Protokoll der Sitzung vom 19.02.2003

Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie zur 9. Sitzung des Landtages. Die Landesregierung hat gemäß Paragraph 72 Absatz 4 unserer Geschäftsordnung die heutige Dringlichkeitssitzung beantragt. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufige Tagesordnung der 9. Sitzung liegt Ihnen vor. Wird der vorläufigen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 9. Sitzung gemäß Paragraph 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.

Ich rufe auf den einzigen Tagesordnungspunkt: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2002/2003, zur Änderung anderer Rechtsvorschriften sowie über die Errichtung eines Sondervermögens „Sanierung ökologischer Altlasten in Mecklenburg-Vorpommern“, Haushaltsrechtsanpassungsgesetz 2003, Drucksache 4/200.

Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2002/2003, zur Änderung anderer Rechtsvorschriften sowie über die Errichtung eines Sondervermögens „Sanierung ökologischer Altlasten in Mecklenburg-Vorpommern“ (Haus- haltsrechtsanpassungsgesetz 2003 – HRAG 2003) (Erste Lesung) – Drucksache 4/200 –

Das Wort zur Einbringung hat die Finanzministerin Frau Keler.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sparen ist kein Selbstzweck. Das habe ich in diesem Hohen Hause und auch sonst bei jeder Gelegenheit immer wieder betont. Wozu Sparen gut ist, das erleben wir nun hautnah an der Vorlage des Regierungsentwurfes für den Nachtragshaushalt 2003. Ich sage es Ihnen schon vorab: Wir hätten diesen Nachtrag niemals in dieser Art und Weise aufstellen können, wenn wir in den letzten Jahren nicht so konsequent die Nettokreditaufnahme zurückgefahren und unseren Haushalt konsolidiert hätten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Oder sprichwörtlich: Spare beizeiten, dann hast du in der Not. Dazu später mehr.

(Zuruf von Udo Timm, CDU)

Nun zu unserer Vorlage. Bereits bei der Einbringung des Doppelhaushalts 2002/2003 habe ich angekündigt, dass wir für das Haushaltsjahr 2003 einen Nachtrag brauchen werden. Später habe ich diese Ankündigungen mehrmals präzisiert, denn es war immer klar, dass im zweiten Jahr eines Doppelhaushalts Anpassungen an neue Erkenntnisse vorgenommen werden müssen.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Allerdings stellt sich der Nachtrag, den ich Ihnen heute vorlege, doch deutlich anders dar, als ich dies noch vor wenigen Monaten erwartet oder gar gewünscht hätte.

Meine Damen und Herren, zunächst einiges zum Abschluss 2002. Dem Finanzausschuss liegt das Haushaltsergebnis seit dem 31. Januar vor. Das Haushalts-Ist weist gegenüber dem Plan eine um 483 Millionen Euro er

höhte Deckungslücke aus. Das ist insbesondere die Folge von Steuermindereinnahmen in Höhe von 377 Millionen, von höheren Leistungen für die Sonder- und Zusatzversorgung im Umfang von 83 Millionen, von höheren Investitionsausgaben von 40 Millionen sowie von Mehrausgaben beim Personal von 12 Millionen. Die Steuermindereinnahmen sind genauso gekommen, wie ich im November prognostiziert hatte. Die Verpflichtungen für die Sonder- und Zusatzversorgung sind höher ausgefallen als erwartet. Hier wirken sich Rechtsänderungen und höhere Fallzahlen aus, die von niemandem vorhergesehen worden sind, weder vom Bund noch von den anderen neuen Ländern. Dieses Wachstum wird sich vermutlich in abgeschwächtem Maße in den nächsten Jahren fortsetzen.

40 Millionen zusätzliche Investitionen waren gut für die Konjunktur, aber sie belasten den Haushaltsabschluss. Mit den zusätzlichen Personalausgaben haben wir die hundertprozentige Unterrichtsversorgung ausfinanziert. Hier musste nachgesteuert werden, als im Frühjahr des vergangenen Jahres eine zu geringe Lehrerkapazität sichtbar wurde. Insgesamt also müssen wir 483 Millionen Euro Ergebnisverschlechterung im Vergleich zum geschlossenen Haushalt 2002 konstatieren.

