Dass trotzdem noch ehrenamtliche Sozialarbeit stattfindet, dafür muss man besonders den Verbänden, Vereinen und den Kirchen sowie den Bürgerinnen und Bürgern herzlich danken, die im Ehrenamt tätig sind und sich um Straftäter und Gefährdete kümmern.
Ich denke da beispielsweise stellvertretend an den Landesverband „Straffälligenhilfe“, der in den letzten Jahren eine Reihe wichtiger Projekte durchgeführt und auch eine wichtige Koordinierungsfunktion geleistet hat. Auch in der Schul- und Berufsausbildung in den Vollzugsanstalten leisten Verbände und Vereine genauso wie die Beschäftigten und Leitungen seit vielen Jahren eine unersetzbare Tätigkeit, vielfach ehrenamtlich und oft mit sehr viel Einfühlungsvermögen und Einfallsreichtum.
Meine Damen und Herren, Entlassenenhilfe und Straffälligenhilfe unterliegen immer etwas der Gefahr, durch die institutionelle und personelle Trennung im Bereich des Strafrechts fallweise betrachtet zu werden, indem nämlich im Konkreten lediglich der Fall X oder Y abgehandelt wird. Natürlich ist Resozialisierungsarbeit immer konkret. Aber ich glaube dennoch, wir brauchen ein übergeordnetes politisches Bewusstsein, dass eine durchgehende Betreuung erforderlich ist, die im konkreten Fall während der Entlassungsvorbereitung einsetzt und den entlassenen Gefangenen danach lebenspraktische Hilfen vermittelt und erweist. Der Zweck der Sozialarbeit ist eine planmäßige und durchgehende Betreuung der Angeschuldigten und Verurteilten vom Beginn der Untersuchung bis zum Abschluss des Vollzugsverfahrens und einer möglicherweise folgenden Nachbetreuung unter Einbeziehung der Familien und des sozialen Umfeldes.
Natürlich wäre es eine Wunderlehre, streicht man einerseits das Geld zusammen und fordert zugleich von der Straffälligenhilfe, sie müsse aus weniger Geld mehr Qualität hervorzaubern. Diese Gleichung geht wohl nicht auf. Freilich kann manches durch Verknüpfung und Vernetzung der sozialen Hilfen vor allem für straffällige Jugend
liche und junge Erwachsene zu einem ganzheitlichen Ansatz verbessert werden. Kürzung sozialer Leistungen, dazu zählen die Straffälligenhilfe, aber eben auch die vielen Bereiche, die daran hängen. Ich sage nur mal das Stichwort Schuldnerberatung. Dies führt jedenfalls nicht zu mehr Qualität. Und so ist es eine Gesamtaufgabe für die Landesregierung, die sich hier stellt, und nicht allein die des Justizministers.
Da ist es völlig abwegig, etwa zu sagen, das Ehrenamt und die freiwillige Straffälligenhilfe befänden sich in einer Legitimationskrise. Nein, an Resozialisierungsarbeit führt kein Weg vorbei. Wenn wir vorhin über Opferschutz geredet haben, müssen wir an diesem Punkt auch ganz klar sagen, die Resozialisierung der Straftäter ist Opferhilfe,
und zwar in dem Sinn, dass sie zukünftige Opfer und zukünftige Straftaten verhindern soll, nicht zuletzt und nicht nur deshalb vor allen Dingen in Paragraph 2 des Strafvollzugsgesetzes als Vollzugsziel definiert.
Wir haben alles in allem eine gewiss recht stattliche Liste von mitwirkenden Verbänden und Vereinen im Rahmen des Strafvollzugs. Ein breites Spektrum an Resozialisierung und Hilfe wird abgedeckt. Dennoch kann man, denke ich, insgesamt mit der Zahl der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer nicht zufrieden sein. Und da sollten wir uns schon tiefere Gedanken machen, wo die Hemmnisse liegen.
