Protokoll der Sitzung vom 13.10.2004

(Dr. Armin Jäger, CDU: Herr Innenminister haben Sie schon einmal von einem Institut von der Klagebefugnis gehört? Sie reden Unsinn!)

Das tun Sie aber nicht, weil die Härtefallkommission sehr vernünftige abgewogene Empfehlungen gibt,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wir haben gar keine Klagebefugnis. Sie haben keine Ahnung!)

die mit einer einzigen Ausnahme alle von den Ausländerbehörden befolgt wurden.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Bleiben Sie bei Ihrem Konzept!)

Und ich gehe davon aus, Herr Dr. Jäger, das unterstelle ich Ihnen einfach, dass Sie es besser wissen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das weiß ich. – Peter Ritter, PDS: Das zweifele ich an! Das zweifele ich an!)

Und demzufolge nehme ich es Ihnen sehr übel, dass Sie hier die Unwahrheit sagen!

(Torsten Koplin, PDS: Wider besseres Wissen!)

Das gehört nicht ins Hohe Haus!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Dr. Armin Jäger, CDU: Sie reden die Unwahr- heit! Nehmen Sie die Verordnung vom Tisch!)

Meine Damen und Herren, das Zuwanderungsgesetz, das ab dem 1. Januar 2005 in Kraft tritt, hat die Härtefallkommission der Länder, die in 16 Ländern eingerichtet werden können, gesetzlich aufgewertet, und zwar unter anderem auch deswegen, weil sich die in einigen Bundesländern bestehenden Härtefallkommissionen bewährt haben. Die Folge ist, dass jetzt auch CDU-geführte Länder wie Bayern, Saarland, Baden-Württemberg und weitere Härtefallkommissionen einrichten.

(Holger Friedrich, SPD, und Gabriele Schulz, PDS: Hört, hört!)

Da frage ich mich, ob Sie mit Ihren CDU-Unionsfreunden nicht über diese Fragen sprechen.

(Unruhe bei Abgeordneten der SPD und PDS – Volker Schlotmann, SPD: Ach, Herr Jäger, Sie haben keine Ahnung! – Rudolf Borchert, SPD: Herr Jäger ist nicht auf dem neusten Stand!)

Die werden doch Gründe haben, diesen Weg zu beschreiten, und zwar im Rahmen einer rechtsstaatlichen Ordnung, die in allen Bundesländern gilt.

Meine Damen und Herren, Herr Dr. Körner hat schon einiges zur Arbeitsweise der Härtefallkommission gesagt und ich möchte auch noch einmal die sehr guten Ergebnisse, die seit 1999 in Mecklenburg-Vorpommern erreicht werden konnten, anführen. Man kann es gar nicht oft genug sagen, auch gerade dann nicht, wenn man meint, dass es zahlenmäßig geringe Bewegungen bei den Entscheidungen der Härtefallkommission gab. Letztlich geht es um jeden einzelnen Fall. Hier sind die Menschen zu sehen, Ausländerinnen und Ausländer, bei denen es in jedem Einzelfall um eine humanitäre Entscheidung geht. Und ich wäre schon dann froh, wenn es nur einen einzigen positiven Bescheid gegeben hätte.

(Beifall Peter Ritter, PDS)

Es gab weitaus mehr. Aber ein einziger hätte schon die Frage beantworten können, warum wir eine Härtefallkommission gebraucht haben, weil wir wenigstens einem hätten helfen können. Jetzt waren es entscheidend mehr.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, und einzelnen Abgeordneten der PDS – Peter Ritter, PDS: So ist es.)

Ich will Ihnen die Zahlen einmal nennen: An die Härtefallkommission sind 94 Anträge von 1999 bis heute für insgesamt 265 Personen gestellt worden und davon konnten bis heute 91 Anträge abgeschlossen werden. Von diesen hat sie wie folgt entschieden: 14 Anträge für 26 Personen konnten mit einem durchweg positiven Ergebnis votiert werden, das heißt, hier konnte eine positive Empfehlung gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde abgegeben werden und die Behörde ist dieser gefolgt. Bei 10 Anträgen für 25 Personen konnte mit einem eingeschränkt positiven Ergebnis votiert werden, das heißt, der Antrag konnte teilweise beschieden werden, auch hier sind die Ausländerbehörden den Voten gefolgt. Bei 41 Anträgen, das betrifft 125 Personen, musste mit einem negativen Ergebnis votiert werden, und auch hier ist die Ausländerbehörde jeweils dem Votum gefolgt.

