Protokoll der Sitzung vom 18.03.2011

Mit dem Urteil vom 9. März 2010 hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden, dass die Bundesrepublik gegen ihre Verpflichtung aus dieser EU-Richtlinie verstoßen hat, indem sie die für die Überwachung der Bearbeitung personenbezogener Daten durch nicht öffentliche Stellen zuständigen Kontrollstellen in den Bundesländern staatlicher Aufsicht unterstellt und damit das Erfordernis, dass diese Stellen ihre Aufgaben „in völliger Unabhängigkeit“ wahrnehmen, falsch umgesetzt hat.

Das Landesdatenschutzgesetz enthält eine solche vom EuGH beanstandete Regelung, wonach der Landesbeauftragte für den Datenschutz bei der Ausübung der Tätigkeit als Aufsichtsbehörde für die Datenverarbeitung nicht öffentlicher Stellen der Rechtsaufsicht der Landesregierung unterliegt. Diese im Landesdatenschutzgesetz normierte Rechtsauffassung soll logischerweise jetzt entfallen, womit auch der EU-Richtlinie und dem dazu ergangenen EuGH-Urteil Rechnung getragen wird.

Darüber hinaus, meine Damen und Herren, wird das Landesdatenschutzgesetz im Hinblick auf einen effektiven Datenschutz an rechtliche und technische Entwicklungen angepasst, um den Aufsichtsbereich weiterhin in die Lage zu versetzen, seine Kontroll- und Beratungsaufgaben wirkungsvoll erfüllen zu können. So wird in Anlehnung an Datenschutzgesetze anderer Länder ein Bußgeldtatbestand geschaffen, indem vorsätzliche Verstöße gegen Datenschutzvorschriften als Ordnungswidrigkeiten ausgestaltet sind, die mit Geldbuße geahndet werden können. Darin werden auch die bisher als Straftatbestände ausgestalteten Verhaltensweisen als Ordnungswidrigkeiten einbezogen.

Die bisherige Strafvorschrift wird im Hinblick auf den neuen Bußgeldtatbestand dergestalt angepasst, dass ein Straftatbestand künftig bei Vorliegen von besonderen Erschwernisgründen gegeben ist. Außerdem wird die bestehende Obergrenze von 125.000 Euro für Schadensersatzansprüche bei Verletzung der Rechte von Betroffenen entsprechend der Regelung im Bundesdatenschutzgesetz auf 130.000 Euro angehoben.

Durch die Schaffung eines Datenschutzbeirates wird beim Landesbeauftragten für den Datenschutz ein Beratungsgremium eingerichtet, welches den Landesbeauftragten für den Datenschutz bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben unterstützt. Vorbild für diesen zu schaffenden Beirat sind ebenfalls entsprechende Regelungen in anderen Landesdatenschutzgesetzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit diesem Gesetzentwurf passen wir Gesetze an rechtliche Notwendigkeiten und an tatsächliche Entwicklungen an und entwickeln sie in sinnvoller Weise fort. Ich bitte Sie deshalb, unseren Gesetzentwurf federführend in den Innenausschuss und mitberatend in den Europa- und Rechtsausschuss zu überweisen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

Danke schön, Herr Abgeordneter Müller.

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und als Erster erhält das Wort für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Ritter. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen – oder genauer gesagt, nur knapp zehn Abgeordnete der Koalition –

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

bringen heute Änderungsvorschläge zum Informationsfreiheitsgesetz und zum Landesdatenschutzgesetz ein. Meine Fraktion wird …

(Heinz Müller, SPD: Sechs Abgeordnete davon. – Torsten Renz, CDU: Haben Sie da oben auch mitgezählt?)

Verhältnismäßig sind wir stärker, Herr Müller,

(Rudolf Borchert, SPD: Prozentual.)

aber gut.

(Marc Reinhardt, CDU: Ich bin da.)

