Protokoll der Sitzung vom 19.02.2003

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Angelika Gramkow, PDS)

Es muss endlich erkannt werden von der Opposition wie auch von Wirtschaftsverbänden, dass es nicht um Arbeitsplätze im ersten oder zweiten Arbeitsmarkt geht. In den neuen Bundesländern sind wir in einer Situation, übrigens auch einzelne Regionen in den Altbundesländern,

das Ruhrgebiet zum Beispiel, Teile des Saarlandes und anderswo, dass wir auf ABM und SAM dringend angewiesen sind. Das erzählen Sie den Leuten vor Ort auch, wenn Sie in Ihren Wahlkreisen unterwegs sind. Hier reden Sie dann öfter etwas anders, aber das kennen wir zur Genüge. Ich sage Ihnen, wenn diese Menschen keine Chance haben, ABM- oder SAM-Stellen zu bekommen, verlieren diese Menschen ihre Lebensperspektiven, weil sie keine Aussicht auf Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Regine Lück, PDS)

Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn Arbeitgeber und CDU dann auf Bundesebene, aber nicht nur da, die Forderung nach Abschaffung des Flächentarifvertrages und Forderung nach betrieblichen Bündnissen für Arbeit erheben und die Landes-CDU MecklenburgVorpommern dem nicht widerspricht, dann frage ich mich, meine Damen und Herren, wie weit Sie von den Realitäten hier im Lande wirklich schon entfernt sind. Ich frage Sie ganz ernsthaft: Wie viele tarifgebundene Unternehmen haben wir denn bei uns im Land überhaupt noch? Beantworten Sie sich diese Frage einmal selbst! Bei denen, die noch tarifgebunden sind – und das sind die wenigsten –, da gibt es längst betriebliche Bündnisse für Arbeit. Und ich sage Ihnen, die Gewerkschaften arbeiten da schon längst mit. Also auch diese Forderung der CDU ist eigentlich nur Schaumschlägerei, viel mehr ist es nicht.

Ich sage Ihnen, für mich – und ich gehe davon aus, dass das in der SPD auch weiterhin Bestand hat, selbst wenn die Grünen heute wieder mal in die andere Richtung marschiert sind, aber es sei ihnen gegönnt –, mit uns und mit mir wird es eine Diffamierung des Flächentarifvertrages nicht geben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Für mich ist die Forderung nach dem gerechten Lohn eine zentrale Forderung, von der wir nicht abweichen werden.

Lassen Sie es mich klarstellen,...

(Udo Timm, CDU: Und was hat das mit dem Haushaltsnachtrag zu tun?)

Hören Sie bis zu Ende zu, dann werden Sie es vielleicht verstehen!

(Zuruf von Udo Timm, CDU)

Lassen Sie es mich klarstellen, die Idee der sozialen Gerechtigkeit ist für mich keine altmodische Vorstellung, sondern eine sehr moderne.

Meine Damen und Herren, die Verantwortung für Arbeitsmarktpolitik und Wirtschaftspolitik liegt ganz sicher maßgeblich auf der Bundesebene. Wir reden hier über den Nachtragshaushalt. Der wird bestimmt durch das Wirtschaftswachstum und alles das, was ich jetzt zitiere, gehört zum Wirtschaftswachstum. Das sollten Sie vielleicht mal intern bei Ihnen beraten, damit Sie das dann auch nachvollziehen können.

(Zuruf von Udo Timm, CDU)

Wir haben die Pflicht und Schuldigkeit, unsere landespolitischen Spielräume konsequent zu nutzen. Genau das macht die Koalition. Was machen Sie von der Opposition? Kommen wir doch zu der Frage. Nicht zukunftsgerichtet sind Ihre wirklich schon gebetsmühlenartigen Vorhaltungen zum Thema Transrapid, Airbus, BMW-Bewerbung.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Das hören wir heute bestimmt noch mal wieder.)

Wissen Sie, das ist eigentlich rückwärtsgewandt oder besser gesagt, das ist rückständig.

