Oder andere Alternative: Die Behörde leitet den bestehenden Rückforderungsanspruch des Hartz-IV-Empfängers gleich selber auf sich über und treibt das Geld selber ein. Die Herausgabe des Geschenks kann sogar dann verlangt werden, wenn der Beschenkte das Geschenk schon an einen Dritten weitergeben hat und so weiter, auch an einen Vierten oder Fünften. Es gibt zwar immerhin eine Wertgrenze. Überschreitet der Wert des Geschenks nicht den Regelsatz – im Augenblick 364 Euro –, muss es nicht zurückgefordert werden, aber ab 365 Euro schon.
Wie wird die Regelung in der Praxis durchgesetzt? Zum Teil mit Einschüchterung, man droht mit Sanktionen, Leistungskürzungen, Bußgeldern oder gar Strafverfahren wegen Sozialbetruges, falls auch nur ein Geschenk in den vergangenen zehn Jahren verschwiegen worden sein sollte. Hinzu kommt noch eine Bespitzelung, von der wohl nur die Spitze des Eisbergs zu sehen ist. Nötig wäre, wenn man das konsequent durchziehen wollte, eine komplette Durchleuchtung von zehn Lebensjahren sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich. Wir wissen nicht, welcher Stasimethoden man sich hierbei bedient. GEZ-Niveau dürfte das Mindeste sein.
Im Einzelnen sind die Regelungen kompliziert. Es kommt unter anderem darauf an, ob der Beschenkte das Geschenk vielleicht verkauft hat und sich mit dem Geld etwas leistete, was er sich sonst nicht hätte leisten können, also „entreichert“ ist, wie man das nennt, oder ob er durch die Rückgabe des Geschenks in eine Lage geriet, in der er seinen standesgemäßen Lebensstandard nicht mehr aufrechterhalten oder seinen Unterhaltspflichten nicht mehr nachkommen konnte, ob die Schenkung vielleicht im Rahmen einer sittlichen Pflicht erfolgt oder zwischen Ehegatten oder als Anstandsschenkung und so weiter und so fort. Jede Menge Hin und Her, jede Menge Sondertatbestände.
Allein der bürokratische Aufwand, das alles nachzuprüfen, ist der reine Wahnsinn. Im Mittelpunkt der Kritik muss aber stehen die Entmündigung von Menschen, nur
weil sie Arbeitslosengeld II beziehen. Jeder soll selbst entscheiden können, ob er ein Geschenk zurückfordert. Niemand darf dazu gezwungen werden, nur damit der Staat ein paar mehr Euros einsacken kann, die er dann sowieso nach Griechenland oder Brüssel überweist. – Vielen Dank.
Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Lassen Sie mich zunächst etwas Grundsätzliches ausführen zum Aufbau unseres Sozialstaates. Der ist von bestimmten Grundüberlegungen bestimmt.
Es gibt eine Grundüberlegung, das ist das sogenannte Versicherungsprinzip. Das heißt, ich zahle Versicherungsbeiträge ein und wenn der Leistungsfall eintritt, erhalte ich Leistungen daraus.
Ein anderer Aspekt ist der Versorgungsaspekt. Das war ein großes Thema damals im Bereich der Kriegsopferfürsorge. Das heißt, wo Leute Leib und Leben eingesetzt haben und mit Verletzungen nach Hause gekommen sind, ist der Staat eingetreten und hat ihnen aus diesen Gründen Leistungen zur Verfügung gestellt.
Und es gibt das Prinzip der Fürsorge. Diesem Prinzip der Fürsorge liegen Überlegungen der Nachrangigkeit zugrunde. Nachrangigkeit heißt, Hilfe erhält nicht, wer sich selbst helfen kann beziehungsweise die erforderliche Hilfe von Dritten, also von anderen erhält. Von diesem Nachrangigkeitsprinzip ist auch der Paragraf 528 BGB erfasst, „Rückforderung wegen Verarmung des Schenkers“.
