Protokoll der Sitzung vom 01.02.2007

(Heiterkeit bei Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Die 2003 auch schon.)

im Kanzleramt im September 2006. Das ist ein Gesetzentwurf mit einem Umfang von fast 600 Seiten,

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Die Menge macht’s nicht.)

über 100 Änderungsanträgen im Dezember, parallel dazu ein Anhörungsmarathon, weitere Spitzengespräche im Januar, noch einmal 100 Änderungsanträge.

(Zuruf von Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS)

Das ist die Geschichte,

(Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS: Tja, da sieht man die desolaten Zustände.)

das ist die Geschichte der aktuellen Gesundheitsreform. Und daran sieht man vielleicht, wie kompliziert die ganze Geschichte ist. Dass man daraus schließt, dass das, was jetzt vorgelegt worden ist, schlecht ist, das ist, glaube ich, ein bisschen kurzsichtig.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Jetzt sagen Sie mal was Gutes! – Heiterkeit bei Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS, und Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS – Zuruf von Irene Müller, Die Linkspartei.PDS)

Das werde ich gleich tun, Herr Professor Methling.

Sie alle wissen, dass die abschließende Beratung dieses Gesetzes erst für übermorgen im Bundestag angesetzt ist.

(Heiterkeit bei Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS – Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Es sind noch zwei Nächte. – Zuruf von Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS)

Jetzt merken Sie, dass ich gestern die letzte Hand an die Rede gelegt habe. Das macht die Aussprache heute im Hause schwierig, da wir alle noch nicht wissen, in welcher Form diese Reform tatsächlich verabschiedet wird. Und da meine ich schon, Herr Professor Methling, das ist bei Gesetzesvorhaben so, dass in letzter Minute noch Dinge verhandelt werden.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Glauben Sie wirklich an Wunder? – Heiterkeit bei Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS, und Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS)

Das macht die Dinge noch nicht per se schlecht.

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Gucken Sie sich mal Hartz IV an!)

Also ich sage ganz klar: Diese Reform ist nun bei Weitem nicht so schlecht, wie sie von vielen, auch vielen Interessierten, die damit viel Geld verdienen, gemacht wird.

Dabei muss man sich vielleicht mal vor Augen führen, dass die Ausgangslage nicht ganz einfach war. Wir alle wissen, dass seit Jahrzehnten darüber nachgedacht wird, wie man das alles besser machen kann. Die beiden Koalitionäre, die das angepackt haben, kommen von sehr unterschiedlichen Ausgangslinien. Bürgerversicherung, Kopfpauschale, das schien alles schwer vereinbar, aber die Koalition hat ein Reformpaket geschnürt,

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

das die Strukturen neu ordnet, und zwar ohne auszugrenzen und ohne zu benachteiligen. Im Gegenteil, ich meine, diese Reform stärkt die Solidarität zwischen den Versicherten, und deshalb wäre es falsch, sie abzulehnen.

Sie haben eben gesagt, sagen Sie mal etwas Gutes über die Reform. Ich will das mit einigen Beispielen tun. Es gibt erstmalig in Deutschland die Versicherungspfl icht für alle. Das ist ein sozialpolitischer Meilenstein. Zum ersten Mal ist sicher, dass alle Bürgerinnen und Bürger krankenversichert sind, und dabei ist die Bezahlbarkeit sichergestellt. Davon profi tieren 200.000 Menschen, die sonst ohne Versicherung geblieben wären. Es gibt außerdem eine bessere Verteilung der Lasten

(Zuruf von Irene Müller, Die Linkspartei.PDS)

zwischen der gesetzlichen Krankenversicherung und der privaten. Jeder, der die Diskussionen in diesem Punkt in den letzten Wochen verfolgt hat, weiß, wie schwierig dieses Thema ist. Und da ist es natürlich als Oppositionspartei ohne Regierungsverantwortung leicht, einfach zu sagen, lasst uns doch mal die Beitragsbemessungsgrenze anheben, völliger Wegfall, das würde zu ganz massiven Verwerfungen führen. Und ich denke, die jetzigen Regelungen sind der realistischere Weg, um einen Einstieg in den sozialen Ausgleich – darum geht es uns –, den wir dringend brauchen, zwischen gesetzlicher Krankenversicherung und privater Krankenversicherung herzustellen. Es werden jetzt erstmals im System der privaten Krankenversicherungen Regeln eingeführt, die nicht einfach versicherungsmathematischen Grundsätzen folgen, sondern die aus den privaten Krankenversicherungen echte Krankenkassen machen, die ihre Versicherten unabhängig vom jeweiligen Kostenrisiko auffangen müssen.

Ein weiterer Punkt der Gesundheitsreform, den ich positiv hervorheben möchte, ist: Es gibt einen Wegfall der massiven Unterschiede bei den Beitragssätzen, die es bisher gegeben hat, und es gibt eine Stärkung der gesamtstaatlichen Solidarität durch den Gesundheitsfonds. Das ist das Ziel des Gesundheitsfonds.

(Zuruf von Irene Müller, Die Linkspartei.PDS)

Damit wird ab 1. Januar 2009 für alle Beitragszahler der gleiche Beitragssatz gelten. Das ist dann so wie in den übrigen gesetzlichen Sozialversicherungen. Da gibt es auch einheitliche Beitragssätze. Das führt im Ergebnis zu mehr sozialer Gerechtigkeit, denn es sind hier oft gerade die Älteren, die weniger Flexiblen, die ihrem jetzigen System die Treue halten und dafür mit höheren Beitragssätzen bezahlen.

