Protokoll der Sitzung vom 19.02.2003

Zweitens. Die Einhaltung der verfassungsgemäßen Kreditobergrenze ist notwendig. Die Nettokreditaufnahme darf nicht die eigenfinanzierten Investitionen überschreiten, das heißt, die laufenden Ausgaben dürfen nicht aus Krediten, sondern müssen aus laufenden Einnahmen gedeckt werden.

Drittens. Noch gibt es den europäischen Stabilitätsund Wachstumspakt, noch gilt er, der heiß umstrittene, und danach darf unser Haushaltsdefizit, das gesamtstaatliche, drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten. Es bringt heute relativ wenig, darüber zu streiten – und an dieser Stelle sowieso nicht –, ob es sinnvoll ist, strikt an diesen drei Prozent festzuhalten oder ob es möglicherweise sinnvoller wäre, dieses flexibler zu gestalten, ohne ihn abzuschaffen. Es bringt uns jetzt für 2003 nichts, gar nichts, denn im Moment gilt die Androhung – in Anführungsstrichen – eines europäischen Prüfungsverfahrens mit der Androhung einer Strafe, an der wir dann auch als Land beteiligt werden. Unterm Strich ist klar, mehr Schulden machen, geht auch nicht.

Jetzt zu Herrn Renz. Seine Anfrage zur Einnahmeverbesserung ist absolut berechtigt, denn wir haben nur zum Teil Ausgabenprobleme. Wir haben in erster Linie ein Einnahmeproblem und deshalb ist seine Frage absolut berechtigt: Was passiert auf der Einnahmeseite? Was

kann man überhaupt als Land machen auf der Einnahmeseite? Schließlich haben wir dem Mehrbedarf von 117 Millionen Euro gegenüberstehen die Einnahmeverschlechterung von 528 Millionen Euro. Grundsätzlich ist das natürlich richtig, was die Finanzministerin sagt, auf Konjunkturentwicklungen können wir als Land marginal – ich würde sagen, fast gar nicht – Einfluss nehmen. Das ist auch klar.

Was liegt überhaupt im Einflussbereich einer Landesregierung eines Landes in Deutschland? Der Einflussbereich liegt im Bundestag. Steuerrechtsänderungen, Gemeindefinanzreform, finanzrelevante Themen, die die Länder betreffen, werden im Bundesrat entschieden. Da kann man durchaus als Bundesland Einfluss nehmen, zum Beispiel – und das an die Adresse von Herrn Renz – mit Landessteuern wie der Vermögenssteuer oder wie der Erhöhung der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Beides lehnt die CDU aus ideologischen Gründen ab. Finanzpolitisch müsste sie eigentlich dafür sein, denn es wären Einnahmeverbesserungen für die Länder.

Eine weitere Möglichkeit ist sicherlich die Absenkung

des Spitzensteuersatzes. Die CDU will unter 40 Prozent. Die CDU will überhaupt Steuern senken. Ich frage mich, wie soll das aufgehen, Steuersenkung auf der einen Seite, aber Einnahmeverschlechterungen auf der anderen Seite beklagen? Aber jetzt kommt eine Chance, und zwar ein Gesetz, das nicht ganz einfach formuliert ist, aber ansonsten unterm Strich doch relativ einfach ist, das Steuervergünstigungsabbaugesetz. Das Steuervergünstigungsabbaugesetz verfolgt das Ziel, ungerechtfertigte Steuerschlupflöcher z u schließen, steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten einzuschränken und Steuersubventionen abzubauen, wie selbst von der CDU gefordert. Dieses Gesetz geht am Freitag in den Bundestag. Ich bin mir sicher, am Freitag im Bundestag bekommt dieses Gesetz eine klare Mehrheit von Rot-Grün, geht dann in den Bundesrat und dann wird es so richtig spannend. Was passiert im Bundesrat beziehungsweise anschließend im Vermittlungsausschuss? Falls das Steuervergünstigungsabbaugesetz im vollen Umfang gekommen wäre, wären es Mehreinnahmen in 2003 für Bund und Länder von 3,6 Milliarden Euro. In den darauf folgenden Jahren würde sich das erhöhen auf 17 Milliarden Euro. Ich sagte, wenn es denn kommen würde.

Momentan entsteht eher der Eindruck, die CDU würde dieses Steuervergünstigungsabbaugesetz bis auf eine Ausnahme, auf die komme ich gleich noch, blockieren. Die eine Ausnahme, da gibt es Annährung, da geht es um die Körperschaftssteuerflucht der Unternehmen, indem die Anrechenbarkeit früher geleisteter Zahlungen zeitlich gestreckt wird. Das trifft auch die Kommunen. In diesem Fall gibt es eine Annäherung, das würde 800 Millionen Euro bringen insgesamt. Wir als Land würden davon auch profitieren, aber einen vergleichsweise geringen Betrag. Aber es wäre mehr möglich beim Steuervergünstigungsabbaugesetz. Ich habe zuvor die Summen genannt.

