Protokoll der Sitzung vom 17.11.2010

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Ja, Ihre ökonomischen Kenntnisse sind aber auch sehr defizitär.)

All dies ist ein zu hoher Preis dafür, dass wir zunächst einen Teil unseres Geldes zurückerhalten, um damit aber gleich anschließend das nächste EU-Pleitegeierland retten zu dürfen.

Man macht sich Sorgen in der Landesregierung, dass Mecklenburg-Vorpommern demnächst aus der Kategorie der unmittelbaren Zielkonvergenzregion herausfallen könnte mit der Folge, dass dann weniger Geld aus Deutschland nach Brüssel und wieder zurück nach Mecklenburg-Vorpommern fließen könnte. Wir von der NPD wüssten da einen Weg, wie dies vermieden werden könnte und richtige Summen aus der EU herausgeleiert werden könnten. Wir machen es einfach den Griechen nach: Wir lügen dem Europastaat die Hucke voll. Wir arbeiten mit falschen Zahlen und gaukeln denen vor, was uns gerade einfällt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Birgit Schwebs, DIE LINKE: So sind Sie! – Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Und wenn der Staatsbankrott droht, fordern wir einfach die Solidarität der EU. Die nötige Frechheit können wir uns auch bei den Griechen abschauen. Warum sollte das nicht auch bei uns funktionieren?

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Leonhard von der Fraktion der FDP.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Die EU-Kohäsionspolitik ist ein wichtiger Bestandteil der wirtschaftlichen und sozialen Weiterentwicklung unseres Bundeslandes. Die EU-Kohäsionspolitik hat seit der Wende dafür gesorgt, dass strukturschwache Regionen gegenüber anderen strukturstärkeren Regionen in der EU nicht deutlich zurückfallen. Dies ist aus meiner Sicht ein großartiges Verdienst der gemeinsamen europäischen Strukturpolitik.

(Michael Roolf, FDP: Sehr richtig.)

Die EU hat nun, wie es meine Vorredner auch schon angesprochen haben, ihren 5. Kohäsionsbericht vorgelegt. Die Neuausrichtung der Kohäsionspolitik muss bis Ende 2013 vorgenommen werden. Wir stehen da noch vor einem weiten und durchaus schwierigen Weg. Denn

bei all den Erfolgen dürfen auch die kleinen Unzulänglichkeiten nicht übersehen werden. Unser Bundesland hat gemessen am Pro-Kopf-BIP noch nicht den gewünschten Gemeinschaftsdurchschnitt von 90 Prozent erreicht.

Das System der EU-Struktur- und Kohäsionsfonds muss sich also aus der Sicht unseres Bundeslandes grundlegend ändern. Aus den Kohäsionsfonds werden Finanzierungsmittel für Infrastrukturvorhaben in den Bereichen Umwelt und Verkehr gewährt.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Auch.)

Der Fonds wird aber seiner eigentlichen Intention nicht mehr gerecht. Um eine zweckgerichtete und zeitgebundene Hilfe der Starken für die noch Schwachen wiederherzustellen, fordert die FDP auf Bundesebene, die Umstellung der EU-Struktur- und Kohäsionsfonds weg von der bloßen Kopplung an BSP-Kennziffern hin zu einer degressiven Förderung mit einem klar umrissenen Auslaufdatum.

Aus meiner Sicht zementiert die gegenwärtige Förderpolitik durch die Struktur- und Kohäsionsfonds der EU den Geber- und Nehmerstatus in der Europäischen Union. Weiterhin muss erwähnt werden, dass die bindenden Förderungen von Regionen an die gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen der Mitgliedsstaaten meist außer Acht gelassen werden. Manche Regionen nutzen die erhaltenen Förderungen nicht als Hilfe zur Selbsthilfe, sondern sie gehen den Weg, dass sie die Förderung so lange wie möglich aufrechterhalten möchten. Dies entspricht nicht dem Solidaritätsprinzip der EU.

Die bisherigen Förderschwerpunkte müssen neu gesetzt werden. Es muss aus unserer Sicht daher das Augenmerk vielmehr auf zukunftsweisende Bereiche mit einem sogenannten Mehrwert gerichtet werden. Dazu gehört auch, dass ESF- und EFRE-Mittel qualifizierungspolitisch und bildungspolitisch insbesondere im Bereich der kleinen und mittelständischen Unternehmen eingesetzt werden. Modernisierungs- und Investitionsprojekte sind zu unterstützen, wie zum Beispiel im Bereich des sanften Wassertourismus, im Schienen- und auch im Straßenverkehr.

