Protokoll der Sitzung vom 27.01.2011

Herr Minister Schlotmann, jetzt rede ich.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Herr Kollege Roolf, die Mittel, die über die Regionalisierungsmittel gehen, sind Mittel, wo die Bahn im Wettbewerb mit anderen privaten Unternehmen Leistungen für den jeweiligen Aufgabenträger bringt. Ich glaube nicht, dass sie von der Deutschen Bahn, auch nicht als staatlich geeignetem Unternehmen oder im Eigentum als staatliches Unternehmen wollen, dass sie das dann kostenlos erbringen. Das wäre nämlich dann wettbewerbsverzerrend.

(Zuruf von Birgit Schwebs, DIE LINKE)

Und die 4 Milliarden, von denen Sie gesprochen haben, Leistungsfinanzierungsvereinbarung, dafür ist die Bahn verpflichtet, entsprechende Infrastruktur herzustellen,

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

eine Verpflichtung, die die anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen in diesem Land nicht haben, sodass letztendlich für die Allgemeinheit dort eine Leistung erbracht wird. Das nur zu den 10 Milliarden vorab.

Aber, meine Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin, vielleicht mal zu dem eigentlichen Inhalt des Antrages von den Kollegen der Linkspartei: Man muss ja einfach feststellen, dass nach den teilweise wirklich chaotischen Auswirkungen des Winters Anfang 2010 sämtliche Verkehrsträger in Deutschland massiv beeinträchtigt gewesen sind, nicht nur die Bahn. An deutschen Flughäfen wurden teilweise sämtliche Flugverbindungen gestrichen,

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Ja, ja, die vier Feinde des Sozialismus haben überlebt.)

weil die Maschinen aufgrund des Eises und des Schnees nicht starten oder landen konnten. Auf deutschen Straßen brach der Verkehr teilweise vollständig zusammen, weil die Strecken völlig vereist waren. Ich habe das selbst kurz vor Hamburg erlebt – für 20 Kilometer vier Stunden, das ist dann schon eine Leistung. Und selbst dort, wo es auch auf Autobahnen nicht zu Fahrverboten oder Streckensperrungen aufgrund der Witterungsverhältnisse kam, mussten die Fahrzeuge häufig im Schritttempo über die Straße kriechen. Früher hätte jeder gedacht, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist die Gelegenheit für die Bahn, ihre Kompetenz,

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Genau.)

ihre Zuverlässigkeit,

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Genau.)

ja, in gewisser Weise ihre Überlegenheit gegenüber allen anderen Verkehrsträgern unter Beweis zu stellen.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Das war früher auch mal so.)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich kann mich, das ist ja schon etwas länger her, an einen Werbespruch der Bahn in meiner Jugendzeit erinnern, der lautete: „Alle reden vom Wetter, die Bahn fährt.“

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Heute, sehr geehrte Kolleginnen und Herren, kann man, was die Bahn betrifft,

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

in Anlehnung an gleichfalls vergangene Zeiten nur noch feststellen, die Deutsche Bahn hat vier Feinde: Frühling, Sommer, Herbst und Winter.

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Trotz der Erfahrungen, die die DB AG als größtes Verkehrsunternehmen in Deutschland bereits im vorigen Winter, aber auch im letzten Sommer sammeln konnte, hat die Bahn die Chance nicht genutzt, ihren Ruf als zuverlässiges und sicheres Verkehrsmittel deutlich zu machen. Die DB AG war auch Ende 2010 wieder nicht in der Lage, einen störungsfreien Ablauf im Verkehr zu gewährleisten. Und da will ich erst mal an dieser Stelle völlig außen vor lassen, ob die Äußerungen von Herrn Minister Ramsauer im Verkehrsausschuss des Bundestages stimmen, dass nur 70 Prozent der Züge, die angeblich pünktlich waren, durchgekommen sind, oder ob es tatsächlich nur 50 Prozent waren. Es hätten an sich mindestens 99,9 sein sollen. Das kann man wohl schon von einem Verkehrsunternehmen dieser Größe erwarten.

Aber, meine Damen und Herren, das muss man ganz klar feststellen, das ist nicht die Schuld der vielen Beschäftigten der DB AG, die häufig völlig unverdient den Unmut der Fahrgäste über sich ergehen lassen müssen. Schuld hat eindeutig eine Bahnführung, die kurzfristige Bilanzergebnisse des Konzerns über die Erbringung des Gemeinwohlauftrages der Bahn stellt, und schuld hat eine völlig verfehlte politische Prioritätensetzung gerade auch der jetzigen schwarz-gelben Bundesregierung, die trotz aller negativen Erfahrungen gerade in den letzten zwei Jahren nicht bereit ist,

(Zuruf von Hans Kreher, FDP)

die Reißleine gegenüber dem Bahnmanagement zu ziehen und den betriebswirtschaftlichen Abenteuern der letzten Jahre auch unter Führung einer SPD-beteiligten Bundesregierung ein Ende zu bereiten.

