Nach den Haushaltsergebnissen vom 30. September gehe ich davon aus, dass der Haushalt 2005 in dem vorgezeichneten Rahmen gefahren werden kann. Damit wird die Nettokreditaufnahme um mindestens 260 Millionen Euro gegenüber 2004 abgesenkt.
Ich will es bei diesen kurzen Bemerkungen zum Haushalt 2005 belassen. Die wesentlichen Ausführungen habe ich bereits anlässlich der Einbringung am 1. September gemacht. Sie müssen heute nicht wiederholt werden. Ich möchte stattdessen die Gelegenheit nutzen und auf einige weitere Aspekte im Zusammenhang mit unserer Finanzpolitik eingehen. Bevor ich das aber tue, will ich kurz auf die aktuellen Äußerungen aus der CDU-Fraktion zum Haushalt 2006/2007 eingehen.
Angeblich widerspricht der Doppelhaushalt der verfassungsmäßigen Pflicht zur Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit, weil noch nicht feststeht, wie hoch die EUBeihilfen von 2007 an tatsächlich sein werden. Und weiter wird kritisiert, dass ein Doppelhaushalt, der über die Legislaturperiode hinausgeht, die nächste Landesregierung binde. Ich kann ja verstehen, dass die CDU mit dem Hinweis auf die Verfassung bei der Landesregierung eine Schrecksekunde auslösen und im Land Unsicherheit schüren möchte. Die Kritik am Doppelhaushalt ist mir aber trotzdem unverständlich. Der Haushalt 2006/2007 schafft Kontinuität und Planungssicherheit im Land. Das schließt einen Nachtrag zur Veränderung von Schwerpunkten nach der Regierungsbildung Ende 2006 nicht aus. Und ein Nachtrag, das haben wir hier schon zweimal gehört, ist allemal besser als eine halbjährige Phase der vorläufigen Haushaltsführung in 2007. Im Übrigen sind Doppelhaushalte auch über Wahlperioden hinweg in Deutschland durchaus üblich, zum Beispiel in so soliden Finanzländern wie Bayern und Sachsen. Was wäre denn die Alternative? Wir müssten im nächsten Jahr einen Haushalt für 2007 aufstellen, aber dieser könnte bis zum Wahltermin nicht eingebracht werden. Wir haben deshalb einen Doppelhaushalt eingebracht, mit dem wir schon jetzt den Rahmen für 2007 vorgeben.
Zum zweiten Vorwurf, zu der fehlenden Haushaltswahrheit und -klarheit, ist festzustellen, dass es bedeutet, wir müssen mit den zurzeit verfügbaren Erkenntnissen – ich sage es noch einmal für Herrn Liskow speziell –,
mit den zurzeit verfügbaren Erkenntnissen arbeiten. Gibt es Änderungen, dann ist je nach deren Bedeutung ein Nachsteuern mit einem Nachtragshaushalt erforderlich. Zur Erläuterung: Zehn Prozent der Summe der EUStrukturfonds entsprechen circa 35 Millionen Euro. Frau Gramkow hat es in Prozenten gesagt, ich sage es Ihnen in der absoluten Zahl. Die Gefahr von Abweichungen bei den Steuereinnahmen ist um ein Vielfaches größer. Ich erinnere daran, in diesem Jahr sind es 185 Millionen Euro brutto laut Steuerschätzung.
Ich bedauere, meine Damen und Herren von der CDUFraktion, dass im Finanzausschuss keine Generalaussprache zum Haushalt mehr stattfindet.
(Wolfgang Riemann, CDU: Das hätte Ihre Fraktion doch beantragen können, wenn Sie das jetzt bedauern.)
Dort könnte man über solche Fragen fachlich fundiert diskutieren. Herr Riemann, ich rege an, Sie sind ja der Vorsitzende, dass wir das dort nachholen.
Meine Damen und Herren, die Diskussionen während des Bundestagswahlkampfes waren nach meiner Wahrnehmung wesentlich beeinflusst von zwei Themen, der Steuer- und der Haushaltspolitik. Als Finanzministerin müsste ich mich darüber eigentlich freuen. Wann wird schon mal eingehend und differenziert über Steuerpolitik, die Möglichkeit der Steuervereinfachung im Verhältnis zur Steuergerechtigkeit, über Staatsverschuldung und Generationengerechtigkeit, über Zukunftsinvestitionen und die Bezahlbarkeit des Sozialstaates im Lichte der globalen Standortkonkurrenz diskutiert? Leider sind aber diese Themen nur oberflächlich abgehandelt worden. Jetzt werden wir uns wieder ernsthaft und vertieft dieser Frage zuwenden müssen: Wie viel Steuern braucht der Staat, um seine Aufgaben finanzieren zu können, und wie halten wir gleichzeitig die Verschuldungskriterien von Maastricht ein? Denn wer geglaubt hat, Maastricht sei sanft entschlafen, wurde in den letzten Tagen eines Besseren belehrt. Neben Deutschland sieht auch Frankreich möglichen Strafzahlungen entgegen.
