Protokoll der Sitzung vom 05.04.2006

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Sehr geehrter Herr Timm, ich verstehe ja, dass Sie hier ausführlich reden wollten. Seien Sie uns dankbar, dass die Novelle der Landesbauordnung auf die Tagesordnung ge

setzt wurde, ansonsten hätten Sie gar keine Chance gehabt, hier so ausführlich Ihre Gedanken zum Bauordnungsrecht in Mecklenburg-Vorpommern darzulegen. Ich will Ihnen aber beweisen, dass Sie fachlich und auch juristisch auf völlig falschen Pfaden gewandelt sind. Das werde ich dann im Zuge meiner Ausführungen noch einmal deutlich machen.

Wir sind einen langen, steinigen, hürdenreichen Weg gegangen, um diese Landesbauordnung, wie sie heute zur Abstimmung vorliegt, zu verabschieden. Und selbstverständlich – sowohl bei der Anhörung des Kabinetts als auch in der Anhörung des Landtages – sind viele Interessen eingebracht worden. Das möchte auch so sein. Und dass sowohl das Kabinett als auch Sie als Abgeordnete das alles mit hoher Aufmerksamkeit aufgenommen und dann abgewogen haben, inwieweit diese Empfehlungen, Wünsche, Forderungen der Interessenverbände auch der Musterbauordnung entsprechen oder nicht entsprechen, das ist das Recht und die Aufgabe der Regierung, ist aber auch Recht und Aufgabe der Abgeordneten. Und ich hoffe, dass die novellierte Landesbauordnung heute die letzte Hürde nimmt, indem Sie, meine Damen und Herren Abgeordnete, auch zustimmen.

Ich bin der Überzeugung, dass wir mit der Umsetzung der Musterbauordnung – und die Betonung liegt auf „Muster“ – als Land Mecklenburg-Vorpommern einen Beitrag zur Rechtseinheit in Deutschland leisten, und das ist vorteilhaft für die Bauherren und für die Wirtschaft.

(Beifall Norbert Baunach, SPD)

Das, was Herr Timm bei der Umsetzung der Musterbauordnung gefordert hat, passt eigentlich in die Aktuelle Stunde. Sie hätten fordern müssen – aber Herrn Timm interessiert das ja nicht –, dass das Bauordnungsrecht in Bundesrecht überführt wird, damit wir ein zentrales administratives Bauordnungsrecht in Deutschland erhalten. Dann würden wir uns die ganzen Debatten auf Landesebene sparen können. Aber genau das wollen wir nicht, weil ich der Meinung bin, Musterbauordnung heißt auch, die spezifischen Bedingungen eines Landes – in dem Fall des Landes Mecklenburg-Vorpommern – zu berücksichtigen und hier in der Landesbauordnung umsetzen zu können.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Deswegen ist es nur folgerichtig, dass Fachgesetze zum Landeswasserrecht, zum Landesnaturschutzrecht, zum Straßen- und Wegerecht, zum Waldrecht mit berücksichtigt wurden und in diesem Artikelgesetz verändert werden, damit die Konzentrationswirkung tatsächlich auch umgesetzt werden kann. Sie haben, Herr Timm, einfach etwas Falsches wiedergegeben.

Mit der Baugenehmigung aus einer Hand braucht der Bauherr, der Bauwillige, keine weiteren Anträge zu stellen.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Sehr richtig.)

Sie haben versucht zu suggerieren, dass der Bauherr, der Beantragende, für ein Bauvorhaben weitere Anträge bei anderen Behörden stellen muss. Es ist nicht so. Mit dieser Konzentrationswirkung werden alle Anträge bei der Baubehörde abgegeben und die Baubehörde als Dienstleister gegenüber dem Bauherrn oder dem Investor erfüllt alle diese Anliegen und beantwortet auch diese Anträge.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Ich bitte Sie also, von den Koalitionsfraktionen nicht etwas zu verlangen, was Sie selbst in Ihrer Rede gar nicht eingehalten haben.

(Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS: Richtig.)

Wir haben seit Oktober 2005 diese Landesbauordnung in die Hände des Landtages gelegt. Das ist ein demokratisches parlamentarisches Verfahren. Das ist nichts Neues. Deswegen können Sie gern mit den Fachleuten aus meinem Ministerium viele Gespräche führen, aber in der Tat – und da haben die Kolleginnen und Kollegen vollkommen Recht –, Sie können auf die Veränderung der Landesbauordnung gar keinen Einfluss mehr nehmen. Das ist in der Hand der Abgeordneten und damit auch in Ihrer Hand, Herr Timm, und auch von Frau Strenz, die von der CDU im Ausschuss mitgewirkt haben.

