Protokoll der Sitzung vom 28.01.2011

um auf die Argumente der Koalitionsfraktionen und auch auf die Argumente der FDP einzugehen.

Unser Antrag ist eigentlich zweigeteilt, wenn man sich den genau anguckt. Auf der einen Seite sagen wir, das, was geändert werden soll im vereinfachten Verfahren, halten wir für nicht richtig, weil es die Situation in Europa und auch in der Eurozone weiter verschärfen wird. Und wir sagen auf der anderen Seite, es kann nicht sein, wenn man schon etwas verändern will, dass man das in einem vereinfachten Verfahren macht.

Und, Herr Dr. Born, Sie sind ja immer in der Auseinandersetzung mit mir und holen da irgendwelche Paragrafen und Artikel heraus.

(Irene Müller, DIE LINKE: Das macht er gern.)

Der Wirtschafts- und Stabilitätspakt ist heute schon Vertrag. Was jetzt passieren soll, ist eine Verschärfung, und um die Verschärfung geht es. Uns geht es nicht um den bestehenden Wirtschafts- und Stabilitätspakt. Das will ich an dieser Stelle deutlich sagen.

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Natürlich auch, ja. Ich setze mich ja gerne mit Ihnen auseinander und wir können auch immer die Paragrafen zitieren, rauf und runter. Wir machen den Wettbewerb mit, wer hier der rechtspolitische Sprecher ist. Hier geht

es aber um Europapolitik und ich denke, es war schon auch wichtig, noch mal auf diese beiden unterschiedlichen Sachen hinzuweisen.

Also der Wirtschafts- und Stabilitätspakt, so, wie er jetzt besteht, ist bereits Bestandteil der europäischen Gesetzgebung. Er soll verschärft werden. Und diese Verschärfung prangern wir an. Das will ich an der Stelle sagen. Und es gibt ein Bundesverfassungsgerichtsurteil, das kennen Sie sicherlich, und zwar in der Auseinandersetzung zum Maastricht-Vertrag, und der legt ganz genau fest, dass der Bundestag immer dann, wenn es um Geld geht, einzubeziehen ist. Wenn jetzt dieser Fonds erhöht werden soll, dann ist doch die Frage: Warum soll der Bundestag über das vereinfachte Verfahren ausgehebelt werden? Das kritisieren wir. Und wir kritisieren, dass damit in keiner Weise erreicht wird, dass das, was auf europäischer Ebene in Gang gesetzt wird, egal ob wir jetzt zu Ihrer Position stehen oder nicht zu Ihrer Position stehen, in irgendeiner Weise von den Bürgerinnen und Bürgern akzeptiert wird.

Wie gesagt, es wird auch unterschiedlich gesehen und diskutiert in der Bundesrepublik Deutschland. Und ich will so ein Spektrum mal darstellen. Auf Bundesebene streiten sich FDP und CDU über die Erhöhung des Rettungsfonds und über das vorgesehene Verfahren. Die SPD beklagt, dass durch das vereinfachte Verfahren die Demokratie ausgehebelt wird, wobei der Bundestag in der Vergangenheit durch Urteile, das hatte ich bereits gesagt, genau in diesen Punkten gestärkt wird. In der FDP ist ein großer Streit entbrannt.

(Gino Leonhard, FDP: Nein.)

Früher hieß es, was gut für Europa ist, ist gut für Deutschland. Und Westerwelle verlässt eigentlich ganz bewusst diesen Weg. Und wenn Sie die Zeitungen der letzten vier Wochen mal ganz genau lesen,

(Hans Kreher, FDP: Ja, die Zeitungen!)

die Interviews habe ich gelesen, ich habe mich sehr wohl ganz ausführlich mit diesem Thema beschäftigt, das können Sie sich schon vorstellen,

(Hans Kreher, FDP: Ja, und Sie wissen genau, was Westerwelle gesagt hat.)

er versucht, durch sein Verhalten das Vertrauen in die angebliche Steuerkompetenz seiner Partei wiederzuerlangen, und bekommt dabei Kritik vom ehemaligen Außenminister der Bundesrepublik Deutschland und aus der FDP.

Und es gibt dann noch Botschaften, die wir auch zur Kenntnis nehmen sollten: Wissenschaftler weisen deutlich darauf hin, dass der durch die Bundesregierung eingeschlagene und forcierte Weg in einer Sackgasse enden wird, und er wird die Eurozone nicht retten, er wird die Probleme in der Europäischen Union weiter verschärfen.

