Protokoll der Sitzung vom 21.04.2005

Meine Damen und Herren, ich schließe mit der Feststellung, dass eine solche Diskussion wie heute dringend nötig ist. Aber lassen Sie uns das nicht mit Fensterreden allein tun!

(Torsten Koplin, PDS: Lassen Sie uns das Grundgesetz verteidigen!)

Lassen Sie uns in den Ausschüssen dieses Hauses das Thema so besprechen, wie wir das ab und zu können. Also die Einrichtung ZIVIS war nicht etwa eine Einrichtung, die von ihrer persönlichen, sachlichen und zielgerichteten Ausstattung her so nah bei der CDU steht. Ich hatte überhaupt keine Probleme, Herr Kollege Friese, mich zusammen mit Ihnen im Innenausschuss dafür einzusetzen, dass die Mittel bereitgestellt wurden, die die Landesregierung nicht bereitgestellt hatte. Lassen Sie uns das gemeinsam weiter tun!

(Gabriele Schulz, PDS: Es geht doch nicht immer nur um Mittel, es geht um das öffentliche Meinungsbild!)

Lassen Sie uns die Arbeit der Organisation vor Ort unterstützen, dann bringt so eine Diskussion etwas!

Und, Herr Dankert, noch mal: Ich weiß sehr wohl, dass es wichtig ist, hier Worte zu wägen, aber es ist genauso gefährlich, dass man immer alles unter den Tisch kehrt und die jungen Leute uns nicht mehr glauben. Wir müssen uns der Diskussion stellen, auch wenn es wehtut. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Herr Dr. Jäger, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Ritter? (Zustim- mung)

Herr Dr. Jäger, ich habe leider keine Zeit, Ihre falsche Interpretation meiner Rede hier richtig zu stellen, aber ich möchte gern zwei Fragen an Sie stellen:

Erstens. Ist Ihnen bekannt, dass zum Beispiel die Neubrandenburger bei der Hartz-Demonstration mit den Jugendlichen, die zugegebenermaßen bei [‘solid], also

der Jugendorganisation meiner Partei und der Jugendorganisation der SPD, die Neonazis vertrieben haben, keine Chance hatten, gemeinsam mit den Demonstranten gegen Hartz IV zu demonstrieren?

Zweitens. Zu Zeiten des Irakkrieges hat sich die Bundesregierung richtigerweise gegen die Beteiligung Deutschlands am Krieg ausgesprochen. Auch hier haben die Nazis versucht, sich bei den Friedensdemonstrationen einzuschleichen. War deshalb die Position der Bundesregierung falsch?

(Birgit Schwebs, PDS: Gute Frage.)

Ich kenne die Situation in Neubrandenburg nicht so gut, dass ich mir eine wirklich solide Antwort darauf erlaube. Ich habe nur meine Kenntnisse, die ich aus der Beobachtung vor Ort habe, hier mitgeteilt.

Und zweitens habe ich Entscheidungen der Bundesregierung hier nicht zu kommentieren. Aber ich kann jedem nur gratulieren. Und wenn das so ist, wie Sie gesagt haben, tue ich das von hier aus gern. Wenn es aus Ihrer Jugendorganisation junge Leute gibt, die sich verbitten, dass bei Demonstrationen, die sie organisieren, die Rechtsextremisten mitmachen, dann kann ich nur dazu gratulieren.

(Torsten Koplin, PDS: Sehr schön.)

Ich habe damit überhaupt kein Problem, das auch hier zu sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Dr. Jäger.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Dr. Körner. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Rechtsextremistische Parteien, rechtsextremistische Gruppierungen sind nach der Landtagswahl in Sachsen wieder viel stärker in die Diskussion gekommen als zuvor. Als es dann in Schleswig-Holstein eine andere Tendenz gab, ist diese gesellschaftliche Aufmerksamkeit zunächst nicht verhallt, aber man kann doch wohl ganz deutlich sagen, dass Wählergunst wie in Sachsen nicht selbstverständlich ist in Bezug auf diese Gruppierungen, dass Wählergunst auch einer Wechselhaftigkeit unterliegt. Diese wechselhaften Stimmungen, gerade was rechtsextremistische Kräfte in Deutschland betrifft, sollte man sehr genau betrachten. Wir dürfen sie nicht unterstützen so nach dem Motto: Ja, das beruhigt sich alles wieder von selber. Man könnte das sagen, weil in Schleswig-Holstein die erwarteten Erfolge eben nicht eingetreten sind. Man darf es aber auf der anderen Seite auch nicht dramatisieren. Wenn so etwas wie in Sachsen geschieht, dann ist das natürlich auch nicht der Trend, der alleinig gilt.

