Protokoll der Sitzung vom 03.03.2004

Diese sehr emotional geführte Diskussion um die Bodenreform und auch die sehr emotional geführte Debatte, die jetzt hier entfacht wird, führt nicht zu mehr Gerechtigkeit, sondern im Gegenteil. Und ich verstehe nicht – warum, weshalb und weswegen, dazu habe ich ein paar Dinge in den vergangenen Tagen zur PDS und auch zur CDU gesagt –, dass diejenigen, die in der Vergangenheit vor 1989 die volle Verantwortung für Enteignungen in der DDR-Zeit getragen haben, sich als Rächer der Enterbten aufspielen. Ich finde das in der Sache nicht angemessen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

Ich möchte ausdrücklich noch einmal betonen: Es geht uns um Rechtssicherheit für die Betroffenen. Und ich kann jedem, der das Glück gehabt hat, nachdem er das Grundbuch eingesehen hat, …

(Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Zu DDR-Zeiten hat das Grundbuch nichts mehr an Wert dargestellt. Es hat leider eine Entfremdung zum Eigentum gegeben und die Grundbücher sind willkürlich, zum Teil auch unterschiedlich durch die Räte der Kreise geändert, gestrichen oder vielleicht auch manipuliert worden.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig. Das stimmt.)

Es ist so. Das ist nachgewiesen. Zum Glück kann man alles nachvollziehen, zum Glück ist das so, so dass man Verständnis äußern muss für diejenigen, die jetzt erfolgreich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geklagt haben. Dafür habe ich vollstes Verständnis und freue mich auch in deren Sinne. Aber der Wille von Herrn Modrow ist ein anderer gewesen, nämlich denjenigen zu Eigentum zu verhelfen, die aktiv in der Landwirtschaft tätig sein wollen und die aktiv darauf basierend auch neue Entwicklungen nach der Wende anschieben wollten.

Und in diesem Sinne, glaube ich, sollten wir mal ins Internet gucken. Ich weiß nicht, ob Sie es gemacht haben. Ich habe es am Wochenende getan und ich will niemandem, der im Bereich des Rechtes besondere Ambitionen

hat, zu nahe treten. Aber mich macht es schon betroffen, wenn Sie Bodenreform anklicken – vielleicht machen Sie es mal – und Sie sehen als Erstes Anwaltskanzleien und so weiter, die sich herausstellen, um die Rechte für die Betroffenen einzuwerben. Und ich sage Ihnen heute schon allen, die sich mit diesem Thema vielleicht noch nicht tiefschürfend genug auseinander gesetzt haben: Die absolute Gerechtigkeit zu diesem Thema wird es leider nicht geben. Und ich sage denjenigen, die heute schon die Abtretung an Anwälte vorgenommen oder Anfragen an unser Haus gestellt haben, wir sind ja federführend dafür zuständig: Jawohl, es ist richtig, wir haben 2.941 Anfragen von Berechtigten. Aber auch hier, Herr Ritter, muss ich Ihnen schon ein bisschen widersprechen. Wenn Sie sagen, Sie werden den Vereinen zur Rettung der Bodenreformopfer weitere Unterstützung anbieten, ist das Ihr gutes Recht. Aber informieren Sie die Leute richtig

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und CDU)

und machen Sie denjenigen, die unter Ihrer Verantwortung oder indirekten Verantwortung zu DDR-Zeiten enteignet worden sind, bitte keine Hoffnungen, denn diese Menschen werden von der Demokratie und von dem, was im Rechtsstaat jetzt abgelaufen ist, wieder enttäuscht sein!

(Dr. Ulrich Born, CDU: Sehr richtig.)

Es wird so mit dazu beitragen, dass wir gegebenenfalls Politikverdrossenheit zur Kenntnis nehmen müssen.

