Protokoll der Sitzung vom 18.05.2006

(Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS: Genau. – Zuruf von Ministerin Sigrid Keler)

Aber warum tun sie es denn nicht, dass ihre Bundesländer diesem Abschiebestopp beigetreten sind? Sie hätten die Möglichkeit gehabt beizutreten, aber das war nicht der Fall. Kritisieren Sie uns bitte nicht, wenn wir – Entschuldigung, das Wort darf ich nicht sagen – ein Kreuz beweisen und sagen, wir tun es einfach aus humanitären

Gründen. Es sind hier bereits Zahlen genannt worden. Wir haben über 835 togolesische Flüchtlinge hier, davon sind über 362 von der Abschiebung betroffen. Der Innenminister sagte schon, dass jeder Einzelfall dementsprechend überprüft wird. Wir haben aber festgestellt – Herr Ringguth, Sie waren mit in dieser Anhörung, Sie haben vorhin von Experten gesprochen in der Anhörung und Sie haben auch gesagt, Sie werden sich kein anderes Urteil überlegen, als die Experten vor Ort es dort taten –,

(Zuruf von Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS)

die einzige Chance wäre, wenn Sie den Experten, die alle dazu beigetragen haben, diesen humanitären Schritt zu tun, wenn Sie denen nicht glauben, dann fliegen Sie nach Togo und gucken sich vor Ort um. Ich hoffe, Sie kommen heil wieder zurück.

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Besprechen Sie das mit Menschenrechtsorganisationen!)

Ich bin eigentlich ein bisschen verärgert,

(Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS: Zu Recht.)

diese Auseinandersetzungen müssten wir hier nicht machen, denn es geht um Menschen. Wir haben uns jetzt über eine Stunde über Kraniche unterhalten.

(Beate Mahr, SPD: Kormorane! – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Entschuldigung.

(Zuruf von Karin Strenz, CDU)

Ich glaube, wir sprechen hier über Menschen und über Menschenrechte. Ich weiß, dass das Auswärtige Amt und alle Experten, die vor Ort waren, versucht haben, uns davon zu überzeugen, dass in Togo nicht die Verhältnisse herrschen, wie es das Auswärtige Amt hier kundtut.

(Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS: Da hat Herr Ringguth vielleicht nicht zugehört im Ausschuss.)

Sie wissen, dass Hinrich Kuessner unten gewesen ist. Er hat seit September versucht, uns davon zu überzeugen, denn er hat uns Bilder gezeigt und er hat demonstriert, wie es vor Ort aussieht. Glauben Sie mir, ich glaub e ihm. Ich habe daraufhin gesagt, dass wir lange versucht haben, den Innenminister davon zu überzeugen, diesen Abschiebestopp doch bitte zu verhängen. Die Expertenkommission, die wir dann im Innenausschuss hatten, hat ihn wahrscheinlich doch davon überzeugt, ein starkes Kreuz zu haben und diesen Abschiebestopp für sechs Monate auszusetzen. Wir haben jetzt die einmalige Chance, denn Sie haben gefragt, was danach passiert. Überzeugen Sie bis zum 10. Oktober die anderen Bundesländer, diesem Abschiebestopp beizutreten.

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Die Innenminister vor allen Dingen.)

Wir sind uns einig, dann stimmt Ihre Aussage wieder, die heißt, wir wollen gemeinsam handeln und für alle die gleichen Bedingungen schaffen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS und Ute Schildt, SPD)

Ich würde mir wünschen, dass wir darüber nicht mehr reden müssen. Ich würde mir im Namen der Humanität

wünschen, dass diese Menschen unseren Respekt verdienen, dass sie, wenn es notwendig ist, hier bleiben dürfen. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Danke schön, Frau Voland.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU die Abgeordnete Frau Friemann-Jennert. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mir schon gedacht, dass bei diesem Thema die Wellen hochschlagen würden. Ich möchte versuchen, die Wogen ein wenig zu glätten.

