Mecklenburg-Vorpommern Herr Dr. Ringstorff sich gnädigerweise bemüht, der nach der Verfassung unseres Landes bedeutendsten Institution unseres demokratischen Gemeinwesens kundzutun, was er in den nächsten vier Jahren zu tun gedenkt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Viele Menschen nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern können sich des Eindrucks nicht erwehren, dass in diesem Land einmal mehr die politischen Maßstäbe verloren gehen.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ich kann sehr wohl nachvollziehen, dass man sich nach einem aufreibenden Wahlkampf eine Pause gönnt, eine Auszeit benötigt. Auch ich habe mir diese gegönnt. Aber es ist unakzeptabel, nach einem Vierteljahr den Menschen dieses Landes zu sagen, wo die Reise in den nächsten vier Jahren hingehen soll. Ich halte dies für unakzeptabel, weil die Probleme, vor denen wir stehen, Antworten verlangen. Die Menschen verlangen Antworten von uns darauf, wie die Rahmenbedingungen für wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in diesem Land aussehen. Und, Herr Ministerpräsident, dazu kann, dazu darf man sich nicht knapp ein Vierteljahr Zeit lassen.
Meine Damen und Herren, unser Land hat drei Stimmen im Bundesrat und wir werden in neun Tagen, am 20. Dezember, viele wichtige Entscheidungen im Bundesrat haben. Und die Verhältnisse im Bundesrat sind eng. Es hätte uns schon interessiert, uns als Landtagsabgeordnete, aber, Herr Ministerpräsident, insbesondere die Menschen in diesem Land, für die Sie politische Verantwortung tragen: Wie positioniert sich die Landesregierung zu diesen wichtigen bundespolitischen Themen bei der Rente, bei der Gesundheit, bei dem Thema Arbeitsmarkt? Sie sind außer Allgemeinfloskeln, Herr Ministerpräsident, hier uns und den Menschen, insbesondere den Menschen in Mecklenburg-Vorpommern, Ihre Antwort, die Antwort der Landesregierung schuldig geblieben.
Oder, Herr Ministerpräsident, ist der Maßstab des ehemaligen stellvertretenden Ministerpräsidenten und jetzigen Ministers für Arbeit, Bau und Landesentwicklung auch Ihr Maßstab, der auf dem PDS-Landesparteitag gesagt hat, dass er im Bundesrat Parteipolitik über Landesinteressen stellen werde? Ist das auch Ihre Haltung, Herr Ministerpräsident, oder sind Sie dem Amtseid von Mecklenburg-Vorpommern verpflichtet, Ihrem Amtseid, das heißt, dass Sie die Interessen unseres Bundeslandes im Bundesrat zu wahren haben?
Herr Ministerpräsident, die Menschen erwarten Antworten. Sie haben versprochen, dass die Rentenbeiträge stabil bleiben. Dieses Versprechen ist gebrochen worden. Weiter wird an der Zapfsäule ein immer höherer Rentenbeitrag erhoben, aber der Rentenbeitrag, Herr Ministerpräsident, sollte im nächsten Jahr 18,7 Prozent sein. Mit vielen Tricksereien ist er bei 19,5 Prozent gelandet. Herr Ministerpräsident, wie positionieren Sie sich zu diesem politischen Problem?
Sie haben die Angleichung der Gehälter im öffentlichen Dienst versprochen bis zum Jahr 2007. Wie sieht es mit der Nullrunde bei Krankenschwestern und Ärzten in den Krankenhäusern aus? Wie ist dort Ihre Position? Sie wol
len eine Ostkomponente im Hartz-Konzept. Heute wird das Konzept ohne diese Komponente durchgepeitscht und ich gebe Ihnen einen guten Rat, Herr Ministerpräsident und Herr Minister Holter: Die Holter-Kommission zu Hartz brauchen Sie nicht mehr einzusetzen! Der Zug Hartz steht nicht nur voll unter Dampf, der ist schon fast im Zielbahnhof ohne Mecklenburg-Vorpommern angekommen.
Und deswegen wäre es schon interessant gewesen, Herr Ministerpräsident, zu hören, wie Sie zu dem Thema Minijobs stehen. Eine Chance für ein Saisonland wie Mecklenburg-Vorpommern, gerade jetzt zu Weihnachten und Silvester, wo ein hoher Bedarf in den Hotels, in der Gastronomie vorhanden ist, wie stehen Sie dazu, dass gerade in der Saison Menschen 500 Euro brutto gleich netto behalten können? Ihre Position für unser Land kann doch nicht sein, dass sie Ja sagen, 500 Euro bei haushaltsnahen Dienstleistungen. Haushaltsnahe Dienstleistungen brauchen wir nicht in diesem Land. Wir brauchen in diesem Land die Chance, dass dann, wenn Arbeit anfällt, Menschen auch diese Arbeit leisten können, dass sich Leistung lohnt.
