Protokoll der Sitzung vom 19.11.2010

Zuerst einige Anmerkungen zum Verfahren, auf das auch Herr Reinhardt schon eingegangen ist:

Erstens. In der Tat, wir haben noch sechs Sitzungswochen. Nach Paragraf 8 Absatz 1 des Enquetekommissionsgesetzes muss, falls die Enquetekommission bis zum Ende der Legislaturperiode ihre Arbeit nicht beendet hat, wovon bei der Fülle der Aufgabenbeschreibung nach Ihrem Antrag auszugehen ist, ein schriftlicher Zwischenbericht vorgelegt werden bis zum 30.06. Abgabetermin für diesen Zwischenbericht wäre nach der Geschäftsordnung der 23.06., 12.00 Uhr. Verfahrenstechnisch heißt das aber, dass, sollte man heute eine solche Kommission beschließen, diese Kommission sofort mit der Arbeit an dem Bericht beginnen müsste,

denn ein solcher Bericht ist ja nicht innerhalb von sieben Tagen zu erstellen.

(Dr. Harald Ringstorff, SPD: Das sind flinke Leute. – Zuruf von Ralf Grabow, FDP)

Diese Anforderungen finden sich in Paragraf 39 des Untersuchungsausschussgesetzes, denn die Anforderungen an einen solchen Bericht sind explizit geregelt. Zieht man dann noch die parlamentsfreie Sitzungszeit ab, ständen ganze vier Monate für die Arbeit an dem Zwischenbericht zur Verfügung.

Hinzu kommt, dass die Enquetekommission, meine Dame und meine Herren von der FDP, von Abgeordneten zu besetzen ist. Sie sollten sich bei Ihren Mitgliedern in der Enquetekommission „Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung“ mal nach dem Arbeitsaufwand in einer solchen Enquetekommission erkundigen.

(Heinz Müller, SPD: Na, da ist auch nicht jeder gleich fleißig.)

Das stimmt wohl.

Da helfen auch zwei zusätzliche Personalstellen, die Sie bekommen würden bei einer solchen Enquetekommission, überhaupt nicht.

Zweitens. Ein großes Problem findet sich auch inhaltlicher Art unter Punkt II. im letzten Satz Ihres Antrages. Dort heißt es, Zitat: „Die Landesregierung“ – die Landesregierung! – „legt dem Landtag Mecklenburg-Vorpommern spätestens bis zum 30. Juni 2012 die Ergebnisse vor.“ Ende des Zitats. Eine Enquetekommission nach Paragraf 1 des Kommissionsgesetzes ist ein Gremium des Landtages und eben nicht ein Gremium der Landesregierung. Folglich kann die Landesregierung gar nicht zur Abgabe eines solchen Berichtes aufgefordert werden.

Drittens. Die Arbeit einer Enquetekommission endet nach Paragraf 9 des Enquetekommissionsgesetzes entweder durch die Vorlage des Abschlussberichtes beim Landtag oder durch Ablauf der Legislaturperiode. Da sie nun selbst einen Zwischenbericht zum 30.06.2011 fordern, ist damit in dieser Wahlperiode offensichtlich ein Abschlussbericht ausgeschlossen. Insofern greift also hier die zweite Alternative des entsprechenden Gesetzes, das heißt, dass die Arbeit der Enquetekommission durch Ablauf der Legislaturperiode endet und erst der neu gewählte Landtag eine erneute Einsetzung einer Enquetekommission beschließen müsste, um einen entsprechenden Abschlussbericht vorzulegen.

(Regine Lück, DIE LINKE: Genauso ist es.)

Nun einige inhaltliche Anmerkungen zu Ihrem Antrag, meine Damen und Herren.

Die Enquetekommission soll die Arbeit der Expertenkommission zur Zukunft der Erziehung und Bildung unter Berücksichtigung des lebenslangen Lernens in Mecklenburg-Vorpommern fortführen. Wir erinnern uns: Diese Expertenkommission hat nach über zwei Jahren intensiver Arbeit im Jahre 2008 einen 205 Seiten umfassenden Bericht vorgelegt und darin insgesamt 122 Empfehlungen zur Entwicklung eines zukunftsfähigen Bildungssystems in unserem Land unterbreitet. Diese Ergebnisse sollen nach Ihrer Begründung – ich zitiere – „um wesentliche Aspekte“ erweitert werden.

Das, meine sehr verehrten Kollegen von der FDP-Fraktion, halte ich dann doch schon für einen ziemlich groben

Affront gegenüber der Arbeit der Expertenkommission. Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, nach dem Einzug der FDP in den Landtag haben Sie seit 2007 ein eigenes Mitglied in dieser Kommission gehabt. Und bis auf eine sind die von ihm formulierten Aufgaben an die Enquetekommission bereits durch die Expertenkommission abgearbeitet.

