Ich denke, dass wir hier sehr dringenden Handlungsbedarf haben. Ich bin außerordentlich dankbar, dass der Gesetzentwurf hier einen Vorschlag macht, die Zahl der Mitglieder unserer Amtsausschüsse zu reduzieren, um damit die Handlungsfähigkeit der Amtsausschüsse zu verbessern. Das hat keineswegs irgendetwas damit zu tun, dass hier die Enquetekommission übergebügelt wird, sondern das hat etwas damit zu tun, dass wir etwas zur Verbesserung der Wirklichkeit und zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung in diesem Land tun wollen. Und dazu ist die Verkleinerung dieser übergroßen Amtsausschüsse notwendig. Also über das Wie kann man sicherlich streiten, aber über das Ob, denke ich, nicht.
Ein besonderer Schwerpunkt – und ich bin ganz sicher, dass das auch die Diskussion in den Ausschüssen und im Umfeld des Landtags zeigen wird – ist das Thema „Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden“, das heißt, auch der Kreise.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben uns in den vergangenen Monaten mehrfach über dieses Thema unterhalten, und hierzu hörte ich auch einen Zwischenruf „Staatswirtschaft“.
Ja, meine Damen und Herren, wir haben uns nicht nur über dieses Thema unterhalten, sondern wir haben uns auch einiges an Polemik anhören müssen, die der Sache in überhaupt keiner Weise angemessen ist und den,
so glaube ich, berechtigten Interessen und vernünftigen Argumentationen mehr schadet als nutzt, weil man sie so einfach beiseitefegen kann.
Wenn wir uns angucken, was dieser Gesetzentwurf enthält, dann ist das die Einführung des Kommunalunternehmens des öffentlichen Rechts.
Das ist sicherlich nichts, was das System, das Wirtschaftssystem der Bundesrepublik Deutschland aus den Angeln heben wird,
das ist der Wegfall des Eigenbetriebsvorrangs bei der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen. Auch dieses ist keineswegs systemprägend,
und das ist die Zulassung sogenannter nicht wirtschaftlicher Unternehmen in Privatrechtsform ohne privaten Dritten. Ich könnte es auch polemisch sagen, ohne Strohmann, denn so hat man das in der Vergangenheit gemacht. Das wird jetzt sauberer, das wird jetzt klarer und das wird jetzt offener. Ich denke, das ist auch gut so.
Die öffentliche Aufregung, die angesichts der Ankündigung dieser Kommunalverfassungsnovelle entstanden ist, kann ich insoweit als eine sehr moderate, eine sehr bescheidene Erleichterung der rechtlichen Voraussetzung für wirtschaftliche Betätigungen unserer Kommunen bezeichnen. Angesichts dieses Umfanges kann ich die öffentliche Aufregung überhaupt nicht verstehen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Und wenn ich in einer Äußerung, ich will den Autor hier lieber nicht zitieren, lese, es gehe ja jetzt ganz fürchterlich los, jetzt sollen die kommunalen Gesellschaften ja sogar Gewinne machen, dann kann ich diesen Kritikern, meine sehr verehrten Damen und Herren, nur empfehlen, einfach mal die jetzige Rechtslage zur Kenntnis zu nehmen, wenn uns etwa die Gemeindehaushaltsverordnung nicht nur berechtigt, mit kommunalen Unternehmen Gewinne zu machen, sondern die Gemeindehaushaltsverordnung und die Kommunalverfassung sagen uns sogar: Jawohl, ihr sollt sogar Gewinne machen. Ihr sollt einen angemessenen Gewinn für den gemeindlichen Haushalt erwirtschaften. Das ist Rechtslage.
Und sich dann an die Öffentlichkeit zu wenden und zu sagen, jetzt sollen die in Zukunft auch noch Gewinne machen, horribile dictu, der Untergang des christlichen Abendlandes steht bevor, das, meine Damen und Herren, geht an der Sache nun weiß Gott völlig vorbei.
Die Vereinigung der Unternehmensverbände hat uns in den letzten Tagen eine interessante Broschüre „Wirtschaft und Kommunen – Wettbewerb und Partnerschaft“ zugesandt. Ich habe sie mit Interesse zur Kenntnis genommen. Ich denke, hier hat sich die Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern sehr viel Mühe gegeben, ihre Position zu formulieren und ihre Position klarzumachen. Ich denke, wir als Parlament tun sehr gut daran, dass wir uns mit dieser Position sehr deutlich auseinandersetzen, dass wir sie hören, dass wir sie zur Kenntnis nehmen, dass wir Gegenargumente hören und dass wir dann eine Abwägungsentscheidung treffen. Für mich ist dabei völlig klar, was ich hier vor einigen Monaten schon zu einem Antrag der FDP gesagt habe:
Daseinsvorsorge ist eine wichtige Kategorie, aber Daseinsvorsorge ist nirgendwo mathematisch exakt definiert. Mein Zitat, dass ich nicht will, dass Kommunen nun Herrensocken herstellen, hat mir dann das Zitat des Tages bei der dpa eingebracht – auch eine seltene Ehre. Dabei bleibe ich selbstverständlich. Ich bleibe aber auch dabei zu sagen, Daseinsvorsorge ist etwas, was einem historischen Wandel unterliegt, und Daseinsvorsorge ist nicht identisch mit dem, was Kommunen an wirtschaftlicher Betätigung dürfen und was sie nicht dürfen.