Die von mir formulierte Frage allein greift noch zu kurz für eine Benennung unserer Probleme, denn die Bundesrepublik Deutschland befindet sich in einem tief greifenden demografischen Wandel. Gegenwärtig wird viel von Vergreisung gesprochen. Tatsächlich stehen immer weniger Junge immer mehr Alten gegenüber. Dies gefährdet nicht nur die Altersversorgungssysteme, es erfordert auch dramatische Umwälzungen in der sozialen Infrastruktur. Alterseinrichtungen aller Art werden künftig in weit größerem Umfang nachgefragt werden. Wenn die Altersversorgungssysteme dann nicht in der Lage sein sollten, neben dem Lebensunterhalt auch die altengerechte Betreuung der Senioren in ambulanten und stationären Einrichtungen zu finanzieren, wird der Druck auf die aus Steuermitteln aufzubringende Sozialhilfe in einem Ausmaß wachsen, das wir uns heute noch nicht vorstellen können. Zuleich muss in diesem Land eine kinderfreundliche, das heißt eine familienfreundliche Politik in den Vordergrund rücken, damit wir überhaupt eine Chance gewinnen, der Veränderung in der Altersstruktur entgegenzuwirken.
Dies wird umso komplizierter, da ab Anfang des nächsten Jahrzehnts die Einwohnerzahl in der Bundesrepublik insgesamt abnehmen wird. Die demografischen Prozesse in den neuen Ländern werden sich zeitversetzt in Gesamtdeutschland durchsetzen.
Meine Damen und Herren, das ist alles nicht neu, aber wir tun immer noch so, als hätten wir es dabei mit tagesaktuellen Problemen zu tun, die man der jeweils regierenden Partei anlasten kann. Das gilt übrigens auch für die Haushaltsund Finanzpolitik. Auf diesem Felde lässt sich sehr gut zeigen, dass in der Bundesrepublik eine im Grundsatz richtige finanzpolitische Ausrichtung von der jeweiligen Opposition heftig angegriffen wird. Da spielt es keine Rolle, ob die Regierung von der SPD oder von der CDU gestellt wird. Die Opposition, egal ob SPD oder CDU, kritisiert die Haushaltslinie der jeweiligen Regierung mit identischen Argumenten. Das führt uns auf Dauer nicht weiter. Was soll im Übrigen der interessierte Bürger von diesem ritualisierten Rollenspiel halten? Trotz aller parteipolitischen Unterschiede besteht doch eine gemeinsame Verantwortung für das Land.
Ich will es Ihnen wahrhaftig nicht immer wieder aufs Butterbrot schmieren, aber ich möchte Ihnen vor Augen
führen, was ich meine. Darum möchte ich noch einmal daran erinnern, dass der Fraktionsvorsitzende der CDU im letzten Jahr im Zusammenhang mit dem Fortschrittsbericht 2003 gefordert hat, man müsse die Länder bestrafen, unter anderem Mecklenburg-Vorpommern, die die Mittel nicht vollständig für Investitionen ausgeben. In SachsenAnhalt oder in Thüringen hätte er das bestimmt nicht gesagt.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS – Volker Schlotmann, SPD: Mal gucken, was er jetzt in Berlin erzählt.)
Ich habe schon damals meine Betroffenheit darüber geäußert, wie man um tagespolitische Vorteile willen die Position des eigenen Landes verschlechtert.
Ich hatte gehofft, dass wir aus der Debatte zum Fortschrittsbericht 2003 lernen würden. Leider war diese Hoffnung trügerisch. Kaum hatte ich den neuen Fortschrittsbericht 2004 in der Öffentlichkeit vorgestellt, verfielen Herr Rehberg und überraschenderweise auch Herr Dr. von Storch wieder in die alten Beißmuster.
