Den Kommunen bleibt in solcher Situation lediglich, die Sozialausgaben zu senken. Und das tun sie auch. Und darauf werden sie durch das Landesinnenministerium auch getrimmt. So sind die Kommunen in einer unentrinnbaren Zwickmühle. Einerseits müssen sie die Mietpreise zur Kenntnis nehmen, denn ob sie diese für angemessen erklären oder nicht, ist völlig egal, denn sie können nicht an diesen Mietpreisen drehen. Andererseits müssen sie die Zahl der finanziell Benachteiligten zur Kenntnis nehmen, denn ob sie wollen oder nicht, sie haben auf unverschämte Niedriglöhne keinen Einfluss. Und obendrauf drückt wie gesagt die Schuldenlast.
Das alles weiß die Bundesregierung. Ihr Ansinnen war und ist es, den Kommunen den toten Vogel in die Tasche zu schieben. Und die Debatte um die Entlastung – Frau Tegtmeier hat es gesagt – der kommunalen Ebene mit den in Rede stehenden 25,1 Prozent ist eben eine Mogelpackung. Korrekterweise müsste es um 36 bis 37 Prozent gehen.
Sehr geehrte Damen und Herren, einen zweiten triftigen Grund möchte ich noch nennen, sich gegen das Vorhaben der Bundesregierung zu stemmen. Der besteht darin, dass die Bundesregierung ein elementares Grundprinzip der Sozialpolitik, nämlich die Berücksichtigung der individuellen Lebenslage, außer Acht lässt.
Nicht nur nebenbei, Herr Glawe: Die Bundesregierung verstößt mit dem Entwurf zum Regelsatzentwicklungsgesetz gegen das gemeinsame Wort des Rates der Evangelischen Kirche und der Deutschen Bischofskonferenz. Wir wissen, dieses Wort ist nicht bindend, aber die Protagonisten der Bundesrepublik verstoßen gegen ein freiwillig gewähltes weltanschauliches Koordinatensystem, anders gesagt, aus finanziellen Gründen opfern sie ihr eigenes Wertesystem. Möge mir niemand mehr kommen und sagen, wir müssen mal über Werte reden!
In Ziffer 109 des gemeinsamen Wortes der Kirchen heißt es: „Jedem kommt das Recht zu, die grundlegenden materiellen und immateriellen Möglichkeiten zu haben, um sein Leben in eigener Verantwortung … gestalten … zu können.“ Dieses „jedem kommt das Recht zu“ ist ein Gebot der Berücksichtigung der konkreten Lebenssituation des Einzelnen.
So unvollkommen, Herr Schnur, die Verwaltungsrichtlinien zu den Kosten der Unterkunft und Heizung sein mögen, sie richten sich nach individuellen Verhältnissen des Einzelfalls, nach der Zahl der Familienangehörigen, Alter, Gesundheitszustand. Sie haben das gesagt. Sie haben aber ausgeblendet, so ist es bei mir angekommen, das wird dann nicht mehr Bestand haben. Bestand haben wird die kommunale Satzung, und die stellt nicht mehr auf den Einzelfall ab. Auf den Einzelfall nach Verwaltungsrichtlinie kann ich klagen,
auf die Satzung, die immer abstrakt fasst, die immer allgemein fassen muss, ist das dann so nicht möglich.
Und es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die abverlangten Satzungen Standards regeln und nicht den Einzelfall angemessen berücksichtigen. Das ist auch nicht ihre Aufgabe.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Absicht der Bundesregierung, angemessene und bezahlbare Wohnraumversorgung auszuhebeln, ist die ökonomische Konsequenz aus dem allgemeinen Gesetz der kapitalistischen Akkumulation. Es besagt...
Es besagt: Je höher die Produktivkraft der Arbeit, desto prekärer die Existenzbedingungen eines wachsenden Teils der Bevölkerung. Auf unseren Beratungsgegenstand bezogen bedeutet dies,
während sich dank der Finanzspritzen aus Steuergeldern Bankmanager wieder Boni zahlen und Korken knallen lassen, werden finanziell Benachteiligte in kleinere, billigere und armseligere Wohnungen gedrängt. So muss es aber nicht sein, das wissen wir, weil Politik kein Naturereignis ist. Wir sollten hier und heute klarstellen, für wen wir einstehen.
Und wir müssen entscheiden und Sie müssen entscheiden, wollen Sie die soziale Marktwirtschaft, Herr Glawe, Herr Ringguth, erhalten
oder wollen Sie, dass sie für den Erhalt von finanziellen Schwindelgesellschaften den Bach runtergeht.
