Protokoll der Sitzung vom 25.05.2005

Thema „Neuordnung der politischen Bildung in Mecklenburg-Vorpommern“ beantragt.

Aussprache gemäß § 43 Ziffer 2 GO LT Neuordnung der politischen Bildung in Mecklenburg-Vorpommern

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 90 Minuten sowie 5 Minuten für den fraktionslosen Abgeordneten Dr. Bartels vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Ministerpräsident Herr Dr. Ringstorff.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Demokratie muss täglich neu belebt und gestaltet werden. Damit Demokratie funktioniert, müssen mündige Bürgerinnen und Bürger die politischen Strukturen kennen und in der Lage sein, das politische Geschehen zu verstehen, zu bewerten und ihre Schlüsse daraus zu ziehen. Und politische Bildung will genau diese Fähigkeiten in der Gesellschaft fördern und an die nächste Generation weitergeben. Politische Bildung soll über die Möglichkeiten aktiver Beteiligung an demokratischen Prozessen informieren und zum Mitmachen motivieren. Demokratie lebt, wenn die Bürgerinnen und Bürger bereit sind, die politische Willensbildung zu unterstützen.

Für das demokratische Gemeinwesen einzutreten und sich daran zu beteiligen, das macht Demokratie zwar anstrengender, aber auch besser als andere Staatsformen. Denn Demokratie lässt nicht nur die Teilhabe an politischer Gestaltung zu, sondern organisiert auch den friedlichen Interessenausgleich. Demokratie ermöglicht Chancengleichheit sowie ein Leben in Freiheit, und das alles auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Politische Bildung bietet Integration. Wer den Sinn, die Regeln und die Zusammenhänge einer demokratisch verfassten Gesellschaft nicht kennt, wer über seine Möglichkeiten nicht Bescheid weiß, fühlt sich eher als Außenseiter und wird leichter anfällig für radikale Gruppierungen, die mit hohlen Parolen scheinbar einfache Lösungen zu gesellschaftlichen Problemen anbieten.

Meine Damen und Herren, die Erwartungen an die politische Bildung sind hoch, gerade in Zeiten, in denen rechtsradikale Parteien in Länderparlamente und leider auch in Mecklenburg-Vorpommern in Kommunalparlamente einziehen, zu viele Menschen den Wahlen fernbleiben, immer weniger Männer und Frauen bereit sind, sich ehrenamtlich politisch zu engagieren, und das demokratische System der Bundesrepublik insbesondere bei jungen Menschen in Ostdeutschland auf Skepsis stößt.

Kein Zweifel, politische Bildung ist ein wichtiges Thema. Aber wer Realist ist, muss auch erkennen, dass politische Erwachsenenbildung, und um die geht es hier, nicht die Funktion als gesellschaftliche Feuerwehr übernehmen kann.

(Beifall Angelika Peters, SPD, und Angelika Gramkow, PDS)

Politische Bildung beginnt im Elternhaus und in der Schule

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, einzelnen Abgeordneten der CDU und Torsten Koplin, PDS)

und die politische Erwachsenenbildung muss dort anschließen. Alle drei Ebenen müssen ineinander greifen, brauchen Abstimmung und verlässliche Rahmenbedingungen. Unsere Aufgabe ist es, diese Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass mit den vorhandenen finanziellen Mitteln effiziente Bildungsarbeit möglich ist.

Über die Neuordnung der politischen Bildung in Mecklenburg-Vorpommern ist bereits viel und ausführlich diskutiert worden. Ziel ist es, durch organisatorische Maßnahmen und Konzentration der Kräfte, durch Bündelung der finanziellen und inhaltlichen Zuständigkeiten und durch verbesserte Verzahnung der Akteure mehr Effizienz, Qualität und Wirkung zu erzielen. Derzeit ist es so, dass die Förderung der allgemeinen und politischen Bildung durch unterschiedliche Ressorts erfolgt. Zum einen werden die Träger über Förderrichtlinien der Landeszentrale für politische Bildung unterstützt, zum anderen erfolgt eine Förderung durch das Bildungsministerium und zu einem wesentlichen Teil auch durch das Arbeitsministerium.

Diese Zersplitterung erzeugt Effizienzverluste bei der Förderverwaltung und den Anbietern politischer Bildung zu Lasten des Ziels. Und das Ziel heißt, mit den vorhandenen Mitteln möglichst viele Bürger zu erreichen. Hinzu kommt, dass auch in den kommenden Jahren nicht mehr Geld für politische Bildung zur Verfügung stehen wird, und deshalb hat die Regierungskoalition vereinbart, die politische Bildung als ressortübergreifende Aufgabe zu gestalten, die dafür eingestellten Gelder zu bündeln und die Organisation zusammenzuführen.