Aus meiner Sicht ist es unbedingt erforderlich, dass wir hier zu einer gemeinsamen Strategie kommen, wie wir uns zu diesen wieder in die Öffentlichkeit gekommenen Entwicklungen verhalten. Ich kann nur sagen, dass es, wenn dieses Thema heute verhandelt wird, in keiner Weise etwas damit zu tun hat, dass es etwa in der Koalition Differenzen gibt, die auf irgendeine Art und Weise harmonisiert werden müssen, oder vielleicht sogar eine zähneknirschende Akzeptanz hergestellt werden muss zu die

sem Thema. Nein, das ist überhaupt nicht der Fall. Manche journalistischen Überlegungen von durchaus renommierten Redakteuren sind hier ganz schön ins Kraut geschossen. Aus meiner Sicht ergibt sich die Notwendigkeit, über dieses Thema hier zu reden, daraus, dass wir strategische Schritte formulieren müssen und, ich sage hier auch, in den nächsten Wochen ganz klar formulieren werden, um uns mit den erkennbaren Tendenzen auseinander zu setzen.

Die Situation ist bekannt. Das Lagebild hat der Innenminister deutlich dargestellt. Ich habe keine Veranlassung, das hier zu wiederholen. Ich entnehme der Reaktion aller Fraktionen, dass sie durchaus bereit sind, notwendige Handlungen zu unterstützen. Dennoch will ich noch einmal sagen: Lassen Sie uns erkennbare Tendenzen nicht dramatisieren! Es könnte dazu führen, dass wir rechtsextremistische Gruppierungen nur weiter aufwerten, wenn wir ständig darüber reden. Auf der anderen Seite führt das bekanntlich dazu, dass Gruppierungen aus dem Antifa-Bereich auch mobilisiert werden, und dann haben wir mitunter lediglich erreicht, dass eine lokale Polarisierung zu vermerken ist, die in der Sache nicht weiterführt.

In meinen Augen müssen wir eine Auseinandersetzung lernen, die wir noch nicht beherrschen. Dazu gehört zum einen, dass nationalsozialistisches, nazistisches Gedankengut offensichtlich aus unserer Gesellschaft nicht einfach auszumerzen ist. Wir können es nicht einfach abschaffen. Zum Zweiten gibt es ein latentes Gedankengut in unserer Gesellschaft, das auf 10 bis 15 Prozent angesiedelt wird, was wir nicht wegbekommen. Das ist bedauerlich, aber das ist auch nicht neu. Untersuchungen belegen eindeutig, dass die gegenwärtige Situation in unserer Gesellschaft in keiner Weise – ich unterstreiche, in keiner Weise – dramatischer ist als vor 10 oder vor 20 Jahren. Wir haben doch auch – der Justizminister hat es angesprochen – ein internationales Problem in Bezug auf nationalsozialistische Tendenzen.

(Torsten Koplin, PDS: Aber nicht bagatellisieren!)

In Österreich Haider, in Frankreich Le Pen, ich könnte alle Länder durchgehen. Natürlich, das ist nicht beruhigend. Wir können nicht sagen, das ist woanders auch so. Wir wollen es auch nicht. Wir haben natürlich, das sagte der Justizminister auch, eine besondere Verantwortung, aber wir werden uns deshalb mit diesem Thema nicht abfinden. Wir haben sehr deutlich hier vorgetragen bekommen, und wer lokal seine Ohren auf hat und seine Drähte zum Präventionsrat pflegt, und ich hoffe, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie tun das kräftig, der wird sehen und wird auch merken, dass die rechtsextremistische Szene ihre Strategie verändert hat. Wir wissen das. Es ist eindeutig beschrieben worden, wie sie das tun. Aber wir können darauf reagieren und wir werden darauf reagieren. Nun will ich nicht weiter ausführen, wie. Ich kann nur sagen, seien Sie gespannt. Wir werden in den nächsten zwei, drei Wochen den Handlungsrahmen vorlegen, von dem ich meine, dass er angemessen ist. Zur Umsetzung bedarf es, das haben alle Redner hier betont und das scheint mir das Allerwichtigste, der gesellschaftlichen Akzeptanz, einer breiten gesellschaftlichen Basis, die bei der Umsetzung dieses Handlungsrahmens, den wir in wenigen Wochen präsentieren werden, mitwirkt. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Herr Dr. Körner.

