Protokoll der Sitzung vom 16.09.2004

Deshalb, meine Damen und Herren, sage ich Ihnen, das vorliegende Gesetz, so unzureichend es aus Sicht der PDS ist, ist wenigstens ein Gesetz. Solange die europäischen Regelungen und Maßstäbe fehlen, sind nationale Konkretisierungen der für die Zulassung und Überwachung maßgeblichen Risiko- und Schädlichkeitsschwellen unerlässlich, damit ein Mindestmaß an Schutz und Vorsorge sichergestellt wird. Damit der gegenwärtig rechtsfreie Raum ausgefüllt wird, sollte das Gesetz so schnell wie möglich verabschiedet werden.

Dass Ihnen, liebe Kollegen von der CDU-Fraktion, manche Regelungen zu weit gehen, zeigt nicht nur der hier vorliegende Antrag, sondern auch das Agieren der unionsgeführten Länder im Bundesrat und der Fraktion der CDU im Bundestag. Aber allein aus umweltpolitischer Sicht betrachtet sind Ihre Forderungen im Antrag abzulehnen,

(Beifall Hans-Heinrich Jarchow, SPD, und Angelika Gramkow, PDS)

denn bezüglich der ökologischen Risiken in der Anwendung der grünen Gentechnik bestehen derzeit noch ganz große Ungewissheiten. Diese resultieren nicht allein aus dem Fehlen verlässlicher Basisdaten, sondern vor allen Dingen auch aus der für uns heute noch immer nicht fassbaren Komplexität natürlicher Systeme. Und in diese natürlichen Systeme greifen wir mit der großflächigen Anwendung der grünen Gentechnik ein, und zwar greifen wir nicht rückholbar ein.

Natur bedeutet ständiger Wandel und Veränderung. Jeder Ackerbau, jede Straße stellt einen Eingriff in die Natur dar. Nicht jede Straße darf deshalb gebaut werden. Bei der Gentechnik fehlen aber bisher konkrete Maßstäbe und Kriterien, um festzulegen, wo und wann es keinen Anbau für Genpflanzen geben darf. Gentechnikfreie Zonen sind deshalb in bestimmten Gebieten angebracht, in Schutzgebieten unter Umständen sogar notwendig. Das ergibt sich schon aus dem internationalen Übereinkommen über die biologische Vielfalt. Würde man konsequent dem Vorsorgeprinzip, und zwar gerichtet auf die Erhaltung der Artenvielfalt bei der Anwendung der Gentechnik, folgen, dann müssten ökologisch wertvolle und sensible Gebiete von der Anwendung ausgeschlossen bleiben. Deshalb begrüßt es die PDS ausdrücklich, wenn sich Landwirte freiwillig zusammenfinden und beschließen, auf GVO-Anbau auf ihren Flächen zu verzichten,

(Beifall Angelika Gramkow, PDS, und Torsten Koplin, PDS)

und damit auch gentechnikfreie Referenzgebiete erhalten.

An dieser Stelle, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, sind Sie im Übrigen logisch inkonsequent, wenn Sie im letzten Stabstrich Ihres Antrages einerseits fordern, den Landwirt selbst darüber entscheiden zu lassen, wie er wirtschaftet und was er anbaut, und wenn Sie dann abschließend aber gentechnikfreie Zonen ausschließen wollen. Ja was? Sollen die Landwirte nun entscheiden oder sollen sie nicht?

Da Sie aber nicht nur umweltpolitische Argumente von mir hören wollen, sage ich Ihnen noch ein paar Worte darüber, wo Ihr Antrag auch im Interesse der Landwirte zu kurz greift. Ich meine hier beispielsweise den Punkt 3. In diesem beklagen Sie die komplizierten Haftungsregelungen und das Verursacherprinzip. Es ist aber bei realistischer Betrachtung sehr wohl zu erwarten, dass dem gentechnikfrei wirtschaftenden Landwirt durch die Nutzung der grünen Gentechnik Nachteile entstehen werden. Benennen möchte ich an dieser Stelle nur zwei:

Denkbar ist – und das ist auch schon Realität in Südamerika – das Auftreten von Resistenzen bei Schadinsekten und ebenfalls vorhersehbar sind verschlechterte Vermarktungsmöglichkeiten durch das Entstehen von Produktverunreinigungen mit GVO. Besonders ökologisch wirtschaftende Landwirte werden davon betroffen sein, denn ihre Richtlinien erlauben keine Verunreinigungen mit GVO-Rückständen.