(Zuruf von Gesine Skrzepski, CDU)

Wir müssen hier im Land noch besser werden. Da gebe ich Ihnen Recht, das gilt für uns alle, für die Opposition genauso wie für uns. Die immer geringer werdenden Spielräume müssen wir noch konsequenter als bisher nutzen

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU – Udo Timm, CDU: Das heißt, noch besser werden.)

und wir müssen noch stärker als bisher Schwerpunkte setzen. Das wird an etlichen Stellen wehtun.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU – Heiterkeit bei Angelika Peters, SPD)

Es gibt dazu aber keine Alternative. Das fängt bei diesem Nachtragshaushalt an und geht dann weiter. Der nächste Doppelhaushalt steht im Herbst schon wieder vor unserer Tür.

Unter Schwerpunkte setzen verstehe ich, dass man sagt, wo das Land hin soll, was zukunftsträchtig ist und was daher besonders gefördert wird. Wir müssen die Stärken unseres Landes mehr als bisher hervorheben. Die Stärkung der heimischen Wirtschaft, vor allem in der Biotechnologie, der Tourismus, die Innovationskräfte an den Hochschulen zu fördern, aber auch zu fordern, der Gesundheitstourismus, auch der Ausbau alternativer Energien gehören für mich einfach dazu. Das ist der eine wichtige Teil von Zukunftsthemen des Landes MecklenburgVorpommern. Hier sage ich noch einmal, auch als Angebot in Richtung Opposition: Hier müssen die Kräfte stärker gebündelt werden.

Und im Grunde Ihres Herzens wissen Sie, meine Damen und Herren von der CDU, das auch ganz genau. Wenn man sagt, dass das Zukunftsthemen sind, gehört aber auch immer dazu zu sagen, was für einen nicht zukunftsfähig ist. Was wir nicht brauchen – ich denke, da gibt es eine relativ große Mehrheit in diesem Parlament über alle Fraktionen hinweg –, ist das 150. Spaßbad. Auch hier sind Schwerpunkte gefragt. Hier müssen wir auch als Landtagsabgeordnete dann dem einen oder anderen Bürgermeister mal einen Zahn ziehen. Wir müssen auch mit dem Wahnsinn aufhören, dass wirklich jede Kleinstgemeinde meint, ihr eigenes Feuerwehrhäuschen weiterhin durch das Land finanziert zu bekommen. Das sind nur zwei Beispiele, um deutlich zu machen, was ich meine. Wir können uns nicht mehr alles erlauben, wir müssen uns Schwerpunkte setzen, ich sage es noch einmal.

Gerade habe ich den einen Teil von Zukunftsthemen genannt. Der zweite damit untrennbar verbundene Teil von Zukunftsinvestitionen liegt in der Bildung und der Sozialpolitik. Das ist kein Schnickschnack, wie manche bei Ihnen meinen, das sind keine zweitrangigen Themen, es sind Zukunftsthemen. Es handelt sich tatsächlich um Standortfaktoren für dieses Land. Und da sage ich Ihnen – und darauf achten wir sehr genau –, wir müssen die Balance halten zwischen dem Fortschritt und der sozialen Gerechtigkeit beziehungsweise Sicherheit.

(Beifall Reinhard Dankert, SPD – Harry Glawe, CDU: Das wird ein Spagat.)

Ja, Sie sind doch heilfroh, dass Sie diesen Spagat nicht machen müssen, Herr Glawe,

(Harry Glawe, CDU: Den würde ich machen.)

denn Sie müssen ja Ihren Worten keine Taten folgen lassen. Das ist ja Ihr Problem.

(Harry Glawe, CDU: Jaja.)

