Protokoll der Sitzung vom 17.11.2010

Damit wurde jetzt auch durch die Kommission ein Thema aufgegriffen, das schon seit über zehn Jahren in Deutschland, aber auch in anderen Ländern immer wieder, mal mit mehr, mal mit weniger Begeisterung öffentlich in Kommissionen oder Arbeitsgruppen behandelt wurde. So wurde bereits im Jahre 2001 die Vereinbarung zwischen der damaligen Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft geschlossen. Ausdrückliches Ziel dieser Vereinbarung war auch die Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen.

Heute, 2010, und damit neun Jahre nach dieser Vereinbarung, hat sich die Situation trotz aller Kommissionen, Arbeitskreise oder Diskussionsrunden in keiner Weise grundsätzlich geändert. Obwohl zwischenzeitlich in einer Vielzahl von internationalen Studien festgestellt wurde, dass gemischte Führungsteams den wirtschaftlichen Erfolg befördern und dieses Thema somit nicht nur ein gleichstellungspolitisches, sondern ein zutiefst wirtschaftspolitisches Thema ist, hat diese Erkenntnis offenbar nicht dazu geführt, dass mehr Frauen in die höchsten Führungsgremien gelangt sind.

Trotz erheblicher Medienpräsenz des Themas im Allgemeinen, trotz vieler Beiträge zu einzelnen erfolgreichen, meist Familienunternehmerinnen hat sich an den Zahlen und der Situation insgesamt nicht viel geändert. Einige Frauen sind neu im Führungszirkel von Unternehmen aufgestiegen, andere, wie beispielsweise Frau Suckale, haben das Unternehmen gewechselt und wieder andere sind aus Führungspositionen ausgeschieden. Nach wie vor stagniert jedoch der Frauenanteil in den Führungszirkeln der Unternehmen, nach wie vor werden nur sehr wenige Frauen in die Aufsichtsräte entsandt. Und wenn es geschieht, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dann in überwiegenden Fällen von der Arbeitnehmerseite.

Meine Damen und Herren, der mit der Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Wirtschaft 2001 verbundene Anspruch kann heute im Ergebnis als gescheitert angesehen werden. Und das, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ist insbesondere auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten bedauerlich.

Nun gibt es, meine Damen und Herren, trotz aller durchaus ernst zu nehmenden Anstrengungen einzelner Unternehmen immer wieder Stimmen, die die Forderung nach einer Erhöhung des Frauenanteils in der Führung von Unternehmen als gewaltigen politischen Populismus abtun wollen, so zum Beispiel kürzlich der Aufsichtsratschef der Commerzbank Klaus-Peter Müller, einer Bank also, die im Ergebnis ihr wirtschaftliches Überleben letztendlich der Leistung einer Vielzahl von Steuerzahlern, aber eben auch Steuerzahlerinnen zu verdanken hat, und nicht der Befähigung ihrer Führungskräfte. Diese Stimmen erklären zwar immer wieder, dass das Thema „Frauen in Aufsichtsräten“ ein wichtiges sei, genau diese Stimmen, wie auch der eben bereits genannte KlausPeter Müller, der übrigens auch Vorsitzender der durch den Bund mit initiierten Corporate-Governance-Kommission ist, erklären dann aber gleichzeitig, Zitat: „Genau dieselben Politiker, die Unternehmen beim Thema Frauen im Aufsichtsrat zu äußerster Eile treiben, sind nämlich im eigenen Einflussbereich oft äußerst zurückhaltend.“

Solche Äußerungen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sind natürlich nicht geeignet, die eigenen Defizite dieser Unternehmen durch politisches Aufrechnen zu beseitigen. Der Vorwurf ist aber, auch das muss man konstatieren, als solcher durchaus im Kern zutreffend. Und deswegen, meine Damen und Herren, um solchen Vorhaltungen selbstbewusst entgegentreten zu können, aber vor allem, um die bestehende Situation nicht nur im Allgemeinen zu kritisieren, sondern sie gerade auch im eigenen Wirkungskreis, insbesondere im Interesse der Unternehmen und ihrer weiteren Entwicklung gezielt zu verbessern, haben wir Ihnen den heutigen Antrag vorgelegt.

