Protokoll der Sitzung vom 01.02.2007

(Beifall Heike Polzin, SPD, und Jörg Vierkant, CDU)

Danke schön, Herr Minister.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Rühs. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Gesundheitsreform steht für mehr Transparenz, mehr Wettbewerb, mehr Eigenverantwortung

(Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Eben, eben!)

und für weniger Bürokratie.

Zur Ausgangslage. Warum brauchen wir überhaupt eine Gesundheitsreform?

(Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Ausgrenzung.)

Noch verfügt Deutschland über ein leistungsfähiges Gesundheitssystem,

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Das kriegt Ihr auch noch kaputt.)

das allen Versicherten unabhängig von ihrem Einkommen und unabhängig von der Schwere ihrer Erkrankung Zugang zu allen notwendigen medizinischen Leistungen

auf der Höhe des wissenschaftlichen Fortschritts bietet. Doch durch die demografi sche Entwicklung und den damit verbundenen wachsenden Anteil älterer Versicherter durch den medizinisch-technischen Fortschritt, der die Behandlung unheilbarer Krankheiten früher ermöglicht, und durch den Rückgang sozialversicherungspfl ichtiger Beschäftigungsverhältnisse sind die Finanzierungsgrundlagen unseres Gesundheitssystems schon heute erheblich unter Druck geraten.

Um zu verhindern, dass der Zugang zu qualitativ hochwertiger medizinischer Versorgung künftig eine Frage des Einkommens ist, war eine grundlegende Reform des Gesundheitswesens überfällig. Union und SPD ist es nach langen und sehr schwierigen Verhandlungen auf Bundesebene gelungen, ein zukunftsfähiges Konzept zur umfassenden Reform auf den Weg zu bringen. Viele unserer Überzeugungen sind berücksichtigt worden und das ist allemal besser, als Proteste hin und wieder glauben machen wollen. Für uns stand von Anfang an fest, neben substanziellen Einsparungen muss das Gesundheitswesen durch Transparenz und Wettbewerb insgesamt leistungsfähiger werden.

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Und warum spart man nicht an der richtigen Stelle? Das verstehe ich nicht.)

Die Einigung auf die Eckpunkte und ihre Ausgestaltung kommen diesem Ziel einer zukunftsweisenden Umgestaltung einen großen Schritt näher. Sie lässt sich insgesamt auf vier Stichpunkte bringen: mehr Transparenz, mehr Wettbewerb, mehr Wahlfreiheit und weniger Bürokratie.

Was bringt die Reform den Versicherten und Patienten zuallererst?

(Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Kosten.)

Der Bundestag wird eine Reform verabschieden, die nicht mit Einschnitten in den Leistungskatalog verbunden ist. In bestimmten Bereichen gibt es sogar zusätzliche Leistungen, wie in der Palliativmedizin, im Hospizbereich, bei Impfungen und bei Vater-Mutter-Kind-Kuren. Es entstehen mehr Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Tarifen. Wir bekommen mehr Transparenz bezüglich der Kosten und der Versorgungsangebote.

Ein weiterer ganz wichtiger Erfolg ist der Versicherungsschutz für alle. Niemand soll mehr ohne Krankenversicherung bleiben. Gleichzeitig entsteht aber keine Zwangsversicherung. Alle Personen ohne Absicherung erhalten im Krankheitsfall eine Rückkehrmöglichkeit in ihre letzte Versicherung, sei es eine gesetzliche oder auch eine private. Wer nicht versichert war, kann in einem Basistarif der privaten Krankenversicherung mit bezahlbarer Prämie oder aber in die gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen werden. Auch innerhalb der PKV kann durch Anrechung der Altersrückstellungen zwischen Unternehmen leichter und nachteilsfrei gewechselt werden.

Was bringt die Einrichtung des Gesundheitsfonds? Durch die Einrichtung des Fonds werden die Finanzierungsstrukturen der gesetzlichen Krankenversicherung auf eine neue Grundlage gestellt. Der Fonds garantiert die wirtschaftliche Verwendung von Beitrags- und Steuermitteln und intensiviert den Wettbewerb zwischen den Kassen. Durch Festlegung der Beiträge von Arbeitgebern und Mitgliedern können und müssen sich die Kassen in Zukunft im Wettbewerb darauf konzentrieren, ihren Versicherten eine möglichst zielgenaue, qualitätsgestützte und effi ziente Versorgung anzubieten.

Das Fondsmodell stärkt die Position der Versicherten. Der Versicherte wird in Zukunft in der Lage sein, das Angebot seiner Kasse nach der Leistung und dem Preis zu beurteilen. Die jeweilige Kasse erhält aus dem Fonds für jeden Versicherten einen pauschalen Betrag. Kommt eine Kasse mit den ihr zugewiesenen Mitteln nicht aus, muss sie von ihren Versicherten einen Zusatzbeitrag verlangen, der ein Prozent des beitragspfl ichtigen Einkommens nicht überschreiten darf. Er wird bis zu einem Beitrag von monatlich 8 Euro ohne Einkommensprüfung erhoben.

(Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Das ist schlecht.)

Benötigt sie dagegen weniger Mittel, als sie aus dem Fonds erhält, kann sie dem Versicherten einen Bonus zahlen. An der Höhe des Bonus und des Zusatzbeitrages kann der Versicherte dann sehen, wie wirtschaftlich eine Kasse mit ihren Beiträgen umgegangen ist. Es ist schon ein Unterschied für den Versicherten, ob er 10 Euro dazuzahlt oder 20 Euro herausbekommt. Das ist ein wichtiger Transparenzgewinn. Außerdem wird so der Druck auf die Kassen erhöht, ihre Kosten zu senken.