Meine Damen und Herren, Wohlstand ausbauen, soziale Gerechtigkeit gewährleisten und die Substanz des Sozialstaates erhalten, und zwar auf hohem internationalen Niveau, sind für mich als Sozialdemokrat zentrale Werte. Dazu gehört auch das Thema Ganztagsschulen. Die Mittel der Bundesregierung für den Ausbau von Ganztagsschulen sind eben nicht, wie uns der bayerische Schulminister weismachen will – ich zitiere – „größtenteils unsinnige Schulausbauten“. Hier stellt sich auch die Frage nach der Rolle der Frau und der Familie in der Gesellschaft. Ich will nicht, dass Frauen wie in manchen süddeutschen Bundesländern die Arbeitslosenstatistik unfreiwillig dadurch füllen, weil sie sich nicht einmal mehr Arbeit suchend melden, weil die Arbeit der Frau dort nicht wirklich gesellschaftlich akzeptiert wird.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Zurufe von Harry Glawe, CDU, und Dr. Armin Jäger, CDU)

Komisch, dass Sie bei dem Thema immer hochgehen wie ein HB-Männchen, das finde ich immer gut.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Ich will, Sie wahrscheinlich nicht, dass jede Frau arbeiten kann, und zwar, wenn sie es will. Es kann auch nicht sein, dass sie einen Arbeitsplatz nicht antreten kann, weil sie ihr Kind nicht in der Kita oder Ganztagsschule abgesichert sieht.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Zurufe von Kerstin Fiedler, CDU, und Dr. Armin Jäger, CDU)

Das ist für uns ein zentrales Thema, und zwar nicht nur in diesem Nachtragshaushalt, sondern in dem gesamten Rest der Legislaturperiode. Und das ist ja für Sie bitter, das sind ja noch weit über drei Jahre.

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Meine Damen und Herren, besonders hervorhebenswert finde ich es, dass die Landesregierung in ihrem Entwurf das Thema Bildung als zentrale Herausforderung angenommen hat. Die hundertprozentige Unterrichtsversorgung – ich habe es schon mal erwähnt – ist mit diesem Nachtragshaushalt gesichert.

Zu einem echten Zukunftsthema gehört für mich auch, dass diese Koalition sich auf Vorschlag der SPD dazu entschlossen hat, eine umfassende Verwaltungsmodernisierung mit Funktionalreform anzupacken. Die Traute haben Sie nie gehabt, Kollege Jäger.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das war Ihr Ministerpräsident, der das nicht wollte.)

Ich durfte ja letzte Woche vom Kollegen Rehberg lesen, dass er auch für eine – ich zitiere – „Forcierung“ dieses Themas ist. Da bin ich wirklich guter Dinge, dass er endlich die Bremsen löst, die die CDU bei diesem Thema seit Wochen getreten hat. Der anfangs eher skeptische Landkreistag ist mittlerweile viel weiter als Sie, meine Damen und Herren.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Die eigenen Kommunalpolitiker der CDU sind mittlerweile viel weiter als Sie und das bekommt Ihr Fraktionschef ja zu seinem Leidwesen auch auf jeder seiner Veranstaltungen deutlich zu hören.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, machen Sie mit, bringen Sie sich ein! Verwaltungsmodernisierung ist für mich auch deshalb ein Zukunftsthema, weil wir endlich dahin kommen müssen, dass nicht ein Unternehmer fragen muss, wann die Verwaltung endlich mit ihren Planungen fertig ist, damit er anfangen kann. Wir müssen dazu kommen, dass die Verwaltung auf den Unternehmer zugeht und fragt, wann er anfangen will, und dass sie bis dahin fertig ist. Das wäre der richtige Weg. Ich bin davon überzeugt, eine solche moderne Verwaltung im gesamten Land macht unser Land attraktiver für Unternehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, diese Koalition ist sich ihrer Verantwortung wohl bewusst. Wir sind bereit, maßgeblich die Verantwortung zu tragen. Bei schönem Wetter, bei guten Haushaltsdaten kann das jeder,

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

aber in schwierigen Zeiten zeigt sich dann, wer wirklich politikfähig ist. Diese rot-rote Koalition hat eine stabile, breite und verlässliche Mehrheit und das wird Ihnen sicher noch so manches Mal hier mächtig Ärger bereiten.