Damit will ich mich aber nicht auseinander setzen. Vielmehr möchte ich Ihnen die wesentlichen Inhalte des neuen Fortschrittsberichts vorstellen. Mecklenburg-Vorpommern hat 2004 Infrastrukturinvestitionen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro getätigt. Das sind über 220 Prozent oder 800 Millionen Euro mehr als die Infrastrukturausgaben der finanzschwachen Flächenländer West. Die Infrastrukturlücke zu diesen Ländern ist also 2004 wieder deutlich kleiner geworden. Für die Verbesserung der kommunalen Finanzkraft wurden 2004 rund 270 Millionen Euro aus den Solidarpaktmitteln verwendet und mit 265 M i l l i onen Euro finanzierte das Land sonstige teilungsbedingte Sonderlasten.
Sie sehen, wir haben sehr viel Geld entsprechend den Vorgaben des Solidarpaktes ausgegeben und doch können wir die zweckentsprechende Verwendung der Mittel nicht hundertprozentig nachweisen. Das Problem – es ist heute auch schon gesagt worden – liegt weniger im tatsächlichen Einsatz der Mittel, das Problem liegt in den Steuereinbrüchen und damit zusammenhängend in der Finanzierung unserer laufenden Ausgaben. Das wird schlagartig deutlich, wenn man die Zahlen von 2000 und 2001 mit den darauf folgenden vergleicht. Damals hatten wir keine Schwierigkeiten, eine vollständige zweckentsprechende Verwendung nachzuweisen. Der Unterschied liegt im Wesentlichen in der Höhe der Nettokreditaufnahme. Die ab 2002 erhöhten Kredite werden beim Verwendungsnachweis abgezogen. Höhere Kredite mussten wir aber aufnehmen, um die drastischen Steuereinbrüche wenigstens teilweise abzufangen. Das hat unsere Haushaltsstruktur verschlechtert, nicht aber die Verwendung unserer Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen. Wären die Steuereinnahmen 2004 so gekommen wie 2001 geschätzt, wäre der Verwendungsnachweis einfach wie schon 2000 und 2001 gewesen. Unsere Kreditaufnahme würde dann bereits im nächsten Jahr bei null ankommen.
Obwohl sich unsere Einnahmesituation nicht wesentlich verbessert hat, haben wir den rechnerischen Verwendungsgrad 2004 gegenüber 2003 wieder deutlich erhöht. Das ist die Folge unserer Konsolidierungsbemühungen
bei den laufenden Ausgaben und damit der Verbesserung der Haushaltsstruktur insgesamt. Aber erst wenn die Nettokreditaufnahme nahezu bei null ist, wird es uns gelingen, einen hundertprozentigen Nachweis zu erbringen.
Inzwischen gibt es in der Öffentlichkeit die unterschiedlichsten Zahlen und Kommentare. Dabei wird in der Regel das Faktum der weggebrochenen Steuern ignoriert.
Dennoch bleibt es richtig, ich wiederhole es hier noch einmal: Wir investieren 2,2-mal so viel wie finanzschwache Westländer. Unsere Kommunen erhalten aufgrund ihrer unterproportionalen Steuerkraft – sie lag 2004 unter 50 Prozent – nach wie vor erhebliche Zusatzmittel. Die sonstigen teilungsbedingten Sonderlasten fallen an, auch wenn es einige nicht sehen wollen. Im Einzelnen sind das die Zusatzversorgung für DDR-Renten, ich meine hier nicht die Sonderversorgung für Polizei und Justiz, die Kosten hoher Arbeitslosigkeit und die Kosten für Ausbildungssonderprogramme. Hier haben wir nur die reinen Landesmittel, die kommunalen Altschulden, die Kosten für die Regelung offener Vermögensfragen gerechnet. In der Summe sind das insgesamt etwa eine Viertel Milliarde Euro.
Ausgaben für teilungsbedingte Sonderlasten gelten bis einschließlich 2004 als zweckentsprechende Verwendung der SoBEZ. Das lasse ich mir auch nicht wegdiskutieren, weder vom Institut für Wirtschaftsforschung in Halle noch von Herrn Professor Seitz. Ab 2005 werden die sonstigen teilungsbedingten Sonderlasten nicht mehr berücksichtigt werden dürfen, aber dennoch, meine Damen und Herren, sie fallen an, alle ostdeutschen Bundesländer werden damit belastet und Mecklenburg-Vorpommern leider anteilig am höchsten.