(Michael Roolf, FDP: Das haben Sie nicht erreicht.)

Was wollten wir und was haben wir erreicht?

1. eine nachhaltige Finanzierung und eine Abkopplung der Gesundheitskosten von den Arbeitskosten

Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen stehen nun auf mehreren Säulen, nämlich dem Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeitrag, den Steuern und dem Zusatzbeitrag. Der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerbeitrag werden künftig gesetzlich festgelegt. Das heißt, es gibt keine automatische Beitragserhöhung, wenn die Ausgaben im Gesundheitswesen steigen. Das heißt auch, zusätzliche Kosten für demografi sche Entwicklung, medizinisch-technischen Fortschritt und beitragsfreie Mitversicherung der Kinder sollen künftig nicht mehr den Faktor Arbeit belasten, sondern werden über Steuern oder über den Zusatzbeitrag fi nanziert.

2. mehr Transparenz und Wirtschaftlichkeit durch mehr Wettbewerb

Bei keiner Reform zuvor wurden so viele Wahlmöglichkeiten für die Versicherten eingeführt,

(Zuruf von Irene Müller, Die Linkspartei.PDS)

nämlich Kostenerstattungstarife, Selbstbehalttarife und Hausarzttarife wird es künftig ebenso geben wie Wahlmöglichkeiten bei Vorsorge- und Reha-Einrichtungen. Damit wird der Wettbewerb intensiviert. Eigenverantwortung wird gestärkt und am Bedarf orientierte medizinische Versorgung gefördert. Auch durch die Vertragsmöglichkeiten der Kassen wird der Wettbewerb gestärkt. Erstmals können die Kassen mit den Arzneimittelherstellern über Preise verhandeln. Sie können mit Ärzten oder Arztgruppen Verträge schließen.

3. mehr Effi zienz

Bei Arzneimitteln wird zum ersten Mal eine Kosten-Nutzen-Bewertung eingeführt. Bei teuren und risikoreichen Arzneimitteln und Therapien wird eine Zweitmeinung eingeholt. An der Schnittstelle zwischen stationärer und ambulanter Behandlung sowie der Pfl ege wird ein Versorgungsmanagement eingeführt. Außerdem soll es bei

besonderen ärztlichen Vergütungen Qualitätszuschläge geben.

(Zuruf von Irene Müller, Die Linkspartei.PDS)

4. mehr Eigenverantwortung

Bei chronisch Kranken wird therapiegerechtes Verhalten belohnt. Das heißt, wer sich nicht an Behandlungsvorgaben hält oder Vorsorgeuntersuchungen nicht wahrnimmt, muss mehr zuzahlen als derjenige, der sich gesundheitsbewusst verhält. Es gilt dann die Belastungsgrenze von zwei Prozent statt einem. Für nicht medizinisch notwendige Eingriffe wie Schönheitsoperationen, Tätowierungen oder Piercings müssen die Patienten die Folgekosten künftig selbst tragen.

5. weniger Bürokratie

Wirtschaftlichkeitsprüfungen bei Ärzten werden vereinfacht und reduziert. Im zahnärztlichen Bereich wird die Bedarfsplanung abgeschafft. Verträge zu Chronikerprogrammen werden von ungefähr 1.500 derzeit auf 10 zurückgeführt. Statt sieben Spitzenverbänden der Krankenkassen, die auf Bundesebene viele Bereiche gemeinsam und einheitlich geregelt haben, wird es nur noch einen Bundesverband geben, der weniger Aufgaben hat und auch nicht in den Wettbewerb eingreifen soll. Er soll sich nämlich auf die Rahmenrichtlinien beschränken, damit sich der Wettbewerb auf Landes- und Kassenebene besser entfalten kann.

6. Erhalt der privaten Krankenversicherung

Die PKV bleibt als Vollversicherung erhalten. Gleichwohl wird sie künftig einige neue Solidarleistungen tragen. Ein Handwerker, der wegen Insolvenz seinen Beitrag nicht mehr zahlen konnte, fi el bislang aus der PKV heraus. Jetzt werden Nichtversicherte zu bezahlbaren Prämien, dem Basistarif, wieder aufgenommen. Auch freiwillig GKV-Versicherte mit Gesundheitsrisiken müssen in diesen Basistarif der PKV aufgenommen werden. Vor dem Wechsel in die PKV gilt allerdings eine vorherige dreijährige Verweilzeit in der gesetzlichen Krankenkasse. Insgesamt wird für PKV-Versicherte der Wechsel in eine andere private Versicherung durch Anrechenbarkeit der auf den Basistarif bezogenen Altersrückstellungen vereinfacht.

Die Vorteile auf einen Blick:

mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen

mehr Wahl- und Gestaltungsmöglichkeiten im Versicherungsschutz

mehr Transparenz der Kosten

wirtschaftliche Verwendung von Beitrags- und Steuermitteln

mehr Wettbewerb zwischen den Leistungserbringern, zum Beispiel Ärzten, Krankenhäusern und Arzneimittelherstellern

Versicherungsschutz für alle

Belohnung gesundheitsbewussten Verhaltens

statt Leistungskürzung Schließung von Versorgungslücken

bessere Wechselmöglichkeit und Rückkehrmöglichkeit in die PKV