(Beifall Siegfried Friese, SPD, Heike Polzin, SPD, und Angelika Gramkow, PDS)

Neben den freien Trägern der politischen Bildung und der Landeszentrale soll künftig dem Kuratorium bei der Landeszentrale stärkeres Gewicht zukommen. Zusammen mit den Regierungsfraktionen haben wir dazu ein Konzept erarbeitet. Es liegt derzeit den Ressorts zur Stellungnahme vor und wird nach der Kabinettsbefassung als Unterrichtung dem Landtag zugeleitet. Sie sehen, Herr Prachtl, niemand will am Landtag vorbei entscheiden. Im Interesse eines breiten Konsenses sind Anregungen des Parlamentes richtig, wichtig und sinnvoll. Allerdings sind organisatorische Maßnahmen, und darum handelt es sich hier, rein exekutives Handeln. So begrüße ich diese Aussprache, auch wenn ich mich nach der konkreten Zielsetzung frage.

Ich will diese Gelegenheit jedoch nutzen, Ihnen die wesentlichen Eckpunkte zur Neuordnung der politischen Bildung in Mecklenburg-Vorpommern vorzustellen. Ich meine, noch besser wäre es allerdings gewesen, wenn die Mitglieder der CDU-Fraktion dieses Konzept im Kuratorium diskutiert hätten. Dort war von Ihnen aber leider niemand zugegen.

(Unruhe bei Volker Schlotmann, SPD – Rainer Prachtl, CDU: Aber, Herr Minister- präsident, da hatten wir Fraktionsklausur!)

Das wusste ich nicht.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Rainer Prachtl, CDU: Das war aber bekannt! – Torsten Koplin, PDS: Das sagen Sie öfter!)

Aber ich weiß nicht, ob das Kuratorium nur einmal diskutiert hat.

Punkt 1, Stärkung des Kuratoriums.

(Zurufe von Volker Schlotmann, SPD, und Angelika Gramkow, PDS)

Seine Aufgaben und Befugnisse werden erweitert. Nicht die Direktoren, nicht die Staatskanzlei, sondern das Kuratorium wird die inhaltlichen Schwerpunkte der politischen Bildungsarbeit in Mecklenburg-Vorpommern beschließen, Anregungen geben, Stellung beziehen zu Berichten und Planungen der Landeszentrale. Vorschläge dazu werden gemeinsam von den Trägern der Landeszentrale erarbeitet. Die paritätische Besetzung stellt die unabhängige Arbeit der Landeszentrale schon jetzt sicher und den vereinzelten Vorwurf, die Staatskanzlei nehme Einfluss auf deren inhaltliche Arbeit, weise ich entschieden zurück! Es gibt ihn nicht, es hat ihn unter Rot-Rot nicht gegeben und das wird auch künftig so sein!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Punkt 2. Die Landeszentrale selbst wird verstärkt eine zentrale Koordinierungsstelle sein. Neben den bisherigen Aufgaben wie der Förderung von Veranstaltungen und der Umsetzung des Sonderprogramms „Pro Zivilcourage – gegen Extremismus“ wird sie Angebote für die Fortbildung von Mittlern der politischen Bildung entwickeln und im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten das Qualitätsmanagement und die Evaluierung von Trägern und Projekten fördern. Selbstverständlich verbleibt bei der Landeszentrale auch die Aufgabe, Veranstaltungen der politischen Bildung gegebenenfalls in Kooperation mit Dritten anzubieten.

Schwierig und langwierig war es, Punkt 3, das Ziel der Bündelung der Finanzmittel, zu erreichen und die über die Ministerien verteilten finanziellen und inhaltlichen Zuständigkeiten zusammenzuführen. Intensive Diskussionen haben gezeigt, dass es nicht sinnvoll ist, sämtliche Gelder, die mittelbar auch der politischen Bildung dienen, in einem Einzelplan zu konzentrieren. Aufgrund der sachbezogenen Bedarfe werden diese Haushaltsmittel bei den jeweiligen Fachressorts belassen. Wenn allerdings Förderziele thematisch übereinstimmen, werden auch diese Finanzmittel künftig gebündelt. Das betrifft zum Beispiel die historisch-politische Bildung. Die geplante Übertragung der Förderung der Gedenkstättenarbeit vom Bildungsministerium an die Landeszentrale ist sinnvoll, da beispielsweise die Aufklärung über Rechtsextremismus und die Gedenkstättenarbeit in einer sehr engen Zusammenarbeit stehen. Die Landeszentrale ist seit Jahren auf beiden Gebieten vielfältig engagiert und leistet beim Dokumentationszentrum am Demmlerplatz, einer der wichtigsten Gedenkstätten des Landes, erfolgreiche Arbeit. In diesem Zusammenhang sollen bei der Landeszentrale auch Finanzmittel für Projekte gegen Rechtsextremismus zusammengeführt werden.

