Protokoll der Sitzung vom 25.11.2002

(Eckhardt Rehberg, CDU: Ja. – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

In Deutschland wird inzwischen pro Jahr in Höhe von über 200 Milliarden Euro Vermögen vererbt, aber es werden noch nicht mal 3 Milliarden Euro Steuern darauf erhoben,

(Angelika Gramkow, PDS: Sehr richtig.)

Steuern in einer Höhe gezahlt, die, gemessen am internationalen Standard, einen sehr geringen Wert ausmachen.

(Harry Glawe, CDU: Sagen Sie doch, dass Sie die Mehrwertsteuer bald erhöhen wollen!)

Und da diese Steuer eine Landessteuer ist, könnte unser Land anstatt der geplanten 4 Millionen Euro für 2002 beziehungsweise für 2003 zukünftig zwischen 8 und 10 Millionen Euro pro Jahr einnehmen. Das wäre eine Steuermehreinnahme von circa 4 bis 6 Millionen Euro.

(Karin Strenz, CDU: Das Geld soll im Land bleiben, ja.)

Geld, bei dem wäre ich froh, wenn wir das zum Beispiel einsetzen könnten für ein Investitionsprogramm für Kindertagesstätten.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Eckhardt Rehberg, CDU: Jaja. – Harry Glawe, CDU: Da fehlen alleine 50 Mil- lionen. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brauchen eine stärkere Besteuerung von Großvermögen durch die Wiedererhebung der privaten Vermögenssteuer.

(Harry Glawe, CDU: Bei den Kitas gibt es einen Investitionsstau von 50 Millionen, Herr Borchert. – Zuruf von Karin Strenz, CDU)

Noch im Jahr 1996 hatte unser Land über den Länderfinanzausgleich einen Anteil von 2,3 Prozent vom Gesamtaufkommen der Vermögenssteuer,

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

das heißt, damals 4,6 Millionen Euro als Einnahme, obwohl die Steuer für Ostdeutschland nicht erhoben wurde. 4,6 Millionen Euro 1996. Im gleichen Jahr wurde die Vermögenssteuer von der CDU/F.D.P. abgeschafft und dies führte insgesamt zu einem Einnahmeverlust in allen Länderhaushalten insgesamt von 4,6 Milliarden Euro im Jahre 1996/97.

(Angelika Gramkow, PDS: Richtig. – Eckhardt Rehberg, CDU: Da gibt es ein Urteil in Karlsruhe. – Dr. Armin Jäger, CDU: Sie wissen, dass es ein Bundesverfassungsge- richt gibt. – Zuruf von Eckhardt Rehberg, CDU)

Nach einem aktuellen Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsförderung (DIW) wäre nicht nur eine verfassungskonforme Wiedereinführung der privaten Vermögensbesteuerung möglich, sondern bei Freibeträgen von 500.000 Euro je Haushalt und einem Steuersatz von 1,5 Prozent wäre ein Gesamtaufkommen von über 20 Milliarden Euro für die Bundesrepublik möglich.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS, Reinhard Dankert, SPD, und Heinz Müller, SPD)

Zahlen nachprüfbar, nachlesbar. Da auch diese Steuer eine reine Landessteuer ist, wäre für unser Land eine Mehreinnahme über den Länderfinanzausgleich in Höhe von 20 Millionen Euro möglich.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Bitte was?! – Harry Glawe, CDU: Was?! – Wolfgang Riemann, CDU: Gut, jetzt hören wir mal auf mit dem Konjunktiv!)

Ja, möglich deshalb, weil uns die Stimmen der CDU im Bundesrat, befürchte ich, fehlen werden, um die private Vermögenssteuer wieder einzuführen.

(Heiterkeit und Unruhe bei einzelnen Abgeordne- ten der CDU – Beifall Karsten Neumann, PDS)

Aber ich wiederhole meinen Appell, sehr geehrte Damen und Herren der CDU,

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

und ich appelliere auch an dich, Wolf-Dieter Ringguth, sich für Steuerrechtsänderungen im Bundesrat einzusetzen, sie nicht zu blockieren,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Landessteuer im Bundesrat?!)

damit Landesinteressen zu vertreten, denn nur somit können wir Steuereinnahmen für uns verbessern.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Harry Glawe, CDU: Sie wollen doch sowieso die Mehrwertsteuer erhöhen. Hören Sie doch auf! – Der Abgeordnete Dr. Ulrich Born bittet um das Wort für eine Anfrage.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brauchen auch eine umfassende Reform der Gemeindefinanzen.

Herr Abgeordneter Borchert, gestatten Sie eine Anfrage?

Anschließend bitte, ja.

