Protokoll der Sitzung vom 25.11.2002

(Harry Glawe, CDU: Na wer regiert denn hier?! Wer regiert hier?!)

In Ihrem Redebeitrag, Herr Rehberg, nannten Sie fünf Punkte. Fünf Punkte! Und bezeichnend ist, Sie brauchten für diese fünf Punkte Alternativvorschläge eine Minute. Eine Minute, mehr nicht!

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, die haben wir so drauf. Die haben wir drauf. Das können wir. – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Meine Damen und Herren, wodurch ist die Situation der öffentlichen Haushalte nach der aktuellen Steuerschätzung nun gekennzeichnet?

Die Finanzministerin hat im Laufe des Jahres 2002 mehrmals auf Haushaltsverschlechterungen hingewiesen. Bereits im März diesen Jahres sind erste Schritte zur Gegensteuerung eingeleitet worden. Die Maisteuerschätzung hat die im März 2002 vorausgesehenen Ausfälle bestätigt und seit Mitte des Jahres zeichneten sich weitere massive Steuerausfälle ab. Nach der regionalisierten Steuerschätzung vom 12. und 13. November werden sie für das Land 2002 375 Millionen Euro und für 2003 371 Millionen Euro betragen. Auch für 2004 und 2005 wird mit Steuermindereinnahmen von über 400 Millionen Euro gerechnet.

Bei den Kommunen sieht es so aus, dass sie ebenfalls große Steuerausfälle haben, allerdings im Zeitraum Maisteuerschätzung/Novembersteuerschätzung vergleichsweise mit geringen Abweichungen, 2002 zum Beispiel zwischen der Steuerschätzung Mai und November nur 1 Million Euro und auf 2003 bezogen Maisteuerschätzung/ Novembersteuerschätzung 13 Millionen Euro. Vergleicht man die prozentuale Ausrichtung dieser Steuerausfälle, sind es bei den Kommunen insgesamt circa 3 Prozent, beim Land über 9 Prozent. Die Kommunen sind also zwar unterproportional im Vergleich zu Bund und Land von Steuerausfällen betroffen, haben aber erhebliche Ausgabenzuwächse, zum Beispiel im Bereich Sozialhilfe, und können trotz guter Finanzausstattung durch das Land diese erheblichen Probleme bei der Gestaltung ihrer Haushalte zunehmend kaum noch lösen.

Aber auch die Situation des Landes wird durch unabweisbare Mehrbedarfe in Höhe von 107 Millionen Euro für 2003 zusätzlich belastet. Dazu gehören zum Beispiel Zahlungen aus dem Sonder- und Zusatzversorgungssystem der DDR allein für 2002 in Höhe von 70 Millionen Euro, Werfthilfe, Wohngeld, Personal- und Gerichtskosten.

Also bleibt als Schlussfolgerung stehen: Die Situation für alle – ich betone, für alle – öffentlichen Haushalte hat sich weiter dramatisch verschlechtert.

Wo sind nun Konzepte, wo sind Antworten auf diese komplizierte Situation?

Ich möchte als Erstes auf kurzfristige Maßnahmen eingehen. Für 2002 wird also trotz Sparen und Anhebung der Kreditaufnahme um 100 Millionen Euro von bisher 332 Millionen Euro auf 432 Millionen Euro ein Haushaltsfehlbetrag von über 250 Millionen Euro verbleiben, der als Haushaltsübertrag dann auf die Folgejahre gesplittet und übertragen wird, 90 beziehungsweise 160 Millionen Euro.

Die Grundlage ist klar: Paragraph 25 Abschnitt 3 der Landeshaushaltsordnung. Die CDU-Alternative, einen Nachtragshaushalt zum jetzigen Zeitpunkt, also Ende November/Dezember 2002 zu machen, halte ich für ein völlig ungeeignetes Mittel.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS, und Gabriele Schulz, PDS)

Die Ausgaben stehen fest und wie wir die Einnahmesituation für 2002 regeln müssen, das habe ich eben kurz dargestellt.

(Zuruf von Eckhardt Rehberg, CDU)

Zweitens kommt es bei den kurzfristigen Maßnahmen darauf an, dass wir zwangsläufige Mehrausgaben in den Folgejahren durch Einsparungen abfangen. 107 Millionen Euro in 2002, 154 Millionen Euro in 2003. Einige Punkte wurden genannt, ich möchte sie aus Zeitgründen nur noch einmal stichpunktartig anreißen:

Die Wohnungsbauförderung wird nahezu auf Kofinanzierungsbedarfe reduziert.

Landesprogramme werden gekürzt.

Die sächlichen Verwaltungsausgaben müssen abgesenkt werden.

Auch der Anstieg der Personalausgaben muss stärker als geplant reduziert werden.

