„Durch die Einführung einer steuerlichen Beteiligung der Kernenergiewirtschaft an den Sanierungskosten des Haushaltes sowie der Reduktion der“ – und jetzt, man höre und staune – „Zusatzgewinne können jährlich 2,3 Milliarden Euro zusätzliche Einnahmen für den Bundeshaushalt generiert werden“, tönt es am 8. Juni aus dem Bundeskanzleramt.
Ob diese Summe überhaupt im Bundeshaushalt verbleibt, also der Sanierung dient, ist gegenwärtig wieder offen, denn schließlich melden sich die Bundesländer, die Atomstandorte sind, auch schon mit Forderungen nach finanzieller Beteiligung.
Und kein Wort davon, meine Damen und Herren, dass diese 2,3 Milliarden Euro stante pede auf die Verbraucher umgelegt werden, was zu einer Verteuerung des Stromes beim Endverbraucher um 1,5 Cent pro Kilowattstunde führen wird. 2,3 Milliarden Euro, und auch nur bis zum Jahr 2006, sollen die Energiekonzerne zur Sanierung des Bundeshaushaltes beitragen. Zu Recht hat der Bundesvorsitzende der SPD das als Peanuts bezeichnet.
Die zeitgleiche Streichung des Zuschusses für die Rentenversicherung der Arbeitslosen bringt allein schon 1,8 Milliarden Euro Einsparungen im Bundeshaushalt. Und diese gekürzten 1,8 Milliarden Euro werden sich unmittelbar auf die künftigen Haushalte der Länder und insbesondere der Kommunen auswirken, denn diese sind in der finanziellen Verantwortung für jetzige Hartz-IV-Bezieher und insbesondere zahlungspflichtig gegenüber künftigen Empfängern der Grundsicherung.
Und auch die neuerlich ausgehandelten Abschreibungsmöglichkeiten der Energiekonzerne werden sich erneut in Mindereinnahmen der Kommunen und der Länder widerspiegeln, und zwar schon ab dem Jahr 2012.
(Marc Reinhardt, CDU: Glauben Sie das wenigstens selbst, was Sie da sagen? – Zuruf von Harry Glawe, CDU)
Und gerade der ausgehandelte Atombeschluss der schwarz-gelben Regierung zeigt wieder einmal deutlich, meine Damen und Herren, dass die Bundesregierung auf der einen Seite nur Klientel- und Lobbypolitik betreibt und auf der anderen Seite weder Interesse an einem notwendigen sozialökologischen Umbau der Wirtschaft hat noch den sozialen Ausgleich in der Bundesrepublik anstrebt. Und auch deshalb – ich bin bei meinem letzten Satz – sollte unser Land sich gegen die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken einsetzen,
zum Beispiel im Bundesrat, denn es geht in diesem Falle um die Verletzung der Rechte der Bundesländer und wer die Richtung der politischen Entscheidung letztlich bestimmt. – Danke schön.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/3743. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe. – Danke. Enthaltungen? – Danke. Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/3743 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE, Ablehnung der Fraktion der SPD, der CDU, der FDP und der NPD abgelehnt.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 12: Beratung des Antrages der Fraktion der FDP – Schwellenwerte für gentechnisch veränderte Organismen in konventionellem Saatgut festlegen, Drucksache 5/3734.
Antrag der Fraktion der FDP: Schwellenwerte für gentechnisch veränderte Organismen in konventionellem Saatgut festlegen – Drucksache 5/3734 –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! In seinem Grußwort auf dem MeLa-Kongress in Güstrow traf unser Agrarminister die Aussage, dass Wissenschaft und Forschung in Mecklenburg-Vorpommern kein Selbstzweck sind und dass sich bedauerlicherweise die Agrarforschung rückentwickelt hat. Die bisherige sehr restriktive Politik im Bereich der Züchtungsforschung, gepaart mit widersprüchlichen Aussagen in der Agrarforschung, hat letztendlich dazu geführt, dass die Agrarforschung in Mecklenburg-Vorpommern zurückgefahren wurde. Anfang 2008 verteidigte der Minister noch den Anbau von gentechnisch verändertem Weizen bei Groß Lüse
witz. Gleichzeitig bemängelte er bereits damals in der „Ostsee-Zeitung“, dass Forscher und Entwickler zunehmend das Land verlassen.
