Protokoll der Sitzung vom 06.04.2006

Herr Glawe, ich bedanke mich bei Ihnen, dass Sie auf die Dinge aufmerksam gemacht haben, die auch mir in der Rede der Ministerin noch fehlten, was ich sonst hier getan hätte.

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Was fehlte denn da?)

Sie haben sie gehört, sodass ich nicht noch einmal darauf eingehen muss. Ich möchte aber noch einmal auf zwei Sachen aufmerksam machen: Ich hätte mir zum Beispiel gewünscht, dass man im Vorfeld das Bundesgesetz noch etwas anders verändert hätte. Wir werden heute im Laufe der Sitzung weiter über die Gesundheitsvorsorge für Kinder reden. Ich hätte mir gewünscht, dass man weiter gehen könnte, dann hätten wir diese Probleme vielleicht nicht gehabt.

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Ja.)

Die Ministerin hat deutlich gemacht, dass das Alter heruntergesetzt worden ist auf 16 Jahre, das biete eine gute

Möglichkeit der Mitarbeit von Jugendlichen. Auf der anderen Seite heißt das aber nicht, wenn das im Gesetz so drinsteht, dass das schon automatisch passiert. Dazu muss man etwas tun. Mir ist relativ negativ aufgefallen, wenn ich lese, dass der Landesjugendring keinen Abgeordneten mehr in seinen Reihen haben möchte. Hier muss ich mit einem großen Fragezeichen fragen: Warum? Entweder war das eine Trotzreaktion darauf, dass die Anhörungsfrist sehr kurzfristig war, oder es ist meine Person, denn ich bin die Einzige, die im Landesjugendhilfeausschuss für Sie als Vertretung sitzt. Wir haben dort öfter darüber diskutieren müssen, dass es einem Abgeordneten nicht immer gelingt, wenn man am Donnerstag die Jugendhilfesitzung in Güstrow macht, daran teilzunehmen. Ich habe aber immer gesagt, dass ich sehr daran interessiert bin, die Probleme des Landesjugendhilferings aufzunehmen und sie hier im Parlament umzusetzen.

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Das haben Sie auch gemacht.)

Und wenn man im Nachhinein versucht zu sagen, wir sollten frühzeitig in Gesetze und Richtlinien eingebunden werden, dann finde ich die Anregung richtig. Aber wie will man das verwirklichen? Wenn ich oder ein anderer im Landesjugendhilfering nicht da ist, dann kann man die Probleme, die sich möglicherweise ergeben oder auflaufen, auch nicht weitertragen. Ich muss sagen, hier muss ich jetzt ein großes Fragezeichen stellen. Ich muss einfach einmal fragen: Wie ist das zu verstehen? Aber ich werde den Landesjugendhilfeausschuss ganz konkret danach fragen.

(Zuruf von Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS)

Die eine Geschichte, dass es noch Möglichkeiten der Einflussnahme des Landesjugendhilfeausschusses geben muss, die größer sein muss, kann ich mir zum Beispiel vorstellen. Im Gesetz ist vorgesehen, die Probleme mit dem Sozialausschuss zu bereden. Das haben wir bisher im Sozialausschuss auch so getan. Sie wissen aber, dass einmal im Jahr nicht die optimale Zeit ist, um Dinge wirklich konkret bereden zu können und Möglichkeiten der Abgeordneten auszuloten beziehungsweise gute Ideen aus dem Landesjugendhilfeausschuss aufzunehmen.

Ich denke, das sind alles Probleme, die wir in den Ausschüssen noch bereden sollten, und hoffe, wir kommen zu einer vernünftigen Lösung. Ich freue mich, dass wir die Zweite Lesung noch in dieser Legislaturperiode verabschieden können. Ich hoffe auch, dass wir in der Anhörung, die bei uns stattfindet, noch viele kreative Ideen von den freien Trägern und Jugendverbänden bekommen, die in dieses Gesetz einfließen können. Deswegen möchte ich Sie bitten, dieses Gesetz in den Ausschuss zu überweisen, denn dort können wir weiter darüber diskutieren und im Juni konkret auf einige Dinge eingehen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und Linkspartei.PDS)

Danke schön, Frau Voland.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Walther von der Fraktion der Linkspartei.PDS.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Die verschiedenen Änderungen im Bereich des Achten Buches Sozialgesetzbuch, Kinder- und Jugendhilfe, machen es nötig,

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

dass auch wir bei uns im Land an der Ausgestaltung arbeiten und uns darauf verständigen, welche Intentionen wir dabei verfolgen. Ich setze dabei im Namen der Fraktion der Linkspartei.PDS auf die im Gesetzentwurf dargestellten Schritte, zum Beispiel auf die stärkere Einbeziehung von Jugendlichen selbst, wenn es um ihre eigenen Interessen geht. So ist die Ausdehnung der Anzahl der stimmberechtigten Mitglieder in den Jugendhilfeausschüssen – und es besteht die Möglichkeit, dass auch 16- und 17-Jährige als vollwertige Mitglieder, ich betone, vollwertige Mitglieder, agieren können – ein wichtiges Signal an unsere Jugendlichen im Land. Die besondere Rolle mindestens eines Vertreters als Interessenvertreter für die Belange von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen zählt zur verstärkten sensiblen Ausrichtung in diesem Bereich des täglichen Lebens.

