Protokoll der Sitzung vom 01.09.2005

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU: So ist es.)

Man kann auch nicht, sehr geehrte Frau Keler, zuerst das öffentliche und parlamentarische Kontrollrecht mit aller Macht aushebeln und sich anschließend in der Öffentlichkeit darüber beschweren, dass das Landesverfassungsgericht diesen Verstoß in aller Form rügt. Im Übrigen steht es auch einer Landesregierung nicht gut zu Gesicht, wenn sie zulässt, dass ein Urteil des Landesverfassungsgerichts, also des Gremiums, das berufen wurde, um die Verfassungsmäßigkeit von Rechtsakten zu überprüfen, in derartiger Weise diskreditiert wird.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Wer hat denn das gesagt?! – Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, genauso unredlich ist es, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, die Opposition wäre klammheimlich zum Verfassungsgericht geschlichen

(Reinhard Dankert, SPD: Klammheimlich haben Sie das nicht gemacht. Sie haben richtiges Getöse darum gemacht. Da haben Sie vollkommen Recht.)

und hätte mit ihrer Klage die Landesregierung ohne Vorwarnung vor vollendete Tatsachen gestellt. Richtig ist,

dass wir schon bei der Aufstellung des Zweiten Nachtragshaushaltes mehrfach und in verschiedenen Gremien bemängelt haben, dass die Überschreitung der Nettokreditaufnahme nicht ausreichend begründet ist.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Es reicht eben nicht, nur eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts festzustellen, nein, es muss eindeutig gezeigt werden, wie die zusätzlichen Gelder aus Krediten zur Behebung dieses Ungleichgewichts eingesetzt werden. Das Landesverfassungsgericht geht sogar noch weiter. Es verlangt beim gleichzeitigen Vorliegen eines strukturellen Defizits im Landeshaushalt die Vorlage von Maßnahmen zu dessen Beseitigung.

Sehr geehrte Frau Finanzministerin Keler, jetzt stehen Sie vor dem Problem, den Betrag, um den die Regelkreditobergrenze im Jahr 2003 überschritten wurde, in den Haushalt 2005 einzustellen. So zumindest lautet eine weitere Forderung des Verfassungsgerichts.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Ja, aber die ist nicht richtig. – Lorenz Caffier, CDU: Wer sagt das denn? Du hast doch gerade gesagt, das ist richtig.)

Ich kündige deshalb an dieser Stelle bereits an, dass wir die von Ihnen vorgesehene Umsetzung dieser Auflage und aller weiteren sehr genau prüfen werden.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Was, was, was?! Du hast doch eben gerade gesagt, das ist auch wieder beim Verfassungsgericht.)

Aus jetziger Sicht scheint kaum eine der Forderungen aus dem Verfassungsgerichtsurteil entsprechend den Intentionen des Gerichtes umgesetzt worden zu sein.

(Heiterkeit bei Rudolf Borchert, SPD – Reinhard Dankert, SPD: Dann können Sie ja wieder hingehen! – Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Das ist wirklich unmöglich! – Zuruf von Rudolf Borchert, SPD)

Es scheint, habe ich gesagt, es scheint. Hören Sie bitte zu!

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben?)

Ich habe alles selber geschrieben, Frau Gramkow.

(Reinhard Dankert, SPD: Also! – Detlef Müller, SPD: Oh je! – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Vielleicht machen Sie es ja auch.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Ich schreibe grundsätzlich meine Reden alleine.)

Weder haben Sie die Überschreitung der Regelkreditobergrenze aus 2003 vollständig in 2005 eingestellt noch haben Sie diese als Fehlbetrag gebucht. Vielmehr legen Sie – in kreativer Auslegung des Urteils – fest, das Ihnen lediglich die Kreditaufnahmeermächtigung fehlt, um den gerügten Mangel zu heilen.

(Reinhard Dankert, SPD: Wer hat Ihnen denn den Blödsinn aufgeschrieben?)

Sehr geehrte Frau Finanzministerin, glauben Sie wirklich, dass die CDU-Fraktion zuerst gegen diese von ihr

nicht gewollte und gegen ihr Votum durchgesetzte Überschreitung klagt, um sich dann mit erneuten Taschenspielertricks zufrieden zu geben?

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Das ist wirklich eine Unterstellung!)

