Protokoll der Sitzung vom 11.12.2002

Erstens. Die Wirtschaft insgesamt ist in der Krise. Daran ändert auch die gute Position Mecklenburg-Vorpommerns bei der Steigerung des Bruttoinlandsproduktes nichts.

(Wolfgang Riemann, CDU: Das hat der Ministerpräsident eben aber ganz anders gesehen. – Dr. Armin Jäger, CDU: Die reden ja nicht miteinander.)

Nach wie vor haben wir es mit einer fehlenden Binnennachfrage und einer Exportschwäche im Land zu tun. Insbesondere die Krise in der Bauwirtschaft ist nicht ausgestanden. Die Landwirtschaft steht angesichts der EUOsterweiterung vor neuen Herausforderungen und sie muss den gestiegenen Ansprüchen von uns, von den Bürgerinnen und Bürgern, in Bezug auf Verbraucherschutz mehr und mehr gerecht werden.

Die Massenarbeitslosigkeit steigt. Das Hartz-Konzept soll die Antwort sein und es wird kommen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Dann ist es kein Hartz-Konzept mehr.)

Allerdings wird es kaum eine Antwort auf die Probleme in Ostdeutschland sein.

(Wolfgang Riemann, CDU: Das ist wahr.)

Es ist eben nicht so, dass die Maßnahmen geeignet sind, um Angebot und Nachfrage in Mecklenburg-Vorpommern zusammenzuführen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Lauter Ich-AGs.)

Das Angebot heißt schnelle Vermittlung. Ich frage Sie: Wohin sollen wir vermitteln,

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Genau. Genau richtig.)

wenn 170.500 Arbeitslosen 5.900 offene Stellen gegenüberstehen?

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU: Sehr richtig. – Dr. Armin Jäger, CDU: Fragen Sie doch den Ministerpräsidenten! – Wolfgang Riemann, CDU: Der ist raus. – Zuruf von Karin Strenz, CDU)

Ich darf Sie darauf verweisen, dass der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung die Schwierigkeit dieser Situation erstklassig benannt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Ich habe von Ihnen allerdings, ich habe von Ihnen als CDU allerdings, ich sage es noch einmal, nichts gehört zu Ihrer eigenen Verantwortung, wie es langfristig 13 Jahre zu dieser Situation kommen konnte.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Zurufe von Dr. Armin Jäger, CDU, Wolfgang Riemann, CDU, und Peter Ritter, PDS)

Das Angebot von Hartz heißt aber auch in erster Linie Leistungskürzungen,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Also wenn Sie 8 und 13 nicht auseinander halten können.)

vor allem bei Langzeitarbeitslosen. Bei uns im Land beziehen mittlerweile bereits mehr als die Hälfte aller Arbeitslosen nur noch Arbeitslosenhilfe. Wissen Sie eigentlich, was das heißt? Von den Leistungskürzungen werden darüber hinaus besonders Frauen betroffen sein. Und das bedeutet, Frauenarmut wird sich weiter ausbreiten, auch in Mecklenburg-Vorpommern.

(Wolfgang Riemann, CDU: Und was das nachher für die Renten bedeutet, das kann doch gar keiner ermessen.)

Das Bridge-System soll Brücken bauen, eine Brücke aus der Arbeitslosigkeit in einen gesicherten Lebensabend. Aber ältere Arbeitslose werden mit der Hälfte des Arbeitslosengeldes oder der Hälfte der Arbeitslosenhilfe abgespeist und sie fallen dann aus der Arbeitslosenstatistik heraus. Und das bedeutet für ganze Regionen, auch bei uns im Land, Altersarmut wird zunehmen. Jede Reform kostet Geld, auch unsere, und so auch die Reform in der Arbeitsmarktpolitik. Angesichts leerer Kassen sollen die benötigten Gelder aus dem Topf der aktiven Arbeitsmarktpolitik genommen werden. Die Folge sind weitere drastische Streichungen bei ABM und SAM. Herr Dankert hat darauf hingewiesen. Für Mecklenburg-Vorpommern kann das bedeuten, dass von derzeit 12.000 Stellen nur noch 6.000 nächstes Jahr übrig bleiben. Können wir uns heute eigentlich schon vorstellen, welche Auswirkungen diese erneute Kürzung für die soziokulturelle Struktur dieses Landes, unseres Landes bedeutet?

(Wolfgang Riemann, CDU: Die Bundes-PDS hat es doch begrüßt, dass Herr Schröder weiterhin Bundeskanzler ist, zumindest vor der Wahl.)

Und ich frage Sie auch: Was wird es für die Unternehmen im Land bedeuten, wenn die Ich-AGs und PersonalServiceAgenturen Leistungen billiger anbieten können? Die PDS-Fraktion und – ich darf das sagen – ihre Ministerin und Minister werden jede Maßnahme unterstützen, die dazu dient, Arbeitsplätze, Ausbildungsplätze und Lebensperspektiven in diesem Land zu schaffen.

