Protokoll der Sitzung vom 16.03.2011

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Ich höre jetzt im Fernsehen von Experten, dass Atomkraftwerke nicht gegen terroristische Angriffe und Flugzeugabstürze gesichert sind. Was ist denn mit dem Zwischenlager dort auf dem Gelände der Energiewerke Nord? Genau die gleichen Fragen müssen wir uns stellen.

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Deswegen muss gehandelt werden und natürlich müssen als Erstes alle erdenklichen Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden. Die müssen ständig aktualisiert werden und wir müssen so schnell wie möglich systematisch alle Reaktoren abschalten. Sofortiger Ausstieg aus der Atomenergie heißt jetzt Beginn mit dem Abschalten und dazu einen entsprechenden Plan erarbeiten in einem politischen Konsens in der Bundesrepublik.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Und natürlich müssen die Ältesten, die Störanfälligsten zuerst vom Netz genommen werden. So kann man auch die Produktion von Atommüll einstellen und stoppen, damit dann diese Transporte, gegen die ja auch zu Recht demonstriert wird, nicht weiter stattfinden können. Wir brauchen auf schnellstem Wege die Energiewende, die Energiewende hin zu den erneuerbaren Energien und auf keinen Fall zurück zur Kohleverstromung, sondern Brückentechnologien und Gaskraftwerke. Auch hier stimme ich Herrn Sellering ausdrücklich zu. Und wir haben dazu die Voraussetzungen.

Es geht, meine Damen und Herren, um den Ausbau und den Aufbau der Netze, sogenannter intelligenter Netze. Es geht um überregionale Netze. Ja, wir wollen den Ausbau von Offshorewindenergieanlagen,

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

aber wir müssen auch darüber reden, wie der Strom dann tatsächlich in die Industrieregionen transportiert wird.

(Michael Roolf, FDP: Ach ja, auf einmal?! – Vincent Kokert, CDU: Demonstrieren Sie da nicht, wenn wir neue Energie brauchen?)

Und wir brauchen natürlich auch gerade hier in Mecklenburg-Vorpommern den Ausbau der Mittel- und Niederspannungsnetze. Wir brauchen den Mix aus regenerativ erzeugtem Strom, damit Schwankungen ausgeglichen werden können, und wir haben alle schon mal den Begriff des virtuellen Kraftwerkes gehört.

Ja, und wir müssen uns Gedanken machen, auch darüber haben wir schon gesprochen: Sollen denn die Strompreise ins Unermessliche steigen, und der Endverbraucher – der Bürger, die Bürgerin – zahlt dann die Zeche? Hier, bin ich der Meinung, ist die Bundesregierung, aber auch die Landesregierung in der Verantwortung, dass genau das nicht passiert. Deswegen brauchen wir entsprechende Förderprogramme, damit der Netzausbau

dann nicht zulasten der Strompreise für die Bürgerinnen und Bürger geht.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Wir brauchen, meine Damen und Herren, das will ich abschließend sagen, auch mehr Konsequenz …

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Sie kommen ja noch dran, Herr Kokert.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Und woher nehmen wir das Geld? – Zurufe von Vincent Kokert, CDU, und Michael Roolf, FDP)

Wir brauchen noch mehr Konsequenz bei der Energieeinsparung – übrigens alles Themen, die schon seit 20 Jahren hier im Landtag immer wieder diskutiert wurden. Es fehlte an der nötigen Konsequenz, sie umzusetzen.

(Michael Roolf, FDP: Schade, dass Sie nie in Verantwortung kommen. – Zuruf von Wolfgang Griese, DIE LINKE)

Ich will nur an Haushaltsverhandlungen hier im Lande Mecklenburg-Vorpommern erinnern. Und beim Sparen von Energie haben wir noch nicht den Stand erreicht, der zu erreichen ist. Deswegen ist es in Deutschland einfach so, dass der Energieverbrauch stärker wächst, als wir tatsächlich Einspareffekte erzielen.

Meine Damen und Herren, Japan ist überall. Wir brauchen kein Moratorium, welches niemandem wehtut. Wir brauchen eine andere Energiepolitik. Die Bundesrepublik Deutschland muss ihre gewichtige Stimme in Europa und der Welt erheben, um aus der Atomwirtschaft auszusteigen. Und das Beste, meine Damen und Herren, ist, Deutschland wird zum Vorreiter für die energiepolitische Wende. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Holter.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Caffier für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! In der Tat, mit Sorge blicken wir dieser Tage nach Japan. Viele Tausende Menschen haben am vergangenen Freitag durch das verheerende Erdbeben und durch die nachfolgende Flutwelle alles verloren, was ihnen lieb und teuer war. Unsere Gedanken sind bei den Opfern der Katastrophe und ihren Familien, vor allem auch deswegen, weil die Menschen in Japan heute sechs Tage nach der Katastrophe und bisher undenkbaren Naturkatastrophe von einer möglicherweise noch viel größeren atomaren Katastrophe bedroht sind. Das tragische Unglück in Japan hat uns wieder einmal vor Augen geführt: Der Mensch wird trotz moderner Hochtechnologie die Natur nie vollständig beherrschen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Nach Japan – und das kann man, glaube ich, sagen, und da muss man nicht Wahlkampf machen oder Sonstiges – ist nichts mehr wie vorher. Wir mussten lernen, eine Aneinanderreihung von unvorhersehbaren Ereignissen ist an jedem Ort der Welt möglich. Und damit müs

