Der Kollege Ritter hat mich darin bestärkt, dass ich nicht ganz so falsch liegen kann mit meiner Einstellung dazu. Er hat nämlich in einem Zwischenruf eben gesagt: Wir werden den Antrag in den Ausschuss bringen:
Wenn ich mir das mal ansehe, da wird über wirklich mehrere Punkte eine Arie angestimmt über ein Programm, das seit 2007 läuft. Ich gebe zu, dass es dick ist. Aber wenn man mal genau hineinguckt und sieht, in welche Kapitel es sich gliedert, dann mit den Trägern bei uns im Lande spricht, ist das ein gut verständliches und sehr gut angenommenes Programm. Und es ist auch so, dass ich keine Defizite sehe in der Umsetzung durch die Landesregierung. Wenn ich da welche sehen würde, wäre ich ja auch mit Ihnen einig und würde sagen, okay, dann bereden wir es hier.
Also ich kann nur eins sagen: Das Programm, da stimme ich Ihnen zu, ist grundsätzlich zu begrüßen, aber dazu brauchen wir keine Debatte im Landtag. Ich glaube auch, dass der zuständige EU-Kommissar gesagt hat, das ist mein bestes Stück. Das kann sein. Aber darüber zu diskutieren, muss ich Ihnen ehrlich sagen, ist uns die Zeit ein bisschen zu schade. Wir warten darauf, dass Sie in den Ausschuss kommen. Wenn es dort praktische Vorstellungen gibt, wie wir die Umsetzung und auch die Zukunftsgestaltung für dieses Programm verbessern können, dann sind wir wie immer dabei. Den Antrag selber, das werden Sie verstehen, den müssen wir ablehnen.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Andrejewski. Bitte, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist wahrlich ein Wischiwaschiantrag. Ganz toll finde ich den Punkt 3 der Beschlussvorlage, wo es heißt: „Der Landtag stellt fest, dass es auch in unserem Land weiterer Anstrengungen bedarf, um die Identität der Bürgerinnen und Bürger mit Europa zu verstärken.“
Ja, in der Tat, wenn eine Eurokrise die andere jagt und immer gewaltige Milliardensummen bereitgestellt werden müssen, um Pleiteländer, Schuldenmacher, Fälscher, Lügner, Spekulanten und Banken zu retten, ist
es ein bisschen schwierig, überschäumende Europabegeisterung zu wecken, ganz besondern wenn gleichzeitig Sozialleistungen gekürzt oder gar gestrichen werden wie etwa das Elterngeld für Hartz-IV-Empfänger. Alles, was in Deutschland an finanziellen Mitteln dringend benötigt würde zur Bekämpfung von Kinderarmut, zur Förderung von Familien, für die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung besonders im ländlichen Raum, für die Schule, die Stadtbibliothek, das Krankenhaus vor Ort, all das fließt nach Athen, Lissabon, Dublin und natürlich nach Brüssel.
Wer soll sich denn damit identifizieren? Als Europäer kann man sich außerdem nur fühlen, wenn man Europa auch kennt, sich also Reisen leisten kann. Dazu sind immer weniger Bürger in der Lage. Für viele sind schon die Fahrtkosten zum Arzt oder bei Behördenterminen zum zuständigen Amt ein Problem. Europa ist ein Luxusprojekt für Luxusgeschöpfe, ein Oberschichtenprojekt. Frau Borchardt hat sich ja auf die Geschichte bezogen und gesagt, die Identifikation mit Europa müsse aus der Geschichte erfolgen. Und da kann man sich ja mal fragen, welche Art Gebilde die EU eigentlich darstellt, ob das etwas historisch ganz Neues ist oder ob es Parallelen in der Geschichte gibt.
Da könnte einem die Hanse einfallen, aber die einzelnen Mitgliedsstädte hätten sich niemals so massive Eingriffe von einer Zentrale gefallen lassen, wie Brüssel es sich erlaubt. Das Römische Reich passt auch nicht, vielleicht von der Ausdehnung, aber nicht von der Organisation. Da war die Zentralgewalt stärker.