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

Einige von den Maßnahmen, die allerdings im HartzKonzept drinstehen, tun dieses für Mecklenburg-Vorpommern nicht und dazu werden wir nicht schweigen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Zu den Rahmenbedingungen unseres Landes gehört zweitens: Die Struktur- und Reformvorhaben der Bundesregierung in den Bereichen Gesundheit und Rente verunsichern die Menschen zutiefst, ob Jung oder Alt. Gesamtkonturen sind nicht erkennbar. Die Vorhaben erinnern eher an ein Flickwerk, das mehr Fragen aufwirft, als Antworten gibt. Die Sofortmaßnahmen sollen zwar das Solidarprinzip stärken und die Ausgaben eindämmen, sogar Gewinne von Konzernen beschneiden. Ich frage mich allerdings, ob die Kürzung des Sterbegeldes tatsächlich sein musste. Eine Nullrunde für Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser kann nicht die alleinige Lösung sein und für den Osten – und das hat die Sozialministerin dieses Landes laut gesagt – kann sie es schon gar nicht sein.

Auch die Riester-Rente hat keine Entlastung gebracht. Im Gegenteil, die nun erhöhten Rentenbeiträge belasten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land genauso wie Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Die Älteren haben Angst, dass ihre Renten nicht sicher sind, und

die Jüngeren, wir Jüngeren, fragen sich, ob es sich noch lohnt, in die Kasse einzuzahlen. Kann unter dieser Situation die Aufhebung des Generationenvertrages wirklich für uns die Lösung sein?

Drittens. Zu den Rahmenbedingungen unserer Politik zählt zweifellos die demographische Entwicklung in unserem Land. Einerseits werden bei uns glücklicherweise wieder mehr Kinder geboren, andererseits liegt die Sterberate noch immer höher als die Geburtenrate. Einerseits gehen wir restriktiv mit Zuwanderung von ausländischen Bürgerinnen und Bürgern um, andererseits verlassen viele, viel zu viele junge wie alte Menschen MecklenburgVorpommern. Die Gründe dafür, aber auch die Auswirkungen der Abwanderung sind vielfältig.

(Wolfgang Riemann, CDU: Sie können nicht alles auf Berlin schieben, Frau Gramkow.)

Wir haben dies hier sehr, sehr thematisiert in der letzten Legislaturperiode. So wird etwa der Fachkräftemangel zunehmen und der Anteil der Älteren weiter steigen. Und ich frage uns: Können wir mit unseren politischen Mitteln diesen Prozess wirklich umkehren? Ist nicht die einzige Antwort darauf, Arbeit und Lebensperspektiven für alle, die hier leben wollen und hier auch arbeiten letztendlich?

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Schöne Worte, aber wo sind die Taten? – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Viertens. Die Erweiterung der Europäischen Union und der Beitritt Polens stehen vor der Tür. Auch wenn noch längst nicht alle Hürden genommen sind, sie wird kommen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ach!)

Mit einem einheitlichen Wirtschaftsraum wird es dann nicht getan sein. Die sozialen und kulturellen Herausforderungen sind von beiden Seiten gemeinsam zu gestalten. Ja, Herr Ministerpräsident, Sie haben Recht, dies wird nur gelingen, wenn wir die Menschen mitnehmen und an diesem Prozess teilhaben lassen, nur mit den Deutschen, nur mit den Polen, mit den Esten und so weiter. Natürlich übersehen wir dabei Risiken nicht, die mit dem Beitritt insbesondere Polens verbunden sind. Aber sind die Chancen dieses Prozesses, die sich daraus ergeben, nicht viel größer?

Fünftens. Mit dem Solidarpakt und den Regelungen zum Länderfinanzausgleich ist der Finanzrahmen für Mecklenburg-Vorpommern abgesteckt und wir haben damit durch die Solidarität der Länder, des Bundes und auch der Europäischen Union Planungssicherheit erhalten. Durch die schwache Konjunktur – und auch dieses haben wir hier schon kräftig debattiert –, aber auch durch die Auswirkungen der Steuerreform haben wir drastische Einnahmeverluste. Die Massenarbeitslosigkeit und zunehmenden sozialen Verwerfungen führen zu steigenden Ausgaben. Herr Rehberg, warum haben Sie denn nicht einmal die Ursache dafür benannt, warum die Fälle im Sozialhilfebereich steigen?

(Wolfgang Riemann, CDU: Hat er.)

Ich habe zugehört.

(Wolfgang Riemann, CDU: Ich habe auch zugehört.)

Sie sollten die Rede mal nachlesen, da steht davon nichts drin.

(Zurufe von einzelnen Abgeordneten der PDS)

Ich sage noch einmal: Neben der wegbrechenden Einnahmen haben wir Mehrausgaben zu verkraften und das Land ist gezwungen, die Neuverschuldung zu erhöhen, was wiederum zu einer höheren Zinslast führt. Aber auch an schmerzhaften Kürzungen werden wir nicht vorbeikommen und das wird den Länderhaushalt genauso wie die Kommunalhaushalte treffen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Wir sind schon betrof- fen in den Kommunen. – Dr. Armin Jäger, CDU: Das wissen sie doch selbst.)

Unsere bisherige Politik als PDS und SPD, Konsolidieren und Gestalten, scheint so zur Gratwanderung zu werden.

(Wolfgang Riemann, CDU: Stagnieren und Verwalten würde ich das nennen.)

Die Einhaltung der Maastricht-Kriterien ohne die Gestaltung sozialer Rahmenbedingungen und ohne europäischen Beschäftigungspakt entwickelt sich so zu einer Fessel.

(Wolfgang Riemann, CDU: Jetzt ist Europa schuld. Erst war es Berlin und jetzt ist es Europa. – Zuruf von Karsten Neumann, PDS)

Sechstens. Und jetzt, Herr Riemann, ist es die CDU.

(Zurufe von Dr. Armin Jäger, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU)