Protokoll der Sitzung vom 15.12.2005

(Michael Ankermann, CDU: Das ist korrekt.)

Auch wenn der Innenminister in seinem Haushaltsrundschreiben die Landräte und Oberbürgermeister auffordert, die Grund- und Gewerbesteuer stärker als bisher auszuschöpfen, meine Damen und Herren, ist das doch eigentlich keine Lösung. Steuererhöhungen, das haben Sie uns im Bundestagswahlkampf immer gesagt, sind das falsche politische Signal.

Stichwort „Kreisumlage“. Meine Damen und Herren, es ist mittlerweile so, dass es eine Situation in diesem Land gibt, die es vorher so nie gegeben hat. Sie treiben sozusagen die Kommunalen zuhauf, und da spielt jetzt mittlerweile das Parteibuch überhaupt keine Rolle mehr. Ein Beispiel: Gerade in dieser Zeit tagen die Kreistage überall und da es geht um die Kreisumlage. Ich will Ihnen einen hübschen Entschließungsantrag aus dem Landkreis Ostvorpommern vom Montag dieser Woche nennen, einen Entschließungsantrag, der übrigens quer durch alle Fraktionen mitgetragen wurde, SPD-Fraktion, Die Linkspartei.P D S , CDU, Kreistagsfraktionen. Die einzigen Enthaltungen, die es da gegeben hat – zwei an der Zahl – waren aus der NPD. Und wissen Sie, was die beantragt haben, meine Damen und Herren? Die haben gesagt, angesichts der dramatischen finanziellen Situation des Landkreises Ostvorpommern und seiner Kommunen fordern die Fraktionen des Kreistages die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern, den Landtag auf, die finanzielle Ausstattung der Landkreise und der Gemeinden nachhaltig zu verbessern. Meine Damen und Herren, da draußen gibt es tausende Vertreter in Kommunalparlamenten in Anführungsstrichen,

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Ein paar davon sitzen auch hier.)

es gibt Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die registrieren sehr wohl und sehr fein, dass natürlich der Kuchen, der zu verteilen ist, wegen der Einnahmerückgänge auch in diesem Land immer kleiner wird. Aber eines will ich Ihnen auch sagen: Jede Kämmerin, ob irgendwo in einer kreisfreien Stadt oder im letzten kleinen Amt, und jeder Bürgermeister vor Ort wissen ganz genau, dass Sie, meine Damen und Herren, sich von diesem immer kleiner werdenden Kuchen – und das ist der eigentliche Skandal – ein immer größeres Stück abschneiden.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Ach!)

Das ist das Problem. Seit den seligen Zeiten der Verbundquote ist das so, sukzessive, diese Zahlen liegen vor, und das ist das Traurige.

Meine Damen und Herren, wenn wir über Kreisumlage reden, dann muss man sich schon an den Möglichkeiten der kommunalen Haushalte der kreisangehörigen Gemeinden orientieren. Da ist mittlerweile auch nichts zu holen. Mit der bloßen Aufforderung, die Kreisumlage möchte doch bitte erhöht werden, da wäre sozusagen unten, wo danach nichts mehr kommt, noch etwas zu holen, meine Damen und Herren – da nützt auch ein Bundesvergleich nichts –, das ist einfach an der Lebensrealität unserer Kommunen seit langem vorbei.

(Zuruf von Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS)

Dann sagt zum Beispiel Herr Dr. Timm, unsere Kommunen leisten sich zu viel. Das sagte er gerade wieder. Meine Damen und Herren, natürlich, es gibt sicherlich Ein

zelfälle, in denen politische Großmannssucht – so was soll ja nicht nur hier vorkommen, sondern auch auf der kommunalen Ebene – und manchmal vielleicht auch wirtschaftliche Naivität dazu geführt haben, dass tatsächlich riesige Löcher in kommunale Haushalte gerissen wurden. Aber, meine Damen und Herren, das ist doch nicht der Regelfall. Der jährliche Bericht zur kommunalen Haushaltslage in Mecklenburg-Vorpommern besagt für 2002/2003 etwas ganz anderes. Die Personalausgaben und die Sachausgaben wurden gesenkt, während die Ausgaben für Sozialleistungen überproportional anstiegen, und Hartz IV, Sie wissen, dass das danach noch mal eine deutliche Aussage hatte. Und für diese Entwicklung...