Hier ist gerade schon ausgeführt worden, es müssen ein paar Tatbestände erfüllt sein, bevor der Paragraf 528 greift. Die Schenkung muss vollzogen sein und es muss Bedürftigkeit des Schenkers eingetreten sein, das heißt, er muss nicht mehr dazu imstande sein, den Unterhalt für sich oder für seine Angehörigen sicherstellen zu können. Dann kommt dieser Aspekt der Schenkungsrückforderung in Betracht.
Jetzt kommt das Wesentliche, worüber wir uns im Klaren sein müssen, nämlich was für ein Selbstverständnis haben wir. Denn der Antrag der NPD-Fraktion zielt darauf ab, mit den Folgen einer Schenkung die Allgemeinheit zu belasten, das heißt, derjenige, der sein Vermögen weggibt und bedürftig wird, belastet mit den Kostenfolgen die Allgemeinheit. Das ist der erste Punkt, den man dabei sehen muss. Und dann beschränkt sich dieser Antrag auch nur auf den SGB-II-Bereich, also nur auf den Bereich des Arbeitslosengeldes II. Was ist mit dem Bereich der Sozialhilfeleistung? Was ist mit dem Bereich der Pflege? Die werden hiervon nicht erfasst. Das heißt, da würden diese Dinge weiter greifen, nur beim Arbeitslosengeld II wäre es dann nicht so.
Im Kern will der Antrag darauf hinaus, dass er sagt, die Überleitung von Leistungsansprüchen auf die Behörde,
das sei alles Behördenwillkür, das sei ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Ein jeder muss selbst entscheiden können, ob er der Schenkungsrückforderung zustimmt oder nicht. Das kann er, indem er sagt, ich nehme die Leistungen nicht in Anspruch. Also wenn jemand einen Antrag stellt auf Arbeitslosengeld II und er wird damit konfrontiert, dass die Behörde ihm sagt, wissen Sie, dann prüfen wir auch das Thema Schenkungsrückforderung, und er will das nicht, dann muss er nur sagen, ich nehme die Sozialleistungen nicht in Anspruch, dann kann letztendlich diese Schenkung nicht auf die Behörde übergeleitet und von dieser zurückgefordert werden.
Es geht im Kern wirklich darum, ist man der Meinung, dass diese Dinge letztendlich kostenmäßig auf die Allgemeinheit und damit auf den Steuerzahler in jedem Falle sozialisiert werden sollen. Da sind die demokratischen Fraktionen dieses Hauses der Meinung, dass das deutlich zu weit geht.
Dann ist es auch so, dass der Beschenkte nicht völlig schutzlos ist. Natürlich gilt diese Frist von zehn Jahren, aber wenn jetzt der Schenker sich irgendwie schuldhaft in die Situation der Armut gebracht hat, kann das nicht zulasten des Beschenkten gehen. Das ist ein Aspekt dabei.
Ich habe von der Linksfraktion noch keine Äußerung gehört, dass diese Dinge quasi in jedem Falle auf die Allgemeinheit zu sozialisieren sind. Das tut mir leid, Frau Borchardt, solche Positionen von Ihnen sind mir nicht bekannt.
Alles in allem gibt es im Gesetz auch Schutzbestimmungen, die letztendlich den Beschenkten schützen. Wenn er Gefahr läuft, selbst den Lebensunterhalt für sich und seine Angehörigen nicht mehr in angemessener Art und Weise sicherstellen zu können, ist beispielsweise eine solche Schenkungsrückforderung nicht möglich. Die Schenkungsrückforderung bezieht sich auch immer nur auf den Teil der Notlage. Also nicht in jedem Fall ist der Gesamtwert der Schenkung zurückzufordern, sondern immer nur das, was letztendlich davon relevant ist.
Insgesamt ist dieser Antrag nicht zielführend und wird von uns abgelehnt. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Es hat noch einmal das Wort für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Andrejewski. Bitte, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist in der Tat eine interessante Frage, ob Herr Heydorn hier für alle anwesenden Landtagsabgeordneten gesprochen hat und alle Fraktionen, denn die Idee zu diesem Antrag habe ich aus einem Schriftwerk, was den Linken eigentlich eher nahesteht.
Das ist der SGB-II-Leitfaden, Leitfaden Arbeitslosengeld II vom Tacheles-Verein, in dem übrigens sogar vor Rechtsradikalen gewarnt wird, die Hartz-IV-Beratung machen.