Es hat jetzt das Wort der fraktionslose Abgeordnete Dr. Bartels. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, der Innenminister hat es gesagt, es geht darum, dass wir sehr aufmerksam sein müssen, was in der Öffentlichkeit tatsächlich passiert.

Es ist schon drei, vier Jahre her, da hat in Greifswald eine Schülerinitiative Unterschriften für Meinungsfreiheit an den Schulen gesammelt. Der eigentliche Initiator im Hintergrund war der damalige, mehrfach vorbestrafte Vorsitzende der Greifswalder NPD. Das ist in der Öffentlichkeit aber kaum zum Tragen gekommen. Ähnlich ist es natürlich mit dem, was jetzt in den letzten Tagen, vor allen Dingen am letzten Wochenende, in Ahlbeck passiert ist, diese so genannte Initiative für Volksaufklärung, die angeblich parteiunabhängig ist.

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Man hat in einer Art und Weise versucht, Stimmung zu machen, die uns zu denken geben muss.

Zu denken geben muss uns auch, was im Umfeld passiert ist. Es gab, auch wegen der Forderungen vieler Menschen vor Ort, ein Verbot durch die Kreisverwaltung, die Aufhebung des Verbots durch das Verwaltungsgericht, das Verbot durch das Oberverwaltungsgericht und schließlich und am schlimmsten die Aufhebung des Verbots durch das Bundesverfassungsgericht. Gucken Sie sich das Motto an! Das Motto dieses Protestmarsches lautete: „1945 bis 2005 – 60 Jahre Befreiungslüge! Wir feiern nicht, wir klagen an!“ Ich werde es mir verkneifen, aus diesem Aufruf zu zitieren, weil ich nicht will, dass das im Protokoll der Landtagssitzung steht. Aber viele Leute vor Ort, die Kreisverwaltung und das Oberverwaltungsgericht haben gesagt: Das ist Volksverhetzung.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig, ja.)

Ich will ganz deutlich sagen, damit es auch keine Missverständnisse gibt: Natürlich leiden im Krieg Unbeteiligt e und Schwache immer am stärksten. Natürlich sind deutsche Frauen und Kinder im Frühjahr 1945 auch Opfer geworden und auch vor denen müssen wir uns verneigen. Aber es ist Volksverhetzung, wenn nicht Ursache und Wirkung klar benannt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Torsten Koplin, PDS: Richtig.)

Ich glaube, und so habe ich auch Herrn Ritter verstanden, dass das, was die Kreisverwaltung mit der Landrätin an der Spitze in den Tagen vor diesem Aufmarsch getan hat, ein Zeugnis für Zivilcourage ist,

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

und ich kann mich dem Dank an Frau Barbara Syrbe nur anschließen.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Lassen Sie mich auch noch darauf hinweisen, dass im Nachgang diese Initiative – im Internet nachzulesen – durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in den Auseinandersetzungen um die Aktivitäten der Rechtsextremen zum 8. Mai 2005 in Berlin erheblich gestärkt wurde,

(Heike Polzin, SPD: Ja, das stimmt.)

wörtlich: „Die fühlen sich gestärkt.“

Ich komme gleich zum Schluss.

Ich bin auf der anderen Seite sehr froh, dass es ein breites Bündnis vor Ort gegeben hat. Viele Menschen, gerade auch viele parteipolitisch nicht gebundene, haben sich in einem Bürgerbündnis engagiert und es sind Kinderzeichnungen zur Auseinandersetzung mit dem Thema entlang der Marschstrecke der Nazis plakatiert worden. Ich sage Ihnen, ich war Sonnabend früh in Ahlbeck, dort waren viele sehr froh über die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Ich habe auch gesehen, wie viele enttäuscht und entsetzt waren, über das, was dann passierte, und dass die Nazis doch marschieren durften. Sie fühlen sich von Politik und Justiz im Stich gelassen. Ich kann uns alle nur auffordern, den Leuten vor Ort für ihr Engagement zu danken, und uns auffordern, wir dürfen sie nicht in Stich lassen! – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS, einzelnen Abgeordneten der SPD und Lorenz Caffier, CDU)

Danke schön, Herr Dr. Bartels.