Mit seinen widersprüchlichen Aussagen zur grünen Gentechnik wird die Forschung in unserem Land weiter verunsichert. Eine bekannte Forschungsstelle gerade auch im Bereich der Biotechnologie ist das AgroBioTechnikum in Groß Lüsewitz. Neben dem AgroBioTechnikum haben sich dort weitere namhafte Institute angesiedelt. Ich kann mir allerdings schwerlich vorstellen, dass vor den gemachten Aussagen des Ministers zur Nutzung der Biotechnologie die ursprünglichen Ziele und Aufgaben des Technikums unproblematisch zu erreichen sein werden.
In anderen Bundesländern sieht dies gänzlich anders aus. Der offene und sachliche Umgang mit dem Thema Biotechnologie in anderen Bundesländern und Staaten hat dazu geführt, dass Forschung in diese ausgewandert ist. Als Bundesland beispielhaft möchte ich hier Sachsen-Anhalt nennen. Hier geht die Landesregierung mit dem Thema Biotechnologie viel sachlicher und unaufgeregter um. Ob sich Sachsen-Anhalt gerade deshalb den Namen „Land der Frühaufsteher“ gibt?
In unseren Augen ist die derzeitige Situation sehr bedauerlich. Letztendlich ist sie aber auch ein Ergebnis einer sehr ideologisch geprägten Politik. Und so viel nur einmal vorweg. Ich komme dann jetzt zu unserem Antrag.
Wie sieht nun die Situation für die Saatgutbetriebe in Mecklenburg-Vorpommern und in der gesamten Bundesrepublik aus? Jahrelang bestand in den Bereichen Lebensmittel, Futtermittel und Saatgut europaweit eine Nulltoleranz für Beimengungen von gentechnisch veränderten Organismen. Dies hat sich mit der EG-Verordnung 1829/2003, die seit April 2004 gilt, bei Lebens- und Futtermitteln mit der Schaffung eines Schwellenwertes von 0,9 Prozent geändert. Dies bedeutet, dass sowohl Lebens- als auch Futtermittel, die einen GVO-Beimengungsanteil von maximal 0,9 Prozent aufweisen, nicht als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden müssen.
Die EU ist zu dem Schluss gekommen, dass Beimengungen von zugelassenen GVOs in diesem Rahmen nur zufällig und nicht bewusst sind und als unbedenklich eingestuft werden können. Der Schwellenwert zieht also die Grenze zwischen einer bewussten und einer technisch unvermeidbaren oder zufälligen Anwendung gentechnisch veränderter Organismen. Nahezu ebenso lang wie die Diskussion zur grünen Gentechnik ist auch die Diskussion zur Einführung von Schwellenwerten für Beimengungen von gentechnisch veränderten Organismen im Saatgut.
Sehr geehrte Kollegen, auch wenn es uns einige immer wieder weismachen wollen, Europa ist keine Insel und man kann auch keine Mauer drum bauen und sollte es auch nicht tun. Nach bestehenden Erkenntnissen ist es nicht möglich, das gesamte benötigte Saatgut in der EU selbst zu züchten. Europäische und damit auch deutsche Landwirte sind also auf Saatgut von Ländern außerhalb der EU-Staaten angewiesen, in denen gegebenenfalls auch gentechnisch veränderte Organismen angebaut werden.
Lebensmittel, Futtermittel und eben auch Saatgut werden global gehandelt. Weltweit stieg die Anbaufläche von GVO-Pflanzen im letzten Jahr auf 134 Millionen Hektar an, obwohl sie in Europa wegen der französischen
und deutschen Anbauverbote um circa 14 Prozent rückläufig war. Das Festhalten an der Nulltoleranz bei Saatgut hat unter diesen Punkten besondere Auswirkungen auf die Zuchtbetriebe. Die Handhabung des Gentechnikgesetzes und die daraus erwachsenden Folgen werden zu unkalkulierbaren Risiken für sie.
