Ich will jetzt hier kurz unterbrechen. Wenn Sie immer wieder dazwischenrufen und darauf hinweisen, dass es auch in der 1. Legislaturperiode nicht so gelaufen ist,
(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Und Sie wissen, dass Bildung langfristig ist. Bildung ist ziemlich langfristig angelegt.)
Ja, ich habe aber vorhin auch darauf hingewiesen, dass dies eine lange Geschichte hat, wenn Sie genau zugehört hätten.
(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Nee, nee! – Zurufe von Wolfgang Griese, DIE LINKE, und Irene Müller, DIE LINKE)
Es liegt auf der Hand, was mit dem Instrument der Enquetekommission erreicht werden soll. Die aktuellen Bildungsprobleme müssen breiter und tiefer im Landtag und in der Öffentlichkeit diskutiert und gelöst werden. Ohne diese Diskussion bleiben die bisher gemachten Reformen stecken und drohen zu scheitern. Die Landesregierung hat unabhängig von den Ergebnissen der Bildungskommission die Schulen reformiert, aber dabei die schulbürokratischen Strukturen nicht verändert. Im Volksmund spricht man von neuem Wein in alten Schläuchen. Das verdirbt den neuen Wein, und eine Schulreform ohne eine Bildungsbürokratiereform verdirbt die Schulreform.
1. Die bürokratischen Strukturen in der Bildung müssen im Sinne des lebenslangen Lernens von der frühkindlichen Bildung bis zur Weiterbildung in einem Ministerium zusammengefasst werden. Wenn eine Schule einen Hort unterhält und im Moment sowohl das Bil
dungsministerium als auch das Sozialministerium für die Bildung zuständig ist, das versteht, meine Damen und Herren, kein Mensch.
Und ich weiß als Bürgermeister, welche Schwierigkeiten uns diese Trennung auch in den Kommunen als Schulträger bereitet. Im Zuge einer Reform der Bildungsbürokratie müssen alle Ebenen der Bildungsverwaltung einer kritischen Revision unterzogen werden.
2. Wir müssen außerdem die Rolle der Lehrer und Eltern im Bildungssystem neu definieren. Es genügt nicht, wenn man allein die didaktisch-pädagogischen Konzepte verändert. Der Schlüssel zum Erfolg liegt bei den Menschen, die im Bildungsumfeld der Kinder mitwirken. Die Ergebnisse der letzten Bildungskommission bieten eine gute Grundlage, um nun einen weiteren entscheidenden Schritt zu unternehmen.
Meine Damen und Herren, die von uns vorgeschlagene Enquetekommission für chancengleiche Bildung soll neue bildungsadministrative Strukturen entwerfen, damit alle Schulen im Land wirklich chancengleich und eigenständig arbeiten können.
Die Tatsache, dass es zu Anfang der Legislatur bereits eine Bildungskommission gegeben hat, ist für uns kein Grund, auf weitere Kommissionsarbeit für die Bildung zu verzichten. Im Gegenteil, die Verantwortung für Bildung auf Landesebene fordert einen ständigen Wettbewerb um die beste Bildung. Dies ist ein fortlaufender Prozess zur Optimierung des Bildungssystems auf allen Ebenen. Eine Ebene ist dabei die ständige Weiterentwicklung von pädagogisch-didaktischen Konzepten und die von Schulstrukturen.
Ich betone, dass wir die Schulstrukturen nicht schon wieder ändern wollen, und biete hier einen Schulfrieden an, der auch für die nächste Legislatur Bestand haben kann. Das Thema Bildungsbürokratie blieb jedoch in der Bildungskommission stark, um es vorsichtig auszudrücken, unterbelichtet. So wird diese Woche in der Presse berichtet, dass Erzieherinnen im Land keine Abschlussprüfungen machen können, weil die Schulämter überlastet sind.
Ein Aspekt, der noch vertieft werden muss, ist die Einbeziehung der Eltern in die Bildungskonzeption. Hier muss noch genauer hingesehen werden. Schließlich ist es kein Geheimnis, dass die Kinder heute mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen ihre Bildungskarriere in den öffentlichen Bildungseinrichtungen beginnen, weil Bildung zu Hause bei den Eltern anfängt. Alle Eltern wollen dabei sicherlich die besten Voraussetzungen für eine chancengleiche Bildung schaffen, sind aber manchmal mit dieser Aufgabe überfordert und würden hier sicher gerne Hilfe von außen annehmen. Hier könnte noch viel mehr geleistet werden. Es geht in erster Linie darum, die Chancen und Risiken der Bildungsentwicklung vor Ort zu erkennen und durch nachhaltiges Handeln positiv zu beeinflussen.