Was bleibt, wenn ich die CDU-Position bewerte? Herr Rehberg meint, SPD und PDS sind mit dem Nachtragshaushalt 2003 auf einem falschen Weg. Ich bin der Meinung, die CDU-Finanzpolitik befindet sich momentan auf einem Irrweg.

(Beifall Dr. Margret Seemann, SPD)

Warum? Nach allen Erkenntnissen, die bisher vorliegen, und dem, was heute präsentiert wurde, sind die Einsparvorschläge entweder nicht praktikabel, finanziell

nicht seriös, wenig erträglich und ökonomisch kontraproduktiv.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Eine Erhöhung der Kreditaufnahme wird als der falsche Weg bezeichnet, ohne Alternativen aufzuzeigen, um die Investitionsquote auf hohem Niveau zu halten.

Notwendige und machbare Verbesserungen der Einnahmeseite – und das noch mal an die Adresse von Herrn Renz – werden im Bundesrat vermutlich blockiert, ohne dass eigene Vorschläge unterbreitet werden. Das ist ein finanzpolitischer Irrweg. Einsparungsvorschläge, die nichts bringen, eine Erhöhung der Kreditaufnahme im jetzt vorgeschlagenen Umfang ablehnen und notwendige Einnahmeverbesserungen blockieren, das ist ein finanzpolitischer Irrweg, meine Damen und Herrn von der CDU-Fraktion.

(Volker Schlotmann, SPD: Das ist ein Offenbarungseid der CDU.)

Allerdings, es gibt ja noch Hoffnung. Wenn man aufmerksam die Medien verfolgt, zeichnet sich ein CDUKursstreit ab, der doch zumindest intern auch öffentlich umstritten ist, weil nicht erkennbar ist, was die CDU zukünftig mit ihrer Bundesratsmehrheit macht. Kommt es zur so genannten informellen großen Kollision, zur Zusammenarbeit, wie die einen es in der CDU wollen, oder kommt es zur Blockade und zur Konfrontation? Man erinnert sich vielleicht an Sonthofen im November 1974.

(Zuruf von Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Ja, „Spiegel“-Leser wissen mehr und das war im letzten „Spiegel“ noch einmal nachzulesen. Herr Ringstorff hat das schon mehrfach hier genannt, eine so genannte Sonthofen-Strategie. Was heißt das? In Sonthofen hat Franz Josef Strauß 1974 den Bundesrat als Dauerbremse entdeckt, damals gegen die sozial-liberale Bundesregierung. Ich zitiere Franz Josef Strauß: „Es“ – er meinte damit Staat, Wirtschaft und Gesellschaft – „muss wesentlich tiefer sinken, bis wir Aussicht haben, politisch mit unseren Vorstellungen, Warnungen und Vorschlägen gehört zu werden.“ Nur anklagen und warnen, aber keine konkreten Rezepte nennen, das war das Rezept von Franz Josef Strauß 1974.

Ich bin gespannt, welchen Weg die CDU 2003 einschlagen wird – einerseits verkündete Zusammenarbeit, andererseits sich abzeichnende Blockade. Weil ich ein positiv denkender Mensch bin, unterstelle ich mal, dass Herr Rehberg über die letztere, zweite Variante nachdenken wird, sich demnächst mit Frau Merkel und Herrn Stoiber treffen wird, um mit ihnen darüber zu sprechen, wie man vielleicht doch noch etwas mehr aus dem Steuervergünstigungsabbaugesetz auch für unser Land herausholen kann. Das wäre ein Beitrag im Interesse der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Zuruf von Lorenz Caffier, CDU)

Meine Damen und Herren, die Beratungen in den Fachausschüssen beginnen bereits in der kommenden Woche. Der Plan liegt Ihnen vor. Bitte tragen Sie alle zu einer konstruktiven und zügigen Beratung bei – konstruktiv in die Richtung, dass es trotz enger Spielräume die andere Korrektur doch noch geben sollte, zügige Beratungen, damit wir den gestellten Termin 9. April auch einhalten werden.

Vielleicht noch einmal einen Hinweis an Herrn Rehberg: Wenn er den Abgeordneten, auch den neuen, nicht zutraut, mit dem Nachtragshaushalt vernünftig umzugehen, sehe ich das anders. Ich habe vollstes Vertrauen in die Leistung und in die Fähigkeit unserer Kollegen Abgeordneten. Sie werden es packen, am 9. April hier den Nachtragshaushalt zu beschließen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke schön, Herr Abgeordneter Borchert.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Aussprache.

Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Landesregierung auf Drucksache 4/200 zur federführenden Beratung an den Finanzausschuss und zur Mitberatung an den Innenausschuss, an den Rechts- und Euro

paausschuss, an den Wirtschaftsausschuss, an den Landwirtschaftsausschuss, an den Bildungsausschuss, an den Bauausschuss, an den Sozialausschuss, an den Umweltausschuss sowie an den Tourismusausschuss zu überweisen. Wer stimmt diesem Überweisungsvorschlag zu? – Danke schön. Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag einstimmig angenommen.

Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesordnung. Wie bereits bekannt gegeben, berufe ich die nächste Sitzung des Landtages für Mittwoch, den 12. März 2003, 10.00 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.