Wir sind nicht, was Sie uns gerne unterstellen, vor das Landesverfassungsgericht gezogen, um der Regierung eins auszuwischen, sondern weil wir das Haushaltsrecht in eklatanter Weise verletzt sahen und alle anderen parlamentarischen Möglichkeiten ausgeschöpft waren. Verbunden damit war die Hoffnung, dass im Falle unseres Obsiegens, die Landesregierung zukünftig nicht wieder leichtfertig alle außergerichtlichen Einigungsversuche mit der Opposition ausschlägt. Allerdings lässt der jetzt vorgelegte Haushaltsentwurf befürchten, dass die Landesregierung das Landesverfassungsgericht genauso wenig ernst nimmt, wie sie die Opposition ernst nimmt. Deshalb möchte ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich klarstellen, dass die CDU-Fraktion nur einen eindeutig verfassungskonformen Haushalt akzeptieren wird, denn ansonsten würden wir selbst unsere erfolgreiche Klage ad absurdum führen.

(Reinhard Dankert, SPD: Herrn Rehbergs Beitrag war aber wesentlich besser.)

Das ist meistens so, denn er ist ja der Fraktionsvorsitzende. Das ist ja ganz logisch.

(Reinhard Dankert, SPD: Da brauchen Sie aber noch eine ganze Menge.)

Sehr geehrte Damen und Herren, das Landesverfassungsgericht erklärte auch den Doppelhaushalt 2004/2005 für nichtig,

(Zuruf von Lorenz Caffier, CDU)

und das aus zwei für mich nur allzu verständlichen Gründen. Ging es beim Haushalt 2003 noch um handwerkliche Fehler, so wurde Ihnen nun mangelndes demokratisches Verständnis und das Überschreiten der gesetzgeberischen Kompetenzen innerhalb eines zeitlich befristet geltenden Haushaltsrechtsgesetzes attestiert. Es ist beklagenswert, dass erst ein Gericht daran erinnern muss, dass der Interessenvertretung der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes als ureigenster Aufgabe des Parlaments wieder der Stellenwert beigemessen wird, der ihr laut Verfassung zukommt. Und unsere Verfassung sieht im Gesetzgebungsverfahren eine Grundsatzberatung und eine Einzelberatung vor, um auch die Öffentlichkeit über Gesetzgebungsverfahren zu informieren und dadurch den öffentlichen Meinungsbildungsprozess zu gewährleisten.

In den Haushaltsberatungen zum Doppelhaushalt 2004/ 2005 wurde nur allzu deutlich, welche gegensätzlichen Auffassungen die Landesregierung in diesem Punkt vertritt. Als die Nachschiebeliste der Landesregierung im Finanzausschuss beraten werden sollte, haben wir darauf hingewiesen, dass diese Form der Einbringung nicht verfassungskonform ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum damaligen Zeitpunkt bestand noch die Möglichkeit, eine verfassungsgemäße Verfahrensweise einzuleiten. Es ist eben nicht so, dass es ausreicht, diese doch sehr grundsätzlichen Änderungen nur in die Fachausschüsse zu überweisen. Dadurch werden zwar alle Abgeordneten über die geplanten Veränderungen unterrichtet, die ebenfalls erforderliche Herstellung von Öffentlichkeit jedoch unterbleibt.

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Diesen Punkt haben wir in unserem Antrag noch einmal deutlich dargestellt und hoffen, dass alle Fraktionen dem zustimmen werden. Aber Sie haben ja schon gesagt, Sie wollen nicht zustimmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Haushaltsgesetz als Jahres- oder Zweijahresgesetz schließt Gesetzesänderungen mit Dauerrechtscharakter aus. Mit der jetzt in Mecklenburg-Vorpommern erstmalig durchgeführten Trennung des Haushaltsgesetzes von begleitenden Gesetzen durch die Einführung eines Haushaltsbegleitgesetzes reagiert die Landesregierung auf den von uns ebenfalls beklagten Verstoß gegen das Bepackungsverbot. Inwieweit diese Vorgehensweise dem beklagten Verstoß abhilft, wird gegebenenfalls gesondert zu bewerten sein. Die weiteren Verstöße gegen die verschiedenen Normen bezüglich der einzelnen Artikel spielen nur für die zukünftige Bewertung von Gesetzesänderungen eine Rolle.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Doppelhaushalt 2004/2005 und somit auch der Nachtragshaushalt 2005 wurden in ihrer Gesamtheit für nichtig erklärt. Daraus entstehen mehrere von uns, dem Parlament, zu klärende Problemfelder, auf die ich an dieser Stelle kurz eingehen möchte. Die Haushalte für die Jahre 2004 und 2005 sind mit dem Urteil des Landesverfassungsgerichts als nicht existent zu betrachten. Das heißt, sie sind so zu behandeln, als wären sie nie aufgestellt und verabschiedet worden. Das hat zur Folge, dass alle darin enthaltenen Gesetzesänderungen ihre Rechtskraft verlieren. Somit gelten die Gesetze wieder in ihrer vorherigen Fassung mit allen damit verbundenen finanziellen Verpflichtungen. Das bedeutet, es sind haushaltsrelevante Entscheidungen zu treffen. Ich verweise an dieser Stelle nur auf das Landeserziehungsgeldgesetz und das Schulgesetz, als die wohl in der Öffentlichkeit bekanntesten.