Wie soll dieser Betrag nun finanziert werden? Zum einen setzen wir den verbleibenden Krediteinnahmerest von 200 Millionen als Teildeckung ein, zum anderen weisen wir einen Fehlbetrag von 283 Millionen aus. Diesen Sachverhalt hatte ich bereits im November hier angekündigt. Der Fehlbetrag muss nach Paragraph 25 Absatz 3 LHO spätestens in den Haushaltsplan für das zweitnächste Jahr eingestellt werden. Die Landesregierung schlägt Ihnen vor, 120 Millionen in diesem Haushalt und die restlichen 163 Millionen im nächsten Haushalt zu veranschlagen.

Auch für 2003 wird sich die Deckungslücke deutlich erhöhen. Die Steuermindereinnahmen werden nach gegenwärtigem Kenntnisstand 408 Millionen Euro betragen. Darin sind bereits die ungünstigeren Wachstumserwartungen entsprechend dem Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung berücksichtigt. Auswirkungen des Steuervergünstigungsänderungsgesetzes sind dagegen nicht enthalten. Außerdem sind zwangsläufige Mehrausgaben zu verkraften. Zunächst muss der anteilige Fehlbetrag von 120 Millionen finanziert werden. Hinzu kommen Mehrbedarfe auf der Ausgabenseite wie die zusätzlichen Personalausgaben infolge des hohen Tarifabschlusses, der erhöhten Lohnnebenkosten, die Mehrbedarfe für Sonderund Zusatzversorgung, für Wohngeld, für Auslagen in Rechtssachen, für Werfthilfe, für BAföG, für den Maßregelvollzug. Diese Ausgaben sind ebenso wie die Steuermindereinnahmen von uns nicht beeinflussbar. So weit möglich haben wir dennoch versucht, das Ausgabenwachstum einzudämmen, indem wir für 2003 bereits zusätzliche Einsparungen verfügt haben, die in den Folgejahren noch steigen werden. Und wir haben darauf geachtet, dass die Schwerpunkte der Politik dieser Landesregierung weiterhin sichtbar bleiben.

Ich stelle fest: Die Investitionen bleiben mit rund 1,5 Milliarden auf hohem Niveau.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Das Budget der Universitäten und Hochschulen bleibt unverändert. Die Mindestgarantie für den kommunalen Finanzausgleich bleibt erhalten. Damit zahlen wir 105 Mil

lionen Euro mehr an die Kommunen, als nach dem Gleichmäßigkeitsgrundsatz erforderlich wäre.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Bei der Förderung der Kitas gibt es keine Abstriche.

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU: Nein!)

Für die hundertprozentige Unterrichtsversorgung haben wir auch in 2003 13 Millionen zusätzlich veranschlagt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Die bereinigten Gesamtausgaben bleiben trotz 58 Millionen Euro zusätzlicher Verpflichtungen gegenüber dem Flutfonds auf der Höhe der bereinigten Gesamtausgaben des Vorjahres. Wir haben es also nicht mit einem Ausgabenproblem zu tun, das Problem liegt auf der Einnahmenseite.

(Beifall Rudolf Borchert, SPD)

Trotz aller Anstrengungen, kurzfristig Einsparungen zu bewirken, muss die Kreditaufnahme gegenüber dem Ursprungshaushalt um 570 Millionen auf 826 Millionen erhöht werden.

Im Einzelnen: Die Personalausgaben müssen um 30 Millionen gegenüber dem Ursprungshaushalt angehoben werden. Weil ich weiß, dass für die Opposition die Personalausgaben immer wieder Anlass zur Kritik sind, will ich das erläutern.