Meine Damen und Herren, was für private Wirtschaftunternehmen gelten soll, muss natürlich auch für die eigenen Landesbeteiligungen gelten. Und, meine Damen und Herren, auch wenn es nicht Gegenstand dieses Antrages ist, wer Landesbeteiligung sagt, sollte natürlich auch bereit sein, in einem weiteren Schritt über die wirtschaftlichen Beteiligungen der Gebietskörperschaften in diesem Land und die Verbesserung des Frauenanteils in den dortigen Aufsichtsräten nachzudenken und Lösungen zu formulieren. Ich denke, ein solcher Schritt bietet sich durchaus im Rahmen der anstehenden Neuregelung der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen und Gebietskörperschaften innerhalb der Kommunalverfassung an.

Meine Damen und Herren, wer von anderen ein Handeln erwartet und einfordert, sollte sich nicht die Blöße geben und die eigenen Ansprüche bei sich selber außer Acht lassen. Dieser Antrag, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, stützt damit im Ergebnis – auch vor dem Hintergrund der im Wirtschaftsausschuss bereits geführten und noch weiter zu führenden Diskussion über eine allgemeine, bundesweite Einführung einer Frauenquote in Aufsichtsräten – die Glaubwürdigkeit aller Beteiligten und die Glaubhaftigkeit der dort vorgebrachten Position. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte daher um Zustimmung zu dem vorliegenden Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Herr Schulte.

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Herr Ritter von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, als ich Ihren Antrag gelesen habe, habe ich mich schon gefragt, was Sie mit diesem Antrag bezwecken wollen.

(Toralf Schnur, FDP: Tja, das habe ich mich auch gefragt. – Zuruf von Michael Roolf, FDP – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Da gestern, lieber Kollege Roolf, der Tag der Toleranz war, will ich jetzt diesen Antrag nicht kommentieren.

(Irene Müller, DIE LINKE: Das war gestern.)

Deshalb habe ich mir die Frage gestellt, was Sie mit dem Antrag bezwecken wollen, weil mich der Inhalt nicht gewundert hat, sondern wirklich das Verfahren. Sie stellen im Landtag einen Antrag zu einem Thema, das wir aktuell im Ausschuss zu einer ähnlichen Problemlage behandeln. Wir wollen eine Quote in Aufsichtsräten in der Wirtschaft, Sie wollen eine Quote in landeseigenen Unternehmen. Der richtige Weg wäre deshalb aus Sicht meiner Fraktion gewesen,

(Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

diesen Antrag in den Wirtschaftsausschuss einzubringen, dorthin, wo sich der von meiner Fraktion gestellte Antrag zur Einführung einer Frauenquote in Aufsichtsräten zur Beratung befindet, um zu einer gemeinsamen Beschlussfassung zu kommen.

(Michael Roolf, FDP: Genau, richtig, das wär mal ein Weg. – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Das wäre der normale Weg gewesen, denn im Mai 2009 hat meine Fraktion den Antrag

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

zur Einführung einer Frauenquote in Aufsichtsräten in den Landtag eingebracht. Und nach einer, Sie werden sich vielleicht erinnern, hitzigen Debatte wurde der Antrag mit den Stimmen meiner Fraktion, denen der SPD und der CDU in den Wirtschaftsausschuss überwiesen –

(Dr. Armin Jäger, CDU: Jo.)

und dafür bin ich dankbar –, wo wir uns bereits in mehreren Beratungen mit dem Anliegen intensiv befasst haben.

Wir haben das Justizministerium um eine Stellungnahme gebeten, die Parlamentarische Staatssekretärin für Frauen und Gleichstellung zur Beratung eingeladen und wir hatten Vertreterinnen und Vertreter des Wirtschaftsministeriums im Ausschuss. Gesetzestexte beziehungsweise relevante Passagen aus europäischen Ländern, die eine Frauenquote bereits eingeführt haben, wurden in deutscher Übersetzung vorgelegt. Eine Stellungnahme von Ministerin Schröder zur Umsetzung des im Koaliti

onsvertrag von CDU, CSU und FDP angekündigten Stufenplans zur Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen wurde eingereicht.