Ich komme zum Schluss. Ich glaube, es wäre gut, wenn wir dieses Thema mit seinen Konsequenzen möglichst schnell beenden. Meine große Hoffnung ist, dass es eine Querverbindung zu diesen beiden Fallgruppen gibt, ich betone ausdrücklich nochmals, einmal zu den Alteigentümern und einmal zu den Erben von Neueigentümern. Ich hoffe, dass der Kenner der Materie und der Szene, der die Bundesregierung ja vertreten wird, nämlich Herr Professor Dr. Frowein, aus Gerechtigkeitsgründen die Interessen des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit vertreten wird als auch natürlich die Interessen derjenigen, die berechtigt Hoffnung haben, dass sie in Eigentum und damit natürlich zu materiellen Werten kommen. Und deswegen hoffe ich, dass wir möglichst schnell und nicht erst in zwei Jahren zu einem Abschluss dieses Themas kommen.

(Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Wir brauchen endlich Rechtsfrieden in der Frage des Bodeneigentums in Mecklenburg-Vorpommern oder in den neuen Bundesländern. Und nichts wäre schlimmer, als dass man sich von der PDS oder auch von der CDU her zum Steigbügelhalter tatsächlich für diejenigen macht, die vielleicht das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz grundsätzlich und endgültig kippen wollen, denn dieses würde den Rechtsfrieden in MecklenburgVorpommern wirklich stören, ja, gegebenenfalls ganz andere Dinge in der Diskussion neu heraufbeschwören.

(Angelika Gramkow, PDS: Das ist eine Unverschämtheit!)

Das dürfen wir nicht zulassen und ich wünsche mir, dass Europa dazu einen wichtigen Beitrag leistet, denn wir haben auch zur Kenntnis genommen, dass man sich wohl mit der ehemaligen DDR-Rechtsmaterie und dem, wie und was etwas entstanden ist, nicht ausreichend auseinander gesetzt hat. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Schwebs von der Fraktion der PDS.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Botschaft aus Straßburg ist aus unserer Sicht völlig eindeutig und klar. Sie besagt, die entschädigungslosen Enteignungen seit 1992 und damit die Menschenrechtsverletzungen müssen behoben werden. Der Bund als der Verklagte steht in der Pflicht, aber zugleich dürfen auch die Ostländer nicht die Hände in den Schoß legen. Vor allem meinen wir von der PDS-Fraktion, dass es im Interesse der Erben unwürdig und unangemessen wäre, die Bereinigung durch gegenseitige moralische und juristische Schuldzuweisungen zwischen Bund und Ländern hin und her zu schieben.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Was wäre also aus unserer Sicht zu tun?

Erstens. Wie die Sache liegt, ist von der Bundesregierung eine sofortige und endgültige Anerkennung des Straßburger Urteils zu verlangen. Die Landesregierung sollte ihrerseits erklären, dass sie die Rechtspositionen des Urteils respektiert und ihren Beitrag zu einer sozialverträglichen Lösung leisten wird.

(Beifall Alexa Wien, PDS)

Sie soll sagen, dass sie ihrerseits die beabsichtigte Klage der Bundesregierung nicht unterstützen wird.

Und, Frau Holznagel, es tut mir Leid, es gibt kein Votum des Landes. Akzeptanz, das sollten Sie wissen, ist etwas anderes als Zustimmung zu einer Entscheidung.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Aha!)

Zweitens. Die Landesregierung stellt bis zur endgültigen Rechtskraft des Straßburger Urteils alle tatsächlichen und juristischen Maßnahmen ein, die dem Urteil widersprechen.

Drittens. Die Landesregierung setzt sich für ein Bundesrückabwicklungs- und Entschädigungsgesetz ein, das Art und Umfang der Wiedergutmachung der festgestellten Menschenrechtsverletzung regelt. Dabei hat die Naturalrestitution, das heißt die Rückübereignung des Erbgutes, Vorrang. Die Ersatzleistung bezieht sich aber auch auf erlangte Pachten sowie Erstattung von Prozesskosten.

