Protokoll der Sitzung vom 26.01.2006

In der Politikwissenschaft wird trefflich darüber gestritten – wir hatten vor Kurzem genau darüber einen Vortrag im Schleswig-Holstein-Haus in der Landeshauptstadt –, ob es eine gleichwertige Bedrohung von links- und rechtsextremistischen Strömungen gebe. Ich halte diesen Streit, um es ganz deutlich zu sagen, für absolut unproduktiv. Wenn wir genau hinschauen, dann werden wir feststellen, dass bei den Rechtsextremisten versucht wird, auch Bedürfnisse in den Vordergrund zu stellen, die traditionell von der linken politischen Seite angesprochen werden. Sie nutzen einfach jede erkennbare Unzufriedenheit, die etwa auch von klassisch linken politischen Kräften artikuliert wird, um sie für sich und nur für ihre unsauberen Ziele nutzbar zu machen. Das erleben wir im Augenblick sehr deutlich in unserem Land. Bezeichnenderweise erleben wir eine Ablehnung zum Beispiel des G8-Gipfels in unserem Land nicht nur von Rechtsextremisten, sondern und vor allem von solchen, die der linken und auch linksextremen Szene angehören.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Es kommt sicher nicht von ungefähr, dass auch in den

Publikationen der Rechtsextremen immer wieder die Verbindung nationalistisch und sozialistisch herausgestellt wird, und das ist infam. Wir haben das hier bei den Schlossgesprächen, Frau Präsidentin, von den Fachleuten auch noch einmal deutlich gehört. Es ist erschreckend, wie man hier die Begriffe miteinander verknüpfen will. So haben wir dann jeweils in dem politischen Spektrum, in dem wir uns bewegen, in dem wir unsere Wähler als Hauptgrund finden, unsere eigene Aufgabe zu erfüllen. Meine Damen und Herren, es ist unsere Aufgabe, für uns alle in diesem

Hause, die für uns ansprechbaren Wähler für uns, für unsere demokratischen Ziele zu gewinnen. Und wenn wir da nicht erfolgreich sind, sind wir schuld daran, wenn die Wähler uns möglicherweise den Rücken kehren und zu den Extremisten gehen. Wir müssen deshalb um jede einzelne Stimme kämpfen und wir haben dafür Gelegenheit in diesem Jahr.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, einzelnen Abgeordneten der CDU und Linkspartei.PDS)

Das heißt, so unbequem es sein mag, wir müssen dort hingehen, wo wir die Menschen auch finden. Es macht wenig Sinn, wenn wir das beschränken auf dieses Hohe Haus, was sicher gut ist und ich bin sehr glücklich darüber, dass wir diese Diskussion heute hier führen, aber das wird überhaupt nicht genügen. Wir müssen hinausgehen, wir müssen in die Strukturen hineingehen, wir müssen in die Gegenden unseres Landes gehen, in denen es die Gefährdung gibt, und die gibt es nicht nur in Vorpommern, sondern die gibt es auch direkt hier vor unserer Haustür, wie wir alle wissen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass sich auf kommunaler Ebene Initiativen entwickeln, aber die müssen wir dann auch unterstützen. Wir werden, dafür stehe ich, dafür sein und wir werden dafür eintreten, dass das, was wir als Landtag versprechen, was die Institutionen, die aus dem Lande finanziert werden, versprechen, auch wirklich eingelöst wird, und zwar bis auf den letzten Heller. Ich gehe davon aus, dass diese gemeinsame Aufgabe auch unser gemeinsames Bemühen finden wird. Wovon ich rede, weiß ich seit einigen Tagen. Es ist gar nicht so einfach, eine Initiative zu starten und durchzuführen, wo man kommunale Mandatsträger schulen möchte. Das muss alles noch viel besser hier von uns gemeinsam veranstaltet werden, aber da werden wir einen gemeinsamen Weg gehen, da bin ich ganz sicher.