In dem federführenden Sozialausschuss werden wir uns in den kommenden Wochen damit beschäftigen, die Beteiligten anzuhören, aber auch eigene politische Intentionen mit einzupflegen. Eine dieser politischen Intentionen ist sicher auch der Umgang mit der Frage des Jugendberichtes. Ich kann für die Fraktion der Linkspartei.PDS heute noch einmal deutlich unsere Haltung und Erwartung formulieren, dass wir für die Beibehaltung des so genannten Jugendberichtes sind.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Er soll künftig, wie es in der Diskussion des Sozialausschusses einvernehmlich seinerzeit angeregt wurde, einmal pro Legislatur erstellt werden und in der Mitte der jeweiligen Legislatur vorgelegt werden. Wir wollen damit die Tür öffnen, dass wir in einer laufenden Legislatur die Chance haben, Schlüsse aus dem Bericht zu ziehen und in das politische Handeln einzupflegen. Die bisherige Chronologie zum Ende einer Legislatur ließ dieses eher nicht zu. Diese und weitere Ansätze wollen wir diskutieren. Auf die Diskussion im Sozialausschuss freue ich mich und bitte um die Zustimmung zur Überweisung in den federführenden Ausschuss. – Danke.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Danke schön, Herr Walther.

Ich schließe die Aussprache.

Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Landesregierung auf Drucksache 4/2167 zur federführenden Beratung an den Sozialausschuss und zur Mitberatung an den Innenausschuss zu überweisen. Wer diesem Überweisungsvorschlag zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Überweisungsvorschlag einstimmig angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 10: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Landesausführungsgesetzes SGB II, auf Drucksache 4/2166.

Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Landesausführungsgesetzes SGB II (Erste Lesung) – Drucksache 4/2166 –

Das Wort zur Einbringung hat die Sozialministerin Frau Dr. Linke.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Als die Fraktionen der Linkspartei.PDS und SPD im September 2004 einen Gesetzesentwurf zum Landesausführungsgesetz zum SGB II vorlegten, ging es unabhängig von der sozialpolitischen Auseinandersetzung vor allen Dingen darum, Hartz IV für die zukünftigen Empfänger des Arbeitslosengeldes II umzusetzen. Das Landesausführungsgesetz zum SGB II war damit vor allen Dingen ein Steuerungsgesetz, mit dem Zuständigkeiten, Aufsichtspflichten, Finanzflüsse des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, das ist ja die vollständige Bezeichnung für das Hartz-IV-Paket, umgesetzt wurden.

Seither ist viel geschehen. Alle Betroffenen, angefangen von einzelnen ALG-II-Empfängern über die Arbeitsgemeinschaften, die Bundesagentur für Arbeit, die Landkreise und kreisfreien Städte bis hin zur Landes- und Bundesregierung, haben ihre Erfahrungen mit Hartz IV, wie es im Kürzel heißt, und mit dem Landesausführungsgesetz gesammelt. Sie alle kennen den kritischen Standpunkt, den meine Partei, die Linkspartei.PDS, zu dieser Reform vertritt. Sie wissen auch, dass die von den Hartz-IV-Befürwortern versprochene Reduzierung der Arbeitslosigkeit ausgeblieben ist.

(Beifall Konrad Döring, Die Linkspartei.PDS)

Das haben die etwa 190.000 Betroffenen in unserem Land an sich selbst erfahren, das erfahren sie täglich und das hat die Nationale Armutskonferenz – ein Zusammenschluss von großen Sozial- und Wohlfahrtsverbänden – für die Bundesrepublik insgesamt in ihrer sozialpolitischen Bilanz 2005 festgestellt.

Gestatten Sie, dass ich in diesem Zusammenhang kurz aus einer Veröffentlichung zitiere: Es heißt dort ganz deutlich, dass Hartz IV zur Verarmung beiträgt. „Nach Einschätzung der Sozialverbände leben immer mehr Menschen“ mit der Einführung des Hartz-IV-Gesetzespaketes „in prekären Lebenssituationen. Die Einführung der Arbeitsmarktreform Hartz IV hat aus Sicht der Wohlfahrtsverbände die Situation der Betroffenen dauerhaft verschlechtert. Die Zahl der Kinder“ in der Bundesrepublik „unter 15 Jahren, die auf Sozialhilfeniveau leben müssen, sei vergangenes Jahr von 1 Million auf 1,5 Millionen gestiegen.“

(Konrad Döring, Die Linkspartei.PDS: Hört, hört!)

