Protokoll der Sitzung vom 06.04.2006

Diese werden bis zum Jahr 2009 gewährt, um Sonderlasten durch die strukturelle Arbeitslosigkeit und die daraus entstehenden überproportionalen Lasten bei der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe auszugleichen. Es geht daneben um die Verteilung der Mittel aus den Einsparungen des Landes beim Wohngeld. Diese belaufen sich nach unseren Berechnungen im Jahr 2006 auf eine Summe von 51,7 Millionen Euro, die an die Kommunen weitergegeben werden.

Wie soll nun künftig dieses Geld verteilt werden? Hier wurde im Ausführungsgesetz zum SGB II aus dem Jahr 2004 ein relativ komplizierter Mechanismus beschrieben, der im Wesentlichen die Berücksichtigung der Be- und Entlastungen der Kommunen entsprechend der damals erkennbaren Ausgangs- und Datenlage beabsichtigte. Die getroffenen Regelungen gingen deshalb von einem hypothetischen Vergleich der Situation vor und nach dem Systemwechsel im Sozialrecht aus. Im Wesentlichen wurde dabei auf die Anzahl der vorhandenen Sozialhilfeempfänger und die Anzahl der Arbeitslosenhilfeempfänger abgestellt. Die Erfahrungen im Jahr 2005 mit dem Gesetz zeigen, dass das allein nicht ausreichte, um die tatsächlichen Folgen für die einzelnen Kommunen abzufangen. Die Folgen von Hartz IV, wie sie sich im Leben in der sozialen Struktur unseres Landes eingestellt haben, waren mit diesem Instrumentarium nicht hinreichend prognostizierbar. Deshalb sieht der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf vor, die Höhe der Zuweisungen anhand der Kriterien zu ermitteln, die sowohl die konkrete Belastungssituation als auch die Entwicklung der Fallzahlen und Kosten der Unterkunft widerspiegeln.

Konkret heißt das: Die Bilanz der Be- und Entlastungen, wie sie im Ausgangsgesetz 2004 vorgesehen waren, entfällt künftig. Vielmehr wird eine Verteilung vorgesehen, die die aktuellen Kostenfaktoren und ihre Entwicklung berücksichtigt. Für die Berechnung werden die Kosten der Unterkunft und die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften herangezogen. Nur das macht Sinn, denn schließlich geht es um die Ausführung eines Bundesgesetzes, das mit dem Begriff „Bedarfsgemeinschaften“ einen zentralen neuen Begriff in das Sozialrecht eingeführt hat. Es ist deshalb folgerichtig, die Instrumente des neuen Gesetzes bei der Abbildung der Finanzströme zu nutzen.

Die Aufteilung der Ausgleichszuweisungen erfolgt in zwei Stufen:

96 Prozent der zur Verfügung stehenden Mittel in Höhe von 158,1 Millionen Euro werden zu 70 Prozent den Landkreisen und zu 30 Prozent den kreisfreien Städten zugewiesen, und zwar nach ihren prozentualen Anteilen an den Kosten der Unterkunft und den Bedarfsgemeinschaften des Vorjahres, die sich letztlich aus der Zahl der erfassten Leistungsempfänger ergeben.

Vier Prozent der Gesamtmittel werden für den Ausgleich besonderer finanzieller Belastungen durch dieses Gesetz zurückbehalten.

Für 2005 wird auf Änderungen bei den bisherigen Auszahlungen verzichtet.

Wegen der erhöhten Wohngeldentlastung des Landes im Jahre 2005 können noch Ausgleichsmittel in Höhe von 6 Millionen Euro nach dem neuen Verteilungsschlüssel ausgegeben werden.

Rückforderungen an die Landkreise und kreisfreien Städte von bereits ausgezahlten Mitteln wird es nicht geben. In dieser Hinsicht besteht also für die Kommunen Rechtssicherheit.

Angesichts der angespannten finanziellen Situation der Kommunen wird die Verpflichtung zur investiven Bindung der aus Wohngeldeinsparungen resultierenden Zuweisungen auf die Höhe von 2006 festgeschrieben und ab 2007 wird sich damit die bisher gesetzlich vorgesehene vollständige investive Bindungspflicht erheblich reduzieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Landesausführungsgesetzes zum SGB II folgt das Land der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers nach einer Entlastung der Kommunen entsprechend den tatsächlichen Belastungen. Es verteilt die Ausgleichszahlungen nach Hartz IV zudem in sozialpolitisch verantwortlicher Weise, da mit einem anderen Verteilungsmodus auch Verwerfungen, die in dieser Form nicht gewünscht sind, vorprogrammiert wären. Das vorgelegte Änderungsgesetz sollte daher schnellstmöglich in Kraft treten, um den neuen gerechteren Verteilungsmodus umsetzen zu können und die bisher für den 15. Juni vorgesehene Verrechnung der Restzahlung für 2005 zu erreichen.