Meine Fraktion wird die Überweisung dieses Gesetzentwurfes unterstützen, aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, eigentlich hatten sich alle demokratischen Fraktionen auf die Fahne geschrieben, die notwendigen und darüber hinaus sinnvollen Änderungen gemeinsam anzupacken, gemeinsam, auch in einem gemeinsamen Gesetzentwurf. Dazu wurde sogar eine interfraktionelle Arbeitsgruppe unter Federführung der SPD gegründet.

Schnell wurde der Grundkonsens unter den Demokraten gefunden, nämlich der Entfristung der Geltungsdauer des IFG zuzustimmen. Aber irgendwie habe ich nach der ersten Runde von dieser gemeinsamen Arbeitsgruppe nichts mehr gehört.

(Torsten Renz, CDU: Haben Sie denn nachgefragt, Herr Ritter?)

Ja, ich habe immer gewartet, aber ich hätte vielleicht doch nachfragen können, das stimmt, wo die Gründe zu suchen sind, dass wir nun doch nicht mehr dabei sind. Aber okay, SPD und CDU haben sich entschieden, den Gesetzentwurf allein einzubringen.

Wie dem auch sei, ich möchte zu beiden Gesetzesänderungen kurze Anmerkungen machen, zunächst zum Informationsfreiheitsgesetz. Ich freue mich vor allem hier, dass die CDU nach ihrer Ablehnung in der letzten Wahlperiode sich mit diesem Gesetz angefreundet hat. Damals hatte die CDU noch Probleme, sie wollte einen Widerspruch zu den Deregulierungsbemühungen der damaligen Regierung erkannt haben

(Torsten Renz, CDU: Bewerten Sie doch das, was wir jetzt vorlegen!)

und lehnte das Gesetz ab. Dieses Problem, Herr Renz, ist gelöst. Ich freue mich, dass Sie auf unserer Seite sind. Und ich glaube auch, dass diese Einigung zwischen den Koalitionären bitter nötig war, denn offensichtlich gibt es ja in der Koalition genügend andere Probleme.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich auch, dass dieses Gesetz nach der ersten Erprobung nun entfristet werden soll. Niemand – ich betone, niemand – bestreitet heute ernsthaft, dass sich dieses Gesetz grundlegend bewährt hat.

Ich finde auch gut, dass ein Ablehnungsgrund nicht mehr im Gesetz stehen soll, ich meine die Geeignetheit der Beeinträchtigung fiskalischer Interessen des Landes im Wirtschaftsverkehr. Es ist vollkommen ausreichend nach unserer Auffassung, wenn sich das Land allein auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen berufen darf. Die Finanzverwaltung pauschal vom Informationsanspruch auszunehmen, das halte ich für einen Fehler. Dies steht im Widerspruch zum Grundsatz der Informationszugangsfreiheit. Ich kann nur hoffen, dass in den weiteren Beratungen des Gesetzentwurfes sich die Finanzämter nicht wieder in Ausnahmegründe einschleichen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu hinterfragen sein wird, ob nicht der Gesetzentwurf an einigen Stellen das Verfahren unnötig in die Länge zieht. Ich denke da besonders an die Beteiligung Dritter. Brauchen wir in diesem Fall wirklich ein Widerspruchsverfahren oder sollte gleich geklagt werden können?

Es gibt noch eine Reihe von weiteren Punkten, die im Gesetzentwurf nicht berücksichtigt wurden. Ich verweise an dieser Stelle nur auf die zahlreichen weiteren Vorschläge im Evaluierungsbericht des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit. Ich denke, dass die von Herrn Neumann unterbreiteten Vorschläge auch beim neuen Datenschutzbeauftragten auf ein offenes Ohr treffen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nun zum Landesdatenschutzgesetz. Die Streichung der Rechtsaufsicht der Landesregierung über den Landesdatenschutzbeauftragten im nicht öffentlichen Bereich ist richtig. Die Umsetzung europapolitischer Vorgaben ist unstreitig.