sen wir das Undenkbare auch für jeden Ort eventuell planen oder dementsprechend mit zur Kenntnis nehmen und berücksichtigen. Aus diesen Ereignissen müssen auch wir in Deutschland, aber auch in ganz Europa jetzt unsere Konsequenzen ziehen. Niemandem wird es helfen, darüber jetzt zu streiten, ob es richtig war, die Laufzeitverlängerung durchzuführen oder nicht.

(Michael Roolf, FDP: Doch, das tut er gerade.)

Darum geht es doch jetzt gar nicht mehr.

(Michael Roolf, FDP: Sehr richtig.)

Jetzt geht es um die Frage: Welches Risiko sind wir nach den Ereignissen in Japan bereit zu tragen, einzugehen oder eben vollkommen gegenzusteuern? Deswegen ist auch die Entscheidung richtig, zunächst einmal alle 17 deutschen Kraftwerke einer neuen Risikoanalyse zu unterziehen, die Laufzeitverlängerung auszusetzen und während des Moratoriums die vor 1980 in Betrieb genommenen Kraftwerke abzuschalten und einige davon gar nicht wieder ans Netz zu geben. Ich halte auch die Diskussion für vollkommen überflüssig, ob das jetzt gesetzlich geregelt werden muss oder nicht. Wir haben mal gelernt, Gesetze kann man machen und kann man auch wieder neu machen.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Aber nicht absichtlich gegen ein Gesetz verstoßen!)

Wenn Gesetze dafür zwingend notwendig sind, kann man sie auch kurzfristig ändern.

(Irene Müller, DIE LINKE: Richtig, aber nicht einfach beiseiteschmeißen.)

Das hilft jetzt gar nicht weiter, weil auch Sie, Herr Bluhm …

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Jedes Kraftwerk ist ergebnisoffen – und ich betone noch einmal, ergebnisoffen – zu überprüfen. Wenn sich dabei Sicherheitsmängel zeigen, die den heutigen Erfahrungen und Erkenntnissen nicht gerecht werden, muss das betroffene Kraftwerk stillgelegt werden. Die beschlossene Laufzeitverlängerung darf dabei überhaupt keine Rolle spielen. Die Sicherheit der Bevölkerung geht vor. Wirtschaftliche Interessen haben sich hier hinten anzustellen. Und weil die Sicherheit der Bevölkerung vorgeht,

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Herr Holter, es ist meine Forderung auch als zuständiger Fachminister, dass natürlich das Zwischenlager Nord mit in die Sicherheitsüberprüfungen einbezogen wird.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig.)

Daraufhin habe ich heute früh die Bundeskanzlerin und den Bundesumweltminister angeschrieben, denn sie sind die Eigentümer. Die EWN ist bekannter maßen eine hundertprozentige Tochter des Bundes. Und nach Abschluss der Überprüfungen müssen wir unseren Bürgerinnen und Bürgern ehrlich sagen, welches Risiko möglicherweise mit der Kernenergie bestehen bleibt, denn der sofortige Ausstieg oder nur das alleinige Abschalten allein macht noch kein Kraftwerk sicherer. Auch das ist eine Wahrheit, die wir den Bürgerinnen und Bürgern sagen müssen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das wissen wir auch.)

Richtig ist, und da sind wir uns alle einig, die Energiewende zu beschleunigen, denn die Zukunft gehört ande

ren Energieformen, überwiegend erneuerbaren Energien. In diesem Punkt sind sich, glaube ich, alle einig.

Aber zur Wahrheit gehört auch, dass es zum sofortigen Ausstieg keinen gänzlich adäquaten Ersatz gibt, der den notwendigen Energiebedarf in Deutschland deckt. Zurzeit haben wir zwar einen Überschuss, aber eben nur zurzeit, und das ist nicht von dauerndem Bestand.

(Irene Müller, DIE LINKE: Wir exportieren Energie. – Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Und zur Wahrheit gehört auch, Herr Professor Methling, keine Partei von uns, auch die Grünen nicht, haben Patentrezepte in der Schublade, wie wir alles sofort abschalten können und trotzdem den Ansprüchen, die die Bevölkerung in Gänze nach wie vor stellt, gerecht werden.

(Hans Kreher, FDP: Genau.)

2010 hatte Deutschland einen Anteil an erneuerbaren Energien von 16,5 Prozent. Mecklenburg-Vorpommern ist mit über 50 Prozent am Energiemix ein Vorreiter. Jawohl, das sollten wir weiter fortsetzen in dieser Frage. Aber die Zahl zeigt auch, wie weit wir in ganz Deutschland noch entfernt sind von der Frage der Umstellung.