Nur, Herr Born, es gibt leider keine neuen Entwicklungen. Es gibt nur Visionen und Diskussionen über gewünschte transeuropäische Verbindungen, die möglicherweise vielleicht auf der Schwebetechnik beruhen werden. Was den konkreten Gegenstand unserer Parlamentsbefassung jedoch betrifft, kann zu Recht festgestellt werden, dass die technologische Entwicklung auf diesem Gebiet in den vergangenen zwei Jahren durchaus überschaubar geblieben ist.
Der jetzt ins Gespräch gebrachte Eurorapid unterscheidet sich vom alten Transrapid technologisch nun wirklich sehr wenig. Möglicherweise denkt man zurzeit über eine andere Farbe des Zuges nach, denn immerhin gibt es ja auch Auffassungen, die besagen, dass der Transrapid in den Farben der Deutschen Bahn AG weder dem Image der Deutschen Bahn gerecht wird noch das Neuartige der Magnetschwebetechnik ausstrahlt. Nur lösen neue Kleider meistens nicht die Probleme der eigenen Persönlichkeit. Angesichts der technologischen Gemeinsamkeiten scheint es also gerechtfertigt nachzufragen, was denn für oder gegen die so artverwandten Unternehmungen wie Eurorapid, Transrapid oder Metrorapid spricht.
Es ist außer Zweifel, meine Damen und Herren, und das hat auch die PDS niemals bestritten, dass es sich bei der Magnetschwebetechnologie um ein faszinierendes Verfahren handelt, das uns Respekt gegenüber der technischen Meisterleistung von Wissenschaftlern und Ingenieuren abverlangt. Nun wissen wir aber auch, dass technologische Brillanz nicht immer ausreicht, damit sich ein Produkt am Markt durchsetzt. Es gibt eigentlich nur eine Chance für sein Bestehen am Markt: Es muss sich rechnen. Wer da seine Zweifel hat, dem sei ein Gang durch die Archive des Patentamtes empfohlen. Dort lagern Tausende faszinierender Ideen, die nicht verwirklicht werden können oder sollen, weil ihr beschränkter Gebrauchswert oder mangelnde Wirtschaftlichkeit potentielle Investoren zögern lässt.
Die Chinesen haben sich das auch mit 200 Millionen deutschen Steuergeldern versüßen lassen, Herr Dr. Born.
Sicher gibt es immer noch einige enttäuschte Betrachter, die meinen, dass es die vorige Landesregierung und allen voran die PDS in Mecklenburg-Vorpommern war, die den Transrapid verhinderte. Jenen sei dafür gedankt, dass sie uns einen derartig großen Einfluss überhaupt zutrauen.
In Wirklichkeit ist aber nicht zu vermuten, dass sich ein schwebendes Investitionsvorhaben von damals 15 Millionen DM aufhalten lässt, nur weil sich ihm 20 Abgeordnete der PDS in den Weg stellen.
Aber, meine Damen und Herren, sehen wir doch realistisch zurück. Was also sind die Ursachen, die dazu führten, dass jener hoch gelobte Transrapid nicht von Hamburg nach Berlin schweben sollte? Und sehen wir genauer hin!
scheiterte an seiner eigenen Unvernunft. Sowohl Unternehmensberater, Industrievorstände wie Politiker mussten einsehen,
dass es nicht ausreicht, Planungsunterlagen mit spitzem Bleistift so lange zu frisieren, bis das Vorhaben eben vernünftig erscheint. Auch eine so großartige Idee muss sich praktisch rechnen, muss wirtschaftlich sein oder wenigstens einen Vorteil gewähren, der so gewaltig ist, dass wenigstens ein wenig Ineffizienz erträglich ist. Aber selbst die prognostizierten Fahrgastzahlen stimmten mit
der Wirklichkeit nur zum Teil überein. Und das unter anderem daraus errechnete Kosten-Nutzen-Verhältnis war so abenteuerlich riskant, dass die Deutsche Bahn AG als einer der beteiligten Betreiber heilfroh war, als das Abenteuer Transrapid zu Ende war.
Und wenn ich vorhin erwähnte, dass sich der technologische Fortschritt in jüngster Vergangenheit in Grenzen hielt, erscheint es mehr als logisch, dass sich die Ungereimtheiten der Vergangenheit auch bei den heutigen Projekten wiederfinden. So liegt beispielsweise eine Begutachtung des Bundesrechnungshofes zu den beiden Magnetschwebebahnverbindungen Metrorapid in Nordrhein-Westfalen und Transrapid in München vor. In beiden Fällen – in beiden Fällen! – kritisiert der Bundesrechnungshof ganz erhebliche Mängel bei der Darstellung der Kosten-Nutzen-Analyse dieser Schwebetechnikzüge.
Punkt für Punkt zeigen die Gutachter, wie mit unrealistischen Annahmen ein akzeptabler Kosten-Nutzen-Quotient herbeigeschrieben wurde. Der Bundesrechnungshof führt in seiner Stellungnahme detailliert aus, an welchem Punkt die angestellten Berechnungen nicht schlüssig sind.
Beispielsweise wurde bei der Ermittlung des Fahrgastaufkommens und den damit verbundenen Erlösen ohne plausiblen Grund vorausgesetzt, dass konkurrierende Bus- und Bahnverkehre mit Inbetriebnahme der Magnetschnellbahnverbindung eingestellt werden. Die Einsparungen, die sich daraus ergeben sollen, dass anstehende Investitionen in die Bahn
jetzt nicht mehr unternommen werden müssen, sind nach der Auffassung des Bundesrechnungshofes unangemessen hoch veranschlagt. Des Weiteren, Kosten für notwendige Park-and-ride-Anlagen wurden nicht eingestellt.