Mit dem jetzt eingebrachten Haushaltsbegleitgesetz wollen Sie die außer Kraft gesetzten Änderungen rückwirkend wieder einführen. Ob das aber in jedem Fall rechtlich einwandfrei möglich ist, scheint fraglich und ist zumindest aus Sicht der Betroffenen in höchstem Maße ungerecht. Durch die Fortgeltung der Gesetze in der vor der Außerkraftsetzung geltenden Fassung sind Ansprüche entstanden, die nicht einfach – unter Verweis auf das nicht entgegenstehende, weil nicht aufgebaute Vertrauen der Normadressaten – vom Tisch gewischt werden können. Und hinter den von Ihnen so betitelten Normadressaten stehen Menschen, die in Vertrauen auf das geltende Recht Entscheidungen getroffen haben, die sich nicht einfach revidieren lassen. So sind zum Beispiel im Grundschulbereich Eingangsklassen entstanden, die nach dem dann wieder geänderten Schulgesetz nicht hätten gebildet werden dürfen.

In anderen betroffenen Bereichen, in denen Entscheidungen per Bescheid Rechtskraft erlangen, sprechen Sie zwar davon, dass all die, die einen Bescheid erhalten, auch ihr Geld bekommen. Aber wie sieht das in der Praxis aus? Viele Betroffene klagen gegen fehlende Antragsformulare und eine schleppende Antragsbearbeitung. Auch so kann man geltendes Recht aushebeln, denn ohne Bescheid zum Zeitzpunkt des In-Kraft-Tretens des Haushaltsbegleitgesetzes ist ein Zahlungsanspruch nicht entstanden.

(Wolfgang Riemann, CDU: Genau. Das ist linke Politik.)

Da auch keine zusätzlichen Mittel in den Haushalt 2005 eingestellt wurden, scheint der Weg das Ziel zu sein. Es ist nur legitim zu erwarten, dass Fehler bei der Haushaltsaufstellung nicht den Betroffenen angelastet werden. Die CDU-Fraktion fordert deshalb eine zügige Antragsbearbeitung beim Landeserziehungsgeld und die Anerkennung der jetzt gebildeten Eingangsklassen in den Grundschulen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, neben dem Haushaltsbegleitgesetz 2005 haben wir auch über das Haushaltsgesetz 2005 zu beraten. Die Landesregierung spricht von Konsolidierung des Haushaltes, ich erkenne nur eine Verschiebung von Lasten auf die Kommunen, den Abbau von Investitionen und eine deutliche Haushaltsunklarheit. Nach dem im Mai der Arbeitskreis Steuerschätzung eine Prognose für dieses Jahr abgegeben hat und anschließend das Finanzministerium die regionalisierte Steuerschätzung auf Mecklenburg-Vorpommern angepasst hat, standen 90 Millionen Euro Mindereinnahmen im Raum. Woher kommen die von der Landesregierung nun angesetzten 153 Millionen Euro Steuermindereinnahmen?

Beim Ausweis von Nettoeinsparungen im Personalbereich stehen 42,9 Millionen Euro. Eine stattliche Summe, das gebe ich zu. Aber keine, die man unkommentiert im Raum stehen lassen kann, denn sie suggeriert einen Erfolg, der in diesem Umfang nicht stattfand. Schon in den Haushaltsberatungen wurde uns bestätigt, dass der ursprüngliche Ansatz zu hoch gewählt sei. Dafür spricht auch die Tatsache, dass der Stellenplan im jetzt neuen Haushalt unverändert geblieben ist. Von echter Konsolidierung kann also auch in diesem Bereich nicht gesprochen werden. Das gilt auch für andere Einsparungen wie zum Beispiel fürs Wohngeld, wo die im Land eingesparten 5 Millionen Euro, und nicht nur die, nun durch die Kommunen zu erbringen sind.

(Ministerin Sigrid Keler: Unfug! Das ist doch schlichtweg Unfug! Die Leute wissen es doch besser.)

Kürzungen beziehungsweise die Verschiebung von Ausgaben für Investitionen werden unser Land ebenfalls nicht vorwärts bringen. Die von der Landesregierung angestrebten Verbesserungen des Landeshauhaltes werden also auf Kosten der Kommunen und der Zukunft des Landes betrieben.

(Zuruf von Ministerin Sigrid Keler)

Es kann nicht sein, dass die Kommunen die Lasten aufgrund der Regelungen zu Hartz IV alleine schultern müssen und sich das Land hier aus der Verantwortung zurückzieht.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Das reicht jetzt! Die Verantwortung trägt ja wohl jemand anderes.)