Dieser Bürger kam zu mir und sagte, ich solle ihm einen Widerspruchsbescheid schreiben, denn sein Hartz-IVBescheid – oder einen Widerspruch schreiben –, denn sein Hartz-IV-Bescheid wäre garantiert falsch,
es könne gar nicht sein, dass man ihm seine Unfallrente abziehen würde. Er hatte ein Auge bei einem Arbeitsunfall verloren. Da habe ich ihm gesagt: Tut mir leid, das ist leider nicht gerecht, aber es ist die Rechtslage. Und er sagte: Die können mich doch nicht dafür zusätzlich bestrafen, dass ich einen Arbeitsunfall hatte.
Der Mann war bisher unpolitisch, aber so machen Sie sich Feinde, mit jeder solchen Ungerechtigkeit, die Sie sorgfältig verstecken. Hinter Hartz IV und dem ganzen Reformgetöse haben Sie versteckt, dass Sie die Opfer von Betriebsunfällen diskriminieren gegenüber Wehrdienstopfern etwa oder NS-Verfolgten. Das hat lange keiner mitbekommen, aber die Betroffenen bekommen es mit.
Sie bekommen auch mit, dass Sie hinter Ihrer 5-EuroHartz-IV-Erhöhung verstecken, dass Sie die Rentenbeiträge nicht mehr zahlen. Und sie bekommen auch mit, dass Sie hinter dem großartigen Bildungspaket von Frau von der Leyen verstecken, dass Sie Hartz-IV-Empfängern das Elterngeld kürzen und dass Sie die Heizkosten pauschalisieren wollen,
was dazu führt, dass die Kinder demnächst mit ihrem tollen Bildungspaket in kalten Wohnungen sitzen und frieren.
Die Leute bekommen das alles mit. Sie bekommen auch mit, wohin das Geld fließt, was Sie einsparen. Sie bekommen mit, dass Sie damit griechische Millionäre retten, nicht die normalen Griechen, da gebe ich Herrn
und die französischen Banken und die deutschen Banken, dass Sie Israel U-Boote schenken, dass Sie den Amerikanern einen Militäreinsatz schenken und dass Sie Milliarden und Milliarden nur für das Ausland aufwenden, bis wir pleite sind.
Aber für unsere Unfallopfer, die in der Arbeit ihre Gesundheit einbüßen, weil sie gefährliche Jobs auf sich genommen haben, für die ist kein Pfennig da. Und denen sagt man: Bleib doch, wo du bist, und wenn du dein zweites Auge auch noch verlierst, dann kürzen wir dir auch noch das Blindengeld.
Das ist Ihr mieser Asozialenstaat. Und mit jeder Ungerechtigkeit akkumulieren Sie Unzufriedenheit, bis Ihnen diese Unzufriedenheit einfach einmal um die Ohren fliegt, bumm! – Danke.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 5/3896. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um sein Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe. – Danke schön. Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 5/3896 bei Zustimmung durch die Fraktion der NPD, ansonsten Ablehnung durch die Fraktion der SPD, der CDU, DIE LINKE und der FDP abgelehnt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/3889 wurde für die heutige Tagesordnung von der Fraktion DIE LINKE zurückgezogen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 33: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Selbstständige und Freiberufler im Hartz IV-Bezug fördern und nicht behindern, Drucksache 5/3890.
Antrag der Fraktion DIE LINKE: Selbstständige und Freiberufler im Hartz IV-Bezug fördern und nicht behindern – Drucksache 5/3890 –
Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Borchardt. Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nicht nur einmal konnten wir in den letzten Jahren lesen: MecklenburgVorpommern hat zu wenig Unternehmer/-innen und Unternehmen. Egal, wer an der Regierung war, alle Verantwortlichen haben diese Situation zum Anlass genommen, Existenzgründerinnen und Existenzgründern in unserem Land vielseitige Unterstützung zukommen zu
lassen. Wenn man heute jemanden diesbezüglich fragt, dann fällt den meisten sofort die Initiative „Einfach anfangen“, die im Jahr 2002 von der rot-roten Landesregierung gestartet wurde, ein. Diese fand bundesweite Beachtung und wurde in Teilen auch von der jetzigen Landesregierung fortgeführt. Ich verweise auf die Mikrodarlehen oder das Mentorenprogramm.