Ich möchte mich ausdrücklich bedanken bei der Architektenkammer, bei der Ingenieurkammer, bei den Schornsteinfegern, bei vielen anderen, die mitgewirkt haben während der Kabinettsbefassung genauso wie im parlamentarischen Verfahren. Und das ist normal, das ist vernünftig, dass diese Kammern und Verbände sich für ihren Berufsstand einsetzen. Etwas anderes erwarte ich gar nicht.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Das ist ihre Aufgabe.)

Das muss auch so sein. Das ist ihre Aufgabe als Mitglied in der Ingenieurkammer und das erwarte ich auch von meiner Kammer. Aber nicht alles kann umgesetzt werden. Auch das gehört zum normalen demokratischen Verfahren. Ich bin aber der Überzeugung, dass wir mit der Landesbauordnung ein praxistaugliches Regelwerk haben, mit dem auch die Schornsteinfeger, die Architekten und die Ingenieure leben können und in ihrer Arbeit sehr gut zurechtkommen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS und Norbert Baunach, SPD)

Ich möchte, meine Damen und Herren, auf vier Punkte eingehen, die teilweise von Herrn Timm angesprochen wurden und teilweise in der Diskussion sind:

Erstens geht es um den Änderungsantrag der CDU auf Drucksache 4/2193. Es geht darum, ob mit der Fiktion und der Frist, die damit verbunden ist, der Bauherr Gewissheit hat, ob seinem Bauantrag stattgegeben wurde oder nicht. Und da bitte ich Sie – vielleicht muss man auch bis zum Schluss lesen –, das Gesetz in Gänze zu lesen.

Zur Aufklärung zitiere ich jetzt ganz einfach auf der Seite 162 der Drucksache 4/1810 in der Erläuterung, in der Begründung zu dem Paragrafen 63. Hier heißt es, Zitat: „Die Formulierung der Fiktionsvoraussetzung ,wenn sie nicht innerhalb der... Frist v e r s a g t wird‘... macht deutlich, dass die ablehnende Entscheidung dem Bauantragsteller innerhalb der Dreimonatsfrist bekannt gegeben sein muss, um die Fiktion nicht eintreten zu lassen.“ Das ist vorn nicht aufgeschrieben, aber hinten in der Erläuterung, in der Begründung ist es eindeutig formuliert. Und deswegen müssen wir vorn nicht etwas regulieren, was selbstverständlich für die Arbeit der Baubehörden in Mecklenburg-Vorpommern ist.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD – Zuruf von Udo Timm, CDU)

Ich bitte Sie auch, das Dokument tatsächlich in Gänze zu bewerten und nicht nur vorn in den Artikeln und Paragrafen herumzufischen, um mögliche Änderungsanträge zu finden.

Und jetzt zweitens zur Strandversorgung.

(Wolfgang Riemann, CDU: Da sind wir mal gespannt.)

Ich habe Durst und muss erst noch etwas trinken, Herr Riemann.

Ich bin gern an Stränden, ich gehe auch gern zur Strandversorgung. Ich würde mir wünschen, dass wir in Mecklenburg-Vorpommern unkomplizierte Verfahren für die Errichtung von Anlagen zur Strandversorgung hätten.

(Wolfgang Riemann, CDU: Aber?)

Ja, aber auch hier muss ich sagen: Sind Sie auf falschen Pfaden gewandelt, Herr Timm? Strand ist nach dem Baugesetzbuch Außenbereich.

(Klaus Mohr, SPD: Kann er nicht wissen. – Rudolf Borchert, SPD: Das weiß er ganz genau.)

Damit unterliegt der Strand dem Bauplanungsrecht. Und das müssten Sie wissen, dass das Bauplanungsrecht Bundesangelegenheit ist und das Bauordnungsrecht Landesangelegenheit.

(Zuruf von Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS)

Deswegen können Sie fordern, dass die Strandversorgungseinrichtungen verfahrensfrei gestellt werden. Unzulässig bleiben sie trotzdem.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Deswegen geht Ihr ganzes Anliegen total in die falsche Richtung.