Woran liegt es, wenn in der Unterrichtung der Landesregierung vom 11. Februar dieses Jahres zum bürgerschaftlichen Engagement festgestellt werden muss, dass die Beiordnung ehrenamtlicher Bewährungshelfer in Mecklenburg-Vorpommern nur selten erfolgt? Woran liegt es? Dann wird dort gesagt, dass in den sechs Haftanstalten des Landes 33 Bürger in Anstaltsbeiräten tätig sind. Die Frage ist natürlich, inwieweit die Anstaltsbeiräte – und es sind ja einige Kollegen, die es konkret betrifft – tatsächlich in der Lage sind, Resozialisierungsarbeit zu leisten. Schließlich heißt es in der Unterrichtung, eine landesweite Regelung für Vollzugshelfer gebe es in MecklenburgVorpommern nicht. Die Johanniter sollten demnach ab 2004 Vollzugshelfer gewinnen. Wir wissen nicht und haben es jetzt auch noch nicht gehört, inwieweit das erfolgreich war.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, abschließend zwei Sätze aus einer Schrift des Greifswalder Kriminologen Professor Frieder Dünkel. Ich zitiere: „Der Rechtsund Sozialstaat“, so Professor Dünkel, „muss sich auch und vor allem im Umgang mit denjenigen beweisen, die sich in besonderem Maße schuldig gemacht haben. Es gibt in einem dem Rechts- und Sozialstaatsprinzip verpflichteten Gemeinwesen keine andere Wahl, als auch diesen Menschen eine realistische Chance der Wiedereingliederung zu geben, in ihrem Interesse, aber vor allem im Interesse der Gesellschaft und des Schutzes potentieller Opfer vor Rückfallkriminalität. Insofern ist der abwechselnd Winston Churchill, Georg Orwell oder Fjodor Dostojewski zugeschriebene Satz richtig: ‚Den Stand der Zivilisation erkennt man bei einem Blick in ihre Gefängnisse.‘“
Wir sollten uns auch nicht der Gefahr ergeben zu sagen, ehrenamtliche Arbeit könne die professionelle Arbeit in irgendeiner Weise ersetzen. Sie kann sie immer nur ergänzen, aber nicht ersetzen. – Schönen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich vorhin einige Kollegen aufzählte, die in den Anstaltsbeiräten tätig sind, habe ich nicht alle genannt. Ich habe da keine Recherche gemacht, Entschuldigung, Kollege Prachtl.
Ich wollte ganz kurz mal – es wurde schon sehr viel vom Minister und vom Kollegen Neumann gesagt, von mir auch schon in der Einbringung – aus der Praxis berichten. Wie läuft das mit solchen Anstaltsbeiräten? Jeder hat davon gehört. Aber wie sieht es dann in der Praxis aus? Was machen die? Wozu sind die da?
Ich bin zusammen mit dem Kollegen Caffier im Anstaltsbeirat der JVA Neustrelitz. Es ist ja eine Anstalt, die anders ist als die fünf weiteren Haftanstalten. Da sie nur aus einer Klientel von jugendlichen Heranwachsenden besteht, also bis 21 Jahre, haben wir hier Gefangene, die in der kriminellen Karriere noch nicht besonders weit fortgeschritten sind. Deshalb besteht auch eher die Möglichkeit, dass man sie erreichen kann, dass sie dann eines Tages vielleicht ein Leben ohne Straftaten führen können. Das Besondere bei dieser Klientel ist auch, dass 70 Prozent der dort Einsitzenden ohne Schulabschluss sind, 20 Prozent haben einen Hauptschulabschluss, 4 Prozent haben einen Realschulabschluss. Deshalb wird dort sehr viel für die Bildung getan. Sie haben dort die Möglichkeit, dass sie einen entsprechenden Schulabschluss ablegen können beziehungsweise auch eine Berufsausbildung. Bei der Berufsausbildung sind die Zahlen dort sehr gut. 7 1 Prozent bestehen die Gesellenprüfung beim ersten Mal. Das ist in der normalen Berufsausbildung, glaube ich, nicht ganz so hoch.
Der Anstaltsbeirat tagt mindestens monatlich. Die Inhaftierten kennen die Institution Anstaltsbeirat. In jedem Hafthaus hängen die Adressliste und die Telefonnummern der Mitglieder und die Inhaftierten können sich schriftlich oder telefonisch an die Mitglieder wenden, wenn sie bestimmte Probleme haben, wenn sie meinen, der Anstaltsbeirat muss angerufen werden. Die Besonderheit ist hierbei, dass die Post an den Anstaltsbeirat zu- und abgehend nicht kontrolliert wird.
Die Arbeit im Anstaltsbeirat verläuft sehr harmonisch und engagiert. Der Kollege Caffier und ich arbeiten dort zum Beispiel sehr beständig zusammen, sehr verlässlich. Um mit den Bildern des Kollegen Renz zu sprechen, das ist fast schon wie die Verlässlichkeit der deutsch-polnischen Zusammenarbeit.