Mit dem Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt wurde durch die Bundesregierung ab 1. Januar 2003 ein neues Instrument auf den Weg gebracht, die sogenannten Ich-AGs. Dieses Instrument war von Anbeginn umstritten, auch in meiner Fraktion. Wir hatten eine kritische Haltung dazu. Aber viele Bürgerinnen und Bürger haben die Chance genutzt, um zu beweisen, dass sie entgegen allen verbreiteten Behauptungen von ihrer eigenen Hände Arbeit leben wollen und auch können.
Einige von ihnen haben sich am Markt behaupten können, andere nicht. Dafür gibt es unterschiedliche Ursachen. Und ich will das hier auch klar sagen: Ich habe vor jeder Unternehmerin und vor jedem Unternehmer großen Respekt, arbeite mit vielen zusammen und weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist und wie schwer es viele von ihnen haben. Und ich mache diesbezüglich auch bewusst keine Unterschiede, aus welcher Situation mit welcher Förderung die oder der Einzelne den Start in die Selbstständigkeit begonnen hat oder, wie man so schön sagt, aus welchem sogenannten Regelkreis der eine oder der andere kommt.
Zur Wahrheit gehört auch, dass es Unternehmerinnen und Unternehmer beziehungsweise Freiberufler und Freiberuflerinnen in unserem Land gibt, die aufgrund ihrer Einnahmesituation auf zusätzliche Mittel der Arge angewiesen sind. In Mecklenburg-Vorpommern waren das im Jahr 2010 im April nach Angaben des Wirtschaftsministeriums 4.399 Selbstständige. In den entsprechenden Bedarfsgemeinschaften lebten 9.389 Personen, davon 2.624 im Alter unter 18 Jahren. Und auch das will ich deutlich sagen: Die Betroffenen kommen aus fast allen Branchen und können unterschiedliche Berufsabschlüsse vorweisen. Und betroffen sind sowohl Männer als auch Frauen.
Nun könnte man ja eigentlich annehmen, dass den Betroffenen jede, aber auch jede Hilfe und Unterstützung gegeben wird, damit sie in Zukunft ohne Transferleistungen des Staates auskommen können. Dem ist leider nicht so. In unseren Gesprächen haben uns Selbstständige im Hartz-IV-Bezug auf Probleme aufmerksam gemacht, auf die wir mit diesem Antrag hinweisen wollen. Und wir erwarten, dass sich der Landtag der Lösung dieser Probleme annimmt.
Zum einen geht es um die Art und Weise des Umgangs durch die zuständigen Behörden. Unterlagen verschwanden und die Selbstständigen werden als Bittsteller bei den Argen behandelt. Sie fühlen sich schlecht betreut und selbst Gerichtsbeschlüsse, die zu ihren Gunsten gegen die Argen ausgefallen sind, werden verspätet umgesetzt.
Nun kommen Sie uns bitte nicht damit, dass die Landesregierung nicht zuständig sei, weil dies Sache der Bundesagentur für Arbeit ist. Nein, sagen wir, dies ist unsere Angelegenheit. Wir erwarten von der Landesregierung, dass mit der Bundesagentur Gespräche geführt werden, um eine Verbesserung zu erreichen, und gleichzeitig ausgelotet wird, wie und mit welchen Maßnahmen konkret geholfen werden kann.
Wie muss man sich die Situation der Selbstständigen über das bisher Beschriebene hinaus vorstellen? Nun, ganz ähnlich wie die Situation, in der die sogenannten Aufstocker verhaftet sind. Diese haben womöglich eine Vollzeitstelle, arbeiten 38 oder 40 Stunden oder mehr in der Woche und werden so schlecht bezahlt beziehungsweise haben so wenig Einnahmen, dass es für die Familie nicht reicht. So geht es vielen Selbstständigen, wie man an den Zahlen sieht. Nur kommt bei ihnen hinzu, dass sie in ihrer Selbstständigkeit auch noch eingeschränkt und im schlimmsten Fall behindert werden. Jede und jeder, der den Weg in die Selbstständigkeit geht, lernt als Erstes: Du bist selbst und ständig für dein Tun und Lassen verantwortlich.
