Werte Frau Keler, Sie sind schon im Jahre 2001 über 20 Prozent des Ansatzes bei den sozialen Sicherungen im Einzelplan 11 hinausgeschossen. Da waren Mehrausgaben von über 30 Millionen Euro zu verbuchen. Sie haben aber zugleich den viel zu geringen Ansatz 2001 einfach nach 2002 übertragen und wieder ist konsequenterweise Ihr Ansatz nicht im letzten Jahr aufgegangen. Ich will damit sagen, dass Sie hier einen besseren Informationsaustausch mit dem Bund anstreben sollten. Es kann doch nicht sein, dass Sie ständig die Ausgaben für soziale Sicherung, insbesondere für Erstattungen an den Bund für Zusatzversorgungssysteme, permanent unterveranschlagen. Die Entwicklung war doch großteils absehbar und Sie haben in keiner Weise darauf reagiert.
Stattdessen bauen Sie jetzt riesige Personalverstärkungstitel auf. Sie heben absolut in Zahlen die Verstärkungsmittel um 55 Prozent im Zuge des Nachtragshaushaltes an, beim Personal allein um 750 Prozent, die dann auch nicht detailliert aufgeschlüsselt werden, sondern lediglich pauschal beschrieben werden. Wie viel nicht quantifizierbare Risiken lauern da eigentlich noch auf uns? Sie sparen in diesem Nachtragshaushalt energisch beim Personal im ministerialen Verwaltungsapparat und in den Landesbehörden und dann stellen Sie diese Einsparungen durch die Hintertür über den Einzelplan 11 wieder ein.
(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Aber Herr Rehberg hat gerade gesagt, wir sparen nicht genug Personal ein. Das verstehe ich nun wieder gar nicht. – Heiterkeit bei Gabriele Schulz, PDS)
Da haben wir noch einigen Klärungsbedarf. Das können wir ja vielleicht im Finanzausschuss noch mal klären.
Also Ihre Argumentation, dass Mehrausgaben bei den sozialen Sicherungen überraschend eingetreten sind, ist für uns wenig nachvollziehbar, weil die Entwicklung schon früher erkennbar gewesen ist.
Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich ein paar Sätze zum Haushaltsrechtsanpassungsgesetz verlieren. Hier sind neue Passagen enthalten, die von grundsätzlicher Bedeutung und Tragweite sind. Unter anderem sind unbegrenzte Vorgriffe auf Verpflichtungsermächtigungen in Teilen der Einzelpläne des Sozialministeriums, der allgemeinen Finanzverwaltung und beim Staatshochbau vorgesehen. Das zeigt doch erst einmal, dass bei vielen Ecken des Nachtragshaushaltes keine konzeptionelle Planung und finanzielle Absicherung vorliegen und das Finanzministerium deshalb auf die künftigen Verpflichtungsermächtigungen angewiesen sein wird.
Da durch diese Änderung die nach der Landeshaushaltsordnung notwendige Zustimmung der Finanzministerin bei über- und außerplanmäßigen Ausgaben bewusst umgangen werden soll, kündige ich an, dass die CDU im Finanzausschuss hier einen Vorbehalt geltend machen wird. Ein gesundes Maß an Kontrolle ist schon geboten, Frau Finanzministerin. Und wenn Sie das nicht machen, dann machen wir das. Und ich hoffe, dass die Koalitionsfraktionen das genauso sehen.
Zudem wollen Sie jetzt Stellen kapitelübergreifend in Anspruch nehmen können. Ich frage Sie, Frau Keler: Wo bleibt denn da die Kontrollfunktion des Parlaments? So einfach geht das doch nicht! Ihre Zustimmungspflicht nach der Landeshaushaltsordnung wird einfach über Bord geworfen und der Finanzausschuss spielt für Sie gar keine Rolle mehr!
Es ist zwar gerade die Jahreszeit für Narren, Frau Finanzministerin, aber deshalb können wir doch nicht einfach eine generelle Narrenfreiheit schaffen wollen. Auch hier ist ausdrücklich das Parlament wieder mit ins Boot zu nehmen. Eine Unterrichtung des Finanzausschusses bei Stellenumschichtungen ist doch wohl geboten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt will ich noch auf einige geplante Änderungen des Finanzausgleichsgesetzes eingehen. Die Fixierung einer konkreten Regelung von Finanzausgleichszahlungen im Zuge des Konnexitätsprinzips ist grundsätzlich im Interesse aller Beteiligten, insbesondere der Kommunen, zu begrüßen. Die Kommunen haben ein Recht darauf, vom Land Geld zu erhalten, wenn sie für dieses staatliche Aufgaben vor Ort übernehmen.
Sie beziehen sich bei Ihrem Änderungsvorschlag ausdrücklich auf die Regelungen in der Kommunalverfassung. Da steht drin, dass ein finanzieller Ausgleich zeitgleich mit der Aufgabenübertragung zu gewähren ist. Und was machen Sie? Sie berechnen zwar den finanziellen Ausgleich zeitgleich mit der Aufgabenübertragung, zahlen diesen aber erst im nächsten, wenn nicht gar aus haushaltsrechtlichen Gründen notwendig im übernächsten Haushaltsjahr aus. Das sind ganze zwei Jahre! Ich gehe in den nächsten Jahren davon aus, dass die Landesregie
rung aufgrund der desolaten Haushaltslage ihre Zahlungsverpflichtungen so weit wie möglich zeitlich nach hinten verschieben wird. Ergo müssen die Kommunen zwei Jahre bei den ihnen übertragenen Landesaufgaben in Vorleistung gehen, ohne auch nur einen Cent dafür zu sehen.
Haben Sie sich einmal ausgemalt oder bei der Neuregelung berücksichtigt, wie das Gesetz nach Ihrer Verwaltungsreform funktionieren soll, wenn Sie diese Änderung beibehalten? Aktuell sind Ausgleichszahlungen in Höhe von rund 2 Millionen Euro per anno zu leisten.
(Angelika Gramkow, PDS: Das Verfahren haben die Kommunen so akzeptiert und unterschrieben. – Dr. Ulrich Born, CDU: Was bleibt ihnen denn anderes übrig?!)
Nehmen wir die in der SVZ dargestellten Vorschläge des Innenministers Timm vom Anfang November letzten Jahres
(Angelika Gramkow, PDS: Herr Born, Sie wissen mal wieder nicht, worüber Sie reden! – Glocke der Vizepräsidentin)
mal als Grundlage für eine Beispielrechnung. Die Vorschläge sind im Übrigen bis heute von Ihnen nicht dementiert worden, Herr Innenminister. Denken wir positiv und streichen ein paar Vorschläge von Herrn Timm, dann führen wir einen optimistischen Abschlag auf die Statusquo-Ausgaben für die bisher vom Land geleisteten Aufgaben ein, die durch den Wegfall von Aufgaben und durch Kostenersparnis bei der Umsetzung der Verwaltungsreform entstehen. Und eh wir uns versehen, sind wir ganz schnell weit in einem dreistelligen Millionenbetrag, den die Kommunen aufzubringen haben, damit sie die Landesaufgaben übernehmen und ausfüllen können.
Ich frage Sie, Frau Keler: Wie soll das Ganze funktionieren, wenn die Kommunen hier zwei Jahre lang finanziell in Vorleistung gehen sollen, bevor das erste Geld vom Land als Ausgleich fließt? Darüber können wir ja auch noch mal sprechen. Haben Sie das bei Ihrer Änderung des Finanzausgleichsgesetzes berücksichtigt als Frage? Sieht so eine Definition von Konnexität aus?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, was soll den Kommunen noch finanziell zugemutet werden? Sie haben mit Ihrem Nachtragshaushalt die fest zugesagten Zuweisungen von Investitionen an die Gemeinden außerhalb des Finanzausgleichgesetzes in Höhe von 6,9 Millionen Euro komplett gestrichen. Wir haben es heute schon mehrmals gehört. Mecklenburg-Vorpommern gewährt den Kommunen ohnehin schon die geringste Zuweisung für Investitionen innerhalb des kommunalen Finanzausgleiches
zuzüglich Investitionszuweisungen aus Bundesergänzungszuweisungen im Vergleich mit den anderen neuen Ländern. In Mecklenburg-Vorpommern haben wir eine Quote von etwas mehr als 10 Prozent. Alle anderen Länder im Osten haben mindestens einen investiven Anteil von 15, Sachsen-Anhalt sogar einen Anteil von 25 Prozent.
