Es hat jetzt das Wort für die Linkspartei.PDS die Abgeordnete Frau Dr. Linke. Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Herr Abgeordneter Ratjen hat auf sehr eindrucksvolle Weise die Situation bezüglich der Debatte um die Gesundheitsreform im Land geschildert.
Nichtsdestotrotz hat die große Koalition angesichts der heftigen Proteste gegen dieses Gesetzeswerk dessen Verabschiedung zu einer Prestigefrage hochstilisiert und, komme, was da wolle, den 01.04.2007 zum Tag der Einführung erklärt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, meine sehr verehrten Damen und Herren Minister, haben Sie einfach den Mut, lehnen Sie im Interesse der fl ächendeckenden, wohnortnahen, bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung, wie wir sie im Lande im Augenblick haben, dieses Gesetzeswerk im Interesse des Erhaltes dieses Gesundheitswesens ab!
Und lassen Sie es mich mit den Worten eines SPD-Bundestagsabgeordneten sagen: „Der Erhalt der Solidargemeinschaft ist wichtiger als der Erhalt der großen Koalition.“
Wir wissen sehr wohl, dass veränderte gesellschaftliche Bedingungen auch neue und zeitgemäße Lösungen in den Sozialversicherungssystemen erfordern. Wir haben es gestern am Beispiel der Rente diskutiert und Gleiches gilt für die gesetzliche Krankenversicherung. Die neuen Lösungen allerdings sind in dem vorgelegten Gesetzeswerk überhaupt nicht erkennbar. Vielmehr wird der seit 2003 eingeschlagene Weg der Entsolidarisierung konsequent fortgesetzt. Die Linkspartei.PDS bleibt mit ihrer Ablehnungsempfehlung dieses Gesetzes insofern konsequent bei ihrer Forderung nach Erhalt und Ausbau eines solidarischen Prinzips der Sozialversicherungen. Bereits 2003 hat die rot-rote Landesregierung allein wegen der einseitigen Belastung der Versicherten durch erhöhte Zuzahlungen und Praxisgebühr dem Reformwerk die Zustimmung versagt.
Experten sprechen davon, dass aus dem paritätischen System der Finanzierung mittlerweile eine Finanzierung von etwa 65 zu 35 Prozent geworden ist. Denken Sie nur an die 0,9 Prozent Beitragspunkte für Zahnersatz und Krankentagegeld, die allein von den Versicherten zu tragen sind. Damit wurde bereits ein weiterer Aspekt der Solidarität, nämlich der zwischen den Arbeitgebern und den versicherten Arbeitnehmern, aufgegeben.
Das Kernstück der heutigen Reform, nämlich der Gesundheitsfonds, bringt weitere entscheidende Umwälzungen mit sich. Künftig werden die Beitragssätze der GKV nicht mehr in einem Abstimmungsprozess zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern, die oftmals sehr zähe Prozesse waren, festgelegt, sondern die Beiträge werden
staatlich durch Rechtsverordnungen der Bundesregierung bestimmt. Gerade dieser zähe Abwägungsprozess zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern hat dazu geführt, dass die Beitragssätze relativ gering gehalten werden konnten, sodass Deutschland ein relativ gutes und kostenoptimiertes Gesundheitswesen im internationalen Maßstab hat. Künftig werden die staatlich festgesetzten Beiträge an einen Fonds überführt. Jede Kasse erhält aus diesem Fonds entsprechend der Zahl der Versicherten dann einen entsprechenden Beitrag.
Verehrter Herr Minister Sellering, das entscheidende Problem ist doch, dass die Kriterien für die Verteilung aus diesem Fonds gar nicht feststehen. Es ist ein Wunschdenken, wenn Sie hoffen, Mecklenburg-Vorpommern erhält künftig mehr Geld aus dem Fonds, als es selbst hineingibt.
Schauen Sie sich das Gutachten von Rürup an! Schauen Sie nicht auf die Wertungen, schauen Sie auf die Zahlen und dann erkennen Sie, dass das tatsächlich ein Trugschluss ist!
(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Harry Glawe, CDU: Die Zeit ist weitergegangen, Frau Linke.)
Der Fonds bedeutet aber auch Aufkündigung der Solidarität zwischen den Versicherten. Wer will denn schon eine hohe Prämie zahlen, Herr Glawe? Das frage ich Sie mal.
Der Zusatzbeitrag als kleine Kopfprämie wird den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen um die guten Risiken in einer bisher nicht gekannten Art und Weise verstärken und damit weiter das Prinzip der Solidarität aushebeln.