(Heike Polzin, SPD: Genau.)

Es kommt aus unserer Sicht also nicht darauf an, neue Aufgaben zu formulieren, wobei Sie auch noch nicht einmal sagen, worin die denn bestehen sollten, sondern dafür zu sorgen, dass die Empfehlungen der Expertenkommission schrittweise umgesetzt werden. Das Problem liegt aus meiner Sicht eben nicht bei den Empfehlungen, sondern vor allen Dingen in der Umsetzung der Empfehlungen durch die Politik. Ich darf daran erinnern, dass auch die Expertenkommission zusätzlich zu ihrem eigentlichen Auftrag darum gebeten wurde, zur damaligen Debatte um das Schulgesetz Stellung zu nehmen, was sie ausführlich getan hat. Ich meine schon, wir sind von einer planmäßigen Umsetzung der Empfehlungen der Expertenkommission noch ein ganz gehöriges Stück in diesem Lande entfernt.

(Heike Polzin, SPD: Ja.)

Ich will an dieser Stelle noch auf zwei Punkte aus der Begründung eingehen:

Erstens „soll die Kommission“ – Zitat – „Vorschläge für eine langfristige Entwicklung des Bildungssystems machen“.

Meine Damen und Herren, das liegt aus unserer Sicht mit dem Bericht der Expertenkommission in der entsprechenden Breite und Gründlichkeit vor. Die Themen, die Sie berücksichtigt haben wollen, machen hingegen eher den Eindruck eines Forderungskataloges der Wirtschaft zur Behebung des drohenden Fachkräftemangels als eines entsprechenden bildungspolitischen Konzepts. Das nun greift aber wirklich zu kurz. Bildung hat aus unserer Sicht mehr zu leisten, als nur die verlängerte Werkbank der Wirtschaft zu sein.

(Wolfgang Griese, DIE LINKE: Aber auch.)

Zweitens. Es soll in der Enquetekommission – Zitat – „ein möglichst breites … Spektrum von Interessengruppen vertreten sein“.

Nun, meine Damen und Herren, das waren sie schon in der Expertenkommission. Dort wurden viele Anhörungen durchgeführt und Materialien aus anderen Bundesländern ausgewertet.

Alles in allem, ich empfehle Ihnen, die Anträge gründlicher vorzubereiten. Manchmal hilft es auch, einfach nachzusehen, was schon vorhanden ist.

(Heike Polzin, SPD: Ja.)

Ich würde nämlich viel lieber mit Ihnen über inhaltliche Themen diskutieren und auch streiten, als mich mit einer redaktionellen oder juristisch-rechtlichen Bearbeitung eines solchen Antrages beschäftigen zu müssen, der auch vor dem Hintergrund der geltenden Gesetzlichkeit dieses Landes einfach so nicht geht. – Wir lehnen Ihren Antrag deshalb aus fachlichen und auch rechtlichen Gründen ab.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Danke, Herr Bluhm.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Lüssow von der Fraktion der NPD.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP fordert also die Bildung einer Enquetekommission zum Thema „Bildung für alle“. Jedermann wird vorbehaltlos der Forderung „Bildung für alle“ zustimmen können. Nur, wir von der NPD fragen uns, was eine weitere Enquetekommission dazu beitragen soll. Die Probleme sind bekannt. Die Altparteien haben lange genug Zeit gehabt, für „Bildung für alle“ zu sorgen. Sie haben auf diesem Gebiet, und das kann man unterstreichen, völlig versagt. Auf europäischer Ebene betreiben Sie die Harmonisierung der Bildungsabschlüsse, man denke nur an den unsäglichen sogenannten Bologna-Prozess, auf der anderen Seite blockieren Sie eine nationale Harmonisierung der Bildungspolitik.

Den bildungspolitischen Flickenteppich in der BRD haben die Altparteien zu verantworten. Dieses Problem wird nicht durch eine Enquetekommission in Mecklenburg-Vorpommern gelöst. Dieses Problem kann letztlich nur durch Ihre Abwahl durch das Volk gelöst werden.

Die NPD hat zur Bildungspolitik klare Vorstellungen. Jahrzehntelange Reformen auf der Basis des Dogmas der angeblichen Gleichheit aller Menschen haben die Leistungsfähigkeit unseres Schul- und Hochschulwesens verheerend untergraben. Hinter diesen ideologiegesteuerten Reformen steht die wirklichkeitsferne Vorstellung, durch ausgeklügelte Programme eine neue Gesellschaft mit Menschen gleicher Fähigkeiten und Leistungen zu schaffen.

Im Ergebnis dieser falschen Politik sehen wir einen deutlichen Leistungsverfall, der durch ungehemmte Zuwanderung noch ständig verstärkt wird, was auch der SPDPolitiker Thilo Sarrazin in seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ zutreffend festgestellt hat.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Haben Sie das Buch überhaupt schon gelesen?)

