wir hätten gut daran getan, diese Fragen in einem ordentlichen Tagesordnungspunkt und nicht in einer Aktuellen Stunde zu beraten. Wenn Sie von der SPD-Fraktion den Antrag bei der letzten Landtagssitzung gestellt hätten – Sie haben ja durchblicken lassen, dass Sie es tun wollten –, dann hätten Sie sicher sein können, dass Sie die Unterstützung unserer Fraktion gefunden hätten.

(Zuruf von Beate Mahr, SPD)

Aber das ist Ihr internes Problem, dass Sie ein solches Thema dann so behandeln, wie es heute hier passiert. Ich denke, man sollte sich ernsthaft mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte auseinander setzen. Das Gericht stellt nämlich nicht weniger fest, als dass das Recht der Beschwerdeführer auf Achtung ihres Eigentums verletzt worden ist durch die entsprechend dem Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz über die Abwicklung der Bodenreform in den Ländern im Gebiet der DDR vom 14.07.1992 erfolgte entschädigungslose Enteignung. Und ich sage hier ausdrücklich, diese Frage eignet sich nicht für populistische oder effekthascherische Parolen oder Reden. Und einiges, was hier heute seitens der PDS-Fraktion dazu vorgetragen wurde, dient eben nicht dazu, dass Rechtsfrieden einkehren kann,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Egbert Liskow, CDU: Genau.)

sondern es spekuliert schlicht darauf, dass die Menschen nicht wissen, wer wirklich für diese Zustände, die wir hier gemeinsam heute beklagen, die Verantwortung trägt. Eine solche Art und Weise der Argumentation, wie wir sie von der PDS heute hier wieder erleben, eignet sich schon gar nicht für diejenigen, die zu Menschenrechten und Eigentum in einer Zeit, aus der die Probleme wirklich herrühren,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Torsten Koplin, PDS: Na!)

ein mehr als gespanntes Verhältnis hatten.

(Torsten Koplin, PDS: Das hat auch eine Vorgeschichte.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren – und daran lässt das Urteil nicht den geringsten Zweifel –, die Schwierigkeiten, mit denen wir uns heute auseinander setzen, rühren von einem menschenverachtenden System, in dem Menschenrechte im Allgemeinen und auch das Eigentum im Besonderen mit Füßen getreten worden sind.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb ist es schon mehr als peinlich, Herr Kollege Ritter, wenn Sie ausgerechnet heute sich hier hinstellen und sagen, wir sind diejenigen, die die Eigentumsrechte einklagen und diejenigen unterstützen, die auf ihre Eigentumsrechte pochen. Wer Aktionen wie die „Aktion Rose“ und anderes zu verantworten hat, der ist dafür verantwortlich, dass das Eigentum zu Zeiten der DDR so entwertet worden ist, wie es Minister Dr. Backhaus völlig zu Recht dargestellt hat, nämlich auch, dass das Grundbuch überhaupt gar nicht mehr das aussagte, wozu es eigentlich da war, und zwar eine besondere Rechtssicherheit zu schaffen, gerade wenn es um Fragen des Eigentums geht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Tatsächlich führt kein Weg daran vorbei, auch wenn alle zu Recht sagen, dass die Bodenreform von 1945 bis 1949 nicht rückgängig gemacht werden soll. Tatsächlich sind die Enteignungen zur DDR-Zeit und vor der Gründung der DDR grobes Unrecht gewesen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Egbert Liskow, CDU: Genau.)

Und das muss hier eindeutig festgestellt werden.

Und eine nachträgliche Beseitigung ist in der Tat aus vielerlei Gründen mit rechtsstaatlichen Mitteln eben nicht in einer Weise mehr möglich, dass damit jedem Gerechtigkeit widerfährt. Deshalb ist Schadenfreude oder gar Häme gegenüber den Bemühungen aus dem Jahre 1992, mit dem Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz für einen Teilbereich Klarheit zu schaffen, gänzlich fehl am Platz.

Es kommt nicht von ungefähr, dass damals die breite Mehrheit im Deutschen Bundestag diesem Gesetz zugestimmt hat. Und ich will hier auf das Urteil, das heute so oft ja schon angesprochen worden ist, ausdrücklich verweisen. Das Urteil ist sich nämlich völlig im Klaren darüber, dass man ein so schweres Unrecht, wie es die Eigentumszerstörungen während der DDR-Zeit gewesen sind, nicht im Nachhinein in befriedigender Weise wieder korrigieren kann. Da sagt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, ich zitiere, auf Seite 23 der deutschen Übersetzung: „Er“, der Gerichtshof, „ist sich der unendlich großen Aufgabe bewusst, die der deutsche Gesetzgeber zu bewältigen hatte, um alle komplexen Fragen des Eigentumsrechts beim Übergang von einem sozialistischen Eigentumssystem zu einem Marktwirtschaftssystem zu regeln. Dies gilt insbesondere für alle Fragen im Zusammenhang mit der Abwicklung der Bodenreform, ein Symbol, par excellence, für eine kollektivistische Vorstellung vom Eigentumsrecht.“

Also, ganz anders, Kollege Ritter, als Sie es hier der Öffentlichkeit glauben machen wollen, weiß der Gerichtshof sehr wohl, dass der Bundesgesetzgeber versucht hat, wenigstens in Teilbereichen das Unrecht abzumildern und

Rechtssicherheit zu schaffen. Und dass dies nicht in ausreichendem Maße gelungen ist, das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte jetzt festgestellt.