Unser Antrag berührt die Existenzbedingungen von vielen Menschen in diesem Land, Zehntausenden Menschen in diesem Land. Sie tun gut daran, unserem Antrag zuzustimmen. – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
Es hat noch einmal ums Wort gebeten die Ministerin für Soziales und Gesundheit Frau Schwesig. Bitte schön, Frau Ministerin.
Sehr geehrter Herr Koplin, meine Kritik der Substanzlosigkeit hat sich nicht bezogen auf den Inhalt Ihres Antrags, im Gegenteil,
Sie haben ja in meiner Rede erfahren, dass ich Ihre kritischen Punkte teile. Sie haben aber genauso erfahren, dass wir Ihre Forderung Nummer eins, dass wir uns für eine angemessene Ausstattung der Kommunen einsetzen sollen, schon längst umgesetzt haben, weil wir im Bundesrat als Land die waren, die hier einen Antrag initiiert haben
Und Punkt 2, dass wir darauf achten sollen, dass es nicht zu dieser Verschiebung kommt: Ich sehe das auch mit Sorge, dass der Vorschlag der Bundesarbeitsministerin ja beinhaltet, und das ist eben der Unterschied, dass wir sozusagen den Kostendruck auf die Kommunen verlagern und damit die Kommunen zukünftig den Betroffenen nicht mehr die KdU zur Verfügung stellen können oder sollen, die ihnen eigentlich zustehen.
Und ich glaube nicht, dass ich an der Stelle die Arbeits- und Sozialministerkonferenz überhöhe, denn wir wissen alle, um welch bedeutsames Gesetz es sich handelt. Es ist das Gesetz, was ja eigentlich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umsetzen soll. Und ich glaube, dass alle Länder den Anspruch haben, dass wir da möglichst am Ende zu einem ordentlichen Gesetz kommen.
Und der ASMK-Vorsitzende, mein geschätzter Sozialminister aus Hessen (CDU), hat sich für alle Landesminister – und da sind FDP-Minister dabei, da sind CDUMinister dabei –, obwohl die in der Frage Regelsatz und so eine andere Auffassung haben, an das Bundesministerium gewandt und gesagt, wir wollen diese Problematik, die Sie hier umfangreich geschildert haben und die auch echt eine Problematik ist, abkoppeln. Das wollen wir jetzt gar nicht diskutieren im Rahmen des Gesetzes.
Und ich glaube, jeder, der sich in der politischen Landschaft auskennt, weiß, dass das auch gerade von den sogenannten B-Ländern ein deutliches Signal ist, dass wir das jetzt in diesem Verfahren nicht hauruck machen. Und ich zumindest habe mich gewundert, dass da jemand bei Ihrer Bemerkung von der FDP-Fraktion geklatscht hat. Ich traue jedenfalls meinen Kollegen, auch FDP- und CDU-Ministerkollegen zu, dass, wenn sie das jetzt so gegenüber der Bundesregierung anzeigen, dass sie dann genauso wie Herr Seidel und ich am Ende auch den MP an der Stelle im Rücken haben. Deswegen finde ich es nicht ganz so überhöht, wenn man hier schon davon ausgehen kann, dass der Teil zumindest in dem Gesetzgebungsverfahren abgekoppelt wird.
Worauf ich meine Kritik bezogen habe, ist die Anmerkung von Frau Lück, dass wir Sie so ungefähr hinters Licht geführt haben, weil wir in der Kleinen Anfrage gesagt haben, wir können Ihnen dazu noch nichts sagen, weil der Referentenentwurf nicht vorliegt.
(Helmut Holter, DIE LINKE: Da kann man ja anrufen und sagen, das dauert noch ein bisschen. – Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)
Ich würde einfach bitten, dass man an solchen kleinlichen Sachen nicht zukünftig immer tut, als ob Sie nun alle hinters Licht geführt würden. Das war eigentlich meine Bitte. Und ich hoffe, dass sie dann so angekommen ist.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Regine Lück, DIE LINKE: Das hab ich ja verstanden.)
Gemäß Paragraf 85 Absatz 2 der Geschäftsordnung hat noch einmal für ein Viertel der ursprünglichen Redezeit das Wort der Abgeordnete Herr Schnur von der Fraktion der FDP. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch mal auf den Redebeitrag von Herrn Koplin eingehen.
Herr Koplin, wir haben in den derzeitigen Richtlinien meiner Kenntnis nach also schon heute das Problem oder, sagen wir mal, nicht das Problem, also eigentlich das Problem, dass wir eigentlich tatsächlich
dass die Richtlinien, obwohl sie gesetzlich normiert dazu verpflichten würden, den Einzelfall zu regeln, tatsächlich aber in aller Regel pauschalieren. Und das ist ein Problem.