Sie fordern bei jeder sich bietenden Gelegenheit, wir müssten den Personalabbau beschleunigen. Das Ausmaß unserer Konsolidierungsschritte im Personalhaushalt will ich Ihnen an drei Zahlen verdeutlichen. Der Ansatz im Nachtragshaushalt übersteigt das Ist-Ergebnis des letzten Jahres um 30 Millionen. Der Mehrbedarf für den Tarifabschluss, für die Anhebung der Rentenversicherungsund VBL-Beiträge sowie für die hundertprozentige Unterrichtsversorgung beträgt aber 73 Millionen. Die Differenz, immerhin 43 Millionen, ist also aus Einsparungen erwirtschaftet worden. Dieser Konsolidierungsbeitrag kann sich sehen lassen und er löst in der aktuellen Arbeitsmarktlage durchaus zwiespältige Gefühle aus, denn er repräsentiert zugleich weggefallene Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst im vierstelligen Bereich.

Da wir gerade beim Personal sind, noch zwei Bemerkungen:

Erstens. Sie fordern immer wieder, wir sollten die Verwaltung beziehungsweise die Ministerien ausdünnen, und Sie behaupten sogar, die Wasserköpfe würden laufend größer. Meine Damen und Herren, das Gegenteil ist der Fall. Von Ende 1998 bis Ende 2002 hat die Landesregierung 4.195 Stellen abgebaut. Rund 3.000 Stellen davon sind Lehrerstellen und mehr als 1.100 klassische Verwaltungsstellen. Auch in den Ministerien sind genau betrachtet Stellen abgebaut worden,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ach!)

allerdings stehen den Stellenreduzierungen Stellenmehrbedarfe für die Sicherheitsbehörden nach dem 11. September, für den Verbraucherschutz und für die in das Arbeitsministerium teilweise eingegliederte technische Hilfe gegenüber.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Und für die leitenden Bereiche?)

Einzelheiten sind Ihnen bei jedem Haushalt dargestellt worden.

Sie sehen, im Gegensatz zur eilfertigen Legendenbildung arbeiten wir kontinuierlich an der Verschlankung des Personalkörpers und dennoch werden die Personalausgaben weiter steigen. Tariferhöhungen und Ost-WestAngleichung kosten nun einmal mehr, als Stellen gestrichen werden können. Das wusste übrigens schon meine Amtsvorgängerin Frau Kleedehn und sie hat das auch an dieser Stelle gesagt. Nur damals haben Sie das nicht kritisiert, damals haben Sie die arithmetischen Zwangsläufigkeiten noch akzeptiert.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Wir werden die Stellenzahl im engeren Bereich der Verwaltung bis Ende 2006 auf unter 38.500 zurückführen. Das ist ein ehrgeiziges Ziel, aber wir werden es nach heutiger Kenntnis erreichen. Ein Teil der Reduzierung hängt mit der Ausgliederung der Bauverwaltung in den BBL zusammen, das ist auch kein Geheimnis. Der Großteil fällt jedoch endgültig weg. Wir haben die Anstrengungen in diesem Bereich jetzt noch einmal verschärft. Vom nächsten Jahr an werden zusätzlich zu den bereits veranschlagten Stellenreduzierungen von 1 Prozent weitere 0,5 Prozent der betroffenen Stellen im Wert von 2,2 Millionen Euro gestrichen. Damit nutzen wir die Fluktuation und die Altersabgänge fast vollständig zum Stellenabbau.

In den nächsten Jahren wird der zusätzliche Einsparbetrag schrittweise erhöht von eben den jetzt 2,2 auf 12 Millionen in 2005 – wohlgemerkt, dass sind nur die zusätzlichen Einsparungen aufgrund unserer aktuellen Entscheidungen. Damit einher geht die Schaffung eines internen Arbeitsmarktes innerhalb der Landesverwaltung. Denn nur wenn die Personalbedarfe aus dem Bestand nachbesetzt werden, können Altersabgang und Fluktuation für den Stellenabbau genutzt werden. Sie sehen, wir warten nicht auf die geplante Verwaltungsreform, sondern wir gehen weiterhin schrittweise und zügig voran,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Angelika Gramkow, PDS)

denn nur so werden wir auf Dauer Erfolg haben. Betriebsbedingte Kündigungen, wie sie die CDU fordert, wollen wir vermeiden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Angelika Gramkow, PDS – Angelika Gramkow, PDS: Sehr richtig!)