Auch erforderliche Schallschutzwände wurden nicht mit eingerechnet. Beim Nutzen wurde in der Machbarkeitsstudie eine Komponente „Entlastung des Straßenverkehrs“ hinzugerechnet, wie es bei spurgebundenen Verkehrsmitteln im Gegensatz zur Straßeninvestition bisher nicht üblich ist und wohl bei einer weiteren Individualisierung des Nah- und Fernverkehrs auch nicht zu erwarten ist. Beim Metrorapid ist außerdem nicht berücksichtigt worden, dass Bestellerentgelte notwendig werden.
Die Liste lässt sich fortsetzen. Kritische Betrachter sind gar der Meinung, dass sich die Machbarkeitsanalyse zu den erwähnten Strecken wie eine Gebrauchsanweisung zum Schönrechnen von unsinnigen Projekten liest.
(Reinhardt Thomas, CDU: Deswegen will China auch die Großstädte mit dem Transrapid verbinden, nicht?!)
Meine Damen und Herren, dass sich die erklärten Gegner des Metrorapid über diese Kritik des Bundesrechnungshofes freuen, liegt auf der Hand und es ist ihnen natürlich auch nicht übel zu nehmen.
Gestatten Sie mir aber, Ihnen die Reaktion des bayerischen Verkehrsministers, des Herrn Otto Wiesheu von der
CSU, der ja unbestritten zu den Protagonisten des Transrapid zählt, zur Kenntnis zu geben. Seine Reaktion in der Presse auf den Bericht des Bundesrechnungshofes vom 28. Juni im letzten Jahr zeigt die ganze Schizophrenie der kritiklosen Befürworter. Ich zitiere aus dieser Pressemitteilung. Dort heißt es: „Insgesamt sieht Wiesheu sich durch den Prüfbericht bei den von ihm vorgebrachten Kritikpunkten an der Machbarkeitsstudie größtenteils bestätigt.“ Und weiter im Detail: „Auch bei der unüblicherweise mit einberechneten Entlastung des Straßenverkehrs hat Bayern im Projektbeirat grundsätzliche Bedenken geäußert.“ Um aber die eigene Position doch noch zu retten, kommt Wiesheu dann zu dem Schluss, „daß die Kritik des Bundesrechnungshofs ,damit zu 80 % das Metrorapid-Projekt‘ trifft“, und setzt dem Ganzen dann noch die Krone auf, indem er feststellt: „Außerdem würde sich beim Metrorapid-Projekt der Nutzen-Kosten-Quotient massiv reduzieren, wenn die Bestellerentgelte des Landes nicht in die Berechnung einfließen würden.“ Das heißt, die Kosten wachsen gegenüber dem Nutzen und sie müssen ausgeglichen werden, zum Beispiel oder höchstwahrscheinlich durch höhere Fahrpreise für die Nutzer. So weit Bayerns Verkehrsminister Otto Wiesheu von der CSU.
Meine Damen und Herren, angesichts derart harscher Kritik an den Zahlenakrobaten, die es doch nur gut mit der schönen Technologie meinen, können einem die Vertreter der Industrie auch schon fast Leid tun,
(Dr. Ulrich Born, CDU: Sie reden über eine Straßenbahn in Nordrhein-Westfalen. Das dürfen Sie nicht vergessen.)
(Dr. Ulrich Born, CDU: Von einer Straßen- bahn in Nordrhein-Westfalen. Das hat nichts mit einer Fernstrecke zu tun.)
So las ich am 24. Januar in der „Westfälischen Rundschau“, ich zitiere: „Nach langem Zögern haben sich die beiden Transrapid-Hersteller Siemens und ThyssenKrupp“ – nach langem Zögern! – „doch bereit erklärt, sich mit 200 Millionen Euro zu beteiligen.“
„Vermutlich“ – so die „Rundschau“ – „sind die Firmenchefs bereits beim Start der Magnetschwebebahn in China durch Kanzler und NRW-Ministerpräsidenten ,schanghait‘ worden. In der Seemannssprache bedeutet dies das zwanghafte Anheuern von Matrosen -“
„vermutlich fühlten sich die Hersteller“ – die Hersteller! – „ähnlich bedrängt, als sie von der Politik in das Boot der Finanzierung“ (der neuen Technik) „geholt worden sind.“
„Es könnte sonst aber kaum jemand verstehen, wenn Firmen, die von einem Durchbruch sprechen und ihre Technik in den höchsten Tönen loben, keinen finanziellen Startschub leisten wollen. Glauben sie an die Vorteile der Schwebetechnik, müssen sie sich auch mit Investitionen beteiligen.“ So weit die „Rundschau“. Und da sage ich: Das ist wohl richtig so.
Allerdings komme ich an dieser Stelle nicht drum herum, unserem neuen Bundesverkehrsminister Herrn Stolpe ein Kompliment zu machen. Schließlich hat er trotz aller Großzügigkeit bei der Bereitstellung von reichlich Fördermilliarden für den Metrorapid quasi als oberster Dienstherr der Deutschen Bahn AG weitsichtige Vorsicht walten lassen. Herr Stolpe möchte die Bahn AG aus den Reihen der beteiligten Unternehmen doch lieber heraushalten.