Meine Damen und Herren, auch ich danke, genau wie Herr Körner, denen, die in diesem Gremium, auch mehrfach, in den Legislaturperioden gearbeitet haben, sehr herzlich, denn es ist sehr viel Zeit, sehr viel Sachverstand und sehr viel Energie investiert worden, um in diesem Sinne humanitär für die entsprechenden Personengruppen in unserem Lande zu entscheiden.

Nun komme ich zu einem zweiten Sachverhalt, nämlich zu der Frage: Was machen wir ab dem 1. Januar? Und auch hier, Herr Dr. Jäger, bin ich etwas irritiert darüber, dass Sie den Sachverhalt falsch darstellen. Auch hier unterstelle ich Ihnen, dass Sie wissen, was im Gesetz steht.

(Dr. Klaus-Michael Körner, SPD: Wieder mal verrannt!)

Im neuen Gesetz steht nicht, dass die Härtefallkommission ab dem 1. Januar selbst entscheidet und Unterlagen des Verfassungsschutzes lesen darf. Das steht gar nicht im Gesetz.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ich darf das doch gar nicht lesen.)

Im Gesetz steht Folgendes: Ab dem 1. Januar kann die Härtefallkommission eine Empfehlung abgeben, und zwar an die oberste Landesbehörde oder eine von ihr bezeichnete Stelle. Und die oberste Landesbehörde kann natürlich die Unterlagen des Verfassungsschutzes lesen. Die Entscheidung trifft nicht die Härtefallkommission, sondern die oberste Landesbehörde. So steht es im Gesetz, Herr Dr. Jäger! Sie schütteln den Kopf. Jedenfalls steht es so in dem Gesetz, das ich als Zuwanderungsgesetz bezeichne, daran habe ich ja selbst mitgewirkt.

(Heiterkeit bei Dr. Armin Jäger, CDU: Das haben wir gemacht.)

Sie und alle anderen können getrost auch in Zukunft

davon ausgehen, dass bei den Entscheidungen der obersten Landesbehörde, bei jeder Einzelfallentscheidung die Informationen, die uns über den Landesverfassungsschutz zugänglich sind, auch berücksichtigt werden. Dabei bleibt es. Das war vorher auch schon so, bezogen auf die Entscheidungen der Ausländerbehörden, und dabei wird es auch in Zukunft bleiben. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass wir zeitnah zum In-Kraft-Treten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar auch die Härtefallkommission mit den neuen Befugnissen hier im Lande

berufen können, um den Berg von Anträgen, der sich langsam türmt, dann ab dem 1. Januar 2005 mit dieser neuen Struktur abzuarbeiten. Und auch da, davon gehe ich aus, werde ich mit der Unterstützung des Hohen Hauses rechnen dürfen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Vielen Dank, Herr Innenminister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Ritter von der PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Herr Renz, wenn Sie Klartext möchten, kann ich Ihnen helfen. Unter den Fällen, die die Härtefallkommission bearbeitet hat, Herr Dr. Jäger, war nicht ein Hassprediger und es wird auch kein Hassprediger dabei sein, der eine Empfehlung der Härtefallkommission unseres Landes erhält.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Zweitens, Herr Dr. Jäger, wer naiv ist von uns beiden, das haben Sie schon dargestellt.

(Beifall Karsten Neumann, PDS – Heiterkeit bei Gabriele Schulz, PDS)

Ich bin wahrlich kein Freund von Herrn Schönbohm, aber ich freue mich, dass auch Brandenburg jetzt eine Härtefallkommission einrichtet, und deshalb sind die Eiertänze, die Sie hier abfeuern, überhaupt nicht mehr nachzuvollziehen.