(Harry Glawe, CDU: Das ist nämlich der springende Punkt, Frau Ministerin.)

Mecklenburg-Vorpommern ginge mit dem von der Landesregierung vorgeschlagenen Konzept einen Weg, wie er von Brandenburg, Sachsen-Anhalt oder RheinlandPfalz bereits in ähnlicher Weise eingeschlagen worden ist. Deshalb bitte ich an dieser Stelle ausdrücklich, dass Sie dieses Gesetz entsprechend im Landtag und seinen Ausschüssen behandeln. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Danke schön, Frau Ministerin.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Caffier. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Jahresbeginn wurde breit über die Arbeitsmarktreform Hartz I bis III debattiert. Die Bundesregierung hat dazu einen Bericht zur Wirksamkeit moderner Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vorgelegt. Dieser unter Mitwirkung von 20 Forschungsinstituten entstandene Bericht bestätigt die Position und die Absichten der großen Koalition in Berlin. In der Koalitionsvereinbarung haben Union und SPD vereinbart, alle arbeitsmarktpolitischen Instrumente auf den Prüfstand zu stellen. Für 2006 ist ein weiterer Prüfstand zu erwarten.

(Im Plenarsaal klingelt ein Handy.)

Gehen Sie ruhig ran, Herr Borchert!

Die Zusammenlegung von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe, landläufig als Hartz IV bezeichnet, ist in dem ersten Bericht nicht verhandelt worden. Aber nicht Hartz IV steht heute zur Abstimmung, nicht das Sozialgesetzbuch II und auch nicht ein angekündigtes SGB-II-Optimierungsgesetz, sondern lediglich die Überweisung des Landesausführungsgesetzes in die Ausschüsse. Allein bei den Wohnkosten, so der Deutsche Städtetag, zeichnen sich in diesem Jahr zusätzliche Ausgaben in Milliardenhöhe ab. Im Land Berlin wurde auf Bundesebene und auch beim Bund wurde bereits reagiert, im Land steht das noch aus.

(Zuruf von Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS)

Diese Korrektur steht aus, obwohl Frau Finanzministerin Keler schon auf der 68. Sitzung des Landtages am 15. Dezember 2005 erläutert hat, dass die SPD-PDS-Koalition im Land ein Ausführungsgesetz zu Hartz IV verabschiedet hat, in welchem – ich zitiere – „ein paar Fehler vorhanden sind“. Wörtlich sagte sie weiterhin, „wir müssen an das Gesetz heran! Wir müssen unser Ausführungsgesetz novellieren“. Insofern sind wir schon sehr erstaunt, dass wir heute eine Einbringung von Frau Sozialministerin bekommen, obwohl das Gesetz ursprünglich im Hause von Herrn Holter erarbeitet, von Frau Keler angekündigt und von Frau Linke jetzt eingebracht worden ist.

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Diese Regierung arbeitet zusammen.)

Zur Zusammenarbeit kommen wir gleich.

(Beifall Michael Ankermann, CDU)

Nichtsdestotrotz, dass eine Korrektur notwendig ist, ist vollkommen unstrittig. Ich habe schon verwundert zur Kenntnis genommen, dass die PDS-Fraktion im Ältestenrat zu diesem Gesetz für sich 14 Minuten Redezeit beantragt hat.

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: 16 Minuten!)

Meine Damen und Herren, wir reden nicht über Hartz IV, aber Sie wollen sich offensichtlich über Hartz IV und die Auswirkungen davon retten. Und deswegen beende ich zunächst meinen Redebeitrag und bin ganz gespannt, was die PDS für Ausführungen hat. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Jaja!)

Danke schön, Herr Caffier.

Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, habe ich noch eine Bemerkung zur Hausordnung. Es gibt hier ein Handyverbot im Saal. Auch Herr Caffier kann keinen Abgeordneten ermutigen, hier ranzugehen. Machen Sie die Handys aus oder lassen Sie sie oben, denn in diesem Sinne geht es um die Einhaltung der Hausordnung!

Ich rufe jetzt als nächsten Redner für die Fraktion der SPD den Abgeordneten Herrn Heydorn auf. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten!