Auch dem, sehr geehrte Kollegen von der Fraktion, seit 2009 amtierenden Bahnchef Grube ist es in seiner bisherigen Amtszeit als Vorsitzender des Vorstandes der Deutschen Bahn AG nicht gelungen, einen ordnungsgemäßen Betriebsablauf im Fern- oder Nahverkehr zu gewährleisten. Der Winter hat erneut gezeigt, der Fahrzeugbestand ist weder ausreichend noch hinreichend winterfest,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Sommerfest auch nicht.)

notwendige Wartungen konnten nicht durchgeführt werden, weil in der Vergangenheit Wartungseinrichtungen, übrigens auch in unserem Land, geschlossen oder zurückgefahren wurden und Wartungspersonal abgebaut wurde. Und eine auch nur ansatzweise ausrei

chende Informationspolitik gegenüber den Kunden sind offenkundig Fremdwörter für die Führung der DB AG.

Aber, meine Damen und Herren, es reicht nicht, wenn Bundesregierung und Bahn die bestehenden Mängel immer wieder einräumen. Man muss als Bahn bereit sein, die Konsequenzen aus den bestehenden Fehlentwicklungen zu ziehen, man muss als Bundesregierung, das heißt als Eigentümer und Aufsichtsgremium dem Unternehmen auch die Möglichkeit überhaupt erst einmal geben, festgestellte Mängel zu beheben.

Es ist, gestatten Sie mir diese Aussage, mehr als nur widersprüchlich, wenn der Bundesverkehrsminister den Istzustand bei der Bahn beklagt, aber gleichzeitig dieselbe Bundesregierung von dem zutiefst gebeutelten Unternehmen weiterhin die Zahlung einer Dividende in Höhe von 500 Millionen Euro pro Jahr verlangt, ohne dass, sehr geehrter Herr Kollege Roolf, überhaupt feststeht,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das stimmt, das stimmt, Herr Schulte.)

ob und in welcher Höhe das Unternehmen denn zukünftig einen Gewinn erzielen wird. Diese Fixierung des Unternehmens auf bloße Gewinnabführung ohne Rücksicht auf Verluste und nicht das Wetter ist die Ursache für das ramponierte Erscheinungsbild der DB AG.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Für den Zustand. – Zuruf von Andreas Bluhm, DIE LINKE)

Man kann nicht gleichzeitig die Bahn auf Verschleiß fahren und trotzdem einen einwandfreien Schienenverkehr erwarten. Ziel einer soliden Verkehrspolitik muss es sein, die Bahn wieder fit zu machen, gleich, wie das Wetter ist.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Ich finde, Sie könnten unserem Antrag zustimmen.)

Und, meine Damen und Herren, wer die Kundeninteressen in den Fokus seiner Überlegungen stellt, wird letztendlich auch betriebswirtschaftlich den gewünschten Erfolg haben. Ich vermute mal, Herr Kollege Roolf, Sie würden das für Ihr Unternehmen genauso sehen.

Meine Damen und Herren, und deswegen erlauben Sie mir, auf den Beschluss der Verkehrsministerkonferenz vom 10. Januar dieses Jahres an dieser Stelle zu verweisen und ihn zu zitieren – eine Sonderverkehrsministerkonferenz, an der alle Verkehrsminister dieses Landes, egal, welcher Parteicouleur sie angehören, teilgenommen und mitgewirkt haben. Dort heißt es unter Ziffer 5 des Punktes 6: „Die Verkehrsministerkonferenz fordert den Bund auf, die für den im Normalbetrieb erwarteten Qualitätsstandard sowie die für den in Extremsituationen definierten Mindeststandard notwendigen Finanzmittel dauerhaft bereitzustellen. Solange diese Mittelbereitstellung nicht gewährleistet ist, sind eventuelle Gewinne der DB AG in Abstimmung mit dem Bund hierfür zu verwenden.“

Und noch deutlicher, meine Damen und Herren, wird die SPD-Bundestagsfraktion in ihrem Antrag vom 18. dieses Monats, nachzulesen auf der Bundestagsdrucksache 17/4428, wo es unter Ziffer II. 2. heißt: „Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, … auf die geplante Zwangsdividende von 500 Mio. Euro sofort zu verzichten und mittels eines Moratoriums über zehn Jahre die Dividende im Konzern zu belassen“

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Das ist ein guter Vorschlag.)

„und für ein Sonderprogramm der DB AG für Investitionen in die deutsche Schieneninfra- und -suprastruktur zu nutzen“.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei, der Verkehrsminister dieses Landes ist längst in der Spur.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Das hab ich mir gedacht.)

Ich kann Sie auch nicht immer wieder überraschen, Frau Kollegin Schwebs.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Der Verkehrsminister dieses Landes ist längst in der Spur,

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

gemeinsam mit seinen Kollegen aus den anderen Ländern, um im Rahmen der Möglichkeiten …

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Das passt in dem Zusammenhang, Herr Kollege Liskow.