Was mir einfallen würde, das wäre die Polnisch-Litauische Union unter den Jagiellonen im 14. Jahrhundert. Dieser Staat entwickelte sich zu einem Spielzeug einer übernationalen Adelskaste. Die Nationalität war zweitrangig, ob Pole, Weißrusse, Ukrainer oder Litauer, es spielte keine Rolle, solange man nur dem Adel angehörte. Das nannte sich dann die „Goldene Freiheit der Aristokratie“. Die einfachen Leute, welchem Volk sie auch angehörten, die wurden hingegen getreten und ausgebeutet. Das ist ein echter Vorläufer der EU, die das Ganze im modernen Gewande darstellt.
Es entsteht eine übernationale Kaste von Funktionen aus allen Völkern, die das Zusammengehörigkeitsgefühl einer Oberschicht entwickeln, die abgehoben über das eigene Volk herrscht, wo die eigenen Völker immer arroganter werden, auch nicht unähnlich den SED-Bonzen der DDR. Das ist Internationalismus nach dem Geschmack solch nobler Herrschaften wie Sarah Wagenknecht und ihrer Genossen. Hummermahlzeiten, Privilegien und schöne Reisen, das ist das Europa der LINKEN. Damit können wir uns nicht identifizieren. Wir bleiben lieber national.
Es hat jetzt noch einmal das Wort für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Borchardt. Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wissen Sie, eigentlich hätte ich meine zweite Rede schon vorher schreiben können, bevor Sie geredet haben. Vielleicht könnten Sie darauf verzichten, überhaupt zu reden. Aber so leicht will ich es Ihnen auch nicht machen. Ich finde, bei aller Nichternsthaftigkeit sollten wir das Thema, was wir hier angesprochen haben, vielleicht doch mal ein bisschen ernster
nehmen. Sie können ja darüber lächeln, dass wir diesen Antrag gestellt haben. Aber darin stehen ganz konkrete Anforderungen an dieses Landesparlament.
Wollen wir denn wirklich die Landesregierung nicht auffordern, sich dafür einzusetzen, dass dieses Programm weiterhin gefördert wird? Sie kennen sich doch gut aus in der Förderlandschaft. Dieses Programm wird, wenn überhaupt, nur durch Verhandlungen weitergeführt, weil im Rahmen der mittleren Finanzplanung innerhalb der Europäischen Union dafür Geld zur Verfügung gestellt werden muss.
Ich habe darauf aufmerksam gemacht, wie viele Aufgaben auf die Europäische Union zukommen. Wir haben gemeinsam Mitglieder des Finanzausschusses, Mitglieder des Rechtsausschusses gehört, bei den unterschiedlichsten Institutionen, wo denn die Anforderungen insgesamt liefen. Ich habe nicht ein Wort darüber gehört, dass dieses Programm, was aus meiner Sicht wichtig ist, weitergeführt werden soll. Das wird untergehen, und zwar untergehen im Zusammenhang, dass wir ein Europa der Wirtschaft brauchen, die ökologischen Projekte mehr und mehr im Vordergrund stehen. Dagegen haben wir auch nichts. Aber das, was wir im Grunde genommen brauchen, dass die Initiativen unterstützt werden, dass sich die europäischen Völker näher kommen, dass wir mehr über Europa wissen und erfahren, das wird untergehen. Das wird so als Pillepalleprojekt weggeschmissen.
Ich will auch etwas dazu sagen, von wegen, die Landesregierung hat das alles so schön im Griff. Die Europäische Union, die Kommission stellt eindeutig fest, dass das Programm nicht so sehr bekannt ist in der Europäischen Union. Und wenn Sie sich mal damit befassen, inwieweit Mecklenburg-Vorpommern an diesem Programm beteiligt ist, ist es nun auch nicht gerade so rühmlich,
und zwar nicht nur für Projekte, wie man es eigentlich in dem Zusammenhang erwarten könnte, dass wir in der Grenzregion leben.