Insgesamt führen die drei Komponenten – Infrastrukturinvestitionen, Kommunalfinanzen und sonstige teilungsbedingte Sonderlasten – zu einer Verwendungsquote von 79 Prozent in 2004. Ich fordere kein neues Rechenschema, aber ich fordere einen fairen Umgang mit den Zahlen!
Dabei bin ich mir völlig bewusst, dass sich unsere Politik auch danach ausrichtet, dass wir weiterhin Konsolidierungsanstrengungen unternehmen müssen, das heißt, die laufenden Ausgaben müssen begrenzt werden, vor allem die Personalausgaben und die so genannten Sach- und Fachausgaben, die sächlichen Verwaltungsausgaben inbegriffen. Der Haushalt 2005 und der Doppelhaushalt 2006/07 zeigen, dass wir auf diesen Feldern aktiv sind.
Der Fortschrittsbericht für das Jahr 2004 schließt die Berichterstattung über den Solidarpakt I ab. Mecklenburg-Vorpommern erhielt von 1995 bis 2004 Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen im Umfang von insgesamt 11,1 Milliarden Euro. Die Diskussionen um das Rechenschema überdecken die tatsächlichen Fortschritte in den neuen Ländern beim Ausbau der Infrastruktur. In den Jahren 1995 bis 2004 hat Mecklenburg-Vorpommern insgesamt rund 20 Milliarden Euro für die im Solidarpakt I festgelegten Zwecke verausgabt, darunter 14 Milliarden Euro für den Abbau des infrastrukturellen Nachholbedarfs, also weit mehr als die dafür erhaltenen Solidarpaktmittel. Das
Land hat damit die Voraussetzungen für eine positive wirtschaftliche Entwicklung und neue Arbeitsplätze geschaffen. Im Einzelnen bedeutet das den Ausbau und die Verbesserung von Straßen und Wegen, die Modernisierung der Hochschulen und Schulen, die Modernisierung der Verwaltungsgebäude und Vollausstattung mit Alten- und Pflegeheimen sowie Ausbau der Krankenhäuser.
In der „Schweriner Volkszeitung“ wurde diese Leistung am 29.09.2005 wie folgt zusammengefasst, ich zitiere: „Alles, was in den zurückliegenden 15 Jahren in die Infrastruktur, in die Ansiedlungspolitik oder in die Erneuerung ganzer Städte und Landstriche gesteckt wurde, ist erlebbar. Wer heute wachen Auges durch eine Stadt wie Schwerin, Rostock oder Potsdam streift, ist erstaunt über die Veränderungen. Kaum wiederzuerkennen, sagen viele.“ Zitatende.
Ich beobachte zunehmend, dass der Fortschrittsbericht für den politischen Schlagabtausch in den neuen Ländern herhalten muss. In Mecklenburg-Vorpommern möchte die CDU-Opposition die Regierung aus SPD und PDS jagen. In Thüringen und in Sachsen-Anhalt sind die Daten ungünstiger als bei uns, dort regiert die CDU und wird wegen zu geringer zweckentsprechender Verwendung von der SPD-Opposition angegriffen.
Gleiches Spiel, vertauschte Rollen! Das ist doch ein schönes Beispiel für die von mir angesprochenen wechselseitigen Schuldzuweisungen, ohne dass die objektiven Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. Kritik ist notwendig, die Opposition muss die Regierung treiben.
Nach meiner Überzeugung leisten wir mit diesem Hickhack den Kräften Vorschub, die den Solidarpakt II lieber heute als morgen aufkündigen möchten. Ich denke, wir sollten die Scheingefechte lassen, denn wir alle können dabei nur verlieren.
Zum 3. Oktober sind wir Ostdeutschen in vielen Reden für unsere Aufbauleistungen gelobt worden. Wir können und wir sollten mit gesundem Selbstbewusstsein auf unsere Leistungen schauen. Lassen wir uns von den Miesmachern die Erfolge nicht kleinreden!
Wir haben noch ein gutes Stück Arbeit vor uns, bis die deutsche Einheit in all ihren Fassetten verwirklicht wird. Wir alle im Osten, egal welcher Couleur, werden in den nächsten Jahren unsere Kräfte bündeln müssen, um das zu sichern, was wir für den Aufbau in den neuen Ländern brauchen. Je früher wir alle das begreifen, desto erfolgreicher werden wir sein.
Und, Herr Prachtl, zum Schluss: Unsere Kassen sind nicht leer, aber sie sind auch nicht so voll, wie mancher es zu meinen glaubt. – Herzlichen Dank.