Und, Herr Minister Dr. Backhaus, in diesem Punkt möchte ich Ihnen ausdrücklich widersprechen: Es ist absolut nichts Ungewöhnliches, dass von einem Gesetz Betroffene gegen den Deutschen Bundestag, gegen den Bundesgesetzgeber oder auch gegen die Bundesregierung klagen, völlig unabhängig davon, welche politischen Parteien gerade die Mehrheit im Deutschen Bundestag stellen

(Minister Dr. Till Backhaus: Das ist das Wesen des Rechtsstaates.)

oder welche die Bundesregierung bilden. Genau das ist nämlich der Unterschied zwischen Amt und Partei, das macht den Rechtsstaat aus

(Minister Dr. Till Backhaus: Genau.)

und das muss jede Regierung auch ernst nehmen. Wenn sie das nicht will, dann ist sie als Regierung fehl am Platze.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Egbert Liskow, CDU: Ja.)

Und es ist absolut normal, dass hier Bürger sagen, wir sind von einer Regelung betroffen und sind nicht damit einverstanden. Die jetzige Bundesregierung hat schon deshalb gar keine Probleme, dem entgegenzutreten, weil sie ja im Deutschen Bundestag mit ihren damaligen Abgeordneten, wie das Frau Kollegin Holznagel dargestellt hat, auch ausdrücklich zugestimmt hat.

Ich kann Ihnen, Herr Dr. Backhaus, so sehr ich auch mit sonstigen grundsätzlichen Feststellungen übereingehe, wenn Sie auf das Unrecht der Enteignungen zu DDR-Zeiten hinweisen, allerdings in einem Punkt nicht folgen. Sie haben die Zahl der Betroffenen in unserem Land genannt und Sie haben hier noch einmal, wenn auch in etwas abgemilderter Form, das wiederholt, was in der Presse schon zu lesen war, dass Sie nämlich doch davon abraten, jetzt weiter gegen die Regelungen, die der Bundesgesetzgeber beschlossen hat, vorzugehen.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zurufe von Angelika Gramkow, PDS, und Torsten Koplin, PDS)

Ich kann das auch, da ich es jetzt nicht hier habe, so zitieren, das ist überhaupt kein Problem. Herr Kollege Dr. Backhaus, Sie haben davor gewarnt, jetzt weitere Klagen einzureichen. Da muss ich Ihnen sagen, ich habe hier ein anderes Rechtsstaatsverständnis. Es ist jedermanns gutes Recht in der Bundesrepublik Deutschland und in dem freien Europa, die Gerichte anzurufen,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

um feststellen zu lassen, ob ihnen Recht

(Dr. Armin Jäger, CDU: Gott sei Dank!)

oder Unrecht widerfahren ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und Dr. Margret Seemann, SPD – Zurufe von Heike Polzin, SPD, und Ute Schildt SPD)

Das ist jedermanns gutes Recht und es darf mit keinerlei Makel behaftet werden, wenn das jemand tut.

Ich stimme Ihnen dann wieder zu, wenn Sie sagen, wir brauchen sehr bald Rechtsklarheit. Jawohl, das brauchen wir. Es ist aber auch kein ungewöhnliches Verfahren, wenn die Kammer in dem Parallelverfahren, was Sie angezogen haben, von sich aus die Große Kammer anruft. Das sieht ausdrücklich die Verfahrensordnung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vor und insofern ist auch daran nichts Ungewöhnliches.

Was aber problematisch ist, Herr Minister Dr. Backhaus, ist, dass wir jetzt – Sie sagen selbst, wir brauchen schnell Klarheit – eine Situation haben, dass die Bundesregierung nicht Revision einlegt, das geht gar nicht nach der Verfahrensordnung, sondern, Sie haben es jedenfalls anklingen lassen, sich gegen die Entscheidungen der Kammer wendet und versucht, die Entscheidung der Großen Kammer herbeizuführen. Das muss zunächst einmal die jetzige Kammer, die entschieden hat, annehmen und das ist wiederum eine Verfahrensverzögerung. Wir brauchen aber jetzt Klarheit.

Ich bin dafür, dass unsere Bundesorgane genauso wie der Landtag Entscheidungen eines solch hohen Gerichts, wie es das Gericht für europäische Menschenrechte, der Europäische Gerichtshof, ist, respektieren und das tun, wozu sie nach dem Urteil eindeutig aufgerufen sind, nämlich jetzt eine Regelung zu finden, die wenigstens versucht, in einem Teilbereich materielle Gerechtigkeit herbeizuführen, in einem Teilbereich. Und deshalb, Herr Minister Dr. Backhaus, ist es nicht ungewöhnlich, dass der Gerichtshof selbst keine Entschädigungsregelungen getroffen hat. Sondern ganz im Gegenteil, er spricht damit lediglich das aus, was üblich ist in einem solchen Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte: Es ist der Respekt vor den Bundesorganen, und zwar dass ihnen zunächst Gelegenheit gegeben wird, selbst eine Regelung zu finden. Erst, wenn das nicht erfolgt, …

Herr Abgeordneter, die Redezeit ist abgelaufen.

Ja, vielen Dank. Ich komme zum letzten Satz.

… ist das Gericht selbst aufgerufen, hier eine Regelung zu treffen. Ich denke, wir sollten alles tun, dass das Urteil so schnell wie möglich umgesetzt wird, dass es respektiert wird,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)