Eine rechtsförmliche Änderung, liebe Kolleginnen und Kollegen, ließ mich allerdings schmunzeln. In Paragraf 2 Absatz 5 wird eine sogenannte „dynamische Verweisung“ auf das Datenschutzgesetz des Bundes eingefügt. „Dynamisch“, das klingt schon mal gut. Aber was steckt dahinter? Der bisherige Zusatz, ich zitiere, „in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003 (BGBl. I S. 66)“ wird gestrichen. Das finde ich gut. Das erleichtert die Leserlichkeit und bleibt vor allem auch nach Änderungen des jeweiligen Gesetzes aktuell.

Da stelle ich mir die Frage: Warum machen wir das nicht immer so? Ich erinnere, erst vorgestern hat die Koalition ihr Gräberstättengesetz eingebracht. Und was steht dort in Paragraf 1 Absatz 2? Ich zitiere: „Gräberstätten im Sinne dieses Gesetzes sind Geländeflächen, auf denen Gräber nach § 1 Absatz 2 des Gräbergesetzes“ – und jetzt kommt es – „in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. August 2005“ Bundesgesetzblatt et cetera, et cetera „liegen.“ Das klingt nun wieder weniger dyna

misch und schreit förmlich nach einem Änderungsantrag in diesem Gesetzgebungsverfahren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt natürlich auch einiges zu hinterfragen. Die Obergrenze für Schadensersatzansprüche bei der Verletzung der Rechte von Betroffenen wird entsprechend der Regelung im Bundesdatenschutzgesetz angepasst und auf 130.000 Euro angehoben. Ich frage mich, ob diese Regelung in unserem Land überhaupt praxisrelevant ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der neue Datenschutzbeirat ist zu begrüßen, allerdings erscheint er mir etwas aufgebläht. Zehn Mitglieder sind bereits vorhanden, der Landtag soll aber noch weitere Mitglieder bestellen dürfen. Warum reichen an dieser Stelle eigentlich nicht zehn Mitglieder in diesem Beirat aus?

Abschließend verdienen die neuen Bußgeld- und Strafvorschriften besondere Aufmerksamkeit. Gegen die Einführung bestehen grundsätzlich keine Bedenken. Verstöße gegen das Datenschutzrecht durch die öffentliche Hand müssen unter gewissen Voraussetzungen auch Konsequenzen haben. Ich bin mir aber nicht sicher, ob es richtig ist, gerade eine Aufsichtsbehörde oder eine oberste Landesbehörde mit der Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten zu betrauen. Wir sollten deswegen darüber nachdenken, die Zuständigkeiten beim Landesdatenschutzbeauftragten als unabhängige und nur dem Gesetz unterworfene Behörde festzulegen. Schließlich ist er ja bereits im nicht öffentlichen Bereich zuständige Behörde für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten.

Wir stimmen einer Überweisung in die genannten Ausschüsse zu und wir sichern auch an dieser Stelle eine zügige Beratung dieses für uns wichtigen und erfolgreichen Gesetzes zu. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Herr Abgeordneter Ritter.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Renz. Bitte, Herr Abgeordneter.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte dann schon vorab mal Herrn Ritter danken für die Zusicherung der zügigen Beratung. Zum von ihm erneut angesprochenen Problem, warum Sie als Antragsteller mit der FDP zusammen nicht im Boot sind, da sage ich mal, da gab es vielleicht Kommunikationsprobleme.

(Zuruf von Norbert Baunach, SPD)

Dem jetzt weiter nachzugehen, denke ich mal, sollte nicht der Schwerpunkt sein. Eins will ich sagen, wir stehen hier als Koalition sehr geschlossen mit 45 Abgeordneten inhaltlich zu dem Gesetzentwurf.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Da gibt es überhaupt keine Diskussion, da braucht man jetzt auch aus der momentanen Situation heraus nichts abzuleiten.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Ich möchte aber auch die Gelegenheit nutzen und hier dem ehemaligen Abgeordneten danken, nämlich Herrn Dankert, der sich intensiv zum damaligen Zeitpunkt hier eingebracht hat

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ohne ihn wäre es auch nichts geworden, denke ich mal.)

bei der Erstellung des Gesetzentwurfes.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das ist so.)