Mit dem Untergang der DDR wurde das Bildungssystem der Alt-BRD auch für Mitteldeutschland und Mecklenburg-Vorpommern unkritisch übernommen. Durchaus positive Erfahrungen wie zum Beispiel im naturwissenschaftlichen und polytechnischen Bereich wurden dabei rundweg nicht berücksichtigt.

Wir von der NPD bekennen uns zum mehrgliedrigen Schulsystem. Die staatlichen Schulen müssen auch in Zukunft ausbildungs- und hochschulqualifizierende Regelschule bleiben. Diese dürfen im Vergleich zu Privatschulen eben nicht zu unterfinanzierten Verwahrungsanstalten verkommen.

Das deutsche Schulwesen, und das ist uns von der NPD besonders wichtig, muss endlich bundeseinheitlich organisiert werden. Dies ist der richtige Ansatz. Wir brauchen keine 16 Kultusministerien und 16 Landtage, welche sich mehr schlecht als recht um Bildungspolitik kümmern.

Im Anschluss an eine gemeinsame Grundschulzeit sind die Schüler entsprechend ihrer Leistungsfähigkeiten in einem mehrgliedrigen Schulsystem zu unterrichten. Es ist sicherzustellen, dass über die Wahl der Schulart das Leistungsvermögen der Schüler entscheidet. Leistungsunterschiede, die in der sozialen Herkunft der Schüler begründet sind, sind durch Einrichtung einer einjährigen verpflichtenden Vorschule beziehungsweise geeignete

innerschulische Fördermaßnahmen zu verringern. Das Bestehen eines Sprachtests als Bestandteil der Einschulungsuntersuchung ist Voraussetzung für den Schulbesuch. Es kann nicht sein, dass erst in der Schule die deutsche Sprache erlernt werden soll.

Die NPD will im Schulwesen eine nationale, zentrale Struktur. Zur Durchsetzung vergleichbarer Leistungsanforderungen sind bundeseinheitliche schriftliche Prüfungen für das Abitur und die Mittlere Reife abzuhalten. Die Begabtenförderung und die Möglichkeiten, das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg zu erwerben, sind erheblich auszubauen.

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

Der Präsident des Deutschen Studentenwerkes Professor Rolf Dobischat stellte klar fest, dass zum Hochschulzugang zum Beispiel der Bildungsstatus der Eltern entscheidend sei. Zitat: „Ob ein Kind ein Hochschulstudium aufnimmt, ist in Deutschland nicht allein eine Frage der individuellen Begabung. Es ist zuallererst eine Frage des Bildungsstatus der Eltern. … Das ist eine... Polarisierung von Bildungschancen. Sage mir, wer deine Eltern sind, und ich sage dir, ob du studierst oder nicht. Hochschulbildung wird immer mehr zu einer Art Erbprivileg, das von Akademiker-Generation zu Akademiker-Generation weitervererbt wird. Bildungsgerechtigkeit? Eher das Gegenteil: eine krasse Bildungs-Ungerechtigkeit.“ Zitatende.

Dieser von Professor Dobischat festgestellte Zustand ist völlig inakzeptabel. Hier besteht in der Tat ein enormer Handlungsbedarf. Wir fordern auch klipp und klar zum Thema „Bildung für alle“, ohne dass wir hierzu eine Kommission bräuchten, für den Bereich der Hochschulen campusnahen Wohnraum, günstige hochschulgastronomische Angebote, kostendeckendes BAföG, bessere Beratungsangebote für die Studenten und genügend Kita-Plätze an den Universitäten und Hochschulen.

Der tolle Spruch „Bildung für alle“ bringt nichts. Eine wie von der FDP beantragte Enquetekommission zum Thema „Bildung für alle“ ist überflüssig und würde überhaupt nichts bringen. – Wir lehnen daher diesen Antrag ab.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Es hat jetzt noch einmal das Wort für die Fraktion der FDP Vizepräsident Kreher. Bitte schön, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit einigen Kritiken hatte ich ja gerechnet, vor allem mit der Kritik, dass die Enquetekommission in dieser Legislatur beendet werden müsse. Meine Antwort darauf: Paragraf 8 des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Enquetekommissionen vom 9. Juli 2002 lässt Interpretationsspielraum.

(Heike Polzin, SPD: Wo?)

Absatz 1 dazu: „Nach Abschluss ihrer Tätigkeit oder – falls die Enquete-Kommission ihre Tätigkeit bis zum Ende der Legislaturperiode nicht beendet hat – zum Ende der Wahlperiode erstattet die Enquete-Kommission dem Landtag einen schriftlichen Bericht.“