(Harry Glawe, CDU: Der Herr Sellering hat seine Rede deutlich besser gesprochen als Sie. – Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS)
Diese neue Doppelstruktur – einerseits staatlich, andererseits über die Selbstverwaltung organisiert – wird den Verwaltungsaufwand, Herr Glawe, unübersichtlich gestalten. Denken Sie an die Worte, heute ist der 1. Februar,
Ein Grundpfeiler der GKV, ein Erfolgsrezept seit ihrer Einführung – ich erinnere daran, die gesetzliche Krankenversicherung, das älteste Kind unter unseren Sozialversicherungen –,
geht auf eine kaiserliche Botschaft von vor 125 Jahren zurück und hat sich in diesen Jahren als solidarisch und paritätisch sehr bewährt,
solidarisch deshalb, weil es eine Versicherung von Arbeitslosen und In-Arbeit-Stehenden, von Gesunden und Kranken, von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, von alten und jungen Menschen ist.
Herr Glawe, bitte lassen Sie die Rednerin hier reden. Wenn Sie reden wollen, können Sie gern noch ans Mikrofon kommen. Das ist jetzt langsam das Maß, was die Verträglichkeit überschreitet.
(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS und NPD – Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Der brabbelt immer so in seinen Bart rein.)
Selbstbehalte, Beitragsrückerstattungen – all das klingt gut, aber es kündigt das Prinzip der Solidarität auf. Es entsteht der Eindruck, Krankheit und Gesundheit würden im Ermessen eines Menschen stehen. Es entsteht der Eindruck, man könne eine Krankheit ausschlagen wie ein Angebot im Supermarkt. Herr Minister Sellering, das wollen Sie doch nicht im Ernst?! Deshalb sollten wir dieser Seite der Gesundheitsreform auf keinen Fall zustimmen. Meine Partei plädiert konsequent für eine stabile Beitragsfi nanzierung, indem die Wachstumsschwäche der beitragspfl ichtigen Einnahmen dadurch beseitigt wird, dass wir alle Frauen und Männer, die an einem gesunden Leben interessiert sind, auch an der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung beteiligen. Wir plädieren dafür, im Interesse des Erhalts unseres fl ächendeckenden, wohnortnahen, bedarfsgerechten Gesundheitswesens hier auch die Beitragssätze zu erhöhen, um die Kassen zu stärken.
Bezüglich der solidarischen Finanzierung stimmt meine Partei vollkommen mit der Erklärung des SPD-Landesparteirates vom 27. Juni 2006 überein. Fast alle Mitglieder dieses Gremiums sind auch Mitglieder dieses Parlamentes. Ich hoffe, das erleichtert Ihnen die Zustimmung zu unserem Antrag.
(Werner Kuhn, CDU: Ihr seid nicht mehr in der Koalition. Sie brauchen sich gar nicht so anzustrengen. – Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS: Was nicht ist, kann ja wieder werden, Herr Kuhn.)
Die kostenmindernden Möglichkeiten, die mit dem Gesetz denkbar und auch realisierbar sind, wurden nicht eingeführt. Wir plädieren weiter dafür, die Mehrwertsteuer für Arzneimittel auf sieben Prozent zu senken, um die echten Kostentreiber im System zu reduzieren. Wir plädieren für die Einführung einer Positivliste, um auch hier kostenmindernde Maßnahmen einzusetzen.
Die Linkspartei.PDS hält auch an der Forderung fest, das duale System der Krankenhausfi nanzierung zu erhalten, um das System der bedarfsgerechten Krankenhausplanung in der Hand des Landes zu belassen und gerade die Krankenhäuser als wichtige Elemente des Gesundheitswesens zu stärken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, die Bundesgesundheitsministerin begründet den vorgelegten Gesetzentwurf mit der Notwendigkeit, einen Kompromiss zwischen den verschiedenen Interessengruppen zu fi nden. Wenn dabei allerdings die eigentlichen Zielstellungen verloren gehen, sind Kompromisse nichts wert. Es geht nicht um den Nachweis von Kompromissfähigkeit von Politikern, sondern um den Nachweis, Antworten und Lösungen auf drängende Fragen unserer Zeit zu fi nden. Dieser Nachweis ist mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht erbracht, was nicht zuletzt die Turbulenzen – Herr Ratjen hat es erwähnt – in der heute Nacht zu Ende gegangenen Sitzung des Gesundheitsausschusses des Bundestages verdeutlicht. Ich bitte deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag und beantrage die getrennte Abstimmung der beiden Punkte.
(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Was, Harry will nicht drankommen?! – Harry Glawe, CDU: Nein. – Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS: Das ist ja langweilig. – Heiterkeit bei Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Brabbelt hier immer rum und will nicht reden. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)
Herr Professor Methling, Herr Glawe, können wir jetzt zur Abstimmung schreiten, wenn Sie Ihre Debatte beendet haben? – Danke schön.