Herr Ministerpräsident, es würde ja vielleicht noch zu vertreten sein, dass man ein Vierteljahr politisch pausiert, aber Sie haben auf Seite 16 in Ihrer Regierungserklärung den schönen Satz geschrieben: „Familien, Senioren, Kindern und Jugendlichen, Menschen mit Behinderungen, chronisch Kranken und“ – Hören Sie gut zu! – „pflegebedürftigen Menschen gilt im Sozialstaat unsere besondere Aufmerksamkeit.“
Herr Ministerpräsident, haben Sie wirklich nicht mitbekommen, dass eine Novellierung des Landespflegegesetzes seit Wochen und Monaten überfällig gewesen ist? Wir haben darauf hingewiesen, die Wohlfahrtsverbände haben darauf hingewiesen, die Pflegedienste haben darauf hingewiesen. Und jetzt werden hektisch Dringlichkeitsanträge gestellt, obwohl Sie in der Pflicht und in der Verantwortung gewesen wären, zu verhindern,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Torsten Koplin, PDS: Wir sind die Ge- setzgeber! Wir sind die Gesetzgeber!)
dass Menschen in Heimen Briefe zugestellt werden, wo ihnen mitgeteilt wird, nicht mehr 500 Euro Beitrag, sondern es verdoppelt sich. Herr Ministerpräsident, Ihre politische Anforderung wäre es gewesen, eine klare rechtliche Grundlage für 2003 und später zu schaffen. Dieses haben Sie versäumt.
Hier, Herr Ministerpräsident, helfen nicht warme Worte, sondern politisches Tun ist gefragt, politisches Handeln. Und ich gebe Ihnen hier den Rat, fangen Sie einfach an, politisch zu handeln!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben einen Koalitionsvertrag auf mageren 55 Seiten, 14 Artikeln und 296 Punkten vereinbart,
wie und was Sie in den nächsten vier Jahren politisch gestalten wollen. Ich habe den Eindruck, dass Sie in wei
ten Teilen diesen Koalitionsvertrag eher dem Reißwolf oder dem Papierkorb übergeben können, denn für die allermeisten Punkte wirkt der Artikel 283, und zwar der Finanzvorbehalt.
Doch, sehr geehrte Damen und Herren von der Koalition, was haben die Menschen in den nächsten vier Jahren von Ihrer Regierung und von Ihrer Landtagsmehrheit zu erwarten? Geben Sie mit dem Koalitionsvertrag, mit Ihrer heutigen Regierungserklärung den Menschen in diesem Land die Antwort, wie Sie Zukunftsvorsorge treffen wollen für die Herausforderungen im finanzpolitischen Bereich? Ich nenne nur die Stichpunkte: die degressive Ausgestaltung des Soli II, das Auslaufen der EU-Strukturmittel im Jahr 2006. Und, Herr Ministerpräsident, hier reicht es nicht aus, einfach zu sagen, wir treten für eine Gleichbehandlung der Regionen ein. Das wollen sicher alle, aber wie positionieren Sie sich zwischen den östlichen und den westlichen Landesteilen in MecklenburgVorpommern?
Was sagen Sie zur Höhe der Strukturfondsmittel? Und, Herr Ministerpräsident, wie stellen Sie sich der Herausforderung, dass jährlich, in den letzten beiden Jahren zumindest, weit über 11.000 Menschen dieses Land verlassen haben? Das ist ein Minus von 23 Millionen Euro im Jahr im Länderfinanzausgleich an Finanzzuweisungen.
Was wollen Sie dagegen tun? Das Thema Abwanderung junger Menschen, das haben Sie fast völlig umschifft. Und, meine Damen und Herren, mit „weiter so“,
Und, meine Damen und Herren, die Eltern stellen Fragen: Wie viel werde ich künftig für einen Kinderbetreuungsplatz bezahlen müssen? Wie steht es um die kulturellen Einrichtungen in diesem Land? Wie viele Lehrer und Hochschullehrer wollen Sie noch verabschieden? Auf wie viele Polizisten mehr soll die Bevölkerung noch verzichten und an erlebbarer Sicherheit einbüßen? Welche Investitionen werden nicht mehr getätigt und wo wird der infrastrukturelle Ausbau stocken?
Herr Ministerpräsident, Sie haben gesagt: Auch mit unserem Wirtschaftswachstum von 0,9 Prozent im ersten Halbjahr liegen wir im Bundesvergleich auf Platz 3. Wissen Sie, das Gegenteil von Schlechtreden ist Schönreden.
Beides kann in hohem Maße negativ wirken. Und wir sollten uns wirklich darauf konzentrieren, Probleme zu benennen. Wer Probleme nicht benennt, wird keine Lösung erreichen können. Und wissen Sie, ich will jetzt nicht voraussagen, wie hoch das Wirtschaftswachstum zum Jahresende sein wird. Ich hätte von Ihnen ganz einfach
erwartet, dass Sie deutlich machen, dass Deutschland insgesamt in einer desaströsen wirtschafts- und finanzpolitischen Situation steht und dass wir da mittendrin hängen. Und ich hätte von Ihnen erwartet, Herr Ministerpräsident, dass Sie deutlich machen, wie Sie es sich vorstellen, dass die Schere zwischen West und Ost zusammengeht, die immer weiter auseinander geht. Wir brauchen 50 Jahre ein Wirtschaftswachstum von 3,2 Prozent, um SchleswigHolstein einzuholen. Und deswegen sind Ihre Zielvorstellungen mit dem Jahr 2020 völlig irreal. Sie müssen uns sagen, wie Sie Wirtschaftswachstum für dieses Land von 6, 7 und 8 Prozent ereichen wollen,
damit sich die Schere schließen kann und damit wir auch das Verfassungsgebot realisieren, gleichwertige Lebensverhältnisse für Ost und West! Darauf sind Sie die Antworten schuldig geblieben.
Herr Ministerpräsident, nur ganz nebenbei bemerkt: Das ist ein Versprechen, das Sie nicht eingehalten haben.