Und, sehr geehrter Herr Müller, vielleicht wäre es ganz gut, die Friedrich-Ebert-Stiftung hat eine hervorragende wissenschaftliche Untersuchung über genau dieses Thema veröffentlicht, und wenn Sie sich damit beschäftigen, werden Sie genau diesen Punkt finden, der unterstützt wird auch durch die SPD-Bundestagsfraktion,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Andreas Bluhm, DIE LINKE: Genau.)

dass genau der eingeschlagene Weg falsch ist, nicht nur das Verfahren, sondern der eingeschlagene Weg.

Und was viel schlimmer ist: Wir verlieren gemeinsam, denn, meine Damen und Herren, was macht denn die Europäische Union aus? Doch nicht die ungleiche Entwicklung in der Europäischen Union und in der Eurozone, sondern genau das Gegenteil, nämlich die gemeinsame, gleichwertige, auf hohen Standards basierende Entwicklung. Und genau das wird mit den vorgesehenen Änderungen verhindert.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Leistungsbilanzungewichte vergrößert werden und sie damit ein Problem für die Wirtschaft der Eurozone darstellen. Sie werden zu Schuldenkrisen, Wachstumseinbußen sowie Verhärtung struktureller Arbeitslosigkeit in den eigenen Regionen und zu einer politischen Krise führen. Wie soll es denn den betroffenen Ländern gelingen, bei Verstärkung und Verschärfung des Wirtschafts- und Stabilitätspaktes ihre eigenen Haushalte in den Griff zu bekommen?

Und ich muss mich doch fragen, warum denn ausgerechnet die Bundesrepublik Deutschland, die zweimal diesem Verfahren schon aus dem Weg gegangen ist mit allen möglichen Tricks, denn sie hatten die zwei blauen Briefe ja auch schon vor Augen, weil wir nämlich den in den Gesetzen festgeschriebenen Kriterien nicht entsprochen haben, warum genau ausgerechnet in dieser Zeit Deutschland eine Verschärfung dieser Kriterien verlangt.

Deutschland – und das müssen wir zur Kenntnis nehmen – ist aus der Krise und auch aus der Eurokrise gestärkt hervorgegangen. Und wir haben auch – und auch das muss man mal deutlich sagen – mit dazu beigetragen, auch durch unser Lohnsystem, durch den Niedriglohnbereich, dass in den anderen Ländern der Europäischen Union diese Situation mit entstanden ist. Und das kann doch nicht so weitergehen. Es kann doch nicht so weitergehen, wenn wir gemeinsam für eine Europäische Union streiten.

Und es ist doch auch ein Hohn, wenn durch die vorgesehenen Änderungen die Entwicklung in den betroffenen Ländern gebremst, die Defizite verstärkt werden und wir dann im Zusammenhang mit der Kohäsionspolitik wieder versuchen, Geld in die Regionen reinzupumpen, damit die Ungleichgewichte aufgeholt werden, die wir aber vorher durch eine Verschärfung der Gesetzgebung verursacht haben. Das ist doch „linke Tasche, rechte Tasche“. Wir lügen uns doch selbst in die Tasche.

(Michael Andrejewski, NPD: Ja, das machen Sie immer.)

Und dann streiten wir hier auch im Rahmen der Anhörung für eine vernünftige Kohäsionspolitik, damit die Länder, die noch Defizite haben, ihre Defizite aufholen können. Sie nehmen es nur aus einer anderen Tasche. Und das ist doch unglaubwürdig. Für uns ist es unglaubwürdig und auch der falsche Weg.

Und was die demokratische Entwicklung bedeutet, das zeigen die Ergebnisse der unterschiedlichen Befragung. Und was bedeutet es eigentlich, wenn Herr Schäuble in einem Artikel betont, dass die gemeinsame Währung nicht ohne Solidarität der Mitglieder auskommt? Von Solidarität haben Sie auch gesprochen. Und Solidarität, das ist richtig, ist keine Einbahnstraße. Aber Solidarität ist doch auch, wenn man den schwachen Ländern jetzt durch mögliche und vernünftige Maßnahmen hilft

und nicht, indem man sie knebelt und ihre eigene Wirtschaftssituation noch weiter an den Boden bringt,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Welches sind denn die richtigen Maßnahmen?)

die Binnenmarktkonjunktur wird weiter fallen und vieles andere mehr.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Welches sind denn vernünftige Maßnahmen?)