(Wolfgang Riemann, CDU: Die wollen es nur nicht.)

Ich bin drittens froh, dass wir beim barrierefreien Bauen wichtige Fortschritte erreicht haben. Wir haben – das ist von Frau Lück und anderen erläutert worden – bei den Wohnungen, aber auch bei den öffentlich zugänglichen Gebäuden weitere Bedingungen formuliert, die die Barrierefreiheit erweitern und damit den barrierefreien Zugang zu diesen Gebäuden ermöglichen. Ich meine, das ist ein qualitativer Fortschritt, den wir hier erreicht haben. Das ist eben einer der Punkte, wo die Musterbauordnung nicht 1:1 u mgesetzt wurde, weil ganz konkrete landesspezifische Bedingungen berücksichtigt werden mussten. Das will ich hier nur anmerken.

Viertens. Wer deregulieren will, wer in der Tat auch mehr Eigenverantwortung der Beteiligten – ob Bauherren oder Betreiber von baulichen Anlagen – einfordert, der kann nicht auf der anderen Seite, Herr Timm, neue Regeln einfordern, damit tatsächlich diese Eigenverantwortung wieder auf staatliche Schultern verlagert wird. Ich halte das für falsch.

(Beifall Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS)

Es wird Sie vielleicht verwundern, dass das gerade von jemandem kommt, der der Linkspartei angehört. Ich bin der Meinung, hier hat staatliche Verantwortung nur so viel zu suchen, wie auch nötig ist, und nicht so viel wie möglich.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Sie haben ein Übermaß an staatlicher Verantwortung eingefordert. Ich bin der Meinung, ob das die Rohbauabnahme betrifft oder auch andere Dinge, die Sie hier in Ihrer langen Rede dargestellt haben, das hat mit Deregulierung gar nichts zu tun. Es hat etwas damit zu tun, dass Sie nicht wollen, dass Private Verantwortung dafür tragen, was sie bei einem Bauvorhaben planen, ausführen beziehungsweise in der Betreibung dann auch zu berücksichtigen haben.

Das bezieht sich übrigens auch auf Ihre Bemerkung zu den einstürzenden Hallen in Bad Reichenhall und Katowice. Wir haben das in der Bauministerkonferenz ausführlich debattiert. Der Bundesbauminister hat sich entschieden, für die Bundesbauten einen Gebäudesicherheitszustandsbericht anfertigen zu lassen. Wir sind gespannt auf die Ursachen in Bad Reichenhall, sie liegen noch nicht vor. Es gibt keine eindimensionale Ursache. Erst dann, glaube ich, kann man Schlussfolgerungen ziehen. Auch hier wieder: Der Ruf nach zusätzlicher staatlicher Verantwortung entlastet in keinster Weise den Betreiber und den Bauherrn von seiner Verantwortung.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Das, glaube ich, muss man in diesem Zusammenhang auch deutlich sagen.

Ich habe mir lange überlegt, ob ich etwas zu den Rauchmeldern sage. Rauchmelder sind eine gute technische Erfindung, ganz klar. Jeder, der sich einen Rauchmelder einbauen will, sollte sich einen einbauen. Es gibt aber auch das ABS, das Antiblockiersystem. Ich kenne aber kein Gesetz in der Bundesrepublik Deutschland, das vorschreibt, dass jedes Auto mit einem Antiblockiersystem auszurüsten ist, weil ABS Unfälle verhindern kann.

Herr Timm, wenn Sie der Meinung sind, dass aus meiner fachlichen Argumentation eine Opferverhöhnung abzuleiten ist, dann muss ich Ihnen Folgendes sagen: Das ist ungeheuerlich, was Sie hier vom Stapel gelassen haben! Das untergräbt jegliche Form der Kommunikation zwischen Menschen, übrigens auch zwischen Berufskollegen. Und deswegen noch einmal zurück auf den kaukasischen Einstieg. Ich hätte, wenn ich bei Ihnen zu Hause als Gast wäre, Sie und Ihren Raum sofort verlassen. Damit möchte ich enden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Ich finde es einfach schade, dass die CDU durch Herrn Timm die Landesbauordnung, eine moderne novellierte Landesbauordnung, zu einer Polemik und Beleidigung von Menschen in diesem Raum genutzt hat. Ich finde es schade, dass damit die Landesbauordnung selbst diskreditiert wurde.