(Beifall und Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Zahl der Fälle, wo Politikerinnen und Politiker sich weigern, Tatsachen und einfache Wahrheiten anzuerkennen, nimmt beängstigend zu. Dazu gehört, dass die CDU-Fraktion hier im Hohen Hause oder einzelne ihrer Fachpolitiker auch nach fünf Jahren des Bestehens und des erfolgreichen Wirkens der Härtefallkommission deren Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit immer noch ignorieren und halsstarrig bestreiten. Etwas anderes ist es nicht, Herr Dr. Jäger. Anstatt die verantwortungsbewusste Arbeit der Kommissionsmitglieder anzuerkennen, wird ihnen Gegenteiliges unterstellt, selbst in der Anhörung. Anstatt zu erkennen, dass die Empfehlungen der Kommission nachprüfbar auf den – aus Sicht der PDS – leider noch immer restriktiven ausländergesetzlichen Regelungen beruhen, wird ihr von der CDU-Seite vorgeworfen, sie bewege sich außerhalb des Gesetzes. Es wird vorgeworfen, einen Nachweis haben Sie bis heute nicht erbracht und Sie können ihn nicht erbringen, Herr Dr. Jäger.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Beate Mahr, SPD – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Und dieser Nachweis, dass die Härtefallkommission erfolgreich arbeitet, ist hier dargestellt worden, denn alle Ausländerbehörden haben sich die Empfehlungen der Kommission bis auf eine, soweit ich weiß, zu Eigen gemacht, also beabsichtigte Abschiebungen aus nachvollziehbaren Gründen nicht vollzogen und so manch bitteres Schicksal verhindert. Dennoch plädiert die CDU für eine

Nichtweiterführung der Kommissionsarbeit und das ist nicht nachzuvollziehen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Die Härtefallkommission, davon ist die PDS-Fraktion überzeugt, bleibt notwendig und wird angesichts aktueller Asyldebatten und Asylentscheidungen augenscheinlich noch notwendiger werden. Laut Paragraph 23 a Aufenthaltsgesetz soll die neue Härtefallregelung dann zur Anwendung kommen, wenn, ich zitiere, „dringende humanitäre oder persönliche Gründe die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet rechtfertigen.“ Das wird die Entscheidungsgrundlage sein. Alle Bundesländer werden – das haben wir jetzt gehört – ermächtigt, Härtefallkommissionen einzurichten, die über die Härtefälle im Wege der Selbstbefassung entscheiden.

Und ich denke, dass wir bei der Umsetzung dieser Bestimmung hier in Mecklenburg-Vorpommern viel Aufmerksamkeit darauf richten sollten, was in der Rechtsverordnung des Landes festgelegt wird. Da das deutsche Asyl- und Ausländerrecht viele Härtefälle hervorgebracht hat und hervorbringt, darf die Verordnung nicht von vornherein einen Großteil der Betroffenen ausschließen. Auch der langjährige Aufenthalt muss einen Härtefall begründen können. Für langjährig hier Lebende, wie es sehr viele Geduldete sind, und erst recht für deren hier geborene und aufgewachsene Kinder ist Deutschland ihre Heimat und nicht ein fernes Herkunftsland. Aus Flüchtlingen sind somit Einwanderer geworden und das gilt es anzuerkennen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

Das Zuwanderungsgesetz sieht vor, die Härtefallregelung 2009 auslaufen zu lassen. Das entspricht jedoch nach unserer Auffassung nicht den Bedürfnissen und Notwendigkeiten. Die Regelung muss über das Jahr 2009 hinaus verlängert werden, denn es ist nicht damit zu rechnen, dass es in fünf Jahren keine Härtefälle mehr geben wird. Oder wird etwa davon ausgegangen, dass die Zahl der Asylanträge weiter so rasant zurückgehen wird, wie in den vergangenen Jahren?

In der Europäischen Union hat sich diese Zahl in den letzten zehn Jahren mehr als halbiert. 2003 gab es einen Rückgang von über 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In Deutschland sanken die Asylzugangszahlen im Jahr 2003 auf 50.000. Das ist der niedrigste Stand seit 1984, ein Trend, der sich auch dieses Jahr augenscheinlich fortsetzen wird. Von Januar bis August stellten lediglich 24.501 Menschen einen Asylantrag. Es wäre doch vor diesem Hintergrund problemlos möglich, vorhandene Ressourcen des Bundesamtes auf eine Verbesserung der Qualität der Asylanhörungen und -entscheidungen zu konzentrieren. Dies aber geschieht leider nicht. Gestiegen ist vielmehr die Zahl der Abschiebungen, auch europaweit, und das alles vor dem Hintergrund, dass laut UNHCR weit über 80 Prozent der aktuell circa zwölf Millionen Flüchtlinge weltweit meist unter katastrophalen Verhältnissen in der jeweiligen Herkunftsregion leben. Darüber hinaus gibt es schätzungsweise 20 bis 25 Millionen Binnenvertriebene.