Meine Damen und Herren, einer der tiefer gehenden Gründe, warum ich entschieden gegen eine Verringerung der demokratischen Repräsentation auf Kreisebene bin, ist genau dieser: Ich bin nach den Veranstaltungen, die wir bisher durchgeführt haben mit Fachleuten, zuletzt die in Anklam, wo uns ganz deutlich aus einem Landkreis in Sachsen gesagt worden ist, überzeugt, dass die Überschaubarkeit und die Mitwirkung des jeweiligen dortigen Leiters der Behörde und des Vertreters des Kreises, nämlich des dortiges Landrates, dazu geführt haben, dass die Bürger sich zusammengefunden haben gegen die Rechtsextremisten. Meine Damen und Herren, lassen Sie uns bei den weiteren Diskussionen um die Kreisreform bitte diesen Gesichtspunkt nicht außer Acht lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Sie attestieren mir, dass dieser Gesichtspunkt von mir persönlich relativ früh in die Diskussion eingebracht worden ist, und ich glaube, wir dürfen ihn auch bis zum Ende unserer Überlegungen, der Entscheidungen nicht vergessen. Wenn wir einig sind, und ich merke, dass das so ist, dass wir all das nutzen, was der demokratische Rechtsstaat, der nicht schlapp ist, wie die Rechtsextremen glauben, dass wir das alles einsetzen sollen und müssen, um den demokratischen Rechtsstaat und diese freiheitliche Grundordnung zu verteidigen, so, wie der Ministerpräsident es meines Erachtens zutreffend formuliert hat, dann wird man auch über andere Dinge mit vielleicht etwas anderen Gesichtspunkten streiten dürfen. Dass wir noch streiten müssen über einzelne Punkte, das weiß ich und das wird auch in Zukunft dazugehören. Ich hoffe aber, wir

werden so eine Form finden, dass wir den Rechtsextremen kein Bild davon geben, dass die Demokratie sich nicht eignet, um Kompromisse zu finden, solche, die nicht faul sind, sondern die ausdiskutiert sind. Das ist das Einzige, was wir ihnen entgegenhalten können, was überzeugend bei den Wählern ankommt, dass wir unsere Entscheidungsfähigkeit, das Finden von Entscheidungen einem Prinzip entgegensetzen, das ich nicht will, nämlich einem Prinzip des Anordnens einer oder weniger Personen und alle anderen machen das. Das ist das, was wir nicht wollen.

Und, meine Damen und Herren, dann müssen wir noch über Dinge reden, die bei den Menschen offenbar Bedeutung haben. Wenn es ein Bedürfnis der Menschen ist, dass Ordnung auch in den Schulen ein besonderes Gewicht hat, dann müssen wir die Überlegungen zu Kopfnoten auf Zeugnissen eben auch unter dem Gesichtspunkt besprechen. Ich weiß, dass das alles Dinge sind, über die man ideologisch sehr gut streiten kann.

(Rudolf Borchert, SPD: Fachlich.)

Ich weiß aber auch, dass draußen im Lande dieser Streit, den wir hier führen, von anderen ausgenutzt wird, um zu behaupten, wir könnten das nicht lösen. Wir können das sehr wohl. In demokratischen Strukturen, in denen wir leben, Gott sei Dank, werden wir das miteinander ausdiskutieren.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Wir werden auch weiter überlegen müssen, wo die Rechtsextremisten am meisten Ernte einfahren, nämlich dort, wo sie Überlegungen in die Diskussionen bringen, die natürlich immer verlogener werden. Wenn jemand behauptet, die Ausländer sind das Unheil in diesem Lande, weil sie uns die Arbeitsplätze wegnehmen, ist das natürlich so verlogen wie sonst noch etwas.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, einzelnen Abgeordneten der CDU und Linkspartei.PDS)

Aber, meine Damen und Herren, wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass bestimmte Entwicklungen, die auch mit Ausländern in diesem Lande zusammenhängen, Teile unserer Bevölkerung verunsichern. Wir müssen zur Kenntnis nehmen – ich habe gerade einen Aufsatz von Barbara John, der früheren Ausländerbeauftragten in Berlin gelesen –, dass die Fähigkeit, sich in der deutschen Sprache zu äußern, natürlich darunter leidet, wenn wir Teile in Städten haben, in denen die deutsche Sprache die Nummer zwei geworden ist, wo in der Schule, zumindest dort, wenn nicht gerade der Unterricht stattfindet, eben nicht deutsch gesprochen wird. Ich habe gar nichts dagegen. Ich finde es eine Bereicherung, wenn jemand zweisprachig ist, aber sein muss es auf jeden Fall, das gehört zur Integration. Es macht unseren Leuten etwas Sorge, dass sie auf Plätzen, auf Straßen – so, wie Herr Schlotmann sagt, draußen findet diese Diskussion statt – stehen und nicht mitbekommen, was die Gruppe um sie herum diskutiert und redet, weil sie in einer Sprache redet, die wir nicht verstehen. Und da müssen wir durchaus ehrlich miteinander sein, da müssen wir die Ängste an der Stelle aufnehmen, wo sie bestehen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Da müssen wir sie ausdiskutieren und da müssen wir zeigen, dass wir hier nicht einfach etwas verquasen oder nicht darüber reden. Meine Damen und Herren, überall da,