Wir haben also intensiv daran gearbeitet, eine einvernehmliche Lösung zu finden für eine deutliche Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten mit Rücksicht auf die Privatautonomie der Unternehmen. Meines Erachtens waren wir auch schon ziemlich weit fortgeschritten.

Die Notwendigkeit, an einer Umsetzung zu arbeiten, wurde von den meisten Ausschussmitgliedern erkannt und nicht mehr infrage gestellt. Dies wurde auch noch einmal deutlich anhand der vom Wirtschaftsministerium vorgelegten Übersicht über die Mitglieder der Aufsichtsräte der Gesellschaften, an denen das Land Mecklenburg-Vorpommern – und damit beschäftigt sich vornehmlich der vorliegende Antrag – beteiligt ist; nachzulesen in der Ausschussdrucksache 5/206. Diese Drucksache zeigt speziell für Mecklenburg-Vorpommern die Unterpräsenz von Frauen in Aufsichtsräten. Die Zahlen ähneln denen für das gesamte Bundesgebiet und sind erschreckend. Insgesamt 33 Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern sind in der Übersicht aufgelistet. Sie weisen eine durchschnittliche Frauenquote von lediglich 11 Prozent auf. Noch erschreckender: Bei 13 der 33 Unternehmen sitzt nicht eine einzige Frau im Aufsichtsrat.

Somit ist durchaus Handlungsbedarf angezeigt, so, wie er auch in Ihrem Antrag beschrieben ist. Spätestens aber an dieser Stelle hätten Sie mit Ihren hier und heute gestellten Forderungen reagieren können, nämlich im Wirtschaftsausschuss zur Untersetzung eines schon vorliegenden Antrages.

Der Ausschuss tagte in diesem Jahr dreimal zu dem Antrag meiner Fraktion, zuletzt am 8. September 2010. Eine Einigung schien, zumindest nach unserer Auffassung, bereits in Sichtweite, auch mit Blick auf die 82. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 18./19. Mai 2011. Laut Beschlussprotokoll der 81. Justizminister/-innen-Konferenz vom Juni 2010 sollen die Länder Hessen, Bayern, Hamburg und Sachsen-Anhalt die Notwendigkeit und Möglichkeit gesetzlicher Regelungen zur Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen näher untersuchen und die Ergebnisse auf der Justizminister/-innen-Konferenz im Frühjahr 2011 vorlegen.

Länder wie Spanien, Frankreich, die Niederlande und Norwegen bieten eine gute Vorlage für die Einführung einer Frauenquote in Aufsichtsräten, denn dort wird die Quote bereits praktiziert. Dazu gibt es einschlägige Gesetzestexte, mit denen wir uns beschäftigt haben.

In Spanien muss eine ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern in Aufsichtsräten der Handelsgesellschaften im Zeitraum von acht Jahren ab Inkrafttreten des Gesetzes erreicht sein. Die ausgewogene Zusammensetzung ist klar definiert und gibt vor, dass der Anteil der Personen jedes Geschlechtes 60 Prozent nicht über- und 40 Prozent nicht unterschreiten darf.

In den Niederlanden wird eine weitestgehend anteilsgleiche Verteilung der Vorstands- und Aufsichtsratssitze in Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung angestrebt. Vorgabe ist, mindestens 30 Prozent der Sitze an Frauen und mindestens 30 Prozent der Sitze an Männer zu vergeben.

In Frankreich müssen die Verwaltungen und Aufsichtsräte von Handelsgesellschaften, Gesellschaften des öffentlichen Rechts sowie von staatlichen Gesellschaften mit jeweils mindestens 40 Prozent Frauen und Männern vertreten sein.

Oder auch das Beispiel Norwegen: In Norwegen ist die Frauenquote von 40 Prozent in Aufsichtsräten von börsennotierten Unternehmen nach einer Übergangszeit Gesetz geworden. Norwegen startete einst mit einer Frauenquote von 6 Prozent im Jahr 2000, als an das Gesetz noch gar nicht zu denken war. Wir liegen derzeit bei 9 Prozent in börsennotierten Unternehmen beziehungsweise 11 Prozent in mitbestimmten Unternehmen. Norwegen ist demnach für uns ein gutes Vorbild und nimmt, wie wir auch schon 2009 angemerkt haben, eine Vorreiterfunktion ein.

