Protokoll der Sitzung vom 14.05.2004

(Rainer Prachtl, CDU: Und uns wirft er mehrfach vor, wir reden das Land schlecht!)

Sehr geehrter Herr Kollege Prachtl, diese Szenen im Sender „Phönix“ waren wirklich eines Ministerpräsidenten nicht würdig. Aber danach wenigstens seiner Verantwortung nachzukommen, dem Auftrag des Parlaments gerecht zu werden und hier über die Zwischenergebnisse zu debattieren oder im Rechts- und Europaausschuss Rede und Antwort zu stehen, das hat er an keiner Stelle getan. Ich kann nur eines sagen, Herr Ministerpräsident: Den Wettbewerb mit den anderen Ländern kann man nur dann selbstbewusst und mit erhobenem Haupt gewinnen, wenn man nicht selbst vor Ort mit Minderwertigkeitskomplexen durch die Gegend geht.

(Beifall und Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Regine Lück, PDS: Sachlichkeit! Sachlichkeit! – Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

Und wenn Herr Dr. Ringstorff wirklich selbstbewusst hier seine Aufgabe wahrgenommen hätte, dann hätte er gesagt, dieser Tagesordnungspunkt ist uns so wichtig – dann wären Frau Gramkow und Herr Schlotmann zu uns gekommen –, der Punkt 4 in dieser Beschlussempfehlung ist uns so wichtig, dass wir das dann debattieren, wenn der Ministerpräsident hier ist. Wir haben es nämlich nicht gewusst, dass er heute im Bundesrat ist.

(Angelika Gramkow, PDS: Natürlich!)

Wir haben das nicht gewusst, dass er heute im Bundesrat ist. Jedenfalls haben wir es …

(Angelika Gramkow, PDS: Über den Bundesrat ist ja ständig geredet worden seit 14 Tagen in den Anwesenheitslisten der Minister! Hier Ihr Kollege war dabei! – Zurufe von Volker Schlotmann, SPD, und Birgit Schwebs, PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin eben nach vorne gegangen zu einer der Schriftführerinnen und habe gefragt, wer redet. Da ging die Kollegin davon aus, dass der Ministerpräsident redet, weil er nach wie vor ausgedruckt ist auf der Tagesordnung als Redner. Dann hätte man das korrigieren müssen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Da steht immer noch Ministerpräsident, zehn Minuten, nicht mehr und nicht weniger, währenddessen zum Beispiel beim Wirtschaftsminister beim Tagesordnungspunkt Mittelstandsfinanzierung die Finanzministerin ausgedruckt war, so wie sich das gehört. Also wer hier seiner Verantwortung nicht nachgekommen ist, das frage ich mich ganz besorgt.

(Heiterkeit bei Volker Schlotmann, SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke, wir sollten uns nicht damit begnügen, aus der Presse die bekannten Reformziele zu erfahren. „Die Welt“, die „Frankfurter Allgemeine“, die „Süddeutsche Zeitung“ haben umfänglich berichtet über die MPK vom 6. Mai zu den Themen:

Entflechtung von Entscheidungsprozessen zwischen Bund und Ländern bei angemessener Finanzausstattung

deutliche Zuordnung der politischen Verantwortlichkeiten von Bund und Ländern mit einer Stärkung der Länderkompetenzen

Steigerung der Effizienz der Aufgabenerfüllung zur besseren Ausschöpfung der wirtschaftlichen Leistungspotentiale in Bund und Ländern

Verbesserung der Europatauglichkeit des Grundgesetzes

Nur, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie aber sehen die Punkte jenseits des allgemeinen Konsenses im Detail aus? Wie gesagt, man muss sich dieses eben aus anderen Bundesländern besorgen.

Aber wofür setzt sich Mecklenburg-Vorpommern im weiteren Prozess ein? Wo sieht die Landesregierung ihre Chancen? Ich kann nur anbieten, dass wir als CDU-Fraktion bereit sind, uns in diesen Diskussionsprozess einzubringen, dass wir uns eingebracht haben. Wir müssen natürlich auch darüber reden, wo wir anderen Bundesländern und dem Bund entgegenkommen, das heißt, auf scheinbare Vorteile für uns verzichten könnten, wenn wir im Gegenzug mehr eigenständige Gestaltungsspielräume bekommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, dass dieses Thema wichtig genug ist, dass es auf die Tagesordnung des Landtages gehört, denn es geht schlichtweg darum, wie wir uns als Parlament bei der Veränderung und Neugestaltung des föderativen Systems der Bundesrepublik einbringen wollen. Uns als CDU geht es darum, mehr Zukunft für Mecklenburg-Vorpommern zu erreichen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke, Herr Rehberg.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Finanzministerin in Vertretung des Ministerpräsidenten.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Bei diesem Antrag, ich zitiere ihn noch einmal, „Die Zukunft in die eigenen Hände nehmen – Wettbewerbsföderalismus stärken“, frage ich mich ernsthaft: Ist Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, überhaupt klar, in wessen Horn Sie da tuten

(Beifall Heinz Müller, SPD, und Angelika Gramkow, PDS – Angelika Gramkow, PDS: Sehr richtig.)

oder sind Ihnen Parteiinteressen wirklich wichtiger als Landesinteressen?