Nichtsdestoweniger ist dieser Leitfaden sehr gut, eins meiner liebsten Arbeitsmittel. Und genau das, was ich hier vorgetragen habe, wird da auch gesagt. Wenn Sie dagegenstimmen wollen, bitte, dann stimmen Sie eben gegen den Tacheles-Verein.
(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Wir stimmen gegen Ihren Antrag. Das machen wir auch gerne, nach wie vor.)
Na klar. Wenn morgen ein Asteroid auf die Erde stürzt und wir hätten die einzige Möglichkeit und die einzige Idee, um das abwenden zu können, dann würden Sie trotzdem dagegenstimmen, sich zerschmettern lassen und ein letztes Mal „Die Internationale“ singen. Hervorragend, Frau Borchardt! Bitte machen Sie das!
Zu Herrn Heydorns Ausführungen: Er hat da einige schöne Prinzipien genannt: Versorgungsprinzip, Fürsorgeprinzip, Nachrangigkeitsprinzip. Aber wie wäre es denn mit dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit? Wir reden hier vor allen Dingen über diesen Zeitraum von zehn Jahren. Wenn es um ein halbes Jahr ginge oder um ein paar Monate, jemand macht ein Geschenk, drei Monate später fällt er in Hartz IV, dann könnte man vielleicht noch darüber reden. Aber zehn Jahre?! Das bedeutet, jemand kommt in Arbeitslosengeld II, dann muss er dem Amt alle Geschenke auflisten, die er in zehn Jahren gemacht hat, und zwar alle. Das Amt entscheidet dann darüber, ob es vielleicht unter gewissen Umständen nicht zurückzuerstatten wäre, etwa wenn es ein Geschenk unter Verwandten ist. Ein Geburtstagsgeschenk oder ein Anstandsgeschenk, das muss man nicht zurückgeben. Stellen Sie sich mal in der Praxis vor, was man dann von ihm verlangt, dass er nach sieben, acht, neun, zehn Jahren bei einem Bekannten vorbeigehen und sagen soll, ich habe dir mal etwas geschenkt vor langer Zeit, das möchte ich zurückhaben, weil ich in Harzt IV bin. Ich muss das jetzt dem Staat beantworten. Das zerstört doch alle menschlichen Beziehungen.
Es wird auch von Leuten verlangt, die nicht in Hartz IV sind, die ganz normale Arbeitnehmer sind, quasi von jedem bis auf eine kleine privilegierte Schicht, dass sie Buch führen über jedes Geschenk, das sie irgendwem machen, denn es könnte ja sein, dass sie mal in Hartz IV geraten, und dann müssen sie das offenlegen. Wenn sie es nicht offenlegen und das Amt kriegt das durch Tausend Fangarme irgendwie raus, dann sind sie dran wegen Sozialbetrugs oder zumindest wegen einer Ordnungswidrigkeit.
Wenn es nur um kurze Zeiträume ginge, könnte man darüber reden, aber diese Regelung ist total unverhältnismäßig, greift in der Tat massiv in die Persönlichkeitsrechte ein. Es geht auch nicht um allzu große Summen. Da könnte der Staat durchaus mal Persönlichkeits- und Menschenwürde, die er sonst immer hochhält, an die erste Stelle setzen und auf die paar Euro verzichten, die er da einsackt. – Vielen Dank.
Die Fraktion der NPD hat gemäß Paragraf 91 Absatz 1 der Geschäftsordnung zum Antrag auf Drucksache 5/4270 eine namentliche Abstimmung beantragt.
Meine Damen und Herren, wir beginnen nun mit der Abstimmung. Dazu werden Sie hier vom Präsidium aus namentlich aufgerufen und gebeten, vom Platz aus Ihre Stimme mit Ja, Nein oder Enthaltung abzugeben. Damit Ihr Votum hier korrekt erfasst werden kann, bitte ich Sie, sich nach Aufruf, wenn möglich, von Ihrem Platz zu erheben und Ihre Stimme laut und vernehmlich abzugeben. Darüber hinaus bitte ich alle im Saal Anwesenden, während der Abstimmung von störenden Gesprächen Abstand zu nehmen.