gegen diesen Bescheid klagen vor dem Sozialgericht, wenn ich dadurch belastet bin, wenn ich so ein Kind hätte und plötzlich weniger Mehrbedarf kriege. Und dann dauert das anderthalb Jahre, bis ich vor dem Sozial gericht überhaupt einen Termin kriege, und dann muss ich nachher zum Landesozialgericht.
Und irgendwann im grauen Nebel der Zukunft komme ich nach Karlsruhe und dann sagen die vielleicht in drei, vier Jahren, ja, das ist verfassungswidrig.
Und so sind die Zustände in diesem Staat. Theoretisch könnte ich als neu gewählte Regierung eine Flut von verfassungswidrigen Gesetzen entwerfen und auch verabschieden und das dauert vier Jahre,
bis die alle wieder kassiert sind – fast schon wie beim Regensburger Reichsgericht zur Zeit des 30-jährigen Krieges, da konnten Prozesse auch noch 100 Jahre dauern.
Ich kann also eine ganze Legislaturperiode mit verfassungswidrigen Gesetzen zustopfen und die dauern dann auch vier bis fünf Jahre und da ist kein effektiver Rechtsschutz mehr zu sehen. Das kann man weder Rechts- noch Sozialstaat nennen. – Vielen Dank.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 5/3747. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe. – Danke. Enthaltun
gen? – Danke. Damit ist der Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 5/3747 bei Zustimmung der Fraktion der NPD, Ablehnung der Fraktion der SPD, der CDU, der LINKEN, der FDP abgelehnt.
Die Beratung des Tagesordnungspunktes 28 entfällt, da der Antragsteller den Antrag auf Drucksache 5/3742 zurückgezogen hat.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 29: Beratung des Antrages der Fraktion der FDP – Modellprojekt Familiencard in Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 5/3733.
Antrag der Fraktion der FDP: Modellprojekt Familiencard in Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 5/3733 –
Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In den vergangenen Jahren ist die Debatte um staatliche Transferleistungen immer wieder neu entfacht worden. Ob es die Diskussion über das Verhältnis von Fördern und Fordern oder die Höhe der Regelsätze betrifft – überall gingen die politischen Meinungen weit auseinander. In dieser Debatte hat sich aber ein breiter gesellschaftlicher Konsens für eine Einführung von Sach- statt Geldleistungen herauskristallisiert. Auch über das Haupteinsatzfeld dieser Sachleistungen gibt es einen breiten Konsens. Sachleistungen sollen dazu dienen, die Bildungschancen der Kinder zu verbessern.
Und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist originäre Aufgabe des Landtages. Die Bildungspolitik liegt in der Hoheit der Bundesländer. Von daher sind wir in der Pflicht, bei einem Schiefstand der Bildungschancen jede Verbesserung konstruktiv zu begleiten und eigene Initiativen anzustreben. Denn wir in MecklenburgVorpommern können am besten entscheiden, welche Maßnahmen den Kindern in unserem Bundesland am besten weiterhelfen.
Dabei darf es nicht um eine Konfrontation mit der Bundesinitiative von Frau von der Leyen gehen. Vielmehr müssen wir ihre Anregungen aufgreifen, um mit unserem Wissen über die Gegebenheiten unseres Bundeslandes das beste Ergebnis zu erzielen, denn nur hier vor Ort wissen wir am besten, ob zum Beispiel ein Kurs an der Kinder-Uni, eine finanzielle Hilfe für den öffentlichen Nahverkehr oder ein Kita-Schnupperkurs unseren Kindern besser weiterhilft.
Die wichtigste Aufgabe für die Politik ist es, dabei eine Diskriminierung von Bedürftigen zu verhindern. Dies können Gutscheinmodelle sein oder eben ein Kartensystem. Um hier eine Antwort zu finden, brauchen wir nicht auf die Bundesministerin zu warten. Auf eine Neuberechnung der Regelsätze warten wir nicht mehr lange, sie wird demnächst veröffentlicht.
Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, wie viel Geld wir am Ende mit einem solchen System an die Kinder im Land verteilen können, spielt bei der Debatte um eine zielgerichtete Hilfe ohne Diskriminierung keine Rolle.
Und wenn es um das System geht, brauchen wir das Rad nicht neu zu erfinden. Bereits heute wird der über
wiegende Teil aller Bezahlvorgänge mit Kartensystemen vollzogen. Diese Kartensysteme sind erprobt, bewährt und kostengünstig verfügbar. Bereits mit den Modellversuchen in Baden-Württemberg wurde die Verteilung von Sachleistungen mit einem Kartensystem erfolgreich erprobt und auch in Mecklenburg-Vorpommern gibt es bereits bestehende Verteilungssysteme von Sachleistungen.
Wir sollten unseren Aufgaben als Landesparlament gerecht werden und die Verbesserung von Bildungschancen selbst in die Hand nehmen. Daher bitte ich Sie um die Annahme unseres Antrages. – Danke.
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Um das Wort hat zunächst gebeten die Ministerin für Soziales und Gesundheit Frau Schwesig. Frau Schwesig, Sie haben das Wort.
Herr Grabow, es liegt uns ein Antrag Ihrer Fraktion vor, in dem steht, dass der Landtag beschließen sollte, dass die Landesregierung ein Modellprojekt einführt, also die Familiencard in Mecklenburg-Vorpommern einführt nach dem Vorbild der Kommunen Stuttgart und Recklinghausen.
