Protokoll der Sitzung vom 19.02.2003

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich an Tempo denke, dann muss ich im Augenblick mit einem Stück weit Sorge auf das sehen, was die niedersächsische Landesregierung vorhat in ihrem wohlverstandenen Interesse. Christian Wulff wird am 4. März seine Regierungserklärung abgeben. Und in dieser Regierungserklärung wird er ausführen, dass das Land Niedersachsen vorhat, noch 2.500 Lehrer einzustellen. Und wenn ich dann sehe, dass die einzige Antwort im Bereich der Bildung eine Aufstockung bei der Vertretung von 8 auf 21 Millionen Euro ist, das heißt eine Verdreifachung, dann frage ich mich: Führt das, Herr Professor Metelmann, in die Zukunft? Ist das unsere Antwort darauf, junge Lehrer im Land zu halten? Es geht hier um Vertretungsstunden. Wie dramatisch muss denn der Unterrichtsausfall sein, dass Sie so massiv die Vertretungsmittel aufstocken? Ich mache Ihnen einen Alternativvorschlag: Geben Sie den Lehrern Sicherheit, stellen Sie...

(Ministerpräsident Dr. Harald Ringstorff: Verbeamten.)

Ja, Herr Ministerpräsident, natürlich verbeamten.

Wenn Schleswig-Holstein, SPD-geführt, und Niedersachsen, CDU-geführt, verbeamten, dann werden die Menschen dahin gehen, wo sie mehr Sicherheit haben. Und wenn Sie heute noch mit etwas Belustigung diesen Zwischenruf gemacht haben, dann sage ich Ihnen in ein oder zwei Jahren voraus, dass massiv Lehrer aus Westmecklenburg pendeln werden. Es pendeln schon heute fast 70.000 Menschen, gerade aus den Landkreisen Ludwigslust und Nordwestmecklenburg. Und Lehrer werden sich in die Pendler einreihen beziehungsweise sie werden ganz nach Niedersachsen gehen, wo sie a) verbeamtet werden, b) keine Zwangsteilzeit machen müssen und c) hundert Prozent bekommen. Aber a) und b), das werden die treibenden Motive sein dafür.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben Ihnen ein Personalentwicklungsprogramm als Alternative zum Lehrerpersonalkonzept vorgeschlagen. Wir sind bereit, mit Ihnen gerade auch unter den jetzigen Rahmenbedingungen, die wir haben, Stichwort Niedersachsen, neu über ein Personalentwicklungsprogramm zu diskutieren. Und noch einmal: Die Aufstockung der Vertretungsmittel um 13 Millionen Euro wird hier überhaupt keine Abhilfe schaffen. Für mich ist das übrigens die bildungspolitische Bankrotterklärung von SPD und PDS.

(Angelika Gramkow, PDS: Ach Gott! – Zuruf von Rudolf Borchert, SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren,...

Das ist überhaupt nicht kurz gegriffen, Herr Kollege Borchert. Warum stocken Sie denn gerade Vertretungsmittel von 8 auf 21 Millionen Euro auf? Wie dramatisch muss denn der Unterrichtsausfall sein?

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Das sagten Sie schon mal. – Angelika Gramkow, PDS: Ach!)

Wie geschönt sind denn die Zahlen, dass drei bis vier Prozent wirklich ausfallen? Was ist denn mit den anderen sechs Prozent so genannten Vertretungsstunden?

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Es läuft übrigens im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine hochinteressante Serie zu diesen Tatsachen. Und wenn Sie das möchten, ich schicke Ihnen gerne einige Zuschriften von Elternkonferenzen, von einzelnen Eltern zu, wenn es um Stundenausfall geht an den Schulen, ob Grundschule, ob verbundene Haupt- und Realschule, ob Gymnasium. Und es sind nicht Mangelfächer, Herr Kollege, Musik oder Französisch, sondern Mathe, Deutsch und Englisch.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Harry Glawe, CDU: Richtig!)

Und wenn wir so weit sind, dann sollten wir alle miteinander umdenken an diesem Punkt und nicht einfach diese Tatsachen negieren. Das mag ja vielleicht im Müritzkreis alles anders sein. Aber da ich meinen Kollegen Ringguth auch ziemlich gut kenne, glaube ich, dass es dort keine andere Situation gibt als bei mir im Wahlkreis.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie bauen beim Stellenabbau einen Popanz auf. Frau Ministerin Keler, Sie haben nicht gespart an der Kernverwaltung, Sie haben aufgestockt. Sie haben massiv gespart, und zwar zu weit über 80 Prozent im Stellenbereich bei den Schulen. Da nehmen Sie Ihren Stellenabbau her und da wollen Sie auch Ihren Stellenabbau hernehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist wirklich einmal eine ganz provokante Frage zu stellen. Sie haben zwischen 1998 und dem Jahr 2002 sieben Beamte oder Angestellte mehr als 1998, nur in der Kernverwaltung. Da ist doch mal die Frage zu stellen, wo sitzen hier die Prioritäten, denn Sie haben für das kommende Jahr nicht einen Euro mehr. Und es war zum Schluss nur noch eine moralische Anerkennung, wenn sich ein Handwerksmeister, ein Unternehmer entschlossen hatte, Erstausbildung zu machen und über den Bedarf hinaus auszubilden.