Eins noch, das hat der Minister kurz dargelegt, wenn Abgeordnete in diesen Anstaltsbeiräten mitarbeiten, ist das auch sehr gut im Hinblick auf die Öffentlichkeitsarbeit. Da muss ich sagen, ich stelle in den Gesprächen in der Bevölkerung immer wieder fest, dass dort ein vollkommen falsches Meinungsbild von den Anstalten existiert – das ist Hotelunterkunft und jeder hat einen Fernseher und so weiter und so fort. Also nicht jeder hat einen Fernseher, sondern nur diejenigen, die sich dort einen Fernseher gekauft oder ihn von der Oma geschenkt bekommen haben, können dann auch Fernsehen gucken. Aber das sind gar nicht mal so sehr viele. Da verweise ich wieder auf das Klientel, was drin ist. Hier muss man wirklich in der Öffentlichkeit auch aufklären, denn wir haben ja die Möglichkeit, uns die Anstalt von innen anzuschauen. Wir haben einen Hausausweis und können jederzeit in die Anstalt hinein, durch alle Hafthäuser gehen und mit den Gefangenen sprechen. Dadurch kennen wir die Inhalte.
Ich bin der Meinung, dass die Arbeit dieser Anstaltsbeiräte enorm wichtig ist, nicht nur weil ich dort Mitglied bin, auch insgesamt und weil sie natürlich auch irgendwo dem Strafvollzug hilft. Ich vergleiche, um mal wieder mit Bildern zu sprechen, so eine Anstalt immer mit einem Kessel. Da kommt ja auch keiner heraus. Und im Kessel kommt auch nichts heraus. In diesem Kessel baut sich mitunter Druck auf, wenn zum Beispiel durch die Bediensteten falsche Entscheidungen getroffen werden und so weiter. Wir hatten das mal vor zweieinhalb Jahren in Bützow, wo sich ein Wahnsinnsdruck aufgebaut hat. Hier haben die Inhaftierten die Möglichkeit, über den Anstaltsbeirat zu versuchen, Klärung herbeizuführen. Wir setzen uns dann auch mit der Anstaltsleitung zusammen, versuchen irgendwo Änderungen zu erreichen und zu bewirken, auch argumentativ. Damit ist der Anstaltsbeirat in diesem Kessel, sage ich mal, ein kleines bisschen Ventil, wo der Druck abgelassen werden kann. – Das war’s.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 4/1117. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 4/1117 einstimmig angenommen.
Die anwesenden Mitglieder der Fraktion der CDU haben sich der Abstimmung enthalten. Das Wort zu einer Erklärung zur Abstimmung gemäß Paragraph 97 der Geschäftsordnung des Landtages erhält der Abgeordnete Herr Ankermann.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe an der eben erfolgten Abstimmung nicht teilgenommen
(Norbert Baunach, SPD: Ja, weil Sie mit Frau Seemann geredet haben. – Heiterkeit bei Heike Polzin, SPD: Abgelenkt gewesen.)
und möchte jetzt nach Paragraph 97 unserer Geschäftsordnung erklären, dass und warum ich nicht an der Abstimmung teilgenommen habe.
Der Antrag, der uns hier vorliegt, begrüßt die ehrenamtliche Tätigkeit im Rahmen der freiwilligen Straffälligenhilfe. Obwohl und weil ich das ehrenamtliche Engagement ganz besonders schätze und weil ich weiß, dass wir in unserem Sozialsystem des Landes ohne ehrenamtliches Engagement überhaupt nicht auskommen können, kann ich einem solchen Antrag, der hier eine Gruppe der ehrenamtlich Tätigen herausgreift,
Frau Kollegin Seemann hat vorhin einen Verein „Frauen helfen Frauen“ aus Rostock erwähnt – das habe ich mir mitgeschrieben –, der beispielsweise hier in diesem Zusammenhang gar nicht erwähnt wurde.
Wenn ich jetzt hier beispielsweise diesem Antrag zugestimmt hätte – ablehnen kann man ihn ja nicht, das schickt sich nicht, einen solchen Antrag abzulehnen,
ich will es so sagen –, dann würde man doch die anderen ehrenamtlich Tätigen irgendwo an der Seite stehen lassen.