Meine Damen und Herren, die Stärkung der politischen Bildung, das ist parteiübergreifend, denke ich, unser gemeinsames Ziel. Mit dem vorliegenden Konzept werden wir die Rahmenbedingungen dafür verbessern. Dabei geht es nicht darum, den Aktivbürger schlechthin oder gar den Politiker heranzubilden. Wenn es gelingt, Interesse an Politik und ihren Abläufen zu wecken, wenn sich eine steigende Zahl von Bürgerinnen und Bürgern ermuntert fühlt, sich für unser demokratisches Zusammenleben zu engagieren, oder zumindest von ihrem Wahlrecht Gebrauch macht, dann hat, glaube ich, die politische Bildung schon

einiges erreicht. Ich glaube, das ist uns allen, wie wir hier im Plenarsaal sitzen, wichtig.

Ja, meine Damen und Herren, wir haben über die politische Bildung lange diskutiert. Ich glaube aber, wir sind mit den jetzt beschlossenen Dingen zu einem guten Ergebnis gekommen. Wir werden, wie gesagt, den Landtag über die Dinge auch schriftlich unterrichten. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, einzelnen Abgeordneten der PDS und Rainer Prachtl, CDU)

Danke, Herr Ministerpräsident.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Prachtl von der Fraktion der CDU.

Herr Ministerpräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Zuerst, Herr Ministerpräsident, das kommt bei mir wirklich von Herzen, ich hätte Ihnen sehr viel Beifall vorhin gegeben, wenn Sie die zwei letzten Sätze nicht erwähnt hätten. Ich habe dann gedacht: Was machst du, Prachtl? Ich habe erst einmal keinen Beifall gegeben, dann habe ich doch noch geklatscht. Das kann im Protokoll auch erwähnt werden, weil ich glaube, dass Sie …

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und PDS – Torsten Koplin, PDS: Das steht ja jetzt auch drin.)

(Karin Schmidt, PDS: Jetzt steht’s ja drin.)

… viele wertvolle Dinge zur politischen Bildung gesagt haben. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie zum Beispiel auch die Familien erwähnt haben.

(Karin Schmidt, PDS: Genau.)

Ich darf noch eine Sache sagen, was mir viele bestätigt haben, die Ihre Rede zum 60. Jahrestag gehört haben, die Sie im Dom gehalten haben. Das war eine ausgesprochen gute Rede.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der CDU und PDS)

Sie sind jemand, der beispielgebend demokratische Kultur und politische Bildung als Ministerpräsident im Land verkörpert. Das sage ich aus Überzeugung. Natürlich, jetzt kommt das, natürlich gibt es kleine Punkte, die Sie ertragen müssen.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Und wenn man Mitarbeiter hat, die – ich will das Wort „Depp“ nicht wieder gebrauchen – gewissermaßen daneben gehen,

(Angelika Peters, SPD: Das ist ja auch sehr unparlamentarisch!)

liebe Damen und Herren, jetzt kommt der Punkt, dafür ist der Ministerpräsident natürlich auch verantwortlich. Deshalb haben wir diese Debatte beantragt nach Paragraph 43.

Im „Nordkurier“ am 29. April 2005 war zu lesen, dass die Landesregierung die Neuordnung der politischen Bil

dung zur Not auch am Parlament vorbeidrücken will. Hätte der Ministerpräsident noch vor zehn Minuten hier gesagt: Na ja, Gott, da hat einer von meinen Leuten irgendwas erzählt. Ich wollte ihm sogar schon vorschlagen, ich rede gar nicht mehr hier, und Sie verzichten auch, die Rede war so gut,

(Heinz Müller, SPD: Das stimmt.)

wir reden nicht mehr, erledigt, dann haben wir eher Feierabend und können zum Israelischen Abend gehen. Das wäre doch eine herrliche Sache gewesen.