Was spricht denn eigentlich dagegen, dass man eine kontinuierliche Arbeit fortsetzt, dass man gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern darüber diskutiert, welche Probleme die unterschiedlichen Völker haben, wie wir Voreingenommenheit weiter abbauen können und so weiter und so fort. Zu all dem, glaube ich, bietet dieses Programm eine Möglichkeit.
Ich will auf der einen Seite auch sagen, wir führen Europa tage durch. Aus meiner Sicht sollte es zur Selbstverständlichkeit werden, dass wir über europapolitische Themen an Schulen, in Vereinen und Verbänden sprechen, und nicht nur innerhalb einer Woche, innerhalb eines Jahres oder wenn irgendjemand mal einen Aktionstag macht. Und wenn wir den Aktionstag hinter uns haben, dann ist Europa wieder weit weg und dann kümmern wir uns sehr wenig darum. Unter diesem Gesichtspunkt, glaube ich, wäre es notwendig, dass wir uns hier im Landtag Mecklenburg-Vorpommern eindeutig zu diesem Programm bekennen und uns auch mit den Schwachpunkten beschäftigen.
Ein Schwachpunkt, und daran kommen Sie nicht vorbei – und ich hoffe ja, dass Sie den Zwischenbericht gelesen haben, aber Sie sind ja europafähig und dann hoffe ich, dass Sie das sehr wohl gemacht haben –, ein Schwachpunkt war, und das sollte uns zu denken geben, in einem Punkt stellt die Europäische Kommission fest und weist darauf hin, dass sie zu dem Ergebnis kommt, dass die Gruppen, die im Rahmen der laufenden Aktivitäten am ehesten unterpräsentiert sind, die schwerer zu erreichenden Gruppen sind, wie beispielsweise Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung, Menschen aus sogenannten bildungsfernen Schichten und Senioren. Das sollte uns doch zu denken geben. Die Diskussionen, die wir hier mit der braunen Fensterfront haben, die laufen doch genau in den Bereichen, bei den angeblich bildungsfernen Schichten.
Und Ihre Akzeptanz holen Sie doch genau aus den bildungsfernen Schichten, auch in einer Diskussion gegen die Europäische Union.
Insofern wäre es ja zumindest einmal wichtig und notwendig, dass wir uns gemeinsam Gedanken machen würden, wie kommen wir denn genau mit diesem Programm an die bildungsfernen Schichten heran.
Wie kommen wir genau mit diesem Programm und der Förderung von den Vereinen weiter, die sich diese Aufgabe stellen? Wie kriegen wir die weiter unterstützt? Und Ihr Verweis auf den Ausschuss für Recht und Europa, der ist ja nur mehr als billig. Der ist nun wirklich mehr als billig, Herr Dr. Jäger. Im Europaausschuss können wir auf Eigeninitiative keinen Beschluss fassen. Das wissen Sie. Das heißt, wir können die Landesregierung über den Europaausschuss nicht im Rahmen der Selbstbefassung damit beauftragen, dass sie sich für dieses Programm einsetzt. Das geht einfach nicht. Das geht nur über einen Antrag durch den Landtag, der überwiesen worden ist. Sie kennen ja die Geschäftsordnung, darüber belehren Sie mich ja auch pausenlos.
Es wäre also durchaus notwendig, dass wir diesen Antrag in den Europa- und Rechtsausschuss mit reinnehmen und uns gemeinsam von der Landesregierung informieren lassen, wie sie zu diesem Programm steht, welche Initiativen in der nächsten Zeit entwickelt werden sollen und so weiter und so fort. Und wenn ich mir die Tagesordnung des Europa- und Rechtsausschusses angucke, dann können wir noch weitere Anträge stellen. Sie selber stellen ja keine Anträge. Da wird uns sicherlich noch vieles einfallen.
Ich kann Ihnen deutlich sagen, wir werden den Antrag stellen, dass wir uns mit diesem Programm beschäftigen, mit der Zwischenevaluierung beschäftigen, und dann werden wir hier im Landtag, nachdem wir die Ergebnisse gehört haben, auch wieder einen entsprechenden Antrag stellen.