Bislang, meine Damen und Herren, gibt es weltweit keine Versicherung, nicht eine einzige, die Schäden aus dem Gentechnikanbau regulieren will. Wer haftet also, wenn Verunreinigungen auftreten, und wer trägt die Kosten für die umfangreichen Kontroll- und Sicherheitsmaßnahmen? Die Freistellung der Anwender von Haftungs- und Entschädigungsansprüchen wälzt das gesamte Risiko auf benachbarte konventionelle oder ökologische Betriebe ab. Deshalb muss nach Auffassung der PDS das Verursacherprinzip auf allen Ebenen festgeschrieben werden,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

denn Kontrollsicherheit und Schadenskosten können Nicht-GVO-Landwirte schneller in den Ruin treiben als jede Agrarreform.

(Ute Schildt, SPD: Das ist zu platt.)

Peter Röhrig vom Bundesverband ökologische Landwirtschaft sieht die Gefahren der Gentechnik besonders in den wirtschaftlichen Kosten, die auf die Landwirte zukommen. Sie nämlich, die ökologischen Landwirte, müssen vorsorglich Analysen und Proben durchführen, dokumentieren und sich selbst Informationen über eventuelle Felder mit Gentechnikpflanzen beschaffen. Diese Vorsorgekosten, so schätzt er, könnten sich auf 55 bis 350 Euro pro Hektar summieren. Gewinner, so Röhrig, seien ausschließlich die multinationalen Agrarkonzerne wie Bayer/ Aventis, Syngenta, DuPont und vor allen Dingen der amerikanische Riese Monsanto. Dem ist nichts hinzuzufügen, außer: Genau aus diesem Grunde fordert die PDS die Einrichtung eines Haftungsfonds, der nach dem Verursacherprinzip eingerichtet und gespeist wird.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und Hans-Heinrich Jarchow, SPD)

Danke schön, Frau Schwebs.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr von Storch. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Wir haben eine typische Debatte über neue Technologien in einem Parlament: Die einen sind dafür und die anderen finden vieles dagegen.

Herr Minister Backhaus, wenn ich mich zunächst mit Ihrem Beitrag beschäftigten darf, so möchte ich einmal festhalten, dass niemand in der CDU es nötig hat, sich von irgendeinem Konzern sponsern zu lassen, wie Sie das unterstellt haben. Das war ein unqualifizierter Tiefschlag.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Minister Dr. Till Backhaus: Na, na, na!)

Und wenn Sie, Herr Minister, noch mit „Na, na, na!“ nachlegen, dann ist das total falsch. Sie unterstellen uns, dass wir uns vor den Karren von Konzernen spannen lassen. Das haben wir nicht nötig. Ihnen müsste ich entgegenhalten, dass Sie sich ganz offensichtlich zu einseitig auf die Widerstände gegen solche Technologien verständigen. Wir sind der Meinung, dass wir offen sein müssen für die Gentechnologie, weil sie einfach notwendig ist, und nicht nur, meine Kolleginnen und Kollegen, weil sie notwendig ist, sondern weil sie längst praktiziert wird.

(Zuruf von Karsten Neumann, PDS)

In der ganzen Welt wird sie auf über 70 Millionen Hektar umgesetzt. In Mecklenburg wird sie praktiziert, aufzuhalten ist sie nicht. Es geht nicht um die Frage, ob oder wie grüne Gentechnik funktioniert.

Und ein Weiteres: Wenn die Risiken so hoch gesetzt werden, wie das hier gesagt wird, dann sollten wir die Forschung gerade zu den Risiken vertiefen und uns nicht in eine gewissermaßen forschungsfeindliche Position bringen, indem wir durch gesetzliche Regelungen die Forschung an die Kandare nehmen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Das alte Prinzip der Freiheit von Forschung und Lehre muss wieder in Erinnerung gebracht werden und wir haben wieder mal einen Fall, meine Kolleginnen und Kollegen, wo wir mit Überreglementierungen alles das einengen wollen, was eigentlich irgendwann auch zur Freiheit der Forschung gehört, und dagegen wehren wir uns.

(Zuruf von Karsten Neumann, PDS)

Sie haben, Herr Minister, den letzten Satz unserer Begründung zu den GVO-freien Zonen aufgespießt. Dieser mag missverständlich in der Formulierung sein. Uns geht es darum, dass nicht gesetzlich vorgeschrieben wird, dass wir solche Zonen brauchen, sondern dass das eine Frage der Freiwilligkeit ist

(Angelika Peters, SPD: Sie können es nicht verbieten.)

und diese Ansprüche auf eine GVO-freie Zone ihre Grenzen finden müssen in den Rechten und Ansprüchen des Nachbarn, der es anders haben will. Das gehört eigentlich auch in diesen Kontext.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Frau Kühnel, ich bin mit Ihnen einig, dass die Gentechnik nicht mehr aufzuhalten ist.