Wie sieht es aber im ALG-II-Bezug aus? Mit dem Erlass der Arbeitslosengeld-II- und der Sozialgeld-Verordnung vom 1. Januar 2008 wurde die Anrechnung des Einkommens von Selbstständigen und Freiberuflern und Freiberuflerinnen vom Steuerrecht abgekoppelt. Daraus ergeben sich nicht nur Auswirkungen auf den Leistungsanspruch, sondern auch auf die unternehmerische Tätigkeit. In einer einfachen monatlichen Einnahme-Ausgabe-Rechnung wird nun der Leistungsanspruch für die Bedarfsgemeinschaft berechnet, wobei die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter in der Arge darüber entscheidet, welche Ausgaben unvermeidbar waren oder ob diese den Lebensumständen während des Leistungsbezuges entsprechen. Jegliche Ausgabe, auch die Reparatur des Pkws, muss vorher bei der Arge genehmigt werden, Einnahmeschwankungen werden nicht berücksichtigt und notwendige Investitionen können nicht angespart werden.
Aber es ist noch mehr: Die Betroffenen werden mit unzumutbaren Verwaltungsaufgaben belastet. Damit wird Zeit der Betroffenen gebunden, die sie eigentlich für andere Aufgaben dringender benötigen. Denn in der Regel handelt es sich um Einmannunternehmen, die alles alleine erledigen müssen, von der Suche nach Aufträgen, der persönlichen Werbung für das Unternehmen, der Abrechnung und, und, und, eben alles, was jedes Unternehmen in Deutschland zu leisten hat. Und wir sehen das als einen massiven Eingriff in die unternehmerische Tätigkeit.
Und, meine Damen und Herren, es ist verfassungsrechtlich bedenklich, wenn zunehmend Druck auf die Selbstständigen ausgeübt wird, ihre Selbstständigkeit aufzugeben.
Meine Damen und Herren, es geht mir nicht darum, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Argen und der Sozialagentur zu kritisieren. Dort gibt es gute und weniger gute, verständnisvolle und andere, wie in allen anderen Bereichen des Lebens auch. Was wir aber kritisieren müssen, das ist das Hartz-IV-System mit seinem Druck auf die Beschäftigten in den Argen und mit dem Druck auf die Hilfebedürftigen. Was wir kritisieren müssen, ist der Umstand, dass Hilfebedürftige nur noch als Kostenfaktor gesehen und bewertet werden. Und was wir kritisieren müssen – und an dieser Stelle wird meine Fraktion erneut durch Dritte, dieses Mal, im Falle der Ein-EuroJobs, durch den Bundesrechnungshof, bestätigt –, das ist der Umstand, dass offensichtlich tatsächliche Integration nicht das Ziel ist.
Aber wäre es nicht hilfreicher, den Betroffenen und insbesondere den Selbstständigen wirkliche Hilfe und Unterstützung an die Hand zu geben? Wie sagt man so schön? Jeder Unternehmer, jede Unternehmerin schafft
mindestens einen Arbeitsplatz. Und warum nehmen wir es hin, dass es offensichtlich zwei Klassen von Unternehmerinnen und Unternehmern in Mecklenburg-Vorpommern beziehungsweise in der Bundesrepublik Deutschland gibt? Für eine Unternehmenskultur in der Bundesrepublik spricht das aus unserer Sicht nicht.
Meine Damen und Herren, ich habe versucht, Ihnen einige Probleme aufzuzeigen, die es im Zusammenhang mit der unternehmerischen Tätigkeit von aufstockenden Selbstständigen in unserem Land, aber auch in der Bundesrepublik Deutschland gibt. Lassen Sie uns gemeinsam – und wir würden uns freuen, wenn Sie unseren Antrag heute mit bestätigen würden beziehungsweise zumindest in die zuständigen Ausschüsse überweisen –, lassen Sie uns gemeinsam prüfen, wie wir dieser Gruppe, wo wir ja immer davon ausgehen, dass wir das Unternehmertum in Mecklenburg-Vorpommern stärken wollen und alle Unterstützung und Hilfe an die Hand geben wollen, wie wir dieser Gruppe gemeinsam Hilfe und Unterstützung geben können und wo wir helfen können. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Als Erster hat ums Wort gebeten der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Herr Seidel. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.