Das ist auch eine Aussage, die sich im 5. Kohäsionsbericht finden lässt. Die EU setzt darauf, dass hier zukünftig Kohäsionspolitik mehr denn je zu einer echten europäischen Beschäftigungsinitiative wird. Die Ausrichtung muss also in Richtung erster Arbeitsmarkt gehen wie auch in Richtung KMU. Das muss der Ansatz unseres gemeinsamen Handelns sein.

Wir haben in den verschiedenen Ausschüssen über die Neuausrichtung der Kohäsionspolitik viel diskutiert und gesprochen und letztendlich haben wir aus Sicht der FDP-Landtagsfraktion einen guten Kompromiss erarbeiten können. Insbesondere die Schwerpunktlegung auf die Ziele der Strategie Europa 2020 sind zu begrüßen. Die Strategie Europa 2020 knüpft an die Lissabon-Strategie an. Die Europäische Union sollte bis 2010 zu einer Wirtschaftsmacht ausgestaltet werden, die auf drei Fundamente baut: erstens, auf das Fundament „Dynamik, Innovation“, das zweite Fundament „Wettbewerbsfähigkeit“ und das dritte Fundament „Wissen und Bildung“.

Bei der Lissabon-Strategie müssen Deutschland und die Europäische Union eine nüchterne Bilanz ziehen. Die Realität zeigt, dass dies leider nicht mehr als eine Illusion ist.

(Udo Pastörs, NPD: Wo ist denn die dritte Säule?)

Es ist eine aktuelle Strategie notwendig, die die Mängel der letzten Strategie genau ins Blickfeld nimmt und die Auswirkungen der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise ernst nimmt und Antworten parat hat.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Europa 2020 aber auch nicht.)

Dies ist aus meiner Sicht mit einer Neuausrichtung der EU-Strukturpolitik durchaus möglich.

Die Beschlussempfehlung des Europa- und Rechtsausschusses verdeutlicht sehr gut, wie wichtig dieses Thema für uns ist und dass wir, der Landtag sowie die Landesregierung, alles dafür tun müssen, dass unser Bundesland Mecklenburg-Vorpommern mit einer starken Stimme in Brüssel gehört wird. Aus dem Grund begrüßen wir ausdrücklich die Beschlussempfehlung des Europa- und Rechtsausschusses. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Danke, Herr Leonhard.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Schwebs von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Finanzausschuss – und ich weiß, auch in den zuständigen Arbeitskreisen der demokratischen Fraktionen – haben wir uns mit der Problematik Kohäsion intensiv beschäftigt, ich würde mal sagen, so intensiv wie noch niemals vorher in diesem Parlament. Das zeigt sich in der mitberatenden Stellungnahme des Finanzausschusses und der Tatsache, dass wir im nächsten Frühjahr gemeinsam mit dem Rechts- und Europaausschuss die in diesem Jahr in Brüssel begonnene Debatte mit den Experten vor Ort fortführen wollen.

(Detlef Müller, SPD: Sehr richtig.)

Aber, meine Damen und Herren, gerade weil wir uns so intensiv damit beschäftigt haben, wissen wir um die weiteren finanziellen Probleme bei der künftigen Umsetzung der Kohäsionspolitik. Laut den Beschlüssen des EUFrühjahrsgipfels sollten die EU-Ausstiegsstrategie aus dem Konjunkturprogramm und die neue EU-2020-Strategie, die ja grundsätzlich auch mit den Kohäsionsmitteln finanziert werden wird, in getrennten Verfahren behandelt werden.

Die Kommission hingegen hatte eine gemeinsame Überwachung beider Strategien vorgeschlagen. Das hat Bundeskanzlerin Merkel abgelehnt. Die Politik der Haushaltskonsolidierung müsse Vorrang vor EU-Strategien für mehr Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit haben. Eine Vermengung von beiden, so Frau Merkel, würde zu einer gefährlichen Politisierung der Debatten führen und die Bemühungen um einen zügigen Schuldenabbau konterkarieren. Und diese deutsche Position, meine Damen und Herren, hat sich letztlich durchgesetzt.

Aber, meine Damen und Herren, da fragt man sich doch: Wenn in den kommenden Jahren öffentliche Ausgaben und Investitionen in noch nicht absehbarem Ausmaß gekürzt werden, woher sollen denn dann die Investitionen in Forschung und Bildung, in Energie und Klima, Abwanderung und demografischem Wandel, in Wachstum und Beschäftigung kommen? Wie soll denn mit einem solchen dualen politischen Ansatz überhaupt Kohäsion erreicht werden?