wo wir uns vor dem Problem drücken, geben wir den Rechtsextremen den Raum mit ihren viel zu einfachen Lösungen, die alle keine sind, sondern mehr oder weniger verlogene Verleumdungen dieses Rechtsstaates, da geben wir ihnen zu viel Raum und das will ich in Zukunft nicht mehr.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU und Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, Sie werden dem früheren innenpolitischen Sprecher meiner Fraktion verzeihen, wenn er einen Gesichtspunkt noch einmal aufgreift. Ich will es nicht mehr, ich ertrage es nur schwer. Ich weiß, als Demokrat muss ich ertragen, was die Rechtsordnung uns vorgibt. Ich will nicht mehr, dass Polizisten rechtsextreme Veranstaltungen schützen. Ich habe es erlebt in dieser Stadt, dass die Menschen das nicht verstanden haben, dass Polizeibeamte, was ihre Pflicht war – Frau Gramkow, wir waren beide dort –, dafür gesorgt haben, dass ein Aufmarsch der NPD, der genehmigt war, der nicht verboten werden konnte aufgrund des Versammlungsgesetzes, geschützt wurde. So sah es aus der Sicht der Bevölkerung aus. Und wenn Sie mit Polizisten reden, dann wissen Sie, dass sie das auch nicht sehr gerne ertragen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU und Linkspartei.PDS)

dass sie ganz sauer sind, dass sie das tun müssen. Und deswegen, meine Damen und Herren, greife ich noch einmal den Gedanken auf, den wir, ich glaube, im Jahr 2000 erstmalig in dieses Haus hineingetragen haben, und zwar parallel zu einer Initiative des Justizministers Herrn Sellering, nämlich eine Veränderung des Versammlungsrechtes, die es uns gestattet, derartige Aufmärsche als Versammlungsbehörde zu verbieten, wenn wir belegen können, dass der Aufmarsch ausschließlich und allein der Diffamierung des Grundgesetzes, der toleranten Werteordnung unseres Grundgesetzes dient.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und CDU)

Ich will Ihnen das an einem Beispiel sagen. Wenn heute unter der Überschrift „Schöner Wohnen“, dieses Beispiel hat der Ministerpräsident hier zitiert, ein Veranstalter eine Versammlung anmeldet und schon alleine aus den Aufrufen deutlich wird, dass „Schöner Wohnen“ bedeutet, dass es sich zum Beispiel am schönsten wohnen lässt, wenn möglichst wenig Ausländer in der Stadt sind, wenn also eindeutig ausländerfeindliche Parolen den Hauptgegenstand einer solchen Demonstration darstellen, dann kann die Versammlungsbehörde dies heute nicht verbieten, weil die innere Sicherheit, die innere Ordnung nicht alleine durch diese Versammlung, sondern – und jetzt kommt es und das ist das Widersinnige – durch etwa mögliche Reaktionen von rechtsstaatlich denkenden Mitbürgern, die sich dagegen wenden, verursacht wird. Und, meine Damen und Herren, ein Versammlungsrecht, das dies schützt, das ist dringend, dringend renovierungsbedürftig!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU und Andreas Bluhm, Die Linkspartei.PDS)

Herr Schlotmann hat noch einmal das Verbot der NPD angesprochen. Ich weiß, dass darüber fachlich sehr viel diskutiert werden kann. Ich verkneife es mir hier an diesem Punkt, weil ich so verbittert darüber bin, dass die Initiative, die damals sehr gut war, nämlich das Verbot voranzubringen, auf eine Weise gescheitert ist, die für uns alle als Demokraten ein richtiger Schlag ins Gesicht war.