(Frank Ronald Lohse, SPD: Das wäre schön.)

In einer Kleinen Anfrage der Linkspartei.PDS, Januar 2006, an die Bundesregierung steht in der Vorbemerkung, dass Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen den Behörden vorwerfen, völlig losgelöst von der Situation in Togo und im Widerspruch zur Genfer Flüchtlingskonvention zu handeln, wenn togoische Flüchtlinge abgeschoben würden. Der Anfrage nach waren 329 Flüchtlinge in Mecklenburg-Vorpommern von der Abschiebung bedroht. Ich wage es zu bezweifeln, ob die Behörden dies ebenso sehen.

Frau Borchardt sagte gestern im Zusammenhang mit dem Petitionsbericht sinngemäß, dass man häufig nicht unterscheiden könne, welchen Status die Ausländer eigentlich genießen. Nach der Genfer Flüchtlingskonvention genießen Ausländer, die die Voraussetzungen des Paragrafen 60 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz – da geht es um die völkerrechtlichen und humanitären Gründe – nicht erfüllen, jedoch unter die Absätze 2 bis 7 fallen, nur einen nachrangigen Schutz. Es werden Rechtsbestimmungen angewendet, die nur dann zur Anwendung gelangen, wenn das übergeordnete Recht keine Vorschriften gewährt. Übergeordnete Vorschriften sind für politisches Asyl der Artikel 16a des Grundgesetzes und der eben schon erwähnte Paragraf 60 Absatz 1. Es handelt sich hier übrigens um eine Kannbestimmung, denn über den nachrangigen Schutz entscheidet das Bundesamt für Asyl und Migration nach Paragraf 42 Asylverfahrensgesetz.

Nun geht es ja darum, sogenannte Altfälle zu betrachten, also die Ausländer, die schon länger in Deutschland leben und unter dem Begriff „geduldet“ geführt werden. Herr Ritter hatte dazu am 26.01. ein Schreiben an Herrn Schäuble gerichtet und sich für einen Abschiebestopp eingesetzt beziehungsweise für ein Bleiberecht. Im Zuwanderungsgesetz, früher Ausländergesetz, wurden dazu jedoch keine Regelungen getroffen. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung wird eine europaweite Flüchtlingspolitik angestrebt und das Zuwanderungsgesetz soll anhand der Anwendungspraxis evaluiert werden. So weit ist die Bundesebene aber noch nicht, meine Damen und Herren.

Am Montag gab es eine Sendung des NDR mit dem Titel „Abschiebung im Morgengrauen“, die hoch dramatische Szenen zeigte, Menschen, die sich über Jahre im schwächsten Aufenthaltsstatus der Duldung befanden und dann Knall auf Fall abgeschoben wurden oder werden sollten. Ich glaube, niemand im Saal würde mit den Betroffenen tauschen wollen.

Zwei Dinge zeigten sich ganz deutlich: Notlagen führten durchaus zum Abbruch der Abschiebung, aber einige der Betroffenen haben auch Tricks angewandt, um der Abschiebung zu entgehen. Die Behörden kennen diese Spielarten und sie haben geltendes Recht durchzusetzen. Der Fall Mosbaou hat eine ernsthafte Diskussion über künftiges Vorgehen in Gang gesetzt, ihm wiederum nützt das leider nichts. Ich kann zwar nachvollziehen, dass dem Innenausschuss ein Lagebericht des Auswärtigen Amtes, weil er nur für den Dienstgebrauch ist, nicht zur Verfügung gestellt werden konnte, aber dieser Bericht hat auch die Aufgabe, den Innenbehörden der Länder bei der Entscheidung über die Abschiebung ausreisepflichtiger Ausländer zu dienen. Die Lage in Togo und des Zurückgekehrten wurde von den Menschenrechtsorganisationen und von der Anwältin des Herrn Mosbaou drastischer dargestellt, als dies beispielsweise mit der Beantwortung der Kleinen Anfrage getan wurde. Am 24.04. haben mehrere Länder Flüchtlinge nach Westafrika und unter anderem nach Togo ausfliegen lassen. Ich habe beim Bundesamt für Asyl und Migration nachgefragt, ob Mecklenburg-Vorpommern daran beteiligt gewesen ist. Bei den Abgeschobenen handelte es sich jedoch um abgelehnte Asylbewerber und Straftäter aus anderen Bundesländern.