Meine Frage an die Skeptiker unter Ihnen ist folgende: Was wäre, wenn wir auf diese Form der Auseinanderset
zung verzichten? Das, was wir an Planungskosten sparen, müssten wir durch ein Vielfaches an Folgekosten nachschieben. Die fortdauernd hohe Quote an Schul- und Ausbildungsabbrechern sowie eine geringe Studierendenquote sind die zentrale Herausforderung für das Land Mecklenburg-Vorpommern.
Die Kommission „Chancengleichheit durch Bildung für alle“ soll dem Land und jedem Einzelnen neue Möglichkeiten aufzeigen, wie Bildungsintegration und damit auch gesellschaftliche Integration möglich werden kann. Aus unserer Sicht von einer Bildungsgesellschaft kann Leistung, Engagement und Lebensfreude nur durch Integration von bildungsfernen Schichten und Inklusion erreicht werden. Dies kann nur in einer Gesellschaft geschehen, wo Menschen nicht nach Beurteilung von Defiziten, sondern vor dem Hintergrund individueller Talente und Fähigkeiten gefördert werden. Hier müssen mehr Mittel eingesetzt und Anstrengungen unternommen werden, die wir vielleicht an anderer Stelle einsparen, wo sie nicht nur überflüssig sind, sondern die wichtigen Bildungsziele sogar konterkarieren.
Daher, meine Damen und Herren – ich komme zum Schluss –, alle Veränderungen erzeugen Angst, und die bekämpft man am besten, indem man das Wissen verändert. Dann wird Schulpolitik nicht mehr grauenvoll sein, meine Damen und Herren. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Als Erster hat das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Reinhardt. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte kurz für die Koalitionsfraktionen SPD und CDU hier Stellung nehmen, also auch für meinen geschätzten Kollegen Herrn Brodkorb zusammen.
Sehr geehrter Herr Kreher, ich glaube, dieser Antrag ist ein wenig durch die interne Fraktionskontrolle bei Ihnen gefallen.
Ich will zum Inhalt sagen, darüber kann man sicherlich lange streiten, aber es ist doch von der Form her einiges zu bemängeln. Sie fordern das Einsetzen einer Enquetekommission. Sie wissen ja, dass wir relativ nahe am Ende der Legislaturperiode sind. Wir müssen mal theoretisch davon ausgehen, dass das Einsetzen einer Enquetekommission, würden wir es heute beschließen, wahrscheinlich nicht vor dem Frühjahr nächsten Jahres abgeschlossen ist. Sie fordern dann zum 30.06. bereits einen Zwischenbericht. Wer die Form und die Arbeitsweise von Enquetekommissionen kennt, ich erinnere an die Enquetekommission zur Verwaltungsmodernisierung,
dass wir da sagen, innerhalb von drei, vier Monaten sind erste Ergebnisse erzielt worden, das ist sicherlich sehr fragwürdig.
Sie sagen dann, der Endbericht soll zum 30.06.2012 vorliegen. Dies ist jedoch aus meiner Sicht und nach unserer Auffassung schlecht möglich, denn ein Blick ins Gesetz erleichtert hier die Rechtsfindung. Paragraf 9 des Enquetekommissionsgesetzes unseres Landes sagt: „Die Enquetekommission endet durch … Ablauf der Wahlperiode des Landtages.“ Und diese läuft bekanntermaßen am 4. September ab, wodurch es also diesen Endbericht 2012 gar nicht mehr geben kann.
Aus diesen Gründen und auch weil es in diesem Landtag gerade erst zu Beginn eine Expertenkommission zu diesem Thema gab, wo sehr viel Umfangreiches vorgelegt wurde, wo wir auch sehr viel in die Gesetzgebung, ob zum Schulgesetz oder jetzt zum Landeshochschulgesetz, mit einfließen lassen und wo Sie auch jederzeit die Möglichkeit haben, Herr Vizepräsident Kreher, dies im Rahmen der Selbstbefassung im Ausschuss zu diskutieren, halten wir diesen Antrag erstens für völlig zum falschen Zeitpunkt und zweitens für relativ überflüssig. Wir werden ihn daher ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete und Vizepräsident des Landtages Herr Bluhm von der Fraktion DIE LINKE.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In seinem Interview zum 20. Jahrestag der FDP-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern bescheinigte Herr Roolf den LINKEN Geradlinigkeit. Das sehe ich als Lob und will deshalb auch bezüglich der Bewertung des vorliegenden Antrages geradlinig sein.
Als ich den Antrag das erste Mal sah, stellte ich mir die Frage: Was soll das? Nun sind wir inzwischen von der FDP-Fraktion ja schon so einiges gewöhnt, aber es erstaunt mich schon immer wieder, auf welche Ideen man so alles kommt.