(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Deshalb steht ja auch genau das im Koalitionsvertrag. – Torsten Koplin, PDS: Haben Sie das gar nicht gelesen? – Gabriele Schulz, PDS: Hat er überlesen, zufällig.)
Ende November ist dem Finanzausschuss ein etwa hundert Seiten starkes Papier zugegangen, und zwar die so genannten Haushaltsreste des Jahres 2001. Ich muss Ihnen offen sagen, ich war mehr als erschüttert, als ich die Zahlen gelesen habe. Reste gesamt 900 Millionen DM, davon Investitionen 700 Millionen DM. Da diese Investitionsreste überwiegend bauseitig verwendet und eingesetzt werden können, reden wir von Gesamtinvestitionen, das ist sehr konservativ gerechnet, von 1,5 Milliarden DM. Noch einmal: 1,5 Milliarden DM! Und wenn Sie das in Arbeitsplätze umrechnen, dann sind das etwa 10.000 Arbeitsplätze. Herr Ministerpräsident, wie stellen Sie sich zu dieser Tatsache?
Nicht nur, dass die Liste der Haushaltsreste jedes Jahr später eingeht, jetzt erst Ende November. Kollege Riemann, der seit zwölf Jahren im Finanzausschuss ist, sagte mir, das ist der späteste Termin, den es je gegeben hat.
Früher war es im Sommer. Und wenn Sie jetzt hören, was in einzelnen Ministerien liegt: Arbeitsministerium 211 Millionen, Wirtschaftsministerium 76 Millionen, Um
weltministerium 157 Millionen, Bildungsministerium 20,4 Millionen DM im Bereich Bewilligung Wissenschaft, Forschung und Hochschulen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer ist denn mitverantwortlich für die dramatische Lage am Bau? Das ist doch mindestens eine Regierung, die es nicht schafft, in der Zeitscheibe das Geld kontinuierlich und vernünftig auszureichen.
Herr Ministerpräsident, Sie wollen sich doch nun wahrlich nicht als der Totengräber, das Beerdigungsinstitut der Bauwirtschaft hier etablieren. Deswegen habe ich die dringliche Bitte an Sie: Nehmen Sie sich diese Resteliste persönlich vor, gucken Sie sich die Programme an, wo die Reste vorhanden sind, und sorgen Sie bitte schnellstens dafür, dass diese Reste ausgereicht werden! Nur nebenbei bemerkt, bei minus 10 Grad lässt sich schlecht eine Straße bauen. Dann ist es nämlich zu spät.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, aber woran liegt dieses? Das liegt an Bürokratie und Richtlinienwahn.
Das Geld blieb zum Beispiel im Wirtschaftsministerium deswegen liegen, weil die Ergänzungsplanung zum Operationellen Programm nicht rechtzeitig fertig gestellt wurde. Das Geld blieb liegen im Bildungsministerium und – hören Sie gut zu – aus dem Zukunftsfonds, ein Jahr lang, weil sich Bildungsministerium und Finanzministerium über eine Richtlinie für die Computerausstattung der Schulen nicht einigen konnten.
Herr Ministerpräsident, es gibt die Werbung „Packen wir ’s an!“. Ich kann Ihnen nur den guten Rat geben: Regieren Sie endlich, handeln Sie endlich, damit diese Missstände beseitigt werden!
bei den Ämtern, bei den Gemeinden, bei den Landkreisen – ich komme noch zu dem Thema –, auch hier wirken Sie als Vorbild. Wirken Sie als Vorbild? Überlegen Sie einmal, wie Sie jemandem klar machen wollen oder sollen, dass ein Jahr Baugenehmigung zu lange ist, wenn Sie ein Jahr brauchen, um eine simple Richtlinie zu verabschieden für die Computerausstattung in den Schulen! Herr Ministerpräsident, da brauchen Sie sich nirgendwo hinzustellen! Sie wirken einfach unglaubwürdig, weil Sie nicht das positive Beispiel in diesem Land abgeben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zusammenführen, Ressourcen bündeln – unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch, eine Wirtschaftsförderagentur in diesem Land. Und, Herr Ministerpräsident, auch mit diesem konstruktiven Vorschlag werden wir Ihre Landesregierung und Sie konfrontieren.
Aber ich möchte noch mal auf einen einzigen Punkt zurückkommen, was da im Wahlkampf so gelaufen ist. Zehn Tage vor der Wahl ist in diesem Land eine Kampagne losgetreten worden, eine so genannte Existenzgründeroffensive für 1,6 Millionen Euro. Nicht vom Wirtschaftsminister,
(Angelika Gramkow, PDS: Ja, die fetzt nämlich. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU und PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Und wenn die Leute dann da hinkommen, dann kriegen sie einen Rat, den sie überhaupt nicht benötigen.)