Im Frühsommer wurde bekannt, dass es zur Aussaat von gentechnisch verändertem Mais gekommen ist, der zwar eine europäische Zulassung als Lebens- und Futtermittel, aber keine für die Aussaat besitzt. Bei diesem Mais wurde die Beimengung an der Nachweisgrenze mit 0,03 Prozent festgestellt.
Der nicht für den Anbau zugelassene Mais stellt einen Verstoß gegen das geltende Gentechnikgesetz dar und deshalb ordnete der Minister die Vernichtung der gesamten Aussaat an. Der Schaden für den Zuchtbetrieb für die Aussaat von NK 603 wird mit 3 bis 4 Millionen angegeben. Die Opportunitätskosten für den Landwirt sind hierbei noch nicht einmal mitgerechnet und die Möglichkeit der Übernahme solcher Kosten ist für viele Zuchtbetriebe nur in sehr geringem Umfang möglich.
Gerade bei den festgestellten Beimengungen sieht meine Fraktion die Verhältnismäßigkeit der zu ergreifenden Mittel als nicht gegeben.
Der Frage, ob es sich dabei wirklich um vermehrungsfähigen Samen oder lediglich eine durch Stäube bedingte Verunreinigung handelt,
kann nicht nachgegangen werden, da sich die Länder der Erstellung einer sogenannten Zweit- oder B-Probe verweigern. Beispielsweise wurden bei der Aussaat von Raps der Sorte Taurus in 2007 GVO-Beimengungen von weniger als 0,03 Prozent festgestellt. Bei weiteren, von anderen Instituten dann durchgeführten Beprobungen am gleichen Raps wurden keine Verunreinigungen mehr festgestellt.
Im Ergebnis führt diese Handlungsweise dazu, dass wertvolle Saatpartien auf Verdacht vernichtet werden müssen. Noch heute befinden sich beide Vorgänge vor Gericht zur Klärung der Verschuldensfrage: bei der Probenahme oder bei der Züchtung. Dieser restriktive Umgang führt dazu, dass die global tätigen namhaften Pflanzenzüchter und Saatgutbetriebe ihre Forschungen und Züchtungen aus Mecklenburg-Vorpommern und Deutschland in andere Staaten hinein verlagern.
Und auch Angstdebatten leisten wiederum nur den großen Saatgutkonzernen Vorschub. Der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter führt beispielsweise auf, dass einige Fraunhofer-Institute Freilandversuche nicht mehr in Deutschland und Europa durchführen.
Weiterhin hat die Norddeutsche Pflanzenzucht, NPZ, die auch eine Niederlassung auf Poel in Mecklenburg-Vorpommern hat, bereits 2003 eine eigene Forschungstochter in Kanada gegründet,
um Sorten für den amerikanischen Markt zu entwickeln. Ebenso führt die Deutsche Saatveredelung ihre Entwicklung von GVO-Pflanzen nur noch in Kanada durch.
Andere Betriebe verlagern ihre biotechnologische Forschungsabteilung komplett nach Gent. Und beispielsweise BASF wird keine Produkte mehr rein für den europäischen Markt entwickeln. Die Universität Hannover führt Freilandversuche an der North Dakota State University durch. Einher mit dem Outsourcen von Forschung und Entwicklung in Deutschland geht auch das Outsourcen der Wissenschaftler vonstatten. Wenn es hier zu keiner Änderung kommt, wird Deutschland in diesem Bereich massiv den Anschluss verlieren.
Nach jahrelangem Widerstand ist auch der Deutsche Bauernverband in Bezug auf Saatgutschwellenwerte zu einem Umdenken gekommen. Verbandspräsident Sonnleitner sprach sich dafür aus,
dass unvermeidbare technische Restvermengungen mit gentechnisch veränderten Pflanzen an der Nachweisgrenze toleriert werden müssen. Andere Staaten sind hier bereits einen Schritt weiter.
Österreich beispielsweise als einer der gentechnikkritischsten Staaten legt für Saatgut einen Schwellenwert von 0,1 Prozent als verlässlich überprüfbare Nachweisgrenze fest.
Werte Kollegen, mit unserem Antrag wollen wir erreichen, dass die Forschung wieder nach MecklenburgVorpommern und Deutschland zurückkehrt