Zur Gemeindefinanzreform hat sich am 23. Mai diesen Jahres eine Kommission konstituiert, von der wir erwarten können, dass sie Mitte 2003 konkrete Vorschläge zur Gesetzgebung unterbreitet. Ziel der Gemeindefinanzreform ist die Weiterentwicklung der Gemeindefinanzausstattung, welche den Kommunen einerseits verlässliche Einnahmen sichert, andererseits kommunale Entscheidungsspielräume erweitert und Aufgabenerfüllung und Finanzierung wieder in Einklang bringen soll. Im Mittelpunkt dieser Debatte steht nicht nur die Zukunft der Gewerbesteuer – die Absenkung der Gewerbesteuerumlage wurde ja auch bereits genannt –, sondern auch eine breitere Bemessungsgrundlage für eine Grundsteuerreform, in der alle Einheits- und Steuerbeträge, Steuermessbeträge auch den entsprechenden aktuellen Bemessungsgrundlagen angepasst werden. Eine aufgabengerechte Verteilung des Umsatzsteueraufkommens zwischen Bund, Ländern und Gemeinden gehört ebenfalls dazu, genauso wie eine Diskussion praktisch bezogen auf die Ausgabenseite, Stichwort steigende Sozialhilfekosten.

Nun zum Aspekt Konjunkturbelebung. Das sagt sich so leicht dahin: Wir brauchen Konjunkturbelebung. Wie schwer das ist in der heutigen Zeit, haben wir ja auch erfahren bezüglich der Aussagen, die gemacht wurden

zur Entwicklung in den USA. Ich möchte hier noch mal klarstellen, die Aussagen von Frau Keler bezogen sich auf 2001. Hinzuzufügen ist natürlich, dieses Zitat, dass es noch nie solche Schwankungen gegeben hat in den letzten 30 Jahren bezüglich der Prognosen der Entwicklung von Bruttoinlandsprodukten, zeigt natürlich eine besonders dramatische Situation.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Jetzt hab ich gar nichts mehr verstanden.)

Zur Entwicklung des BIP: Im Mai waren noch 0,75 Prozent prognostiziert, jetzt aktuell 0,5 Prozent und für 2002 2,5 Prozent ursprünglich und jetzt 1 bis 1,5 Prozent. Und für 2004 und 2005 sind Prognosen zwar reine Spekulation, trotzdem sind wir gut beraten, nicht zu hohe Erwartungen zu haben und vorsichtig zu planen. Wenn es besser läuft, wird es Steuermehreinnahmen geben beziehungsweise die Steuerausfälle werden geringer ausfallen, denn konjunkturbedingte Mehreinnahmen müssen nach meiner Meinung vorrangig zur Absenkung der Nettokreditaufnahme eingesetzt werden, aber auch für neue politische Spielräume, um in Wirtschaft und Bildung zu investieren.

(Harry Glawe, CDU: Jetzt gehen sie erst mal hoch, die Kreditaufnahmen.)

Dieses beziehe ich ausdrücklich auch auf mögliche Mehreinnahmen durch Steuerrechtsänderungen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, trotz aller aktuellen Schwierigkeiten halten SPD und PDS an folgenden drei finanzpolitischen Zielen fest:

Erstens. Um den infrastrukturellen Nachholbedarf gegenüber zumindest den finanzschwächsten westdeutschen Flächenländern aufzuholen, der circa 16 bis 18 Milliarden Euro beträgt, werden wir auch im Jahre 2003 die Investitionen mit mehr als 1,4 Milliarden Euro auf einem sehr hohen Niveau fortführen. Damit leisten wir einen wirksamen Beitrag für den Aufbau oder die Schaffung einer funktionsfähigen zukunftsträchtigen öffentlichen Infrastruktur, bilden damit die Grundlage für die Wirtschaft und leisten einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit.

Zweitens. Die Haushaltskonsolidierung wird kontinuierlich fortgesetzt. Die Rückführung der Nettokreditaufnahme auf null noch in diesem Jahrzehnt ist erklärtes Ziel der Landesregierung von SPD und PDS. Dazu gehört auch als Zwischenschritt für 2006 eine Nettokreditaufnahme von höchstens 370 Millionen Euro.

Drittens. Bis 2020 muss die Anpassung der Haushaltsstruktur an die eines durchschnittlichen westlichen Flächenlandes gelungen sein. Dazu gehört vor allem eine Anpassung der Stellenausstattung.

(Wolfgang Riemann, CDU: Bis 2020, Herr Borchert?! Meinen Sie das ernst?)

Bis 2006, Herr Riemann,

(Wolfgang Riemann, CDU: Bis 2020?)

soll eine Gesamtzahl von unter 38.500 in der Landesverwaltung erreicht sein.

(Harry Glawe, CDU: Bis 2006 oder bis 2020?)

Bis 2020 eine Anpassung der Haushaltsstruktur an die durchschnittlichen westlichen Flächenländer und als Zwischenschritt dazu bis 2006 eine Reduzierung der Gesamt

zahl der Stellen in der Landesverwaltung auf 38.500. Das noch mal im Klartext.

(Angelika Gramkow, PDS: Bis dahin können wir den Länderfinanzausgleich mitnehmen. Wollen wir darauf verzichten? – Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Das ist überhaupt keine anspruchsvolle Ziel- stellung. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Ich kann Ihnen versichern, dieser notwendige Stellenabbau wird sozialverträglich abgefedert und im Rahmen einer Personalausgabenbudgetierung in die Praxis umgesetzt.

(Zuruf von Eckhardt Rehberg, CDU)