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Wer ist denn dafür wohl verantwortlich?!)

Ich sage Ihnen, wer nicht verantwortlich ist, Frau Gramkow.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Nein, die Ursachen müssen Sie benennen!)

Ich sage Ihnen nur, wer nicht verantwortlich ist. Auf jeden Fall sind die Kommunen dafür nicht verantwortlich.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Da haben Sie Recht. Und wer sonst?)

So. Aber die baden es aus, weil darunter nichts mehr ist.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Schön von der Verantwortung ablenken.)

Frau Gramkow, viel wichtiger, als immer nach Berlin zu schauen und zu sagen, da kommt das ganze Elend her,

(Heiterkeit bei Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS – Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Ach nö!)

ist doch, hier das zu tun, was man hier tun kann,

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Ja, tut das!)

nicht woanders hinschauen, sondern hier tun, was man tun kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Dazu gehört auch, Versprechen nicht zu brechen, und da gehört vielleicht dazu, dass man ab und zu in die eigene Koalitionsvereinbarung schaut.

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Das eine hängt mit dem anderen zusammen. – Zuruf von Andreas Bluhm, Die Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, immer wenn das FAG im Haushalt behandelt wird, habe ich zumindest das Gefühl – und ich glaube, das haben viele von uns –, dass die Kommunen als lästige Bittgänger angesehen werden, als Kostgänger, die sich zu Lasten des Landes bereichern. Das ist nicht so. Ich erwarte von einem Kommunalminister, Herr Dr. Timm, dass er dies in seinen öffentlichen Äußerungen auch wirklich deutlich macht, dass er sich vor seine Kommunen stellt und sagt: Ich weiß, dass es im Lande, sehr, sehr schwierig ist. Ich weiß das als Kommunalminister und ich stelle mich vor meine Kommunen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, es kann nicht allein darum gehen, Herr Dr. Timm, die kommunale Finanzausstattung

nach den Wünschen der Kommunen sicherzustellen, sondern es geht auch darum, alle politischen Handlungsfelder des Landes angemessen auszustatten.

(Ministerin Sigrid Keler: Genau.)

Genau, Frau Keler.

(Wolfgang Riemann, CDU: Schwerpunkte setzen!)

Wir kommunalen Vertreter wären ja schon unglaublich

zufrieden, wenn die Kommunen angemessen ausgestattet würden, und zwar so, wie es die Verfassung in Artikel 73 vorschreibt. Die Finanzausgleichsleistung des Landes ist schließlich kein Geschenk. Und, Frau Keler, da muss ich schon sagen, Ihre Metapher von der fairen Finanzausstattung, das ist ja Ihre,

(Ministerin Sigrid Keler: Ja.)

hat weder etwas mit diesem Artikel 73 zu tun, darauf hat Dr. Henning von Storch schon hingewiesen, noch mit der Realität in diesem Land.

(Beifall Egbert Liskow, CDU: Genau.)

Angemessenheit, meine Damen und Herren, so hat das Thüringische Landesverfassungsgericht erst kürzlich geurteilt, heißt nicht, dass das Land unter Hinweis auf die mangelnde eigene Leistungsfähigkeit die Finanzausstattung kürzen kann. Vielmehr muss das Land die Gemeinden so ausstatten, dass sie auch freiwillige Aufgaben übernehmen können, damit von kommunaler Selbstverwaltung – das hohe Gut, meine Damen und Herren, was wir erst seit der Wende haben – überhaupt noch die Rede sein kann. Und das ist wichtig.