Er fordert eindringlich, die gemeinsame Wirtschaftspolitik, Finanzpolitik mit der sozialen Entwicklung zu verknüpfen, und fordert diesbezüglich ein stärkeres Zusammenwirken.

Wenn diese Erkenntnisse vorliegen, ist es doch nur richtig, die europäische Verfassung, die Schwerpunkte der Entwicklung in der Europäischen Union zu verändern unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Krise. Und was bedeutet es, wenn Herr Schäuble dann einfordert, dass die verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Grenzen der einzelnen Mitgliedsstaaten respektiert werden müssen? Und ich zitiere: „Staatliche und europäische Zuständigkeiten sind klug auszubilanzieren und jede Entscheidung ist demokratisch zu legitimieren.“

Und genau das wird mit dem beschrittenen Weg völlig negiert. Über den Weg des vereinfachten Verfahrens werden die in der Verfassung verankerten Rechte ausgehebelt und über nationale Rechte wird sich hinweggesetzt. Ja, es wird sich hinweggesetzt. Ich habe vorhin das Urteil in Bezug auf Maastricht ja schon angesprochen, und das werden Sie doch nicht infrage stellen, hoffe ich doch, Herr Dr. Born. Da sind wir uns doch einig, wie hochwertig die Urteile des Bundesverfassungsgerichtes sind?!

Und ich frage Sie dann doch noch mal, meine Damen und Herren: Welche Motivation hat denn die Bundesrepublik, diesen undemokratischen und aus meiner Sicht auch nicht europäischen Weg einzuschlagen?

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Es ist einfach unglaubwürdig, aus der Gewinnerposition heraus die Verschärfung der Stabilitätskriterien einzufordern, obwohl man selbst daran vorbeigeschrammt ist.

Meine Damen und Herren, es ist bedauerlich, dass Sie nicht bereit sind, sich über das Parlament in diesen Diskussionsprozess einzubringen. Denn eines steht fest: Mecklenburg-Vorpommern ist Bestandteil der Europäischen Union, die Bürgerinnen und Bürger werden die Auswirkungen zu spüren bekommen und wir werden uns dann gemeinsam damit auseinandersetzen müssen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Frau Borchardt.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/4070. Wer diesem zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/4070 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE, Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der CDU, der FDP und der NPD abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 35: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Fortschreibung des Kinder- und Jugendprogramms des Landes vorlegen, Drucksache 5/4071.

Antrag der Fraktion DIE LINKE: Fortschreibung des Kinder- und Jugendprogramms des Landes vorlegen – Drucksache 5/4071 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Dr. Linke von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete!

(allgemeine Unruhe)

Im Mai 2006 hat die damalige rot-rote Landesregierung nach einem intensiven mehrjährigen Diskussions- und Arbeitsprozess mit jungen Leuten, mit Lehrern, Sozialpädagogen ein Kinder- und Jugendprogramm vorgestellt mit dem Ziel, Qualitätsstandards der Kinder- und Jugendpolitik bis zum Jahr 2010 fortzuschreiben.

Dieses moderne Kinder- und Jugendprogramm war möglich, weil es auf wichtigen Erfahrungen basierte, die mit dem Jugendevent „Prora03“ gesammelt wurden und mit dem Jugendevent „Prora06“ wiederholt werden konnten. Prora, das waren Wochenendveranstaltungen mit 15.000 und 7.000 Teilnehmern, die – und das ist eigentlich das Wesentliche dieser Events gewesen – geführt von der Landesregierung, aber dabei ganz maßgeblich von der Jugend für die Jugend gestaltet wurden.

Diesen Treffen war jeweils eine über einjährige Vorbereitungsphase mit Projektarbeit, Wettbewerben vorausgegangen, in die Tausende junge Menschen über Schulen, Jugendverbände oder zeitweilige Arbeitsgemeinschaften eingebunden waren. Prora wurde damals zum Kürzel für eine aktive, selbst gestaltete Kinder- und Jugendpolitik, die junge Menschen in das gesellschaftliche Leben einbindet und ihnen dabei gesellschaftliche Rahmenbedingungen schafft, selbst Verantwortung zu übernehmen, also aktiv zu werden.