Die „Frankfurter Rundschau“ berichtete am 25.04., dass Togo für die deutschen Behörden nicht zu den Ländern gehört, in die nicht abgeschoben werden darf. Laut Bundesamt für Asyl und Migration, das über die Anerkennung von Asylanträgen entscheidet, gibt es für Togo keine generellen Abschiebehindernisse aufgrund der Menschenrechtssituation. Selbst 2005, als es im Zuge der Präsidentschaftswahlen Unruhen gab, wurden von 674 Asylanträgen ganze fünf positiv entschieden. Für 55 Togoer wurde ein Abschiebeschutz beziehungsweise ein Abschiebehindernis festgestellt. Laut Bundestagsdrucksache 16/748, Seite 5, hat sich die Lage in Togo seit Mitte letzten Jahres etwas entspannt und erste positive Veränderungen seien danach feststellbar.

Der „Nordkurier“ berichtete am 25.04. darüber, dass die nach Paragraf 23a Zuwanderungsgesetz in Mecklenburg-Vorpommern installierte Härtefallkommission ihren ersten Tätigkeitsbericht abgegeben hat. Diese kann nach Abwägung aller Umstände auch gegen die Abschiebung und für ein Aufenthaltsrecht entscheiden. Seit letztem Jahr sind die Entscheidungen bindend und keine Ausländerbehörde kann an der Entscheidung etwas ändern. Acht Personen, darunter Vertreter der Kirchen, der Flüchtlingsorganisationen, der Liga der Freien Wohlfahrtspflege sowie aus dem Innen- und Sozialministerium, sind in dieser Kommission. Von den insgesamt 41 behandelten Asylfällen sind drei zugunsten der Antragsteller entschieden worden. Soweit mir bekannt ist, ist auch der Fall Alassane Mosbaou dort behandelt worden. Er gehört aber nicht zu den positiven Bescheidungen, sonst wäre er ja noch in Deutschland. Wenn die rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, muss man das irgendwann akzeptieren.

(Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: Oder das Recht ändern. Oder das Recht ändern.)

Aber hier braucht man wieder einmal einen Sonderweg, obwohl schon Schleswig-Holstein im letzten Jahr beim Versuch des Alleinganges gescheitert ist.

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Wir wollten keinen Alleingang, wir wollten das gemeinsam.)

Am 6. Febuar hat der Innenminister einen vorläufigen Abschiebestopp erlassen, nachgelegt am 11.04., weil der aktualisierte Lagebericht des Auswärtigen Amtes nicht vorlag.

(Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: Am besten also gleich abschieben.)

Dieser Bericht kam dann per 23. Februar, Stand Januar 2006, wie vom Bundesamt zu erfahren war, für uns, wie gesagt, leider nicht. Am 29.03. hat Herr Timm uns erklärt, dass er an der Abschiebung so lange festhalten werde, bis eine amtliche Mitteilung durch die Bundesregierung über den Verbleib des abgeschobenen Togoers Mosbaou im Innenministerium eingehe und nach Vervollständigung der Unterlagen eine neue Bewertung vorgenommen werde. Das wird sicherlich etwas länger dauern, weil sich Mosbaou gar nicht mehr in Togo aufhalten soll. Aber vielleicht weiß ja jemand von Ihnen mehr.