Zweitens. Die Opposition fordert als Großtat und Kern einer Verwaltungsreform nach CDU-Muster die Auflösung von zwei Ministerien. Würde man dieser Forderung folgen, würde die Arbeit deswegen nicht geringer. Die Indianer braucht man weiterhin, ein paar Häuptlinge mit Gefolge wären über. Hier die überschlägige Kalkulation des wirklichen Effekts: Es entfielen zwei Minister, zwei Staatssekretäre, zwei Leitungsstäbe, zwei Abteilungsleiter, sechs Sekretärinnen, zwei Beauftragte für den Haushalt, vier Fahrer, vier Dienstwagen, alles in allem 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Einsparung für diese Verwaltungsreform beläuft sich auf annährend 2 Millionen Euro. Zur Erinnerung: Uns fehlen Steuereinnahmen von 400 Millionen Euro. Das entspräche dem Abbau von 9.000 Stellen.

Zwangsläufige Mehrausgaben entstehen erneut bei der Sonder- und Zusatzversorgung, und zwar in Höhe von

34 Millionen. In den ersten Jahren nach 1990 wurde gerade von Westländern auf die fehlenden Versorgungslasten der neuen Länder verwiesen. Damals hatte niemand die Dynamik der übergeleiteten DDR-Renten im Blick. Heute müssen wir dafür schon 274 Millionen Euro veranschlagen. Dieser Betrag müsste eigentlich den Personalausgaben zugerechnet werden, denn er ist auf den ersten Blick das Gegenstück zur Beamtenversorgung in den westlichen Bundesländern. Aber die Leistungen in der Sonderund Zusatzversorgung gehen in Wirklichkeit weit über die Versorgungsleistungen für den ehemaligen öffentlichen Dienst der DDR hinaus. Wir zahlen unter anderem auch für die ehemalige technische Intelligenz, für Direktoren von Kombinaten und LPGen, für Künstler, für Rundfunkmitarbeiter, für Ärzte, Tierärzte, Apotheker, für Ballettmitglieder und Staatszirkusangestellte und für Mitarbeiter gesellschaftlicher Organisationen einschließlich der in der Partei hauptamtlich Beschäftigten. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auch darauf hinweisen, dass wir Versorgungslasten für die ehemaligen Kommunalbediensteten tragen und somit die Kommunen erheblich entlasten. So betrachtet übersteigen unsere Personalausgaben bereits die der vergleichbaren westlichen Flächenländer um einen ganzen Teil.

Auch beim Wohngeld, bei der Forensik, beim BAföG und bei den Auslagen in Rechtssachen sind erhebliche Mehrbedarfe aufzufangen. Hinzu kommen Einnahmeausfälle bei Gerichtsgebühren und bei der Abrechnung für die Förderperiode 1994 bis 1999 der EU-Strukturfonds.

Wie begegnen wir den gleichzeitigen Verschlechterungen auf der Ausgaben- und auf der Einnahmeseite?

Unsere Einschnitte im Personalhaushalt habe ich bereits erläutert. Hinzu kommen Ausgabenreduzierungen im Sachhaushalt, und zwar bei den sächlichen Verwaltungsausgaben im Umfang von 15 Millionen Euro und bei den Landesprogrammen im Umfang von 10 Millionen. Zusätzlich werden die Kofinanzierungsmittel entsprechend der Kürzung der Bundeszuweisungen für ABM und SAM um 12 Millionen zurückgenommen und wir beschränken die Kofinanzierung der Wohnungsförderung auf das notwendige Maß. Das bringt 10 Millionen Euro. Allerdings legen wir ein neues Programm zur Förderung von Altenwohnungen mit Betreuungsangebot auf mit einem Programmvolumen von 6 Millionen.

Bei den Kommunen reduzieren wir 6,9 Millionen Infrastrukturpauschale. In 2003 haben wir bewusst auf weitergehende Einschnitte verzichtet, um bereits geplante oder anfinanzierte Projekte nicht zu gefährden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)