Nur mit einer Ausweitung revolvierender Fonds oder mehr Darlehen werden wir das nicht schaffen. Dafür ist eine Schwerpunktsetzung notwendig, eine Diskussion darüber, was wir fördern wollen und was wir künftig von der Förderung ausschließen werden.

Diese Debatte, meine Damen und Herren, müssten wir jetzt beginnen und eigentlich müsste die Landespolitik jetzt auch schon die Weichen stellen, nicht nur fiskalisch die Notbremse ziehen, sondern Gegenstrategien für die Zukunft unseres Landes entwickeln.

Mecklenburg-Vorpommern wird ganz sicher nicht weiterhin Ziel-1-Gebiet bleiben. Und selbst wenn wir ein ordentliches Phasing-out hinbekommen,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

ist klar, dass wir ab 2014 aus Europa weniger Geld bekommen werden.

Und wir müssen uns, jede Fraktion sicherlich zuallererst für sich, selbst klar darüber werden, wie wir zukünftig mit den finanziellen Mitteln der Europäischen Union umgehen wollen. Dies wurde bereits während der Anhörung zur Kohäsion hier im Landtag deutlich. Während es in Bezug auf den Begleitausschuss und die bessere Einbeziehung der lokalen und regionalen Akteure, der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft und die notwendige Übergangsphase für unser Land noch Konsens gab, gingen die Vorstellungen über den künftigen sinnvollen und nachhaltigen Einsatz der Mittel weit auseinander. Das ist auch nicht verwunderlich angesichts der absehbaren Entwicklung der öffentlichen Haushalte.

Meine Damen und Herren, nicht nur die EU-Strukturfondsmittel werden weniger, auch die Mittel aus dem Landwirtschaftsfonds ELER werden uns in absehbarer Zeit nicht mehr in der Höhe wie bisher zur Verfügung stehen. Auch die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse für Bund und Länder verkleinert den Spielraum für unser Land und der bewusste Verzicht auf die Stärkung der Einnahmen der öffentlichen Haushalte, wie von der schwarz-gelben Koalition im Bund bei der Haushaltsaufstellung für das kommende Jahr praktiziert, schränkt den Spielraum für die Aufgabenerledigung durch das Land erheblich ein.

Und da, meine Damen und Herren, kommen mir erhebliche Zweifel daran, ob und wie wir die in der Beschlussempfehlung konstatierten Defizite in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht positiv entwickeln wollen und überhaupt können. Deshalb begrüße ich insbesondere den Passus in der Beschlussempfehlung, der die Ausschüsse auffordert, sich weiterhin mit dem Thema Kohäsion zu beschäftigen. Wir werden natürlich der Beschlussempfehlung zustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Frau Schwebs.

Meine Damen und Herren, es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Europa- und Rechtsausschusses auf Drucksache 5/3905 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen – Danke. Die Gegenprobe. – Danke. Enthaltungen? – Damit ist die Beschlussempfehlung des Europa- und Rechtsausschusses auf Drucksache 5/3905 bei Zustimmung der

Fraktion der SPD, der CDU, der Fraktion DIE LINKE, der FDP, aber Ablehnung der Fraktion der NPD angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 9: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und CDU – Frauenanteil in Aufsichtsratsgremien landeseigener Unternehmen erhöhen, Drucksache 5/3882.

Antrag der Fraktionen der SPD und CDU: Frauenanteil in Aufsichtsratsgremien landeseigener Unternehmen erhöhen – Drucksache 5/3882 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Schulte von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mitte September dieses Jahres formulierte die EU-Kommissarin Viviane Reding eine Position, die von manch einem in der sogenannten Deutschland AG möglicherweise als mehr oder minder unverhohlene Drohung aufgefasst worden sein mag. Frau Reding forderte namens der EU-Kommission die Unternehmen der Europäischen Union ultimativ auf, deutlich mehr für die Gleichstellung von Frauen in Toppositionen zu tun als bisher geschehen. Als die Zielgröße wurde von ihr, die auch Vizepräsidentin der Kommission ist, dabei ein Frauenanteil von 30 Prozent in Aufsichtsräten genannt, der bis 2015 erreicht und bis 2020 auf immerhin 40 Prozent erhöht werden soll.