Laut einem Zeitungsbericht der TAZ vom 26.04., aber auch im Innenausschuss, hat der Innenminister Timm angekündigt, das Thema für die Innenministerkonferenz in Garmisch-Partenkirchen anzumelden, um über einen bundesweiten Abschiebestopp zu reden. Bis Freitag lag dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keine Information vor, nach der die IMK sich auf die Aussetzung der Abschiebungen geeinigt hätte. In der Presse gab es solche Mitteilungen ebenfalls nicht. Bis gestern war auch auf der Internetseite des Bundesrates kein Beschluss der IMK dazu zu finden. Einer der Anzuhörenden, Herr Obuba, sagte in der Innenausschusssitzung am 29.03., er habe noch nie gehört oder noch nie erlebt, dass Flüchtlinge den Antrag gestellt haben, nach Mecklenburg-Vorpommern zu kommen. Die wollen immer woanders hin. Daraufhin habe ich mir die Frage gestellt, ob nun nicht etliche Togoer gern nach Mecklenburg-Vorpommern kommen möchten.

Herr Dr. Kübler hat uns erklärt, dass mehrfache Aussetzungen der Abschiebung möglich seien, denn rechtliche Regelungen würde es nicht geben. Aber eine gibt es doch: Sind sechs Monate nach Anwendung des Paragrafen 60 um, gilt Paragraf 23 Absatz 1, insbesondere letzter Satz: „Zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit bedarf die Anordnung des Einvernehmens mit dem Bundesministerium des Innern.“ Das Problem der Geduldeten ist faktisch verschoben und die Tortur für die Betroffenen, hier sind es Togoer, es könnte sich aber auch um Personen anderer Nationalitäten handeln, geht am 10.10.06 wieder von vorne los.

Was ich auch nicht unerwähnt lassen möchte, ist eine ARD-Nachricht aus dem Nachbarland Brandenburg von gestern. Uwe-Karsten Heye, ehemaliger Regierungssprecher, hat Farbige gewarnt, sich während der Fußball-WM an bestimmten Orten beziehungsweise in bestimmten Stadtteilen aufzuhalten.

(Dr. Gottfried Timm, SPD: Unverantwortlich! Unverantwortlich!)

So viel zum Thema „Zu Gast bei Freunden“, oder soll ich sagen, zur Sicherheit im eigenen Staate. Und um die Sache zu Ende zu bringen, Herr Innenminister, treiben Sie die Evaluierung des Zuwanderungsgesetzes voran, und zwar gemeinsam mit allen Innenministern und nicht im Alleingang! – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Frau Friemann-Jennert.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der Linkspartei.PDS

der Abgeordnete Herr Ritter. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Sehr geehrte Frau Kollegin, Sie haben sicherlich versucht, etwas mehr Sachlichkeit in die Debatte hineinzubringen, aber so richtig nachvollziehbar sind mir Ihre Begründungen nicht. Die Experten, die wir zur Anhörung eingeladen hatten zur Situation der Flüchtlinge aus Togo, unter ihnen der geschätzte Landtagspräsident a. D. Hinrich Kuessner, oder die Vertreter der Kirchen haben doch sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, wie die Situation in Togo ist. In verschiedenen Redebeiträgen ist ebenso deutlich geworden, dass es erhebliche Zweifel an der Lageeinschätzung, auch an der aktuellen Lageeinschätzung des Bundesaußenministeriums zur Situation in Togo gibt. Im Bericht selber, nicht öffentlich zugänglich, aber in der Ausschusssitzung auch zitiert, ist von Menschenrechtsverletzung die Rede. Das allein ist für mich ein hinreichender Grund, darüber nachzudenken, wie man mit den Flüchtlingen aus Togo verfährt.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Und dass der Paragraf 60a des Aufenthaltsgesetzes nur eine befristete Lösung ist, das ist uns allen klar. Das haben uns auch die Anzuhörenden mit auf den Weg gegeben. Sie haben deutlich gemacht, es gibt den Betroffenen sechs Monate Zeit. Wir sollten die Zeit nutzen, um all unsere Kräfte in Gang zu bringen, damit wir zu einer realistischen Lageeinschätzung kommen, um den Betroffenen nach diesen sechs Monaten helfen zu können.