Frau Gramkow, ich gebe Ihnen einen guten Rat: Sprechen Sie mit den Instituten, die die Anrufe annehmen,
und dann fragen Sie, wie hoch die Prozentrate derer ist, die da anrufen, wo man überhaupt Ja sagen könnte! Ich hätte viel Verständnis gehabt, wenn Sie dieses Geld zum Beispiel Existenzgründern – und da gibt es genug Seminare, da können Sie Coaching-Verantwortliche fragen –, dass man denen das für die Existenzgründung zur Verfügung stellt.
Aber ich habe den Eindruck, Herr Holter, dass dieser Wahlkampfgag gründlich in die Hose gegangen ist,
obwohl die Darsteller, wenn Sie sich die Spots mal angesehen haben, in einigen gar keine Hose anhaben. Er ist deswegen gründlich in die Hose gegangen, weil das der völlig falsche Ansatz ist. Es ist deswegen der völlig falsche Ansatz, ich kann doch nicht einfach im Privatrundfunk, in großen Stadien, in Zeitungen annoncieren „Einfach anfangen!“, ohne das vernünftig zu untersetzen.
Herr Ministerpräsident, meine Damen und Herren der Landesregierung, informieren Sie sich, wo Existenzgründer heute noch Darlehen herbekommen, wie sie sie bekommen, zu welchen Konditionen,
und informieren Sie sich auch bitte einmal, wie schwierig es ist – ich bin darauf schon eingegangen –, wie es mit bestehenden Existenzen aussieht! Ein guter Rat von mir, Herr Ministerpräsident: Nehmen Sie auch dieses Geld, fangen Sie keine neue Offensive an – die alte wird sowieso nichts bringen, da werden wir sicher noch debattieren –, aber nehmen Sie auch dieses Geld und packen Sie es in Beteiligungen, in Bürgschaften und in Coaching-Programme rein! Da tun Sie den jungen Menschen in diesem Land Gutes, die sich in Mecklenburg-Vorpommern selbständig machen wollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir halten daran fest, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik müssen in jeder Hinsicht, also strukturell und inhaltlich, zusammengeführt werden. Aber wir sind bereit, mit Ihnen gemeinsam Verantwortung zu übernehmen, wenn es darum geht, die verkehrliche Infrastruktur weiterzuentwickeln, die die
Basis wirtschaftlich erfolgreicher Tätigkeit ist, durch eine mutige Entbürokratisierungsoffensive den Unternehmen neue Freiräume zu schaffen, die Wirtschaftsförderung in einer Hand zu bündeln und die Interessen des Landes gegenüber dem Bund mutig, offensiv und erfolgreich zu vertreten.
Meine Damen und Herren, Wirtschaft kann sich nur entwickeln, wo die Bildungspolitik die Grundlagen hat. Deshalb liegt einer unserer Schwerpunkte im Bereich der Bildungspolitik. Bei Ihnen rangiert das relativ weit hinten im Koalitionsvertrag und ist auch sehr kurz gefasst. Meine Damen und Herren, und was da steht, das macht wenig Mut für die Zukunft. Es macht deswegen wenig Mut, weil Sie schon vier Jahre vertan haben mit Diskussionen über immer neue Strukturen und Experimente, ohne – und das wird der entscheidende Faktor sein, Herr Professor Metelmann – die Qualität von Bildung zu verbessern.
Sie haben vor wenigen Tagen gesagt, ich zitiere: „Ich bin froh, dass im Koalitionsvertrag noch nicht alles im Detail festgelegt ist. Wenn darin keine Zahlen zu den Finanzen stehen, gibt uns das auch die Chance, noch etwas gerade zu rücken.“ Herr Professor Metelmann, viel Vergnügen, kann ich da nur sagen!
Wie sieht die Realität an unseren Schulen aus? Kein Wort, Herr Ministerpräsident, zum Thema Unterrichtsausfall.
Und ich will Ihnen einen Brief zitieren und einen Zeitungsartikel. Dorf Mecklenburg, Eltern der Klasse 9 des Gymnasiums: „So konnte beispielsweise der Unterricht im Fach Englisch im letzten Schuljahr nur so unbefriedigend aufrechterhalten werden, dass man kaum von Wissensvermittlung reden kann, und in der Klasse 9 fiel der Unterricht“ – hören Sie zu – „in den ersten vier Wochen gänzlich aus. Außerdem gibt es erhebliche Defizite mit der Absicherung des Deutschunterrichts in anderen Klassen dieser Schule.“ Dorf Mecklenburg, Gymnasium!
Prohn, Realschule, 2. Oktober: Allein in den ersten vier Wochen seien bei ihrer Tochter in der 8. Klasse 21 der 43 Mathestunden ausgefallen, ärgert sich Frau Rommel aus Günz.