Sie sehen schon, liebe Kolleginnen und Kollegen, all diese Länder setzen auf die Quotenregelung, und nicht nur in Unternehmen, die in Landeshoheit stehen,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

oder in Unternehmen, die der Wirtschaft unterstehen, sondern sie streben gesamtgesellschaftliche Regelungen an. Es sollte auch unser Ziel sein, aus beiden Anträgen einen gemeinsamen zu machen.

(Michael Roolf, FDP: Tja.)

In den Ländern wurde erkannt, dass Selbstverpflichtung und Freiwilligkeitsklauseln uns nicht weiterbringen. Die in Punkt 3 Ihres Antrages geforderte Einräumung eines Vorrangs für Frauen – im Zitat weiter –, „so lange signifikant weniger Frauen als Männer in den entsprechenden Gremien vertreten sind“, Zitatende, ist in meinen Augen dann auch nur eine Kannregelung und Auslegungssache.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der einreichenden Koalitionsfraktionen, ich schlage Ihnen deshalb vor, nein, ich bitte darum, Ihren Antrag in den Wirtschaftsausschuss zur gemeinsamen Beratung mit dem von meiner Fraktion im Jahr 2009 gestellten Antrag zur Einführung einer Frauenquote in Aufsichtsräten zu überweisen, damit wir zu einer gesamtheitlichen Lösung kommen und heute nicht einen Teil herausgreifen und den anderen im Ausschuss weiter beraten, beraten und beraten. Meine Bitte ist also: Lassen Sie uns beide Anträge zusammenführen. Es gibt keinen Grund, hier eine einseitige Beschlussfassung heute herbeizuführen, ohne dass wir das andere Problem gemeinsam weiter miteinander beraten haben. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Herr Ritter.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Waldmüller von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag haben sich die Koalitionsfraktionen entschlossen, einen konkreten Schritt in Richtung der Gleichberechtigung/Gleichstellung von Männern und Frauen im Berufsleben zu gehen. Insbesondere, es wurde darauf hingewiesen, in Führungspositionen ist der Frauenanteil in Deutschland und in Europa nicht auf dem Niveau angelangt, das sowohl die Anzahl als auch die Qualifikation gut ausgebildeter Frauen widerspiegelt. Deswegen sind verschiedene Initiativen auf der europäischen, Bundes-

und Landesebene zu einer Beseitigung der Ungleichbehandlung zu begrüßen.

Herr Schulte hat bereits gesagt, dass wir schon seit geraumer Zeit diese Diskussion über die Möglichkeiten führen – seit den 80er-Jahren wird sie eigentlich schon geführt –, wie die gut ausgebildeten Frauen einen besseren Zugang auch zu Führungspositionen bekommen. Die aktuellen Diskussionen haben dazu auch als Ansatzpunkt die Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten von börsennotierten Unternehmen. Und sowohl auf europäischer Ebene als auch auf Bundesebene werden dazu Lösungsansätze diskutiert, um über freiwillige Selbstverpflichtungen und gegebenenfalls auch gesetzliche Verpflichtungen den Frauenanteil zu erhöhen. Dadurch soll die Gleichstellung von Frauen und Männern in Gesellschaft, Politik und natürlich vor allen Dingen – und darum geht es uns hauptsächlich – in der Wirtschaft vorangetrieben werden.

Auf Bundesebene wird in der CDU in drei Stufen diskutiert, erst Berichtspflichten und Selbstverpflichtung einzuführen und dann an einem Stichtag die Resultate zu kontrollieren und gegebenenfalls in einer dritten Stufe eine gesetzliche Pflicht einzuführen. Das langfristige Ziel ist die gleiche Repräsentation von Frauen und Männern in Führungspositionen der Wirtschaft. Hier wollen nun die Koalitionsfraktionen auch für Mecklenburg-Vorpommern ein Zeichen setzen.