(Heinz Müller, SPD: Offenbar!)

Was Sie mit diesem Antrag fordern, ist ein Wettbewerb der Starken auf Kosten der Schwachen, und ich weiß, wovon ich da rede. Wettbewerbsföderalismus statt solidarischem Föderalismus nützt nur den starken Ländern.

(Beifall Beate Mahr, SPD, Heinz Müller, SPD, und Angelika Gramkow, PDS)

Mit diesem Antrag schaden Sie den Interessen unseres Landes.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Angelika Gramkow, PDS)

Sie hintertreiben die Position der Landesregierung.

Grundsätzlich gilt, die Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung ist sinnvoll und natürlich notwendig, da gebe ich Ihnen vollkommen Recht, Herr Rehberg. Da sind wir uns auch einig. Wir wollen die politische Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern stärken. Wir sind für eine Entflechtung und Entkrustung der politischen Strukturen in Deutschland, für klare politische Verantwortlichkeiten und für Transparenz durch möglichst eindeutige Zuordnung von Kompetenzen. Und glauben Sie mir, mir hat es am allerwenigsten Spaß gemacht, das Gerangel im Vermittlungsausschuss über Wochen mittragen zu müssen. Die Bürgerinnen und Bürger müssen nachvollziehen können, welche Entscheidungen an welcher Stelle gefällt und verantwortet werden. Wir sind auch für eine Revitalisierung der Landtage.

Und, meine Damen und Herren, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, war der Chef der Staatskanzlei im Rechts- und Europaausschuss. Ich will hier noch einmal sagen, es hat am 06.05. bei den Ministerpräsidenten keinen Beschluss gegeben. Es steht Beschluss darüber und Herr Stoiber hat das auch so in der Presse verkauft, aber es hat keine Beschlüsse gegeben. Natürlich, heute haben wir den 14. Mai, bleibt es dem Rechtsausschuss unbenommen, diesen Punkt auf die Tagesordnung zu setzen.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Nee, umgekehrt! – Michael Ankermann, CDU: Wir müssen das doch nicht einfordern!)

Wir kommen auch gern. Es ist eine Woche her.

(Michael Ankermann, CDU: Das ist doch Ihre Schuld, Frau Ministerin! – Zuruf von Eckhardt Rehberg, CDU)

Also das ist gar keine Frage, das muss terminlich abgestimmt werden, das ist doch kein Punkt.

Wir sind auch für eine angemessene Kompensation für die Länder im Zuge der Abgabe von Mitwirkungsrechten im Bundesrat, sowohl was die Stärkung von Gesetzgebungskompetenzen als auch die Sicherung der Mitsprache der Länder bei Bundesgesetzen mit erheblichen Kostenfolgen betrifft. Und wir sind dafür, dass die Handlungsfähigkeit Deutschlands in Europa gestärkt und die Europatauglichkeit des Grundgesetzes verbessert, das heißt, insbesondere die Umsetzung europäischer Rechtsetzung effizient gestaltet wird. Aber wir wehren uns dagegen, dass der bewährte kooperative und solidarische Föderalismus für einen Wettbewerbs- und Verdrängungsföderalismus über Bord geworfen wird.

(Beifall Heinz Müller, SPD, Volker Schlotmann, SPD, und Angelika Gramkow, PDS)

Oder gilt es für Sie als echter und fairer Wettbewerb, wenn man einen Rekonvaleszenten gegen einen Hochleistungssportler antreten lässt? Fairen und gerechten Wettbewerb gibt es nur unter Gleichen, doch davon sind wir in Deutschland derzeit noch weit entfernt. Was wir brauchen, sind gerechte Startbedingungen. Wenn wir die haben, ist mir vor Wettbewerb nicht bange.

Die Zukunft in die eigenen Hände nehmen, ja, das heißt für uns, Mecklenburg-Vorpommern stärken. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, fordern die Stärkung des Wettbewerbs. Bayern dankt und Baden-Württemberg lässt grüßen. Aber im Interesse MecklenburgVorpommerns muss der Grundsatz der Herstellung und Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland bei allen Überlegungen zur Aufgabenneuordnung gewahrt bleiben. Wir wollen mit der Reform nicht das Grundverständnis der Bundesrepublik Deutschland aushebeln. Die neuen Länder haben unzweifelhaft noch lange Zeit einen erheblichen Nachholbedarf. Eine vom gesamtstaatlichen Ausgleich abgekoppelte Öffnung des Wettbewerbs unter den Ländern um Standortbedingungen und Ressourcen ist nicht im Interesse unseres Landes. Sie bringt für uns in Mecklenburg-Vorpommern keine zusätzlichen politischen Handlungsmöglichkeiten, aber sie verschärft das Ungleichgewicht zwischen den Bundesländern und das lehnen wir ab.

Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, fordern die strikte Trennung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern. Wiederum, Bayern dankt und Baden-Württemberg lässt grüßen, denn dann gilt: Wer mehr hat, kann mehr bieten, bei der Beamtenbesoldung und -versorgung, bei der regionalen Arbeitsmarktpolitik, bei den Hochschulen, beim BAföG oder bei der beruflichen Bildung. Wie sollen wir da mithalten? Dann bluten wir völlig aus. Deshalb sind wir uns mit anderen finanz- und wirtschaftsschwachen Ländern darin einig, dass die unterschiedlichen Bedürfnisse und Interessenlagen der Länder abgestufte Möglichkeiten der Kompetenzwahrnehmung erforderlich machen. Eine Stärkung der Länderkompetenzen um jeden Preis ist mit uns nicht zu machen. Gerade Mecklenburg-Vorpommern muss sehr genau abwägen zwischen einer wünschenswerten Stärkung der Kompetenzen und der Finanzierbarkeit zusätzlicher Aufgaben. Hier haben die Länder naturgemäß unterschiedliche Spielräume. Deshalb sehen wir in der Einräumung von Zugriffsrechten für die Länder einen Weg des Kompromisses, um zu politischen Lösungen zu kommen.

Diese differenzierte Herangehensweise an die Neuordnung der Gesetzgebungskompetenzen ist inzwischen

auch Konsens unter den Ländern. Auf diesem Weg behält der Bund das Recht zur Gesetzgebung, was ein Mindestmaß an Bundeseinheitlichkeit in wichtigen Gesetzgebungsbereichen sichert, und die Länder können ihrerseits ganz oder teilweise eigene Wege erproben und das nützt auch uns.

Sie fordern die Entflechtung der Mischfinanzierung und Gemeinschaftsaufgaben. Bayern dankt und Baden-Württemberg lässt grüßen! Aber Mecklenburg-Vorpommern kann dabei nur verlieren. Ist Ihnen nicht klar, dass das bestehende System der Bund-Länder-Mischfinanzierung ein wichtiger und wesentlicher Bestandteil des Aufbaus Ost ist, dass damit verlässliche Voraussetzungen für das Schließen der Infrastrukturlücke zwischen Ost und West und für die Angleichung bis 2020 geschaffen wurden?! Wollen Sie, dass die mühsam und mit großem Erfolg für Mecklenburg-Vorpommern geschnürten Pakete im Länderfinanzausgleich und im Solidarpakt II wieder aufgemacht werden? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Der Versuch der süddeutschen Länder, durch die Klage beim Bundesverfassungsgericht den ärmeren Ländern und damit auch uns in die Kasse zu greifen, konnte abgewehrt werden – Gott sei Dank, kann ich nur sagen. Ich hoffe sehr, dass solche Zeiten nicht wiederkommen.

Der Bund-Länder-Finanzausgleich und der Solidarpakt stehen in der Bundesstaatskommission bisher nicht zur Debatte. Die Erfolge, die wir in den Verhandlungen 2001 errungen haben, dürfen nicht gefährdet werden, indem Sie in diesen Punkten die Diskussion neu aufmachen. Die Verhandlungsergebnisse, die wir 2001 erreicht haben, müssen wir sichern, denn uns allen ist klar, so gut würden wir nie wieder wegkommen.

Wenn die Diskussion über eine Rückführung der GAMittel nicht zu vermeiden ist und wir uns dem Druck der Mehrheit nicht entziehen können, dann muss eine dauerhafte und dynamische Kompensation der Gemeinschaftsaufgaben und der gegenwärtigen Finanzhilfen und die Sicherung der überproportionalen Mittel des Solidarp a k t s II, Korb II, auf jeden Fall gewährleistet sein. Wir konnten erreichen, dass über diese Voraussetzung Konsens unter den Ländern besteht. Ein entsprechendes Kompensationsmodell wird gesucht. Nur unter solchen Ausgangsbedingungen können wir darüber reden.

Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, fordern die Öffnung der Steuergesetzgebung. Bayern dankt, Baden-Württemberg lässt grüßen! Aber was stellen Sie sich vor, welche Gestaltungsspielräume MecklenburgVorpommern dabei gewinnen soll? Ein fairer Wettbewerb erfordert gleichartige wirtschaftliche Ausgangsbedingungen. Bei Schwankungen der Steuerdeckungsquote von 37 bis 73 Prozent, so, wie wir sie derzeit haben, ist ein fairer Wettbewerb über Steuereinnahmen nicht möglich.

(Beifall Heinz Müller, SPD, und Angelika Gramkow, PDS)

Deshalb verzichten die Länder, selbst Bayern, auf Zuund Abschlagsrechte bei den Ertragssteuern ebenso wie auf die Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz für die Steuern, deren Ertrag den Ländern zusteht. Die Diskussion ist vom Tisch und das ist gut für Mecklenburg-Vorpommern.

All das zeigt, diesen Antrag der CDU-Fraktion, so, wie er hier vorliegt, können wir auf keinen Fall mittragen. Dieser Antrag schadet dem Land. Wir sind für die Moderni

sierung des Föderalismus, aber im Gegensatz zur Opposition ist unsere erste Frage: Was tut Mecklenburg-Vorpommern gut? Und deshalb gilt für uns, die Zukunft in die eigenen Hände zu nehmen, Mecklenburg-Vorpommern zu stärken.