Frau Ministerin Linke, Ihr doch sehr tendenziöser Redebeitrag von der Regierungsbank hat mich etwas überrascht. Sicherlich ist es so, dass die Zusammenführung

von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe im Ergebnis dazu geführt hat, dass Empfänger von Arbeitslosenhilfe sich einkommensmäßig verschlechtert haben können. Das muss man sagen. Wer das verschweigt, der ist wenig seriös! Aber gleichzeitig muss man darauf hinweisen, dass sich die vielen Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt, vormals nach dem Bundessozialhilfegesetz, bei der neuen Lösung verbessert haben. Sie haben sich verbessert. Die Leistungen nach dem SGB II sind zum einen höher und zum andern im Bereich der einmaligen Leistungen geben sie den Hilfeempfängern mehr Spielraum. Das ist das eine. Verbessert für alle haben sich der Zugang zu Qualifikationsmöglichkeiten und der Zugang zu Arbeit, also der Bereich der 1-Euro-Jobber.

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Und zur Qualifikation.)

Gerade die, die dieses Thema immer sehr heftig kritisieren, die hier zitierten Wohlfahrtsverbände, sind ja auf der anderen Seite die, die bei der Errichtung von 1-EuroJobs ganz vorne anstehen und sagen,

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Sie sind aber dazu gezwungen.)

das, was wir tun, führt in erheblichem Umfang auch zu einer verbesserten Lebenszufriedenheit bei den betroffenen Leuten. So richtig konsistent ist das nicht, was da gemacht wird.

(Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: Existenzsichernde Arbeit ist aber immer noch besser.)

Ich sage es Ihnen, Frau Ministerin Dr. Linke, wenn Sie das eine ansprechen, dann hätte ich von Ihnen erwartet, dass Sie auch auf das andere eingehen.

(Beifall Lorenz Caffier, CDU)

Wir bekommen das in der heutigen Debatte ja mit, in der sozialpolitischen Auseinandersetzung des Jahres 2004 war die Einführung des SGB II das Thema. Es war auch völlig zu Recht das Thema, weil mit der Einführung des SGB II drei Millionen Menschen von dieser neuen Leistung betroffen sind. Drei Millionen Menschen! Über drei Millionen Menschen erhalten Leistungen nach dem SGB II. Es sind wesentlich mehr Menschen im SGB-II-Bezug als die, die Arbeitslosengeld nach dem SGB III erhalten. Es sind also viel mehr Menschen, die vorher Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz bekommen haben, das zum 01.01.2005 durch das SGB XII ersetzt worden ist.

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Jetzt wollen wir uns noch einmal vergegenwärtigen, wie die Situation vorher gewesen ist und welche sozialrechtlichen Vorteile die Einführung des SGB II bringt beziehungsweise gebracht hat. Wir haben heute für alle Bezieher von SGB-II-Leistungen eine Krankenversicherungspflicht, eine Pflegeversicherungspflicht und eine Rentenversicherungspflicht. Das hat es vorher zumindest für den Großteil der erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger nicht gegeben. Da waren viele nicht krankenversicherungspflichtig, sie hatten kein Krankenversicherungsverhältnis, sie waren nicht pflegeversicherungspflichtig und sie erwarben auch keine Anrechnungszeiten in der Rentenversicherung.

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Auch beim Kinder- und Jugendhilferecht hat sich etwas geändert. Im SGB VIII ist eine Vorschrift eingeführt worden, dass nicht nur Erwerbstätige vorrangig mit Plätzen in Kindertageseinrichtungen zu berücksichtigen sind, sondern auch Arbeitssuchende vorrangig einen Anspruch auf Kita-Plätze haben. In dem Zusammenhang muss man an die Verschiebebahnhöfe erinnern, die es vor dem In-KraftTreten des SGB II gegeben hat.

In der Rede von Frau Ministerin ist immer wieder das Thema „Belastung der Kommunen“ herausgearbeitet worden.

(Karin Strenz, CDU: Genau!)

Wie war die Situation denn vorher? Die Kommunen als örtliche Träger der Sozialhilfe sind doch unter den Lasten der Sozialhilfe zusammengebrochen. Das, was mit der Hilfe zum Lebensunterhalt einmal für einen marginalen Personenkreis Anfang der 70er Jahre eingeführt worden ist, hat doch dazu geführt, dass letztendlich immer mehr Menschen dauerhaft auf diese Leistungen angewiesen waren und es für die örtlichen Sozialhilfeträger kaum noch zu finanzieren war. Das ist doch die Realität gewesen. Auch die Verschiebung von Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit und der Sozialhilfeträger war eine Geschichte, die keiner sachlichen Orientierung folgte, sondern die letztendlich nur darauf ausgerichtet war, sich wechselseitig die Kosten in die Tasche zu jubeln. Das ist doch die Realität gewesen, die wir mit dem SGB II vom Tisch bekommen haben.