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Und, Frau Schwebs, es geht nicht darum, einen Keil in die Koalition zu treiben, sondern darum, auch die Problematik noch einmal deutlich zu machen, weil wir meinen, dass das, was uns bei der Gentechnikdiskussion am Herzen liegt, einfach zu kurz kommt, nämlich zu kurz kommt, meine Kolleginnen und Kollegen, dass wir abermals dabei sind, die Entwicklung einer Schlüsseltechnologie in Deutschland aus der Hand zu geben, weil wir die Forschung unverantwortlich behindern und sie zur Abwanderung ins Ausland zwingen. Und dass wir das überall tun, ist inzwischen bekannt, so dass nur noch ewig Gestrige meinen, sie müssten sich dem entgegenstellen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Und, meine Damen und Herren, ich sage es hier – das ist meine Meinung –, es gibt in der Tat Ähnlichkeiten mit der Diskussion zur Embryonenforschung. Auch dort wird die Forschung ins Ausland vertrieben,

(Angelika Peters, SPD: Das sind alles alte Argumente.)

andere forschen für uns. Wir dürfen dann deren Patente als Lizenzen käuflich erwerben – ein trauriges Kapitel.

Meine Damen und Herren, dieses vorliegende Gesetz ist ein Innovationskiller. Das muss man auch einmal so deutlich aussprechen. Und wenn wir zunehmend gentechnisch veränderte Produkte aus dem Ausland importieren, so ist auch das heute Fakt. Seit Jahren wird in Deutschland gentechnisch veränderter Mais oder Soja in der Landwirtschaft verfüttert. Und ich meine, dass wir auch zugeben und offen erklären müssen, dass es gesicherte Erkenntnisse für Risiken in Bezug auf die Nahrungskette nicht gibt.

Meine Kolleginnen und Kollegen, wir alle essen seit Jahren gentechnisch veränderte Nahrungsmittel und wir leben immer noch.

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Und ich meine auch, dass man die Vorteile der Gentechnik nicht außer Acht lassen darf, abgesehen davon, dass wir ihrer weltweit bedürfen. Es können gentechnisch optimierte Pflanzen eine höhere Schädlingsresistenz haben,

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

sie haben wirksame Abwehrmechanismen gegen Salz und Dürre und sie können in der Tat, Frau Peters, sehr wohl dazu beitragen, dass wir zu einer verringerten Ausbringung von Düngern und Pflanzenschutzmitteln kommen können.

(Zuruf von Birgit Schwebs, PDS)

Das sollte man hier auch einmal deutlich sagen. Wir meinen, dass es notwendig ist, Demonstrationsfreilandversuche zu ermöglichen, allen bäuerlichen Betrieben den Zugang zu gentechnisch optimierten Pflanzensorten zu eröffnen und endlich eine sachliche Informationsarbeit im Bereich der Gentechnik zu leisten.

Meine Kolleginnen und Kollegen, die Auswirkungen dieses Gesetzes lassen sich wie folgt umschreiben: Verunsicherung der Landwirte, willkürliche und damit unge

rechte Haftung für diese Technologie bei Landwirten, die diese Technologie nutzen, Verhinderung einer echten Freilandforschung, Aufblähung der Bürokratie und hohe Kosten.

Wir wissen, dass wir in Mecklenburg über 77 Unternehmen mit über 1.800 Beschäftigten im Bereich der Forschung haben. Über 700 Wissenschaftler und 10.000 Studenten befassen sich mit Aufgaben der Gentechnik. In ganz Deutschland bietet die Gentechnik derzeit 25.000 Arbeitsplätze, wie der Presse zu entnehmen war.

Und, meine Kolleginnen und Kollegen, wir haben gerade im Landwirtschaftsausschuss bei einem Besuch in Dänemark mitbekommen, dass die Dänen im vorigen Jahr ein Gesetz über Gentechnik entwickelt haben, in dem klar gesagt worden ist, was in Dänemark im Rahmen der Gentechnik gemacht werden darf, das Chancen und Risiken klar regelt, das das Nebeneinander regelt und die Transparenz und insbesondere die Haftung so regelt, dass jeder mit dem Gesetz konstruktiv umgehen kann. Davon sind wir ganz offensichtlich meilenweit entfernt. Und ich sage Ihnen, dass unter den Voraussetzungen dieses Gesetzes die Entdeckung der Struktur der DNA durch Crick und Watson 1953 über die Entwicklung des gentechnisch hergestellten Insulins 1982 gar nicht möglich gewesen wäre.