(Beifall Egbert Liskow, CDU)

Wenn zu wenig Geld vorhanden ist, muss das Land die Standards senken und Aufgaben von den Kommunen zurücknehmen oder es muss den Gemeinden ermöglichen, neue Einnahmequellen zu erschließen. Das sagt dieses Urteil auch. Dieses Urteil, das sage ich voraus, wird uns in diesem Land noch sehr beschäftigen. Dieses Urteil zeigt, dass Deregulierung und Aufgabenabbau die vorrangigen Aufgaben der Landesregierung sind. Das sind die Aufgaben, wenn immer weniger Geld da ist, statt Wegfall von Zuwendungen, Wegfall von Standards und Aufgaben. Das ist der Weg, Herr Minister Dr. Timm – und da stehen wir wirklich fest an Ihrer Seite, wenn Sie den beschreiten –, den Sie beschreiten müssen und den wir viel mehr forcieren müssen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Minister Dr. Till Backhaus: Dann müsstet Ihr ja die Verwaltungsreformstrukturen unterstützen.)

Zum Gleichmäßigkeitsgrundsatz: Meine Damen und Herren, die Kommunen und damals natürlich auch die kommunalen Spitzenverbände waren mit der Einführung des Gleichmäßigkeitsgrundsatzes einverstanden und, so sagt Dr. Timm, wir wenden ihn auch im Jahr 2006 voll an.

(Zuruf von Minister Dr. Gottfried Timm)

Natürlich, meine Damen und Herren, das stimmt, aber Sie verschweigen, was Sie ab 2006 nicht mehr anwenden, dann überhaupt nicht mehr. Ich will gar nicht auf die alte Debatte zurückkommen, Kollege Müller, die kennen Sie. Wenn Dr. Jäger jetzt hier stünde, hätte er es Ihnen sicherlich noch einmal gesagt, Verbundquote und so weiter. Ich sage Ihnen einfach jetzt, geschenkt. Aber auch die Kommunen und die kommunalen Spitzenverbände hätten die

sem Gleichmäßigkeitsgrundsatz – und das wissen Sie sehr wohl – niemals zugestimmt, wenn damals nicht auch die Mindestfinanzgarantie da gewesen wäre,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Egbert Liskow, CDU: Genau.)

sozusagen das, was für schlechte Zeiten der Rettungsanker sein sollte. Die Wahrheit ist doch: So, wie die Zeiten schlechter geworden sind, verabschiedet man sich davon. Versprechen – was ist das schon?!

(Egbert Liskow, CDU: Versprochen, gebrochen.)

Diese Mindestfinanzgarantie streichen Sie nun wirklich endgültig, nachdem Sie die zugesicherte Summe von 1,278 Milliarden Euro schon in den Haushaltsjahren 2004/05 – das ist vollkommen richtig – unterschritten haben. Die Einhaltung des Gleichmäßigkeitsgrundsatzes ist in diesem Zusammenhang nun weiß Gott keine Heldentat mehr. Sie tragen heute mit dem Beschluss zum vorliegenden Gesetzentwurf die Mindestfinanzgarantie, und das sage ich Ihnen immer wieder, endgültig zu Grabe. Jetzt ist sie weg. Damit sind Sie nicht nur gegenüber den Kommunen wortbrüchig geworden, sondern ich habe Ihnen schon gesagt, auch gegenüber Ihrem Koalitionsvertrag. Da steht unter Nummer 222 für die 4. Legislaturperiode – nicht dass einer meint, die 3. sei gemeint, nein, für diese Legislaturperiode steht: „Die Landesregierung hält am Gleichmäßigkeitsgrundsatz und der vereinbarten Mindestgarantie bei der kommunalen Finanzausstattung fest.“

(Egbert Liskow, CDU: Hört, hört!)