Mal abgesehen davon, dass man Stuttgart und Recklinghausen nicht ganz mit Mecklenburg-Vorpommern vergleichen kann – denn die Frage Flächenland und Großstädte, da ist wirklich noch mal ein Unterschied –, ist die Frage einer Einführung einer Familiencard, die sich auf freiwillige Leistungen bezieht, so wie in Stuttgart, dass man eben verbilligt in den Zoo kommt, in die Schwimmhalle, eine Frage, die natürlich die Kommunen prüfen können und einführen können. So etwas kann nicht das Land einführen, denn es handelt sich hier um freiwillige Leistungen, die die Kommunen vor Ort vorhalten und wo die Kommunen je nach Kassenlage letztendlich so eine Karte haben können oder nicht.
Und ein bisschen haben Sie es ja erwähnt: Alle Welt tut, als ob Stuttgart irgendwie was völlig Neues ist. Viele Städte haben so was: Schwerin hat einen Schwerin-Pass, Güstrow hat eine Karte. So was können Kommunen testen und natürlich ausprobieren und insofern besteht da gar kein Widerspruch. Aber Sie vermischen jetzt die Idee dieser Karte mit dem Auftrag, den es vom Bundesverfassungsgericht gibt, die Regelsätze für Kinder aus Hartz-IV-Familien neu festzusetzen. Und dies macht es jetzt ein bisschen schwierig, denn eigentlich kommt der Antrag zu den Regelsätzen erst nach diesem Thema und damit machen wir jetzt hier das, was Frau von der Leyen auch öffentlich falsch macht, sie macht den zweiten Schritt vor dem ersten.
Der erste Schritt ist nämlich, dass wir darüber diskutieren müssen, welche Leistungen Kindern zugute kommen sollen, und im zweiten Schritt dann, über welchen Weg. Das ist die einhellige Meinung aller Bundesländer aus dem Kamingespräch, auch bei Frau von der Leyen.
Und deswegen würde ich aber jetzt gerne, weil wir bei der Debatte Familiencard sind, Sie haben auch die Debatte Regelsätze aufgerufen, auch zu beiden Stellung nehmen und doch das, was ich zu den Regelsätzen im nächsten Thema gesagt hätte, auch schon vorziehen, denn Sie vermischen eben auch die beiden Dinge und die Dinge gehören nach Ihrer Meinung zusammen. Und deswegen würde ich dazu gerne Stellung nehmen.
Sie haben gesagt, dass man die Bildung von Kindern eben verbessern kann, wenn man die Karte einführt. Die Bildung von Kindern wird nicht automatisch verbessert, egal ob man die Karte hat oder nicht, ob man Gutscheine hat oder nicht. Bildung von Kindern wird nur verbessert, wenn es tatsächlich vor Ort die Infrastrukturangebote gibt, wenn es wirklich die Musikschule vor Ort gibt, wenn es die passende Nachhilfe gibt, wenn es das Mittagessen gibt, wenn es die gute Kita gibt, die gute Ganztagsschule.
Und wenn es dann noch zusätzlich gute Freizeitleistungen gibt wie Zoo, wie Schwimmhalle, ist es sehr wünschenswert. Aber Sie kennen sehr wohl die finanzielle Situation der Kommunen und ich finde es ehrlich gesagt ein bisschen unehrlich, wenn heute gleichzeitig in Berlin die Haushaltsdebatte zum Bundesetat durchgeführt wird, wo viele familienpolitische Leistungen gekürzt werden, wo alleine 100.000 Familien, davon 50.000 Alleinerziehende, ab nächstes Jahr im Jahr 3.600 Euro weniger bekommen werden
und wo Kommunen 2,8 Milliarden Euro durch Steuerpolitik weggenommen werden, mit denen sie eigentlich genau diese Sachen – Schwimmhalle, Musik, Zoo – vorhalten können.
Zurück zu der Regelsatzdiskussion, was ja die Ursache ist, warum wir überhaupt über eine Bildungscard, Chipcard oder anderes reden. Das Bundesverfassungsgericht hat Anfang dieses Jahres gesagt, dass wir absichern müssen, dass alle Kinder wirklich eine gesicherte Existenz haben, und dazu gehören auch das soziokulturelle Existenzminimum und Leistungen, Bildungsleistungen. Dass das Bundesverfassungsgericht das gesagt hat, ist gut und richtig, denn, Sie erinnern sich, wir haben hier im Landtag, dieses Hohe Haus hat mehrfach Beschlüsse gefasst, dass endlich diese kindgerechten Regelsätze ermittelt werden sollen, die genau dieses Existenzminimum absichern.
(Egbert Liskow, CDU: Wer hat denn Hartz IV eingeführt? – Marc Reinhardt, CDU: Wer hat denn noch mal Hartz IV eingeführt, Frau Schwesig?)
Ja, wir können darüber sprechen. Rot-Grün hat mit Beteiligung der CDU im Bundesrat die Hartz-IV-Gesetze eingeführt.
Und Sie werden sich erinnern, dass der ehemalige Sozial minister, heutige Ministerpräsident Erwin Sellering der erste Sozialminister in der Bundesrepublik war, der gesagt hat, diese Regelsätze für Kinder sind nicht transparent, sie sind nicht kindgerecht.
(Dr. Marianne Linke, DIE LINKE: Das stimmt doch gar nicht. – Irene Müller, DIE LINKE: Das ist nicht wahr, das ist nicht wahr. – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)
Entschuldigung, er hat als Sozialminister im November vor zwei Jahren einen 16:0-Beschluss hinbekommen, dass die Regelsätze neu zu berechnen sind. Wir haben die alte Bundesregierung unter Beteiligung von SPD und CDU genauso kritisiert, wie wir die heutige Bundesregierung kritisieren, dass endlich diese Regelsätze kommen.