(Wolfgang Riemann, CDU: Sitzen Sie nicht mehr in der Landesregierung?!)

Ich komme gleich dazu.

Viertens. Die Landesregierung trifft mit dem Bund eine finanzielle Regelung, die die Verwendung des Sondervermögens und der erlangten Erlöse einschließt. Dabei muss der Bund Kosten tragen für die Folgen, die aufgrund der politischen Fehlentscheidung des Bundesgesetzgebers entstanden sind. Diesbezüglich wird die entsprechende Äußerung von Landwirtschaftsminister Dr. Backhaus als zutreffend angesehen, wonach die Nachzeichnungsregelung eine politische Fehlentscheidung gewesen sei.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Diese Erklärung sollte den Handlungsauftrag für die Regierung maßgeblich bestimmen.

Fünftens. Die Landesregierung bereitet auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung die Korrektur der Enteignungen vor und erstattet dem Landtag über den Verlauf und die Ergebnisse Bericht.

Das sind die Forderungen der PDS-Fraktion.

Meine Damen und Herren, es gab und gibt keine politische Partei im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, die früher nicht und heute nicht gesagt hätte, die Bodenreform sei unantastbar. Die gegenteilige Aussage hätte wohl bei uns in Mecklenburg-Vorpommern auch eine entsprechende Partei mit einiger Sicherheit ins politische Abseits befördert. Ein nicht zu übersehender und zu umgehender Sachzwang ist dafür letztlich die Ursache. Das Zahlenwerk haben wir heute schon gehört, ich will es mir ersparen. Aber immerhin waren in Mecklenburg-Vorpommern 54 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Bodenreformland. Es war das Eigentum der kleinen Leute.

Und wenn die CDU heute meint, mit dem Geschäftsordnungsantrag ein inhaltliches Problem auszusitzen, dann liegt es ganz einfach daran, dass gerade die CDUFraktion 1992 im Bundestag einer Abwicklung der Bodenreform im Prinzip zugestimmt hat.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Und diese Entscheidung von 1992, meine Damen und Herren, ist letztlich die Ursache für die heutige Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte.

Die PDS-Fraktion hat eben – und das ist der Unterschied zu Ihnen, liebe Abgeordnete aus der CDU-Fraktion,

(Torsten Koplin, PDS: Die sind heute nicht mehr lieb.)

und zu den Abgeordneten der damaligen SPD-Bundestagsfraktion – nicht zugestimmt. Und da hilft auch kein Herumeiern und die Rede von Schuld oder Nichtschuld irgendeiner Partei, die PDS-Fraktion hat diesem Vorgang von Anfang an nicht zugestimmt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Sie haben vor ‘90 hier enteignet. – Zurufe von Dr. Ulrich Born, CDU, Dr. Armin Jäger, CDU, Angelika Gramkow, PDS, und Peter Ritter, PDS – Glocke der Vizepräsidentin)

Und, meine Damen und Herren, Frau Kühnel, Frau Holznagel, Herr Backhaus, …

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU – Glocke der Vizepräsidentin)

Meine Damen und Herren, es ist müßig, heutzutage zu interpretieren, was das Modrow-Gesetz denn eigentlich wollte. Fakt ist, es machte Bodenreformeigentum zu Volleigentum, um den Erben den Übergang in eine andere Gesellschaftsform zu erleichtern, um sie mit Eigentum auszustatten, damit sie mit erhobenem Haupt und gleichberechtigt in die Bundesrepublik gehen können. Das ist mit dem Urteil von 1992 dann nicht mehr möglich gewesen.

Und, Herr Backhaus, ich habe das Gefühl, Sie agieren ein bisschen zweischneidig. Es gibt da so ein Sprichwort, das heißt: Allen Leuten recht getan ist eine Kunst, die niemand kann.

(Minister Dr. Till Backhaus: O Gott! Das machen Sie doch gerade.)