Und wenn ich hier in der Broschüre der Vereinigung der Unternehmensverbände lese, da gibt es ein schönes Schema auf der Seite 29. Wer nachlesen will, das kann ich empfehlen. Auf diesem Schema ist zunächst dargestellt, wenn wir Marktversagen oder wenn wir unerwünschte Marktergebnisse haben und diese nicht heilbar sind, dass dann wirtschaftliche Betätigung zulässig sein möge. Dieses, meine Damen und Herren, und das möchte ich hier in aller Klarheit sagen, ist allerdings nicht die Auffassung der Koalition und nicht die Auffassung der SPD-Fraktion in diesem Hause.
Kommunale Wirtschaft ist nicht der Lückenbüßer für die Fälle, in denen die Privatwirtschaft Probleme nicht mehr lösen kann oder lösen will, sondern kommunale Wirtschaft ist sehr viel mehr. Unsere Kommunen haben einen Gestaltungsauftrag. Sie sind verfassungsrechtlich garantierte Selbstverwaltungsgremien und sie sind selbstverständlich auch berechtigt, sich wirtschaftlich zu betätigen, auch dann, wenn wir nicht Marktversagen oder unerwünschte Marktergebnisse vorliegen haben. In der Vergangenheit hat man die Kommunen immer wieder vors Loch geschoben, wenn andere es nicht geschafft haben.
Wenn nach einem Krieg Deutschland in Schutt und Asche lag, dann durften die Kommunen Lebensmittelkarten ausgeben. Aber heute – und so entnehme ich das der Broschüre –, wo die Lebensmittel in Hülle und Fülle zur Verfügung stehen, sollen sie um Himmels willen, und das Beispiel wird gebracht, nicht mehr mit Brot handeln. Nun, meine Damen und Herren, ich möchte auch nicht, dass Sie mit Brot handeln, das tun unsere Bäckereien in hinreichendem Maße und auch in sehr hoher Qualität.
Aber Kommunen müssen eine wichtige Rolle spielen. Und die aktuellen Ereignisse zeigen, wovon wir reden bei der Frage der Versorgung der Menschen mit Energie, mit elektrischer Energie und mit Wärme. Sie müssen eine erhebliche Rolle spielen, auch in Zukunft in der Frage der Zurverfügungstellung von Wohnraum und in vielen anderen Bereichen auch. Kommunen haben einen Gestaltungsauftrag und dazu gehört auch wirtschaft liche Betätigung.
Wir werden uns also mit den Argumenten der Wirtschaft unseres Landes auseinandersetzen. Und ich darf den Kolleginnen und Kollegen des Innenausschusses schon ankündigen, ich habe Herrn Wilken von der Vereinigung der Unternehmensverbände schon als Sachverständigen im Kopf. Ich habe ihm auch gesagt, dass ich ihn dort benennen werde.
Ich will aber genauso klar sagen: Wenn schon, denn schon, dann werde ich nicht nur die Vereinigung der Unternehmensverbände als Sachverständige benennen, sondern auch den Deutschen Gewerkschaftsbund
und die Frage der Zahl der Arbeitsplätze hier diskutieren, die durch kommunales Handeln etwa im Bereich der Energieversorgung entstehen können.
Ich verspreche mir davon eine sehr spannende Diskussion. Allerdings sollten wir uns dann auf Argumente beziehen und nicht zu sehr auf Anzeigen der FDP.
Und jetzt komme ich gerne mal zu Ihnen, Herr Roolf, denn das, was die FDP hier an Anzeigen lostritt und was die FDP hier in die Welt setzt, das hat nun mit einer vernünftigen, mit einer sachbezogenen Diskussion wenig zu tun. Wenn ich in FDP-Anzeigen lese, es drohe eine Situation, wo der Bürger seinen Handwerker, der ihm zu Hause seine Reparaturen macht, nicht mehr frei wählen dürfe, dann ist das politische Brunnenvergiftung, dann ist das überhaupt keine sachbezogene Diskussion. Das ist eine Argumentationsweise, das ist keine rationale Argumentation mehr. Und sich damit auseinanderzusetzen, fällt ausgesprochen schwer. Da kann man eigentlich nur sagen: Das ist verlogen.
Herr Abgeordneter Müller, ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass persönliche Herabwürdigungen in diesem Hause nicht zulässig sind.
(Toralf Schnur, FDP: Das ist ja wohl unterirdisch! Halleluja! – Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, und Stefan Köster, NPD)
… nichts zu tun haben. Und man muss dann von Ihnen solche Dinge erleben, die mit einer vernünftigen, mit einer rationalen Auseinandersetzung überhaupt nichts mehr zu tun haben. Sie müssen sich auch gefallen lassen, dass man Ihnen das mal sagt.