Und – das wird schmerzhaft, aber sich nicht vermeiden lassen – im Rahmen des FAG müssen wir für 2004 auch die Kommunalfinanzen in der jetzigen Ausstattung zur Disposition stellen.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Jaja.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sparen ist zwar richtig, aber wenn es konjunkturabwürgend wirkt, ist es kontraproduktiv. Deshalb werden wir die Steuermindereinnahmen durch eine Anhebung der geplanten Nettokreditaufnahme finanzieren

(Wolfgang Riemann, CDU: So macht doch Rot-Grün in Berlin gerade das Kontra- produktive. – Eckhardt Rehberg, CDU: Sie werden es nicht begreifen.)

in einer vor kurzer Zeit noch nicht geahnten Dimension. Das bedeutet für 2003 eine Erhöhung der Kreditaufnahme um 490 Millionen Euro auf 746 und für 2004 um 570 Millionen Euro auf 695. Wir erhöhen also die Nettokreditaufnahme auf das unbedingt notwendige Maß und reagieren damit auf die außergewöhnlich schlechte volkswirtschaftliche Situation zumindest ansatzweise antizyklisch. Dieses Konzept – ein Mix von Krediterhöhungen und Sparen – ist angesichts der objektiven Lage unumgänglich und ohne Alternative.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Mittelfristig aber sind wir natürlich abhängig von bundespolitischen und internationalen Entwicklungen,

(Wolfgang Riemann, CDU: Und den Marsmännchen.)

um die Einnahmesituation der öffentlichen Haushalte nachhaltig zu verbessern. Zwei Stichworte: Steuerrechtsänderungen, Konjunkturentwicklung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brauchen eine effizientere Unternehmensbesteuerung, die für mehr

Steuergerechtigkeit sorgt, den Abbau von Steuersubventionen und Vergünstigungen. Und ein erster Schritt dazu – auch wenn sicherlich nicht jedem einzelnen Punkt dieser 41 Punkte von Eichel zuzustimmen ist und beliebt schon gar nicht –, ein erster Schritt dazu ist das Steuervergünstigungsabbaugesetz, das am 5. Dezember im Bundestag beraten wird.

(Wolfgang Riemann, CDU: Das ist ein Wort!)

Einige Punkte möchte ich daraus nennen: Gewinne aus Wertpapier- und Immobiliengeschäften werden zukünftig pauschal mit 15 Prozent besteuert, Aktiengewinne mit 7,5. Eine höhere Belastung für die Nutzung von Dienstwagen ist vorgesehen,

(Zurufe von Dr. Ulrich Born, CDU, und Eckhardt Rehberg, CDU)

Begrenzungen der Verrechnungsmöglichkeiten von Verlustvorträgen mit aktuellen Gewinnen, Abschaffung der gewerbesteuerlichen Organschaft. Das bringt den Kommunen bundesweit über 1 Milliarde Euro Mehreinnahmen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das Wortungetüm ist eine Täuschung. Es ist keine Steuer- vergünstigung, sondern eine neue Steuer.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU, lieber Herr Born, ich würde mir wünschen, Sie würden dann im Bundesrat, wenn die Entscheidungen anstehen, den Einfluss geltend machen, um dem Großteil

(Dr. Ulrich Born, CDU: Um Unfug zu verhindern, ja.)

dieser Punkte Ihre Zustimmung zu geben. Das wäre nämlich ein wichtiger Beitrag,

(Eckhardt Rehberg, CDU: Nein, nein, nein, nein!)

um die Einnahmesituation auch für Mecklenburg-Vorpommern und auch für die Kommunen zu verbessern.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zurufe von Lorenz Caffier, CDU, und Eckhardt Rehberg, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brauchen eine höhere Besteuerung von Großerbschaften

(Harry Glawe, CDU: Eine gute Sache.)

durch ein reformiertes Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz.

(Wolfgang Riemann, CDU: Eine Haarfärbesteuer brauchen wir auch! – Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU – Torsten Koplin, PDS: Nun ist es ja gut, ist ja gut! – Zuruf von Karsten Neumann, PDS)

Also es ist schon mein Anliegen, aufgrund der außergewöhnlich schwierigen Situation, Herr Riemann, hier eine ernsthafte Debatte zu führen.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Heike Polzin, SPD: Er hat heut den 11.11., den ganzen Tag schon!)

Ja, es ist vielleicht Faschingszeit, Büttenreden und so weiter, aber der Höhepunkt ist eigentlich erst im Februar, Herr Riemann. Ihr Talent haben Sie ja heute wieder bewiesen.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Dann machen Sie mal weiter, Herr Borchert!)

Ja, machen wir mal weiter.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Ja. – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)