Ich kritisiere überhaupt nicht die Entscheidung des Verfassungsgerichts, sondern ich kritisiere, dass es nicht möglich war, den Nachweis zu führen, wie die Strukturen dort gesteuert werden. Ich will gar nicht weiter darüber reden. Aber genau aus dem gleichen Grunde habe ich den Mut zu sagen, wenn der Artikel 8 unseres Grundgesetzes so gestaltet ist, dass wir nicht in Kenntnis dessen, dass diese Parolen in einer Demonstration verkündet werden, die Versammlung untersagen können, wenn das Versammlungsgesetz nicht so geändert werden kann, wenn also der Anlass für die Störung der öffentlichen Ordnung allein in diesen Parolen liegt, wenn das so ist, würde ich mich schon gerne dafür stark machen. Da müssen wir überlegen, ob wir in den Artikel 8 unseres Grundgesetzes auch eine Änderung hineinbringen, die uns dies gestattet, weil es, meine Damen und Herren, auf Dauer nicht geht, dass der demokratische Rechtsstaat vorgeführt wird, dass diejenigen, die zu entscheiden haben bei einer Anmeldung, diffamiert werden – da meine ich jetzt die einzelnen Verwaltungschefs und vollkommen unabhängig, wer wen stellt in diesem Fall, das ist gleichgültig für uns Demokraten –, dass Bürger glauben, dass wir auf diesem Auge blind sind, weil wir das Verbot nicht aussprechen. Ich habe sehr viele getroffen, die es überhaupt nicht kapiert haben, es wirklich nicht verstehen konnten – und ich habe da viel Verständnis –, die sagen, und unsere Polizei schützt das noch. Meine Damen und Herren, lassen Sie uns darüber reden! Lassen Sie uns das diskutieren, weil das eines der Hauptärgernisse in diesem Bereich ist, dass unsere Bürger uns an diesem Punkt nicht mehr verstehen!

Und wenn Sie jetzt den Kreis ziehen zu dem, was wir alle wissen, dass nämlich genau das ausgenutzt wird, um zu sagen, guckt euch doch mal diesen schlappen Staat an, die schaffen es ja noch nicht mal, da, wo sie glauben, sie müssten etwas tun, verstecken sie sich hinter irgendwelchen Normen. Das ist genau das, was sie wollen, sie wollen das Vertrauen in diesen Rechtsstaat aushöhlen. Und, meine Damen und Herren, so schlimm, wie es klingt, dann müssen wir eben auch an solche Normen herangehen, die aus unserer geschichtlichen Erfahrung, wie gerade das Versammlungsrecht, durchaus damals und heute ihre Berechtigung haben, die müssen dann so modifiziert werden, dass wir uns wehren können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU und einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir gemeinsam die konkreten Schritte miteinander verabreden. Ich bin auch ganz zuversichtlich, dass auf dem Wege so manches von uns noch strittig behandelt werden muss, weil wir insbesondere auch eine Evaluierung für die bisherigen Bemühungen im Auge haben. Das wissen Sie, das haben wir so in den gemeinsamen Antrag hineingeschrieben und das wissen auch die Organisationen, mit denen wir gesprochen haben. Ich habe in diesen Wochen mit Organisationen gesprochen, mit denen ich über Jahre nicht mehr gesprochen habe, weil es sich einfach nicht angeboten hat. Es war aber gut, dass sie auf mich zugekommen sind. Dafür bedanke ich mich sehr. Aber ich weiß auch, dass bei denen, die ich als Fachleute anerkenne, durchaus Überlegungen darin bestehen, dass wir noch einmal darüber nachdenken, wie wir die vorhandenen Mittel, die aus meiner Sicht überhaupt nicht zu knapp sind, so einsetzen, dass wir genau den Erfolg erzielen, den wir, glaube ich, alle wollen. Wir wollen zeigen, dass wir mit demokrati

schen Mitteln, mit der Überzeugung, die Demokraten immer wieder erbitten müssen von der Bevölkerung, wenn es um Wahlen geht, mit dem Hinwirken in alle die Organisationen, die über lange Zeit diesen Kampf mit uns zusammen führen müssen, dass wir dies nur tun können, wenn wir an dem Punkt ganz gemeinschaftlich stehen. Ich habe immer gerne das Beispiel gebracht, manchmal gibt es Situationen, da darf noch nicht einmal ein Löschblatt zwischen uns passen. Das soll nichts zuklittern.

Wir werden uns streiten in diesem Landtag auch in Zukunft, wenn es um die Sache geht, aber wir werden an einem Punkt ein Beispiel geben können und das ist mir ganz wichtig. Dieses Beispiel wird sein, der demokratische Rechtsstaat ist da einig, wir alle, wo es darum geht, unsere Grundordnung, zu der wir alle stehen, auch wirklich zu verteidigen. Und, meine Damen und Herren, dafür wünsche ich mir von uns allen sehr viel Geduld und auch viel Verständnis füreinander. Das gemeinsame Ziel wird es uns ermöglichen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU und einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Danke schön, Herr Dr. Jäger.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Ritter von der Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Morgen begehen wir den Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus und es ist richtig und der Verantwortung des Hohen Hauses entsprechend, wenn wir uns auch angesichts dieses Gedenktages erneut mit der Thematik „Stärkung von Demokratie und Toleranz“ beschäftigen. Jedoch ist es nicht das erste Mal, dass wir diesen Gedenktag zum Anlass nehmen, hier im Landtag eine Auseinandersetzung mit aktuellen Tendenzen und Strategien des Rechtsextremismus zu führen. Und dennoch, die Vorreden haben es gezeigt, etwas scheint neu:

Vor Jahresfrist auf der Sitzung des Landtages am 27. Januar 2005 machten wir uns aufgrund eines Antrages der Koalitionsfraktionen ergänzt durch einen Antrag der CDU auf den Weg, den Handlungsrahmen der Landesregierung „Demokratie und Toleranz gemeinsam stärken“ auf seine Wirksamkeit hin zu überprüfen. Die von der Landesregierung vorgelegte Unterrichtung und die sich dazu anschließende Debatte in nahezu allen Ausschüssen des Landtages haben deutlich gemacht, dass im Ringen um mehr Demokratie und Toleranz einiges im Land erreicht werden konnte, aber mindestens genauso viel noch zu tun bleibt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin daher froh, dass sich nunmehr in allen Fraktionen die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass der Kampf für mehr Demokratie und Toleranz ein gesamtgesellschaftliches und ressortübergreifendes Agieren voraussetzt. Es ist wichtig, dass wir die Unterschiede unserer Parteien nicht leugnen, dass wir deutlich machen, dass der Kampf gegen Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit und Gewalt nicht nur auf den Wahlsonntag fixiert werden darf, sondern langfristige und nachhaltige Strategien dringend notwendig sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin optimistisch, dass wir unser Ziel, dem Landtag noch im Frühjahr ein Landesprogramm „Demokratie und Toleranz gemeinsam stärken“ zur Beschlussfassung vorzulegen, in hoher Qualität erreichen können. Über unsere Vorstellungen von einem solchen Programm, dessen Entwurf seit längerer Zeit vorliegt, habe ich bereits auf der Sitzung des Landtages im Dezember 2005 ausführlich informiert. Daher will ich heute nur noch einmal an die wichtige Rolle des bürgerschaftlichen Engagements erinnern. Ziel aller unserer Anstrengungen muss es sein, Bürgerinnen und Bürger unseres Landes ständig zu motivieren, Demokratie selbst zu leben und zu gestalten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen mit unseren Vorstellungen, unseren Konzepten und unseren Argumenten hin zu den Leuten, auf die Straße, in Vereine, in Kirchen, in die Familien, in die Schulen und in die kommunalen Vertretungen. Wie dringend notwendig dieses ist, zeigt das Agieren der Rechtsextremen gestern vor dem Kreistag Bad Doberan und das Reagieren der Kommunalabgeordneten im Kreistag Bad Doberan. Während draußen die Rechtsextremen agitieren konnten, konnten sich die Abgeordneten im Kreistag nicht auf eine gemeinsame Entschließung im Vorfeld einigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben hier dringenden Handlungsbedarf. Und, auch das will ich deutlich sagen, die besten Landesprogramme und die größte Einigkeit von Landtagsfraktionen nützen nichts, wenn sie wenig glaubwürdig erscheinen und daher bei Bürgerinnen und Bürgern keine Reflexion erfahren. Es ist aus meiner Sicht problematisch, wenn zum Beispiel soziale Schieflagen und Ungerechtigkeiten auch als Ursache für Aufnahmebereitschaft von rechtsextremem Gedankengut erkannt werden, der eingeschlagene Kurs aber, zum Beispiel in der Arbeitsmarktpolitik, der nicht für existenzsichernde Arbeitsplätze sorgt, fortgesetzt wird.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Da hilft auch kein Schönreden oder Schönrechnen von Arbeitslosenstatistiken. Die Betroffenen erleben es anders. Ein Plakat mit dem einfachen Titel „Schnauze voll!“ trifft da viel eher ihre Gefühlswelt. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist auch schwer zu vermitteln, wenn einerseits die Integration von Ausländerinnen und Ausländern als wichtiger Bestandteil im Kampf gegen den Rechtsextremismus festgeschrieben wird und andererseits von Einbürgerungstests und Fragebögen die Rede ist oder Menschen trotz Gefahr für Leib und Leben in Krisenregionen abgeschoben werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS und Rudolf Borchert, SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es stimmt mich mehr als nachdenklich, wenn wir im Ringen um mehr Demokratie und Toleranz zu gewaltfreier Konfliktlösung erziehen wollen – das möglichst schon im Kindergarten –, gewaltfreie Instrumente bei der Lösung internationaler Konflikte aber nicht einmal mehr in Erwägung gezogen werden.