Dieser Artikel, aus dem ich eben zitiert habe, aus dem „Stern“ der vergangenen Woche, endet mit dem Statement des Sprechers der Nationalen Armutskonferenz,

(Harry Glawe, CDU: Das ist nicht zum Thema, was hier gesprochen wird.)

dem Direktor der Caritas Hildesheim Herrn Marcus:

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Wahrheiten müssen ausgesprochen werden. – Harry Glawe, CDU: Das hat nichts mit Wahrheit zu tun! Es geht hier um ein Änderungsgesetz, ein Ausführungsgesetz!)

„Die Instrumente...“

Meine Damen und...

(Harry Glawe, CDU: Jetzt wird es langsam Zeit, dass hier mal eingeschritten wird, dass mal Ordnung ins Haus kommt.)

Lassen Sie mich den einen Satz zu Ende führen, das ist der Übergang zu der Gesetzesnovelle. „Die Instrumente des Forderns sind sehr ausgebaut, die Instrumente des Förderns sind sehr vernachlässigt worden.“ So weit das Zitat des Herrn Direktor Marcus von der Caritas Hildesheim.

Die Erfahrungen mit der Umsetzung des Gesetzes zeigen deutlich, dass die Bemessung der Leistungen des SGB II und SGB XII in einem transparenten Verfahren erfolgen müssen. Lassen Sie uns kurz rekapitulieren: 2,5 Milliarden Euro Entlastung für die Kommunen, das war ein angestrebtes Ziel im Zuge der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Diese Zusage des Bundes stand damals im Zusammenhang mit angeblich noch höheren voraussichtlichen Einsparungen. Im Ergebnis der Gespräche sicherte der Bund die Entlastung in Höhe des Betrages von 2,5 Milliarden Euro zu. Der Bund übernahm die Aufwendungen für die Grundsicherung der Arbeitssuchenden und beteiligte sich an den Kosten für Unterkunft und Heizung, die ja grundsätzlich durch die Kommunen zu tragen sind. Inzwischen, das wissen wir und auch Sie, verehrte Abgeordnete der CDU-Fraktion, explodieren die Kosten bundesweit. Ich nehme insoweit Bezug auf die gegenüber den Prognosen wesentlich erhöhten Fallzahlsteigerungen und verweise auf die aktuellen Pressemitteilungen, gerade wenn ich an den gestrigen Tag denke, nach denen auch der Deutsche Städtetag Kostensteigerungen von 25 Prozent für die Kosten der Unterkunft anspricht.

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Es sollten doch mal Kosten gespart werden. Das war doch mal das Ziel.)

Um die angestrebten Entlastungen der Kommunen tatsächlich zu erreichen, war es deshalb im letzten Jahr wichtig – und wir haben uns im Landtag im Dezember damit befasst –,

(Ministerin Sigrid Keler: Es wird auch eingespart. – Zuruf von Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS)

den Bund immer wieder an seine Zusage zur Entlastung der Kommunen bei den Kosten der Unterkunft zu erinnern. Städte und Gemeinden werden im Jahr 2006, wie schon im vergangenen Jahr, einen Zuschuss des Bundes in Höhe von 29,1 Prozent der Kosten erhalten. Die Pläne der Bundesregierung zu einer vollständigen Streichung dieser Zuschüsse sind damit vom Tisch.

Im Laufe dieses Jahres soll nun eine bundesgesetzliche neue Regelung erarbeitet werden, wonach der Anteil des Bundes an den Kosten der Unterkunft dauerhaft festgelegt wird. Im Zuge dieser Novellierung sind erneut die Weichen zu stellen. Dabei soll der landesspezifische Bedarf berücksichtigt werden. Auch hier werden die aktuellen Entwicklungen zu bedenken sein. Nun muss es zunächst einmal darum gehen, auf der Landesebene die finanzpolitischen Vorgaben des Ausführungsgesetzes zum SGB II und deren Auswirkungen in der Praxis neu zu bestimmen. Hier gibt es Korrekturbedarf, den die Landesregierung mit dem Ihnen vorliegenden Gesetzesentwurf zugunsten von mehr Transparenz, größerer Planbarkeit und einer maximal möglichen Verteilungsgerechtigkeit und Verteilungsgenauigkeit anstrebt.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Konkret geht es dabei um die Verteilung der Mittel aus den Sonderbedarfsergänzungszuweisungen des Bundes in Höhe von 107 Millionen Euro jährlich.

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

Diese werden bis zum Jahr 2009 gewährt, um Sonderlasten durch die strukturelle Arbeitslosigkeit und die daraus entstehenden überproportionalen Lasten bei der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe auszugleichen. Es geht daneben um die Verteilung der Mittel aus den Einsparungen des Landes beim Wohngeld. Diese belaufen sich nach unseren Berechnungen im Jahr 2006 auf eine Summe von 51,7 Millionen Euro, die an die Kommunen weitergegeben werden.