Herr Minister, entschuldigen Sie bitte, gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Ratjen?

Seit ich weiß, dass das von der Redezeit abgeht: Nein.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, CDU, Linkspartei.PDS und FDP – Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Minister haben doch gar keine begrenzte Redezeit.)

Gerade sie werden durch diese Reform entlastet, während es für diejenigen schwerer wird, die sich durch den Wechsel von einer Kasse zur anderen der Solidarität entziehen wollen.

Ich will noch auf einen anderen wichtigen Punkt des Fonds aufmerksam machen. In dem Fonds werden die Einnahmen entsprechend der Einkommenshöhe der Versicherten erhoben. Die Auszahlungen, die Zuweisungen, Herr Ratjen, aus dem Gesundheitsfonds an die Versicherten erfolgt aber pro Kopf. Und wer sich die Lage in Mecklenburg-Vorpommern vor Augen führt, der muss sagen, das ist gut für uns. Berechnungen gehen davon aus, dass es Entlastungen gibt von etwa 12 Millionen im Jahr. Diejenigen, die das zahlen sollen, befürchten viel mehr. Also das Geschrei der sogenannten Geberländer zeigt, dass wir da eine Regelung haben, die sehr zu unseren Gunsten ist.

(Harry Glawe, CDU: Ja, und das ist gerade die Chronikerregelung, die Herr Methling vorhin nicht wahrhaben wollte.)

Ja, das wollen wir im Einzelnen noch alles aufzählen. Ich überlasse Ihnen die Chronikerregelung, Herr Glawe.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Welche Regelung? – Harry Glawe, CDU: Chroniker.)

Außerdem gibt es einen neuen Risikostrukturausgleich und dadurch mehr Solidarität. Krankenkassen, Herr Roolf, die besonders viele Menschen mit hohem Risiko versichern, bekommen Zuschläge.

(Unruhe bei Harry Glawe, CDU, und Michael Roolf, FDP)

Wenn ich das richtig sehe, Herr Glawe und Herr Roolf, haben Ihre Parteien gleich noch Redezeit. Vielleicht könnten Sie das, was Sie beizutragen haben, von hier aus tun. Das wäre, glaube ich, für alle ein Gewinn.

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Na, na!)

Es gibt Krankenkassen, die besonders viele Menschen mit hohem Risiko haben, und die müssen Zuschläge bekommen, damit das Rosinenpicken aufhört,

(Beifall Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Richtig.)

dass man Menschen sucht, die keinerlei Risiko haben und jung sind. Wenn wir das machen, dann wird auch die gesetzliche Solidarität gestärkt.

Es gibt außerdem einen Einstieg in eine teilweise Finanzierung der gesamtgesellschaftlichen Aufgaben, die ganz sicher die gesetzlichen Krankenversicherungen haben, aus dem Bundeshaushalt.

(Harry Glawe, CDU: Das ist richtig.)

Mit diesem Einstieg wird die GKV auf eine langfristig stabilere und gerechtere Basis gestellt. Das ist eine grundlegende Neuerung, weil es jetzt auch langfristig möglich ist, die besonders gut Verdienenden an der solidarischen

Finanzierung zu beteiligen. Natürlich wird dadurch auch eine Entlastung der Lohnnebenkosten erreicht, was wir alle für sehr wichtig halten.

(Harry Glawe, CDU: Richtig.)

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die Möglichkeit der ambulanten Versorgung in den Krankenhäusern verbessert wird. Das ist ein Punkt, der für Mecklenburg-Vorpommern besonders wichtig ist. Ich habe da schon an anderer Stelle des Öfteren gesagt, wir werden große Probleme bekommen, in der Fläche die ärztliche Versorgung sicherzustellen als sehr dünn besiedeltes Land. Das werden wir nur schaffen durch medizinische Versorgungszentren, durch integrierte Versorgung, durch die Möglichkeit, dass ambulante Versorgung in Krankenhäusern verbessert wird. Es gibt außerdem gute Regelungen wie neue Regelungen zur Palliativversorgung, die es bisher nicht gab. Bei der Rehabilitation gibt es Änderungen. Vor allem gibt es die Stärkung der Wahlfreiheit der Versicherten. Das ist für jeden Versicherten gut, aber es ist ganz sicher auch für Mecklenburg-Vorpommern gut, denn wir haben sehr viele Einrichtungen, mit denen wir uns am Wettbewerb beteiligen. Und wenn die Versicherten selbst aussuchen können, werden wir mit Sicherheit davon profi tieren.

Meine Damen und Herren, das waren in aller Kürze die wichtigsten Punkte. Herr Glawe wird gleich noch helfen und andere aufzeigen.

(Zurufe von Harry Glawe, CDU, und Michael Roolf, FDP)

Ich fi nde, diese Punkte zeigen, dass die Reform deutlich besser ist als ihr Ruf. Es ist jetzt wichtig, dass wir die Gesundheitsreform unterstützen und nicht im Gegenteil, wie der Antrag es haben möchte, auf Unterstützung verzichten. Wir würden sonst auf vieles, was wir in den letzten Monaten im Gesetzgebungsprozess für uns als Land erkämpft haben, verzichten. Deshalb meine ich, dass wir den Antrag ablehnen müssen. – Vielen Dank.

(Beifall Heike Polzin, SPD, und Jörg Vierkant, CDU)