(Angelika Gramkow, PDS: Zu Lasten der Schlüs- selzuweisungen pro Kopf und Einwohner. Das soll- ten Sie immer dazusagen. – Gabriele Schulz, PDS: Das hätten Sie dazusagen sollen.)
Aus der Pro-Kopf-Sicht, wie Herr Rehberg vorhin schon betont hatte, sind das 77 Euro für jeden Landesbürger.
(Gabriele Schulz, PDS: Sprechen Sie mal mit Ihrer Gemeinde! – Angelika Gramkow, PDS: Was hält denn der Oberbürgermeister davon?)
(Gabriele Schulz, PDS: Fragen Sie mal Ihren Bürgermeister! – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Wie wichtig die Schlüsselzuweisungen sind, sollte der Vorsitzende des Finanzausschusses der Hansestadt Greifswald doch wissen!)
Und Sie sagen, Frau Finanzministerin, dass die Kürzung der 6,9 Millionen Euro der einzige Beitrag der Kommunen zur Haushaltskonsolidierung sein soll. Wie sieht es denn wirklich aus?
Erstens. Sie haben doch den Ausgleich des Fehlbetrages aus 2002 zeitlich gestreckt. Der größte Ausgleichsbetrag kommt doch erst mit 163 Millionen Euro im nächsten Jahr.
Zweitens. Die weitere überplanmäßige Neuverschuldung ist absehbar. Die Mehrausgaben der verdreifachten Neuverschuldung aus diesem Jahr schlagen doch erst in den kommenden Jahren zu Buche.
Drittens. Sie kürzen ab dem nächsten Jahr die Infrastrukturpauschale um mehr als 56 Millionen Euro und bieten als Ausgleich schon vorhandene und genutzte Finanzierungsquellen an. Frau Keler, das ist doch einfach ein fauler Taschenspielertrick!
Und viertens. Sie lassen mit Ihrer Änderung des Finanzausgleichsgesetzes die Kommunen bei übertragenen Landesaufgaben zwei Jahre in Vorleistung gehen. Und es ist absehbar, dass diese Aufgaben in Zukunft erheblich anwachsen werden. Sie lassen so die Kommunen finanziell ausbluten und verschaffen sich auf Kosten dieser Kommunen Ihre Liquidität.
Das sind nur einige Punkte, die ich hier genannt habe und die finanziellen Konsequenzen werden wir schon im Doppelhaushalt 2004/2005 sehen. Für dieses Jahr lassen die Kommunen sich ganz galant mit 6,9 Millionen Euro an der Haushaltsmisere beteiligen, aber die wahren finanziellen Folgen kommen doch erst. Und dann, Frau Keler, ist mein Bedenken, werden Sie richtig zuschlagen. Dann kommen Sie mit dem Gleichmäßigkeitsgrundsatz daher – wir haben heute schon gehört, den wollen wir nicht antasten – und werden die Kommunen kräftig zur Kasse bitten. Die Folge müsste zwangsläufig sein, dass wir das Insolvenzrecht auf staatliche Gebietskörperschaften einführen müssten.
(Angelika Gramkow, PDS: Das geht leider nicht nach dem Grundgesetz. Das geht nach dem Grundgesetz nicht.)
Die Kürzung der investiven Zuweisungen schlägt sich bei uns in Greifswald in diesem Jahr mit einer Minderein
nahme von 170.000 Euro nieder, genau 170.300 Euro. Dabei haben wir jetzt schon einen Sanierungsstau von mindestens 25 Millionen Euro, und das nur bei den Schulen. Wie sollen wir das eigentlich nach den bisherigen Plänen noch zusätzlich schultern können, wenn wir zehn Prozent der Kosten zur Einrichtung von Ganztagsschulen übernehmen sollen? Darüber haben wir auch schon mal gesprochen.
(Angelika Gramkow, PDS: Sie müssen das nicht übernehmen. Sie müssen die 90 Prozent nicht nehmen. – Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)
Das werden wir ja sehen. Sie wollen doch die Ganztagsschulen. Warum wollen Sie denn jetzt die Kommunen ausgrenzen, weil Sie sagen, sie müssen es nicht nehmen?
(Angelika Gramkow, PDS: Nee. – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Wenn wir den Tunnel unter dem Ryck nicht bauen, haben wir schon Geld.)