Herr Ministerpräsident, wenn Sie sagen, kein junger Mensch wird auf der Straße stehen bleiben, dann müssen Sie erst die Frage beantworten: Wie teuer werden Ihnen die 350 jungen Menschen, die Sie jetzt in die Warteschleife hineinschieben? – Deutlich teurer als eine Anerkennung für den Handwerksmeister. Und was machen Sie mit den 650? Auch ein halbes Jahr auf die Reservebank schicken? Und im August oder September wollen sie in der Stammelf spielen. Dann kommen aber die Schulabgänger von diesem Jahr noch dazu. Ich kann uns allen nur dringend raten, meine sehr verehrten Damen und Herren, ehe im August/September zwei-, zweieinhalb- oder dreitausend junge Menschen keinen Ausbildungsplatz in Mecklenburg-Vorpommern finden, dass wir wirklich darüber nachdenken, in diesem Bereich wieder etwas für die kleinen Handwerksmeister, für die Unternehmer zu tun. Das ist keine Kostenerstattung für sie, sondern es ist für mich mehr eine moralische Anerkennung bei der Erstausbildung, wenn sie über den Bedarf hinaus ausbilden. Ich möchte die jungen Menschen nicht auf der Straße stehen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Kommunalfinanzierung. Frau Keler, Sie haben über Jahre behauptet, dass wir ganz vornweg wären

(Ministerin Sigrid Keler: Das sind wir immer noch, Herr Rehberg.)

bei den Investitionszuweisungen für die Kommunen. Frau Keler, machen Sie sich einmal die Mühe, die wirklich frei verfügbaren Zuweisungen des Landes über die Infrastrukturpauschale beziehungsweise über die Investitionszuweisungen nach dem FAG auszurechnen und anderen neuen Bundesländern gegenüberzustellen. Pro Kopf stellt Mecklenburg-Vorpommern 77 Euro zur Verfügung, das ist der niedrigste Wert. Brandenburg liegt bei 107, Sachsen bei 133,

(Ministerin Sigrid Keler: Das habe ich doch immer gesagt.)

Sachsen-Anhalt bei 160 Euro, Thüringen bei 118 Euro pro Kopf.

(Angelika Gramkow, PDS: Genau das hat die Finanzministerin immer angeprangert. Wir wollten es aber politisch so.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das heißt, wir sind am Ende. Wir geben den Kommunen am wenigsten frei verfügbare Investitionszuweisungen.

(Angelika Gramkow, PDS: Natürlich! Das stimmt doch so gar nicht! Als Schlüssel- zuweisungen erhalten sie das bloß!)

Auf der anderen Seite wollen Sie aber im Doppelhaushalt 2004 den Kommunen 56,7 Millionen Euro entziehen,

in den Landeshaushalt übernehmen und geben ihnen dafür EFRE-Mittel.

(Angelika Gramkow, PDS: Das ist gar nicht wahr! Das ist der Fonds des Innenministers!)

Mit den EFRE-Mitteln können die Kommunen überhaupt nichts anfangen. Das sind keine frei verfügbaren Mittel, sie müssen auch Eigenanteile gegenpacken. Und deswegen: Steuern Sie hier in Ihrer Politik um, ansonsten werden Sie erleben, dass die Kommunen a) keine Fördermittel mehr abrufen können und b) gar nicht mehr investieren können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Die Eigen- anteile wird das Land bezahlen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Kollegin Gramkow, ich sehe ja ein,

(Angelika Gramkow, PDS: Gucken Sie doch rein in das Geschriebene!)

dass Sie besonders aufgeregt sind.

(Heiterkeit bei Angelika Gramkow, PDS)

Sie wollten mal eine Verbundquote von 30 Prozent haben,

(Angelika Gramkow, PDS: Richtig.)

Sie wollten mal eine kommunale Infrastrukturpauschale von 200 Millionen DM haben

(Angelika Gramkow, PDS: Richtig.)

und wir sind jetzt beim so genannten Gleichmäßigkeitsgrundsatz gelandet, wo sich Frau Keler noch als die große Gönnerin hinstellt und sagt, das sind noch deutlich mehr als die 1,3 Milliarden Euro. Frau Keler, machen Sie sich einmal die Mühe,

(Norbert Baunach, SPD: Sie macht sich immer die Mühe.)

die Steuereinnahmen des Jahres 2003 auf die 28 Prozent umzurechnen. Sie kommen auf einen dreistelligen Millionenbetrag, den die Kommunen mehr bekommen würden über die 1,3 Milliarden Euro. Das ist die Tatsache und keine andere!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Ministerin Sigrid Keler: Ach! Ach!)

Und wenn Sie dann noch dazurechnen, was den Kommunen dadurch, dass Sie die Verbundquote abgeschafft haben, dass Sie den Deckel eingeführt haben, in den letzten vier Jahren verloren gegangen ist, kommen Sie auf einen Betrag, der weit an die halbe Milliarde Euro herangeht.

(Angelika Gramkow, PDS: Und woher hätten wir es nehmen sollen?)

Das ist die Wahrheit, über die wir hier einmal miteinander reden müssen!

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Rechnen ist Glückssache, Herr Rehberg!)

Frau Gramkow, ich würde an Ihrer Stelle wirklich etwas stiller sein.

(Angelika Gramkow, PDS: Nein, ich komme noch dran!)